– 2. Zivilsenat –
Im Namen des Volkes
Urteil
In Sachen
– Kläger/Berufungskläger –
Proz.bev.: …
gegen
1. …
2. …
– Beklagte/Berufungsbeklagte –
Proz.bev.: …
hat der 2. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart auf die mündliche Verhandlung vom 22. September 2000 unter Mitwirkung
…
für Recht erkannt:
1. Das Urteil des 5. Zivilkammer des Landgerichts Heilbronn vom 14.02.2000 wird abgeändert:
Den Beklagten wird es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 500.000,- DM und für den Fall, daß dieses nicht beigetrieben werden kann, von Ordnungshaft bis zu sechs Wochen oder (primär) von Ordnungshaft bis zu sechs Monaten untersagt, im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken in Telefonbucheintragungen oder in sonstigen Werbeanzeigen für ihre Rechtsanwaltskanzlei die Aussage “ALLES WAS RECHT IST!” zu verwenden.
2. Die Beklagten tragen die Kosten des Rechtsstreits in beiden Rechtszügen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Streitwert des Berufungsverfahrens und Beschwer der Beklagten aus diesem Urteil: 12.000,– DM.
Tatbestand:
Die Kläger wie auch die Beklagten bilden jeweils eine Rechtsanwaltskanzlei im Raum ….
Im örtlichen Telefonbuch für … und Umgebung, Ausgabe 1999/2000, ist unter der Überschrift “Für Ihr gutes RECHT” eine Doppelseite für Einträge von Rechtsanwaltskanzteien reserviert. Direkt über dem Eintrag der Klager befindet sich derjenige der Beklagten; er enthält in seiner Kopfleiste den von den Klägern beanstandeten Slogan “ALLES WAS RECHT IST!” vgl. i.ü. die nachstehend verkleinert wiedergegebenen 2 Seiten des Telefonbuchs:
[abgebildet]
Die Kläger haben die Auffassung vertreten, in dem zitierten Spruch liege eine Selbstanpreisung ohne jeden Informationswert für den Rechtssuchenden. Sie sei deshalb nicht von § 43 b BRAO gedeckt, ihre Verwendung in der beanstandeten Anzeige sei folglich sittenwidrig nach § 1 UWG.
Nach erfolgloser Abmahnung haben sie die Beklagten vor dem Landgericht auf Unterlassung in Anspruch genommen, mit folgendem Antrag:
Den Beklagten wird es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis DM 500.000, ersatzweise Ordnungshaft bis 6 Monaten oder im Wiederholungsfall Ordnungshaft bis zu 2 Jahren untersagt, in Telefonbüchern oder sonstigen Werbeanzeigen zu Wettbewerbszwecken für die von ihnen betriebene Rechtsanwaltskanzlei die Aussage “Alles was Recht ist!” zu verwenden.
Die Beklagten haben beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie haben in der beanstandeten Werbung keinen Verstoß gegen die guten Sitten im allgemeinen oder das rechtsanwaltliche Berufsrecht im besonderen gesehen So sei die gerügte Anzeige eine der unauffälligsten auf der vorgelegten Doppelseite des Telefonbuchs; die Kläger benutzten dagegen in ihrer – doppelt so großen – Werbeanzeige selbst ein auffalliges Logo, Die beanstandete Aussage enthalte die berufsbezogene Information dahin, dass die Kanzlei der Beklagten Ansprechpartner in allen Rechtsfragen sein wolle. Als solche sei sie zulässig und verstoße nicht gegen die guten Sitten des Wettbewerbs.
Das Landgericht hat in seinem die Klage abweisenden Urteil in der Verwendung des zitierten Slogans ebenfalls keinen Verstoß gegen § 43 b BRAO gesehen und damit auch keine Grundlage für den geltend gemachten Unterlassungsanspruch nach § 1 UWG, Denn die Aussage falle im Zusammenhang mit den übrigen, auf der Doppelseite im Telefonbuch abgedruckten Anzeigen anderer Rechtsanwälte nicht auf und sei damit jedenfalls in diesem Zusammenhang weder “marktschreierisch” noch unangemessen im Sinne von § 43 b BRAO. Auch eine Aussage dahin, die Kanzlei der Beklagten sei besser oder fachkundiger als die Wettbewerber, lasse sich bei unbefangener Betrachtungsweise nicht erkennen. Mit dem Sachverhalt der von beiden Parteien zitierten Entscheidung des Anwaltsgerichtshofs Nordrhein-Westfalen (Anwaltsblatt 1999, 557 ff.) sei der vorliegende Sachverhalt nicht zu vergleichen.
