Kontoführungsgebühren: BGH stärkt Verbraucherrechte

Stellen Sie sich vor, Sie zahlen jahrelang Kontoführungsgebühren, ohne je bewusst zugestimmt zu haben – und eines Tages erfahren Sie: Das war unzulässig.

Genau das war die Ausgangssituation für viele Kunden der Sparkasse, die nun auf ein bahnbrechendes Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) hoffen können. Am 19. November 2024 (Az. XI ZR 139/23) urteilte der BGH, dass Gebühren wie die Kontoführungsgebühren, die ohne aktive Zustimmung erhoben wurden, rückwirkend zurückgefordert werden dürfen.

Die Richter kippten die Praxis der sogenannten Zustimmungsfiktion, bei der Schweigen als Zustimmung gewertet wurde – eine Klausel, die laut BGH unzulässig ist (vgl. § 305c I BGB). Zugleich stellte das Gericht klar, dass die häufig bemühte Dreijahresverjährung aus dem Energielieferrecht (vgl. § 199 BGB) hier nicht gilt. Dies bedeutet, dass Kunden nicht nur jüngst erhobene Gebühren, sondern auch ältere Beträge zurückfordern können.

Schon insofern ist dieses Urteil nicht nur ein juristischer Meilenstein, sondern auch eine Warnung an Banken, die wie die Sparkassen ihre Kontogebühren ohne rechtliche Grundlage erhoben haben. Für viele Betroffene, die sich bislang nicht gegen die Beträge gewehrt haben, könnte dies daher nun eine zweite Chance bedeuten – und ein starkes Signal dafür, Verbraucherrechte konsequent durchzusetzen.

Doch was heißt das für die Praxis? Wie erkennen Sie, ob auch Ihre Gebühren unzulässig waren? Und welche Rolle spielen die Kontoführungsgebühren bei der Steuer?

 

 

Rechtslage: Aktive Zustimmung ist unerlässlich für Kontoführungsgebühren

1. Die Zustimmungsfiktion – Ein juristischer Brennpunkt

Die sogenannte Zustimmungsfiktion war über Jahre hinweg ein gängiges Mittel in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) von Banken, um Gebührenanpassungen durchzusetzen. Durch diese Klausel wurden Änderungen – etwa die Einführung oder Erhöhung von Kontoführungsgebühren – automatisch wirksam, wenn Kunden nicht innerhalb einer bestimmten Frist widersprachen. Schweigen galt als Zustimmung.

Bereits 2021 erklärte der Bundesgerichtshof (BGH) diese Praxis für unzulässig (Urt. v. 27.04.2021, Az. XI ZR 26/20).

Die Begründung: Solche Klauseln benachteiligen Verbraucher unangemessen und widersprechen wesentlichen Schutzvorschriften des BGB. Besonders § 305c I BGB, der überraschende und benachteiligende Klauseln für unwirksam erklärt, spielte dabei eine Schlüsselrolle.
Für Kunden, die jahrelang Kontoführungsgebühren oder andere Entgelte ohne aktive Zustimmung zahlten, bedeutete dieses Urteil eine wichtige Rechtsgrundlage für Rückforderungen.

 

2. Das aktuelle Urteil: Mehr Schutz, weniger Einschränkungen

Mit seinem neuen Urteil vom 19. November 2024 (Az. XI ZR 139/23) hat der BGH die Rechte von Verbrauchern weiter gestärkt. Die Richter stellten klar, dass Kontoführungsgebühren der Sparkasse oder anderer Institute, die auf einer Zustimmungsfiktion beruhen, unrechtmäßig sind – und zwar unabhängig davon, ob die Kunden jahrelang widerspruchslos zahlten.

