SchlHOLG: Gesamtschuldnerausgleich bei eheähnlicher Gemeinschaft

Entscheidungsveröffentlichung des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts

Veröffentlichungsdatum: 23.02.2001

Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht

Entscheidung:

14 U 120/00.

Orientierungssatz:

Gesamtschuldnerausgleich bei eheähnlicher Gemeinschaft.

Gesetzliche Vorschriften:

BGB §§ 730 ff.

Leitsatz:

Erwerben die Partner einer eheähnlichen Gemeinschaft
Wohnungseigentum je zur
ideellen Hälfte, ist es für die Auseinandersetzung bei
Scheitern der
Gemeinschaft unerheblich, dass sie den Kaufvertrag nicht
als GbR geschlossen
haben. Für die Anwendung der gesellschaftsrechtlichen
Auseinandersetzungsregeln kommt es allein auf eine
wirtschaftliche
Betrachtung an.

SchlHOLG, 14. ZS, Urteil vom 12. Januar 2001, – 14 U 120/00 -,

14 U 120/00
11 O 407/99 LG Kiel

Verkündet am: 12. Januar 2001

Justizangestellte
als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht

Urteil

Im Namen des Volkes

In dem Rechtsstreit

des Herrn

Beklagten und Berufungsklägers,
-Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte

gegen

Frau

Klägerin und Berufungsbeklagte,
-Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte

hat der 14. Zivilsenat des Schleswig-Holsteinischen
Oberlandesgerichts in
Schleswig auf die mündliche Verhandlung vom 15. Dezember
2000 durch … für Recht
erkannt:

Die Berufung des Beklagten
gegen das am 04.
April 2000 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 11.
Zivilkammer des
Landgerichts Kiel wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die
Kosten des
Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist vorläufig
vollstreckbar.

Der Wert der Beschwer
beträgt 35.075,09 DM.

Entscheidungsgründe:

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs.
1 ZPO abgesehen.

Die zulässige Berufung des Beklagten ist unbegründet.

Der Klägerin steht gegen den Beklagten ein
Ausgleichsanspruch nach den
Vorschriften über die bürgerlich-rechtliche Gesellschaft
in Höhe von
35.075,09 DM zu. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird in
erster Linie auf
die zutreffenden Entscheidungsgründe des angefochtenen
Urteils Bezug
genommen, die sich der Senat zu eigen macht. Die mit der
Berufung hiergegen
erhobenen Bedenken greifen nicht durch. Insoweit ist
ergänzend folgendes
auszuführen:

Mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung (BGH FamRZ
1999, 1580, 1582; BGH
MDR 1992, 679) geht der Senat davon aus, dass bei der
nichtehelichen
Lebensgemeinschaft auf das Erfordernis einer – auch
stillschweigend
vereinbarten – rechtsgeschäftlichen Begründung der
bürgerlich-rechtlichen
Gesellschaft verzichtet werden kann und dem nichtehelichen
Partner für seine
Beiträge eine Auseinandersetzung nach
gesellschaftsrechtlichen Regeln gemäß
den §§ 730 ff. BGB auch dann zugebilligt wird, wenn die
nichtehelichen
Partner kein ausdrückliches Gesellschaftsverhältnis
begründet haben, sondern
ein Grundstück nur in der Absicht gemeinsamer
Erwirtschaftung erworben
haben, das nach ihrer Vorstellung von ihnen nicht nur
gemeinsam genutzt
werden, sondern ihnen auch gemeinsam gehören sollte. Das
ist allerdings auch
die Mindestvoraussetzung, die vorliegen muß und hier ohne
weiteres vorliegt.
Denn die Parteien hatten das in F gelegene
Wohnungseigentum je zur ideellen
Hälfte erworben, wodurch der gemeinsame Erwerbswille nach
außen deutlich
wurde. Das unterscheidet den Fall bereits von den
Zweifelsfällen, mit denen
sich die Rechtsprechung früher zu befassen hatte. Der BGH
hatte nämlich
anfänglich angenommen, es spreche gegen die Absicht der
Partner, einen
gemeinschaftlichen Wert zu schaffen, wenn der eine zwar
Leistungen für den
Erwerb erbringe, nur der andere aber Eigentümer werde (BGH
FamRZ 1980, 664 =
BGHZ 77, 55). Daran hat der BGH später unter Hinweis
darauf nicht mehr
festgehalten, dass die formal-dingliche Zuordnung des
Gegenstandes nach
außen aus verschiedenen Gründen in den Hintergrund treten
könne, so dass die
Position des Alleineigentümers infolgedessen nicht in
jedem Falle ein
ausschlaggebendes Indiz gegen eine gemeinschaftliche
Wertschöpfung sei (BGH
MDR 1992, 679).
Diese Zweifelsfragen stellen sich für den vorliegenden
Kaufvertrag nicht,
weil die Parteien den Grundbesitz von vornherein zu je
einem
Miteigentumsanteil erworben und gerade damit die
gemeinschaftliche
Wertschöpfung nach außen zweifelsfrei deutlich gemacht
hatten. Da es auf die
formal dingliche Zuordnung nicht ankommt, ist es
unerheblich, dass die
beiden Partner der nichtehelichen Lebensgemeinschaft den
Kaufvertrag mit dem
Verkäufer nicht als GbR geschlossen haben. Für die
Anwendung der
gesellschaftsrechtlichen Auseinandersetzungsregeln kommt
es – wie oben
ausgeführt – allein auf eine wirtschaftliche und nicht auf
eine rechtliche
Betrachtungsweise an. Dabei ist es mit den Händen zu
greifen, dass den
Parteien die Unterschiede zwischen einer
Bruchteilsgemeinschaft und einer
GbR kaum bewusst waren. Für den Notar bestand auch keine
Notwendigkeit, die
Parteien auf den Unterschied hinzuweisen. Denn anders als
bei Ehegatten ist
es für die Anwendung der gesellschaftsrechtlichen
Auseinandersetzungsregeln
gerade nicht erforderlich, dass die Partner einen über die
Verwirklichung
der Lebensgemeinschaft hinausgehenden besonderen Zweck
verfolgen mußten (BGH
FamRZ 1999, 1582). Es genügte vielmehr, dass sich aus den
Absprachen der
Parteien zum Grundstückserwerb – beide erwarben das Haus –
der Schluss
ziehen ließ, dass sie eine gemeinschaftliche Wertschöpfung
vornehmen
wollten, die auch das Scheitern der Lebensgemeinschaft
überdauern würde. Die
niedrigen Anforderungen an den gesellschaftsrechtlichen
Ausgleichsanspruch
leiten sich daraus her, dass es bei den Partnern einer
nichtehelichen
Lebensgemeinschaft anders als bei Eheleuten keine
gesetzlichen Regelungen
dazu gibt, wie ein Ausgleich nach dem Scheitern der
Beziehung stattfinden
kann. Die Partner sind darauf angewiesen, sich
abzusichern. Das haben die
Parteien im vorliegenden Fall getan. Sie haben eine
differenzierte Regelung
über die Art der Finanzierung des Grundstückskaufs
getroffen, indem sie sich
darüber geeinigt haben, dass der Beklagte die
überwiegenden Lasten tragen
sollte. Die Regelung machte vor dem Hintergrund Sinn, dass
die Klägerin
150.000,– DM Eigengeld zur Verfügung stellen konnte und
für den Kauf
einsetzte. Daraus folgt, dass hier die Absicht gemeinsamer
Wertschöpfung bei
den Parteien nach außen deutlich zu Tage getreten ist. Da
das für den
Ausgleichsanspruch unter den Partnern einer nichtehelichen
Lebensgemeinschaft ausreicht, greifen die Bedenken des
Beklagten gegen den
Klagevortrag zur Begründung der Innengesellschaft zu kurz.
Denn es kommt –
wie ausgeführt – gerade nicht darauf an, dass die Parteien
insoweit
förmliche Absprachen treffen mußten. Es reichte, dass sie
sich entschlossen
hatten, mit dem Wohnungseigentum einen erheblichen
Vermögenswert zu
schaffen, der ihnen nach ihrer Vorstellung gemeinsam
gehören sollte. Daraus
folgt, dass der Beklagte der Klägerin wegen aller mit dem
Immobilienerwerb
zusammenhängenden Aufwendungen zum Verlustausgleich
verpflichtet ist.