Mit ihrer Berufung verfolgen die Klager ihren erstinstanzlichen Unterlassungsantrag weiter.
Soweit das Landgericht den Eintrag der Beklagten als unauffällig gewertet habe, beruhe dies auf einer unzulässigen Gesamtschau der vorgelegten Doppelseite des Telefonbuchs …. Denn entgegen der Auffassung des Landgerichts befinde sich dort keine gemeinsame Werbung der … Rechtsanwalte; abgedruckt seien dort vielmehr Einzelanzeigen einzelner Kanzleien. Deshalb dürfe auch die vom Telefonbuchvertag formulierte Überschrift “Für Ihr gutes Recht” nicht mit Größe/Druckbild der beanstandeten Aussage in der Einzelanzeige der Beklagten verglichen werden.
Darüber hinaus wiederholen die Kläger ihren Standpunkt, die Aussage “Alles was Recht ist!” sei eine gegen § 43 b BRAO verstoßende Selbstanpreisung ohne jeden inhaltlichen Informationsgehalt. Dem eigenem Vortrag nach (belegt durch Zitate aus der Klagerwiderung) gehe es den Beklagten darum, mit dieser Aussage den Rechtssuchenden in übertriebener und irreführender Weise eine besonders umfassende Beratungs- und Vertretungskompetenz vorzuspiegeln. Damit mißachteten sie gleichzeitig das Gebot, wonach in der Rechtsanwaltswerbung Interessen- und Tätigkeitsschwerpunkte zahlenmäßig zu begrenzen seien, um so dem rechtssuchenden Publikum eine sachgerechte Auswahl unter verschiedenen Anwälten zu ermöglichen.
Die Kläger beantragen,
das Urteil des Landgerichts abzuändern und die Beklagten gemäß dem erstinstanzlich gestellten Unterlassungsantrag zu verurteilen.
Die Beklagten beantragen, die
Berufung zurückzuweisen.
Das Landgericht habe zu Recht ihre Werbeanzeige mit dem beanstandeten Zusatz “Alles was Recht ist” nicht als “marktschreierisch” und deshalb unangemessen im Sinne von § 43 b BRAO angesehen. Dass die Überschrift vom Telefonbuchverlag stamme und die beiden Seiten des Telefonbuchs jeweils Einzelanzeigen von Rechtsanwälten enthielten, andere nichts an der Zulässigkeit der vom Landgericht vorgenommenen Gesamtschau.
Inhaltlich sei die beanstandete Werbung nicht unzulässig, sondern sachbezogen, weil sie auf die Eigenschaft der Beklagten als sogenannte “Allgemein-Anwälte” hinweise Nach wie vor sei es zulassig, anwaltliche Dienstleistungen aus einer Hand anzubieten, Falsch sei es, dass die Beklagten unstreitig gestellt hätten, sie hätten damit geworben, Rechtssuchende in allen rechtlichen Belangen beraten und vertreten zu können. Doch sei die beanstandete Werbung dahin zu verstehen, sie seien berechtigt, das rechtsuchende Publikum in samtlichen Rechtsangelegenheiten zu beraten, was im übrigen auch dem gesetzlichen Leitbild des Rechtsanwalts nach § 3 BRAO entspreche. Die Auffassung der Klager taufe demgegenüber darauf hinaus, äass ein Rechtsanwatt nur noch für bestimmte Interessen- und Tätigkeitsschwerpunkte werben dürfe. Schließlich lebe Werbung auch vom Wiedererkennungseffekt eines Schlagworts. Eine solche effektive Werbung müsse auch nach § 43 b BRAO erlaubt sein; die dort geforderte Sachlichkeit dürfe nicht dahin interpretiert werden, dass die einzelne Werbemaßnahme aufgrund einer vermeintlich geforderten Nüchternheit sich bereits wieder im Sand verliere oder gar zur “Anti-Werbung” werde. Auch das Bundesverfassungsgericht beurteile die Werbung für Rechtsanwälte großzügiger. Ein Beispiel bilde der Nichtannahmebeschluß des Bundesverfassungsgericht vom 01.12.1999 -1 BvR 1630/98 – über den in der Zeitschrift “advo.net.” berichtet worden sei. Danach sei eine Anzeige mit dem Slogan “Ihre Rechtsfragen sind unsere Aufgabe” nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts sachgerecht und nicht irreführend.
