Ständige Kontakte getrennt lebender Eheleute

Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht

Entscheidung:

8 UF 4/00.

Orientierungssatz:

Ständige Kontakte getrennt lebender Eheleute.

Gesetzliche Vorschriften:

BGB § 1565 I.

Leitsatz:

Ein Scheitern der Ehe nach § 1565 I BGB läßt sich nicht
feststellen, wenn
die getrennt lebenden Eheleute ständig Kontakte pflegen,
bei denen es auch
zum Geschlechtsverkehr kommt.

SchlHOLG, 1. FamS, Urteil vom 05. September 2000, – 8 UF
4/00 -,

8 UF 4/00
13 F 278/99 Amtsgericht Rendsburg

Verkündet am: 05.09.2000

als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle

Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht

Urteil

Im Namen des Volkes

In der Familiensache (Ehescheidung)

der Frau
– Antragsgegnerin und Berufungsklägerin –
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte

g e g e n

Herrn
– Antragsteller und Berufungsbeklagter –
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte

hat der 1. Senat für Familiensachen des
Schleswig-Holsteinischen
Ober-landesgerichts in Schleswig auf die mündliche
Verhandlung vom 22.
Au-gust 2000 durch den Vorsitzenden Richter am
Oberlandesgericht ,
den Richter am Oberlandesgericht und die Richterin
am Amtsgericht
für Recht erkannt:

Auf die Berufung der Antragsgegnerin wird das
Verbundurteil des
Amtsgerichts – Familiengericht – Rendsburg vom 14.
Dezember 1999 geändert.
Der Scheidungsantrag wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens werden dem Antragsteller
auferlegt.

T a t b e s t a n d

Die Parteien haben am 12. Januar 1968 die Ehe geschlossen.
Aus der Ehe sind
drei Kinder hervorgegangen, die volljährig sind. Die
Ehewohnung be-fand sich
in B. Dort ist der Ehemann am 1. August 1998 ausgezogen.
Er wohnt jetzt in R
mit einer neuen Lebensgefährtin. Sein Scheidungsantrag vom
28. Juli 1999 ist
am 16. Sep-tember 1999 zugestellt worden. Der Ehemann
begehrt die Scheidung
mit der Begründung, die Parteien lebten länger als ein
Jahr getrennt
vonein-ander, er sei zu einer Wiederherstellung der
häuslichen und ehelichen
Ge-meinschaft nicht mehr bereit. Es könne auch nicht
erwartet werden, dass
die eheliche Lebensgemeinschaft der Parteien
wiederhergestellt werde.
Die Ehefrau hat Zurückweisung des Scheidungsantrags
beantragt. Sie hat
geltend gemacht, die Ehe der Parteien sei nicht
gescheitert. Auch nach der
Trennung hätten beide regelmäßig Kontakt zueinander
gehabt. Dabei sei es
auch immer wieder zum Geschlechtsverkehr gekommen.

Das Familiengericht hat die Parteien im Termin vom 14.
Dezember 1999
angehört. Durch das angefochtene Urteil hat es die Ehe der
Parteien
ge-schieden und den Versorgungsausgleich geregelt. Gegen
die Regelung des
Versorgungsausgleichs hat die Landesversicherungsanstalt
Schleswig-Holstein
Beschwerde mit der Begründung eingelegt, die für die
Ehefrau er-teilte
Auskunft beruhe auf einer unrichtigen Ehezeit.
Mit ihrer Berufung macht die Ehefrau geltend, die Ehe der
Parteien sei nicht
endgültig zerrüttet. Sie halte an der Ehe fest, auch der
Ehemann wolle nicht
geschieden werden. Er habe sie bis heute immer wieder
besucht und ständig
telefonische Kontakte zu ihr unterhalten, was sich aus den
von ihr
vorgelegten Aufstellungen über die zeitliche Folge der
Be-suchskontakte
ergebe. Zuletzt habe er sie am 2. August 2000 morgens um
7.45 Uhr angerufen
und ihr seine Liebe bekundet.

Die Antragsgegnerin beantragt,
das angefochtene Urteil zu ändern und den
Scheidungsantrag
abzuweisen.

