Souverän bezeichnet den uneingeschränkten Herrscher eines Landes. Die Zeit, in der das Kaiser und Könige waren, haben wir in Deutschland seit 1918 – bis auf eine kleine Unterbrechung von 1933 bis 1945 – bereits hinter uns gelassen.
Heute wählt das Volk – alle volljährigen deutschen Staatsbürger – in allgemeinen, unmittelbaren, freien, gleichen und geheimen Wahlen seine Vertreter.
Über diesen Vorgang wird die legislative Souveränität auf das Parlament übertragen. Im Parlament wiederum wird die Exekutive gewählt. Die Entscheidungen der Exekutive haben in jüngster Zeit Grundrechte, wie die Versammlungsfreiheit oder das Recht auf Freizügigkeit, massiv eingeschränkt.
Tatsächlich kann etwa die Versammlungsfreiheit durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes beschränkt werden, vgl. Art. 8 Abs. 1 GG. Hierbei handelt es sich um den sogenannten Gesetzesvorbehalt.
Je länger eine solche Grundrechtseinschränkung allerdings dauert, desto höher sind die Voraussetzungen für deren Rechtmäßigkeit. Studierende der Rechtswissenschaften wenden in solchen Klausurfällen regelmäßig das Abwägungsprinzip der Verhältnismäßigkeit an. Die Maßnahme zur Einschränkung der Grundrechte muss demnach einen legitimen Zweck verfolgen und geeignet, erforderlich sowie verhältnismäßig sein. Nicht selten liegen zwischen der vom Klausursteller hierzu erstellten Klausurlösung und der Auffassung des Studierenden Welten.
Uneinigkeit erzeugen derzeit in Deutschland die Proteste der „Letzten Generation“ – allerdings nicht nur unter Juristen – sondern innerhalb der gesamten Gesellschaft. Aus Sicht der Aktivisten verletzt die Bundesregierung Ihre Pflicht aus Art. 20a GG die Lebensgrundlage für künftige Generationen zu erhalten. Woraus einige der Aktivisten Ihr Recht zum Widerstand nach Art. 20 Abs. 4 GG ableiten.
Auf Veranlassung der Generalstaatsanwaltschaft in München und der Bayerischen Zentralstelle zur Bekämpfung von Extremismus und Terror haben am 24. Mai 2023 Einsatzkräfte der Polizei und Justiz in verschiedenen Bundesländern Büroräume, aber auch Wohnungen von Mitgliedern der „Letzten Generation“ durchsucht. Insgesamt ermittelt das Landeskriminalamt Bayern gegen sieben Personen. Den Personen wird vorgeworfen eine kriminelle Vereinigung gebildet bzw. unterstützt zu haben.
Diese Maßnahme der Exekutive wurde in sozialen Medien wie Twitter von vielen Nutzern befürwortet – einigen ging die Maßnahme noch nicht weit genug. Andere wiederum hielten den Einsatz der Polizei für überzogen und bekundeten Ihr Verständnis gegenüber den Aktivisten.
Das im Grundgesetz verankerte Widerstandsrecht gibt jeder und jedem das Recht, sich gegen die Abschaffung oder Veränderung der Verfassung , sofern dies nicht auf dem vorgeschriebenen Weg geschieht, zur Wehr zu setzen. Eine festgelegte Form, wie der Widerstand auszusehen hat, gibt es jedoch nicht. Eine der Voraussetzungen ist jedoch, dass andere Rechtsmittel erfolglos geblieben sind. Schließlich soll das Widerstandsrecht nicht ausufern und schon angewandt werden, wenn man mit der momentanen Regierung oder ihren Einzelentscheidungen nicht zufrieden ist. Es ist die ultima ratio – kann allerdings jeden Deutschen dazu berechtigen gegen geltendes Recht zu verstoßen und im Extremfall sogar den Tyrannenmord legitimieren.
Allerdings würden die meisten den Anwendungsbereich des Art. 20 Abs. 4 GG schon nicht als eröffnet betrachten. Der Anwendungsbereich gilt als eröffnet, wenn der Staat selbst nicht mehr in der Lage ist das Gewaltmonopol auszuüben.
Letzten Endes zeigen die Aktionen der „Letzten Generation“ und die sich darin widerspiegelnde Rechtsauffassung, dass aus Sicht der Aktivisten der Klimawandel die mit Abstand größte Herausforderung für künftige Generationen sein wird.
Jetzt muss innerhalb unserer Gesellschaft die Debatte, die durch die „Letzte Generation“ angeheizt wurde, vernünftig ausgetragen werden.
Eine Schlüsselrolle hierbei sollten neben Juristen selbstverständlich führende Wissenschaftler im Bereich der Klimaforschung einnehmen. Bleibt abzuwarten, wie souverän das Volk diese Herausforderung meistern wird.
Wie bewertet Ihr das derzeitige Geschehen? Gerne könnt Ihr das in unserem Juraforum diskutieren.