Zwei Kernaspekte des Urteils sind entscheidend:

  • Unzulässige Gebühren können zurückgefordert werden: Auf Grundlage von § 812 I S. 1 Alt. 1 BGB können Bankkunden unrechtmäßig erhobene Gebühren vollständig zurückfordern. Dieser Anspruch ergibt sich aus dem Prinzip der ungerechtfertigten Bereicherung, wonach Leistungen, die ohne rechtlichen Grund gezahlt wurden, zurückzugeben sind.
  • Keine Dreijahresregelung: Anders als bei Energielieferverträgen (vgl. § 199 BGB) kann die sogenannte Dreijahreslösung im Bankenrecht nicht angewandt werden. Stattdessen gelten die allgemeinen Verjährungsregeln nach § 195 BGB – also drei Jahre ab dem Zeitpunkt, an dem der Kunde Kenntnis von der unzulässigen Gebühr erlangt.

 

3. Der Fall: Sparkasse verliert vor dem BGH – neues Urteil zu Kontoführungsgebühren

Das Urteil basierte auf einem Fall, bei dem ein Kunde von 2018 bis 2021 Kontoführungsgebühren an die Sparkasse gezahlt hatte, die ohne seine ausdrückliche Zustimmung erhoben wurden. Erst 2021 beanstandete er die Gebühren und forderte 192 Euro zurück.

Die Vorinstanzen, darunter das Landgericht Ingolstadt, wiesen die Klage ab. Sie argumentierten, dass die Dreijahreslösung, die bei Energielieferverträgen greift, auch im Bankenrecht Anwendung finden müsse. Der BGH hingegen entschied zugunsten des Klägers, hob das Urteil auf und verpflichtete die Sparkasse zur vollständigen Rückzahlung. Zudem wurde festgelegt, dass die Sparkasse für zukünftige Schäden haftet, die durch ähnliche unzulässige Einziehungen entstehen könnten.

 

4. Juristische Signalwirkung: Verbraucherrechte im Fokus

Kontoführungsgebühren stehen nach diesem Urteil auf dem Prüfstand. Es ist ein deutliches Signal:

Banken dürfen die Rechte ihrer Kunden nicht durch missbräuchliche Klauseln einschränken. Schweigen ist keine Zustimmung.

Zudem erweitert das Urteil die Möglichkeiten zur Rückforderung erheblich: Wenn Sie eine Bankkundin sind, die Gebühren auf Basis der Entgeltabrechnung der Sparkasse oder anderer Institute ohne aktive Zustimmung gezahlt hat, können diese selbst nach Jahren noch zurückgefordert werden. Die Ablehnung der Dreijahresregelung sorgt dafür, dass sämtliche unrechtmäßigen Gebühren zurückgefordert werden können, solange die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren (vgl. § 195 BGB) nicht abgelaufen ist.

 

5. Relevante Rechtsnormen im Überblick

Sparkassen Kontoführungsgebühren – Was bedeutet das Urteil für Sparkassenkunden?

Das neue BGH-Urteil setzt die Sparkassen unter Druck und eröffnet ihren Kunden neue Möglichkeiten, unzulässig erhobene Kontoführungsgebühren zurückzufordern. Insbesondere Kunden, die jahrelang an die Sparkasse Kontoführungsgebühren oder andere Entgelte bezahlt haben, ohne aktiv zugestimmt zu haben, sollten jetzt ihre Rechte prüfen.

Entscheidend ist dabei, ob die Gebühren auf Basis der Zustimmungsfiktion erhoben wurden.

Rückforderungsansprüche bei Kontoführungsgebühren: Jetzt aktiv werden

Viele Betroffene stoßen auf die strittigen Gebühren erst bei genauer Prüfung ihrer Kontoauszüge oder Entgeltabrechnungen. Ein aktuelles Urteil eröffnet ihnen nun die Chance, diese Beträge vollständig zurückzufordern – selbst dann, wenn sie über Jahre hinweg gezahlt wurden. Der ausschlaggebende Grund hierfür ist, dass ein Schweigen der Kunden nicht als Zustimmung zu höheren Kontoführungsgebühren oder anderen Anpassungen gewertet werden kann.

