Lastenheft im Rahmen von Softwareüberlassungs- und Wartungsverträgen

Das Lastenheft gewinnt für viele Unternehmen immer mehr an Bedeutung, da durch Industrie 4.0 die Digitalisierung voranschreitet und mit ihr die Bedeutung von maßgeschneiderten Softwarelösungen wächst. Unternehmen stehen vor der Herausforderung, Software effizient und rechtssicher zu überlassen, anzupassen und zu warten. Ein elementarer Bestandteil dieser Prozesse ist die genaue Definition der Anforderungen und deren Umsetzung, die in den sogenannten Lastenheften festgehalten werden.

Diese Dokumente dienen nicht nur als technische Vorgaben, sondern auch als rechtliche Grundlage für Softwareüberlassungs- und Wartungsverträge. Dieser Beitrag gibt Unternehmen einen umfassenden Überblick über die Rolle, den Inhalt und die rechtlichen Konsequenzen von Lastenheften sowie Best Practices für deren Erstellung.

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I. Was ist das Lastenheft?

Ein Lastenheft bildet einen zentralen Bestandteil der Anforderungen eines Softwareprojekts und wird ausschließlich vom Auftraggeber erstellt. Es beschreibt die Gesamtheit der Erwartungen und Ziele, die das Projekt erfüllen soll, ohne dabei konkrete technische Lösungen vorzugeben. Wesentliche Bestandteile des Lastenhefts sind funktionale Anforderungen, organisatorische und technische Rahmenbedingungen sowie spezifische Wünsche oder Vorgaben des Auftraggebers. Es dient in erster Linie als Basis für die Angebotsabgabe durch potenzielle Auftragnehmer und legt die Grundlage für die späteren Verhandlungen über den Projektumfang. Anders als das Pflichtenheft bleibt das Lastenheft auf einer übergeordneten Ebene und ist kein technisches Umsetzungskonzept.1

II. Rechtliche Grundlagen

Die rechtliche Relevanz von Lastenheften ist zentral, da sie oft nicht nur technische Spezifikationen enthalten, sondern auch Vertragsbestandteil werden. Für das gesamte Projekt spielt das Lastenheft dabei eine besondere Rolle, da es die Grundlage für die Erstellung des späteren Projektvertrag bildet.

Im Lastenheft dokumentiert der Auftraggeber die Anforderungen an die zu entwickelnde Software aus der Perspektive der Nutzer und des Unternehmens. Es legt fest, welche Funktionen, Eigenschaften und Ziele die Software erfüllen soll, ohne jedoch die technische Umsetzung zu spezifizieren. Ein klar formuliertes Lastenheft ist essenziell, um Missverständnisse und spätere Streitigkeiten zu vermeiden. Laut Rechtsprechung kann das Fehlen eines Lastenhefts dazu führen, dass die erstellte Softwareleistung mit dem allgemeinen Stand der Technik übereinstimmen muss.

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Urteilsreport – Aus dem Urteil (OLG Frankfurt, 17.08.2017 – 5 U 152/16) geht hervor, dass klare und detaillierte Dokumente (z. B. das Lastenheft) dazu beitragen können, die Anforderungen präzise zu definieren und Missverständnisse sowie Streitigkeiten während der Projektabwicklung zu vermeiden. Bei agilen Projekten ist jedoch häufig kein traditionelles Lastenheft vorhanden, was zu Unsicherheiten bei der rechtlichen Einordnung der geschuldeten Leistungen führen kann.

In dem verhandelten Fall war unklar, ob die Anforderungen an das Projekt ausreichend spezifiziert wurden und ob ein Lastenheft als Grundlage existierte. Die Problematik bei fehlenden oder unzureichend spezifizierten Lastenheften liegt darin, dass der Auftragnehmer dennoch eine den Anforderungen entsprechende Leistung schuldet, die zumindest dem Stand der Technik entspricht, wenn keine weiteren Festlegungen getroffen wurden.

Das Urteil verdeutlicht daher die Bedeutung einer klaren Spezifikation von Anforderungen – entweder durch ein Lastenheft oder vergleichbare Dokumentationen.

Insbesondere bei komplexen IT-Projekten, wie der Einführung eines ERP-Systems, zeigt sich die Bedeutung eines detaillierten Lastenhefts. Ohne präzise Anforderungen besteht die Gefahr, dass die gewählte Softwarelösung die tatsächlichen Bedürfnisse des Auftraggebers nicht erfüllt. Hierbei ist das Lastenheft entscheidend für die Auswahl geeigneter Anbieter und Produkte. Fehlerhafte oder unvollständige Lastenhefte können zudem rechtliche Risiken bergen, da sie die Grundlage für die Definition der Soll-Beschaffenheit der Leistung darstellen.2

Neue Anforderungen an digitale Produkte und Software

Mit der Einführung der §§ 327 ff. BGB hat der Gesetzgeber die Bereitstellung digitaler Produkte umfassend geregelt. Digitale Produkte – wie Software – unterliegen nun sowohl subjektiven als auch objektiven Anforderungen. Die subjektiven Anforderungen (§ 327e Abs. 2 BGB) umfassen beispielsweise die Funktionalität und Kompatibilität gemäß Vereinbarung. Objektive Anforderungen (§ 327e Abs. 3 BGB) orientieren sich an der gewöhnlichen Verwendung und dem, was Verbraucher üblicherweise erwarten können.