Der Antragsteller beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Er erwidert, dass er nach wie vor geschieden werden wolle.
Es habe nur
sporadische Kontakte zwischen den Parteien gegeben. Er
habe längst mit
seiner Lebensgefährtin ein neues Leben aufgebaut, in dem
für die
Antrags-gegnerin kein Platz mehr sei.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den
vorgetragenen
Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug
genommen.
Der Senat hat die Parteien im Termin vom 22. August 2000
angehört.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

Die Berufung der Ehefrau führt zur Aufhebung des
angefochtenen
Ver-bundurteils, weil der Scheidungsantrag des Ehemannes
derzeit nicht
be-gründet ist.
Nach § 1565 Abs. 1 BGB kann eine Ehe geschieden werden,
wenn sie
ge-scheitert ist. Die Ehe ist gescheitert, wenn die
Lebensgemeinschaft der
Parteien nicht mehr besteht und nicht erwartet werden
kann, dass die
Ehe-gatten sie wiederherstellen. Diese Voraussetzungen
sind nicht gegeben.
Die Zerrüttungsvermutungen des § 1566 BGB gelten hier
nicht. Nach Ab-satz 1
dieser Vorschrift wird unwiderlegbar vermutet, dass die
Ehe ge-scheitert
ist, wenn die Ehegatten seit einem Jahr getrennt leben und
beide Ehegatten
die Scheidung beantragen oder der Antragsgegner der
Schei-dung zustimmt.
Letztere Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt, die
An-tragsgegnerin
widerspricht dem Scheidungsantrag des Ehemannes.
Die unwiderlegbare Vermutung des Absatz 2 gilt nicht, weil
die Parteien noch
nicht seit drei Jahren getrennt voneinander leben.

Ein Scheitern der Ehe nach § 1565 Abs. 1 BGB lässt sich
nicht feststellen.
Das gilt einmal für das Nichtbestehen der ehelichen
Lebensgemeinschaft der
Parteien, für die das Fehlen einer häuslichen Gemeinschaft
nicht allein
entscheidend ist. Letzteres ist allenfalls ein Indiz
dafür, dass die
eheliche Lebensgemeinschaft nicht mehr besteht (BGH NJW
78, 1810).
Wesentlich für die eheliche Lebensgemeinschaft ist die
eheliche Gesinnung
der Par-teien, insbesondere das Maß der Gemeinsamkeiten,
das sie sich noch
er-halten haben (Palandt-Brudermüller, BGB, 59. Aufl., §
1565 Rdnr. 3).
Die-ser Gesichtspunkt spricht hier entscheidend gegen die
Aufhebung der
ehe-lichen Lebensgemeinschaft. Das ergibt sich eindeutig
aus der Anhörung
der Ehefrau vor dem Senat. Diese hat unter Bezugnahme auf
ihren Vortrag und
ihre schriftlichen Aufzeichnungen über die zeitliche
Abfolge der
Be-suchskontakte zwischen den Parteien in der Ehewohnung
detailliert und
glaubhaft geschildert, dass seit dem Auszug des Ehemannes
ständig Kontakte
zwischen den Parteien in der Ehewohnung stattgefunden
haben, wobei es auch
zum Geschlechtsverkehr gekommen ist. Sie hat auch
glaubhaft dargestellt,
dass diese Kontakte deswegen in der Regel morgens oder am
Vormittag
stattgefunden haben, weil die Lebensgefährtin des
Ehemannes in dieser Zeit
beruflich abwesend war und der Ehemann diese Gelegenheit
nutzte, um den
Kontakt zu ihr aufrechtzuerhalten.
Der Senat hat dem Ehemann Gelegenheit gegeben, hierzu
Stellung zu nehmen. Er
hat bei seiner Anhörung erklärt, dass er dazu nichts sagen
wolle und jede
weitere Erklärung abgelehnt. Aufgrund dieses Verhaltens
des Ehemannes ist
der Senat davon überzeugt, dass die Darstellung der
Ehefrau zutreffend ist.
Dann aber ist die eheliche Lebensgemeinschaft der Parteien
noch nicht
aufgehoben. Offenbar kann der Ehemann sich bis heute nicht
entscheiden, ob
er diesen Schritt endgültig vollziehen will. Selbst wenn
man davon ausgehen
würde, dass eine Lebensgemeinschaft zwischen den Parteien
derzeit nicht
besteht, schließt das Verhalten des Ehemannes eine
Prognose, dass die
Wiederherstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft nicht
erwartet werden
kann, aus. Sein Scheidungs-antrag ist jedenfalls derzeit
unbegründet.
Mit der Abweisung des Scheidungsantrags werden die im
Verbundurteil mit
entschiedenen Folgesachen gegenstandslos (§ 1629 Abs. 3
Satz 1 ZPO). Das
gilt damit auch für die von der Landesversicherungsanstalt
Schleswig-Holstein gegen die Regelung des
Versorgungsausgleichs eingelegte
Be-schwerde.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.