Gleichzeitig enthält das Urteil zudem eine wesentliche zeitliche Einschränkung:

Die Verjährungsfrist von drei Jahren (§ 195 BGB) beginnt erst, wenn der Anspruch bekannt ist (§ 199 Absatz 1 BGB). Kunden, die erst kürzlich von der Unzulässigkeit der Gebühren erfahren haben, können somit auch Ansprüche für ältere Zahlungen noch geltend machen.

Ein Blick auf die Steuer: Kontoführungsgebühren steuerlich absetzen

Neben der Rückforderung bietet das Urteil auch Anlass, über die steuerliche Seite von Kontoführungsgebühren nachzudenken. Viele Kunden wissen nicht, dass diese Gebühren unter bestimmten Voraussetzungen steuerlich absetzbar sind.

  • Berufliche Nutzung: Wenn ein Konto beruflich genutzt wird, etwa für Überweisungen im Zusammenhang mit Mietobjekten oder beruflichen Einnahmen, können die Gebühren als Werbungskosten geltend gemacht werden (vgl. § 9 EStG).
  • Pauschalbetrag: Das Finanzamt akzeptiert für solche Konten in der Regel eine Pauschale von 16 Euro pro Jahr, ohne dass eine detaillierte Aufstellung erforderlich ist.

Gerade Selbstständige, die ihre Konten für geschäftliche Zwecke nutzen, sollten diesen Aspekt nicht außer Acht lassen. Auch private Konten können teilweise berücksichtigt werden, wenn ein klar abgrenzbarer beruflicher Anteil an den Transaktionen nachgewiesen wird.

Praktische Tipps: So holen Sie sich Ihre Kontoführungsgebühren zurück

Das neue BGH-Urteil hat vielen Bankkunden eine echte Chance eröffnet, unzulässig erhobene Kontoführungsgebühren zurückzufordern. Doch wie setzt man diesen Anspruch konkret durch?

Hier sind die wichtigsten Schritte, um aktiv zu werden:

1. Analysieren Sie Ihre Kontoauszüge auf Kontoführungsgebühren

Beginnen Sie mit einer genauen Überprüfung Ihrer Unterlagen. Suchen Sie in Ihren Kontoauszügen oder der Entgeltabrechnung nach Kontoführungsgebühren oder anderen unerwarteten Entgelten. Besonders wichtig: Prüfen Sie, ob die Gebühren ohne Ihre aktive Zustimmung erhoben wurden. Gemäß § 305c Abs. 1 BGB sind solche überraschenden Klauseln unwirksam.

2. Kontaktieren Sie Ihre Bank

Wenn Sie unzulässige Kontoführungsgebühren oder anderer Banken entdeckt haben, setzen Sie sich direkt mit Ihrem Institut in Verbindung.

  • Fordern Sie eine Rückzahlung: Verweisen Sie auf das BGH-Urteil von 2021 (Az. XI ZR 26/20), dass die Zustimmungsfiktion für unwirksam erklärt hat, und auf das aktuelle Urteil von 2024 (Az. XI ZR 139/23), das Rückforderungsansprüche auch für mehrere Jahre bestätigt.
  • Berufen Sie sich auf Ihre Rechte: Grundlage Ihrer Forderung ist § 812 I S. 1 Alt. 1 BGB, der Ihnen das Recht einräumt, unrechtmäßig gezahlte Gebühren zurückzuverlangen. Falls die Bank sich auf Verjährung beruft, weisen Sie auf die allgemeine Verjährungsregelung nach §§ 195, 199 BGB hin.

3. Lassen Sie sich rechtlich zu Kontoführungsgebühren beraten

    Falls Ihre Bank nicht kooperativ ist oder Sie unsicher sind, wie Sie weiter vorgehen sollen, ist es ratsam, rechtliche Unterstützung einzuholen.

    • Verbraucherzentralen: Viele Verbraucherzentralen bieten Beratungen an und unterstützen Sie beim Einreichen von Forderungen.
    • Anwälte für Bankenrecht: Ein spezialisierter Anwalt kann helfen, Ihre Ansprüche durchzusetzen – besonders, wenn größere Summen im Spiel sind.