Besonders hervorzuheben ist die Pflicht zur Bereitstellung von Aktualisierungen (§ 327f BGB). Unternehmen müssen Sicherheits- und Funktionsupdates für digitale Produkte während eines „maßgeblichen Zeitraums“ sicherstellen, der über die Gewährleistungsfrist hinausreichen kann. Diese Verpflichtung erfordert eine frühzeitige Planung, insbesondere bei komplexen Produkten, deren Komponenten über mehrere Lieferketten verteilt sind.

Zudem sind Änderungen an digitalen Produkten nur unter strengen Bedingungen erlaubt (§ 327r BGB). Unternehmen müssen den Verbraucher über Änderungen klar informieren, dürfen keine zusätzlichen Kosten verursachen und müssen sicherstellen, dass der Verbraucher das geänderte Produkt weiterhin nutzen kann oder eine Vertragsbeendigung ermöglicht wird.

Die Neuregelungen bringen sowohl Vorteile für Verbraucher als auch Herausforderungen für Unternehmen, insbesondere im Hinblick auf die Einhaltung der vielfältigen rechtlichen Anforderungen.3

Mangelbegriff in Softwareprojekten

In Softwareprojekten spielen Mängel eine zentrale Rolle, da sie sowohl die Qualität als auch die Funktionstauglichkeit der erbrachten Leistungen direkt beeinflussen können. Nach § 633 Abs. 1 und 2 BGB liegt ein Sachmangel vor, wenn die vereinbarte Beschaffenheit fehlt oder das Werk nicht für die nach dem Vertrag vorausgesetzte oder gewöhnliche Verwendung geeignet ist. In Fällen ohne explizite Vereinbarungen wird eine Lösung entsprechend dem Stand der Technik geschuldet, wobei ein mittlerer Ausführungsstandard als Maßstab dient.

Besonders in der Softwareentwicklung zeigt sich die Herausforderung, dass eine völlige Fehlerfreiheit praktisch nicht erreichbar ist. Ein Mangel im rechtlichen Sinne liegt jedoch erst dann vor, wenn tauglichkeitsmindernde Fehler auftreten, die die Nutzung wesentlich beeinträchtigen. Darüber hinaus wird der Werkunternehmer in die Pflicht genommen, aktiv an der Klärung von Anforderungen mitzuwirken. Er ist verpflichtet, unzureichende Angaben des Bestellers zu erkennen und diese zu hinterfragen, um gemeinsam eine fehlerfreie Umsetzung zu gewährleisten.

Typische Mängel können unzureichende Programmdokumentation, fehlerhafte Arbeitsgeschwindigkeit oder eine mangelnde Datensicherung umfassen. Diese Mängel erfordern sowohl präzise Anforderungen als auch eine sorgfältige Ausführung, um die vertraglich geschuldete Leistung sicherzustellen.4

Mangelbeseitigung durch Softwareupdates in der Praxis

Das Urteil des OLG Koblenz (Az. 1 U 1552/18) verdeutlicht die rechtlichen Rahmenbedingungen der Mangelbeseitigung durch Softwareupdates. Ein Mangel liegt gemäß § 434 BGB vor, wenn ein Produkt nicht den vertraglich vereinbarten Anforderungen entspricht oder aufgrund regulatorischer Vorgaben in seiner Nutzung eingeschränkt wird.

Ein den Mangel behebendes Softwareupdate wird vom Gericht grundsätzlich als geeignete Nachbesserung im Sinne von § 439 BGB bewertet. Die Durchführung einer solchen Nachbesserung entbindet den Verkäufer von weiteren Ansprüchen des Käufers, sofern der ursprüngliche Vertragszweck erfüllt bleibt und keine neuen Mängel entstehen. Problematisch kann jedoch sein, ob durch das Update die langfristige Funktionsfähigkeit oder Lebensdauer des Produkts beeinträchtigt wird, was potenziell zu weiteren rechtlichen Konflikten führen könnte.

Darüber hinaus weist das Urteil darauf hin, dass die Verjährung der Mängelansprüche nach § 438 Abs. 1 Nr. 3 BGB in der Regel zwei Jahre nach Übergabe des Produkts eintritt, es sei denn, es liegt eine arglistige Täuschung vor. Diese Regelung unterstreicht die Notwendigkeit rechtzeitiger Nachbesserungsansprüche und sorgfältiger vertraglicher Vereinbarungen, insbesondere bei komplexen Produkten wie Software.5

III. Unvollständiges Lastenheft – Rechtsfolgen

Unpräzise oder unvollständige Dokumentationen im Lasteneheft stellen ein erhebliches Risiko für die erfolgreiche Durchführung von Softwareprojekten dar. Wenn Anforderungen unklar bleiben, entstehen Missverständnisse zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer, die oft zu Verzögerungen, Mehrkosten oder gar zum Scheitern des Projekts führen. Das OLG Düsseldorf (Az. 22 U 192/13) hat in seinem Urteil hervorgehoben, dass insbesondere bei Werkverträgen der Auftragnehmer die Beweislast für die vollständige und mangelfreie Erbringung der vereinbarten Leistung trägt.