Ohne Erfolg macht der Beklagte ferner geltend, dass der
Zahlungsanspruch der
Klägerin nach §§ 730, 735 BGB zur Zeit unbegründet sei.
Zwar trifft es im Ausgangspunkt zu, dass nach der
Beendigung einer
Gesellschaft bürgerlichen Rechts die früheren
Gesellschafter grundsätzlich
gehindert sind, ihre jeweiligen Ansprüche isoliert geltend
zu machen. Die
jeweiligen Forderungen sind vielmehr als unselbständige
Rechnungsposten in
einer Auseinandersetzungsbilanz einzustellen, und ein
Zahlungsanspruch
besteht nur hinsichtlich des abschließenden Saldos (BGH
NJW 1995, 188, 189 =
MDR 1995, 53). Der BGH hat a.a.O. ausgeführt, dass der
einzelne
Gesellschafter aber dann isoliert Ansprüche geltend machen
könne, wenn die
Gefahr von Hin- und Herzahlungen während des
Auseinandersetzungsverfahrens,
der durch die Rechtsprechung begegnet werden solle, nicht
bestehe. Sieht man
daher nicht schon die Gegenüberstellung der jeweiligen
Beträge im Rahmen
dieses Rechtsstreits als eine ausreichende Bilanz an, so
liegen jedenfalls
diese Voraussetzungen vor. Es geht den Parteien nur noch
um die Verteilung
des unstreitig eingetretenen Verlustes, wie er sich nach
dem Weiterkauf der
Immobilie am 25. März 1999 herausgestellt hat. Andere
Aufwendungen und
Nutzungen haben die Parteien nicht geltend gemacht. Für
das Bestehen
weiterer Ansprüche ist auch nichts ersichtlich.
Insbesondere hat der
Beklagte keine andere Nutzungsregelung für die Zeit
verlangt, für die die
Klägerin das Haus nach seinem Auszug allein bewohnte.
Allein durch seinen
Auszug ist dem Beklagten kein Entschädigungsanspruch gegen
die Klägerin
zugewachsen
( vgl. Palandt-Sprau, BGB, 59. Aufl., Rd-Nr. 5 zu § 745 ).
Der Anspruch der
Klägerin auf Verlustausgleich ist danach fällig.

Soweit der Beklagte im ersten Rechtszug schließlich
behauptet hat, dass die
Klägerin bei seinem Auszug aus der gemeinsamen Immobilie
zum Ausdruck
gebracht habe, dass er draußen sei, dass die Sache für ihn
erledigt sei und
dass sie alles andere regeln werde, ist das rechtlich
unerheblich. Mit Recht
hat der Beklagte das in der Berufungsinstanz auch nicht
wieder aufgegriffen.
Entscheidend ist nämlich, dass der Vortrag des Beklagten
keinen Anhaltspunkt
dafür gibt, dass sich diese Äußerungen der Klägerin auf
den hier den
Gegenstand des Rechtsstreits bildenden Verlustausgleich
nach § 735 BGB
beziehen könnten. Die Parteien waren nach dem Scheitern
ihrer nichtehelichen
Lebensgemeinschaft Ansprüchen Dritter ausgesetzt, die
geregelt werden
mussten. Es musste der Verkauf der gemeinsamen Immobilie
in Angriff genommen
werden, was naturgemäß einen erheblichen
Verwaltungsaufwand verursachte.
Nach dem Empfängerhorizont hatte der Beklagte keinen
Anlass zu der Annahme,
dass die Klägerin mit ihrer als wahr zu unterstellenden
Äußerung zum
Ausdruck bringen wollte, dass sie mögliche Verluste
alleine tragen würde.

Nach allem konnte die Berufung keinen Erfolg haben und war
mit der
Kostenfolge aus § 97 ZPO zurückzuweisen.

Die weiteren Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 708 Nr.
10, 711, 713 und 546
Abs. 2 ZPO.