    4. Denken Sie an die Steuer

      Vergessen Sie nicht, die steuerliche Seite zu berücksichtigen: Kontoführungsgebühren können in bestimmten Fällen geltend gemacht werden, insbesondere wenn das Konto beruflich genutzt wird. Das Finanzamt akzeptiert für solche Fälle oft eine Pauschale von 16 Euro (vgl. § 9 EStG).

      Häufig gestellte Fragen (FAQ) zu Kontoführungsgebühren

      Das aktuelle Urteil zeigt: Verbraucher haben mehr Rechte, als viele denken. Es lohnt sich, aktiv zu werden und sowohl finanzielle als auch steuerliche Vorteile konsequent zu nutzen.

      1. Kann ich alle unzulässigen Kontoführungsgebühren zurückfordern?

      Ja, grundsätzlich können Sie sämtliche unzulässigen Kontoführungsgebühren zurückfordern, wenn diese ohne Ihre aktive Zustimmung erhoben wurden. Entscheidend ist dabei, dass die allgemeine Verjährungsfrist von drei Jahren (§ 195 BGB) noch nicht abgelaufen ist. Gem. § 199 I BGB beginnt die Frist erst mit Kenntnis des Anspruchs – zum Beispiel, wenn Sie durch das aktuelle Urteil von 2024 (Az. XI ZR 139/23) erfahren, dass Ihre Gebühren unzulässig waren.

      2. Was bedeutet das Urteil konkret für die Sparkasse?

      Das Urteil hat weitreichende Konsequenzen für die Sparkassen und ihre Kunden. Insbesondere müssen Sparkassen, die Kontoführungsgebühren auf Basis der unwirksamen Zustimmungsfiktion erhoben haben, mit Rückforderungsansprüchen rechnen. Diese Ansprüche können nicht nur finanzielle Rücklagen belasten, sondern auch die zukünftige Struktur von Kontogebühren der Sparkasse beeinflussen. Es ist zu erwarten, dass Banken und Sparkassen ihre AGB und Gebührenmodelle nun transparenter gestalten müssen.

      3. Kann ich Kontoführungsgebühren steuerlich geltend machen?

      Ja, Kontoführungsgebühren können in der Steuererklärung angesetzt werden, wenn das Konto beruflich genutzt wird. Für beruflich bedingte Konten akzeptiert das Finanzamt in der Regel eine Pauschale von 16 Euro (vgl. § 9 EStG). Dies gilt beispielsweise für Selbstständige, Vermieter oder Arbeitnehmer, die Überweisungen im Zusammenhang mit beruflichen Einnahmen oder Vermietung tätigen.

      4. Gilt das Urteil zu Kontoführungsgebühren auch für andere Banken?

      Ja, das BGH-Urteil ist nicht auf die Sparkassen beschränkt. Es betrifft alle Banken, die ähnliche Klauseln wie die Sparkasse genutzt haben, um Kontoführungsgebühren oder vergleichbare Entgelte ohne aktive Zustimmung ihrer Kunden zu erheben.

      5. Wie erkenne ich unzulässige Kontoführungsgebühren in meiner Entgeltabrechnung?

      Prüfen Sie Ihre Entgeltabrechnung und Kontoauszüge genau. Achten Sie auf Gebühren, die in den letzten Jahren ohne eine aktive Zustimmung Ihrerseits eingeführt oder erhöht wurden. Diese Gebühren können unzulässig sein und rückgefordert werden.

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      Jurawelt Redaktion

      Greta Schmid
      • Studentin der Rechtswissenschaften an der EBS Universität für Wirtschaft und Recht
      • Schwerpunktbereich: Recht der Digitalisierung
      • Auslandsaufenthalt am Chicago-Kent College of Law (USA)

      Jurawelt:

      • Redakteurin & Studentische Mitarbeiterin