Fehlt eine ausreichende Dokumentation der Anforderungen oder wird diese nicht aktualisiert, entstehen Unsicherheiten darüber, welche Leistungen geschuldet sind. Das Urteil verdeutlicht, dass der Auftragnehmer dennoch verpflichtet ist, eine funktionstaugliche und dem Stand der Technik entsprechende Leistung zu erbringen. Gleichzeitig obliegt es dem Auftraggeber, seine Anforderungen klar und nachvollziehbar zu kommunizieren, um Streitigkeiten bei der Abnahme oder über mögliche Mängel zu vermeiden.6

IV. Best Practices für die Erstellung eines Lastenhefts

Ein effizientes Lastenheft zeichnet sich durch eine klare Definition des Leistungsumfangs aus, bei der sowohl funktionale als auch nicht-funktionale Anforderungen wie Wartbarkeit, Sicherheit und Usability präzise beschrieben werden. Die technischen Rahmenbedingungen wie Hardwareanforderungen, Betriebssysteme und Systemumgebungen sollten klar spezifiziert sein, um die Integrationsfähigkeit sicherzustellen.7 Bei der Festlegung der technischen Rahmenbedingungen sollte auch berücksichtigt werden, ob die Software in einer Colocation Infrastruktur betrieben wird, um entsprechende Anforderungen an Hardware und Netzwerkverbindungen zu definieren,

  • Klare Definition des Leistungsumfangs
    Der Leistungsumfang sollte detailliert und präzise beschrieben werden. Dazu zählen funktionale und nicht-funktionale Anforderungen, wie Wartbarkeit, Sicherheit, Usability, Antwortzeitverhalten sowie datenschutzkonforme Verarbeitung personenbezogener Daten.
  • Berücksichtigung technischer Rahmenbedingungen
    Außerdem sollten im Lastenheft die technischen Voraussetzungen und die Systemumgebung spezifiziert werden. Dazu gehören Hardwareanforderungen, Betriebssysteme, Datenmanagementsysteme und andere relevante IT-Komponenten.
  • Standardisierte Methoden und Vorlagen
    Mit der Verwendung etablierter Standards, wie dem IEEE-Standard 830:1998 oder dem V-Modell XT, wird für eine einheitliche und nachvollziehbare Dokumentation gesorgt. Modellierungssprachen wie UML können zusätzlich die Klarheit und Verständlichkeit erhöhen.
  • Berücksichtigung der Benutzeranforderungen
    Anforderungen sollten stets aus der Perspektive der Nutzer definiert werden, um sicherzustellen, dass die entwickelte Software deren Bedürfnissen entspricht. Dies schließt die Integration von Benutzerfeedback und die iterative Verbesserung ein.
  • Gemeinsame Erarbeitung
    Die Zusammenarbeit zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer ist entscheidend. Workshops können genutzt werden, um die betrieblichen Anforderungen des Auftraggebers und die technischen Möglichkeiten des Auftragnehmers abzustimmen.
  • Flexibilität für Änderungen
    Zuletzt sollte im Lastenheft Raum für Anpassungen eingeräumt werden, insbesondere wenn sich während des Projekts technische oder organisatorische Rahmenbedingungen ändern. Solche Änderungen müssen klar dokumentiert und kommuniziert werden.

V. Literaturverzeichnis

  1. Förster, C. (2024): IT-Vertragsrecht: Teil 3 – Softwareentwicklungsvertrag, in: Multimedia und Recht (MMR), S. 474 ff.
  2. Heydn, Truiden. „Agile Softwareprojekte: Probleme und Vertragsgestaltung.“ MMR 2020, S. 284–289.
  3. Schöttle, H. (2021). Software als digitales Produkt: Was bringen die gesetzlichen Neuregelungen? In: MMR 2021, S. 683 ff.
  4. Kummermehr, M. J. (2022). Mangelbegriff in Softwareprojekten. In: Kröger, A., Zittel, T., Fauser, S., & Kummermehr, M. J., FormularBibliothek Zivilprozess – Schuldrecht (4. Auflage), Rn. 587–591.
  5. OLG Koblenz, Urteil vom 6.6.2019 – 1 U 1552/18, NJW 2019, 2246.
  6. OLG Düsseldorf, Urteil vom 25.07.2014 – 22 U 192/13, BeckRS 2014, 22426.
  7. Redeker, D. (2023). Lastenheft und Pflichtenheft. In: IT-Recht, 8. Auflage, Rn. 315-326.
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  • Studium der Rechtswissenschaften in Marburg und Bonn
  • Rechtsreferendariat am Landgericht Hagen
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Schwerpunkt:

  • Im Studium – Wirtschaft und Wettbewerb
  • Im Beruf – Haftpflicht-Schaden