Wegen des weiteren Sachvortrags der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze und die dazu vorgelegten Anlagen verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig, Sie hat auch in der Sache Erfolg, Dies führt dazu, dass die Beklagten gemäß dem gestellten Unterlassungsantrag zu verurteilen sind.
1. Der Unterlassungsantrag richtet sich allein gegen die Verwendung der Aussage “Alles was Recht ist!” in Telefonbüchern oder sonstigen Werbeanzeigen für die von den Beklagten gebildete Rechtsanwaltskanzlei
Nicht Gegenstand des Rechtsstreits ist deshalb die Frage, ob die im Telefonbuch … 1999/2000 abgedruckte Anzeige/die als Kopfleiste dort abgedruckte Aussage nach Große, konkreter Gestaltung etc gegen das Sachlichkeitsgebot des § 43 b BRAO verstoßen hat, Die diesbezüglichen Ausführungen des Landgerichts (Urteil Seite 5 insbesondere 2. und 3. Abschnitt von oben) mögen zwar zutreffend sein. Sie sind damit aber ebensowenig entscheidungserheblich wie die sich damit auseinandersetzenden Passagen der Berufungsbegründung.
Gefordert ist vielmehr die inhaltliche Bewertung der angegriffenen Aussage.
Eine solche, auf den Inhalt abgestellte Betrachtungsweise entspricht auch Sinn und Zweck von § 43 b BRAO: Ob eine Anzeigenwerbung, die berufsrechtlich zur Sachlichkeit verpflichtet ist, übertrieben und reklamehaft wirkt, laßt sich nämlich nicht allein aus Äußerlichkeiten, wie etwa der Größe der Anzeige ableiten (BVerfGE 94, 372, 396), sondern bestimmt sich maßgeblich nach deren Inhalt (BGH, Urt. v. 27.04.2000 – l ZR 292/97 – Steuerberateranzeige – zum vergleichbaren § 57 a StBerG).
Für den Einsatz anderer Werbeträger in der Anwaltswerbung mag zwar anderes gelten. So hat der AGH NRW im von den Parteien wie auch vom Landgericht zitierten Beschluss dazu tendiert, die Aufschrift “Alles was Recht ist” i V. m einem konkret benannten DiensHeistungsangebot von Rechtsanwalten auf sämtlichen für Werbezwecke überhaupt nur geeigneten Außenflächen eines Linienomnibus als unangemessene, weil marktschreierische Form der Werbung für unzulässig anzusehen. Denn jedenfalls Teilnehmer am Straßenverkehr könnten sich einer solchen Werbung schlechthin nicht entziehen. Im Endergebnis hat er allerdings das ausgesprochene Verbot mit Form (Außenflächen Linienomnibus) und unangemessenem Inhalt des Slogans “Alles was Recht ist” begründet (AGH NRW, AnwBI. 1999, 557 f.).
Der Sachverhalt, welcher dem zitierten Beschtuss zugrunde lag, ist deshalb nur darin mit dem hier vorliegenden vergleichbar, als es hier wie dort um die selbe Formulierung “Alles was Recht ist” ging/geht.
2. Entgegen der Auffassung des Landgerichts läßt sich die im Telefonbuch-Eintrag der Beklagten enthaltene Aussage “Alles was Recht ist” nicht als nach § 43 b BRAO erlaubte Werbung ansehen. Denn sie genügt nicht den hierfür geltenden inhaltlichen Anforderungen. Vielmehr enthalt sie eine unzulässige Selbsteinschätzung und verstößt damit gegen das Sachlichkeitsgebot.
a) Zulassig ist zwar die Werbung des Rechtsanwalts mit selbst gewählten Tatigkeitsschwerpunkten (Jessnitzer/Blumberg BRAO, 8 A., § 43 b, Rn. 2 m. w. N.). Der zulässige Hinweis auf einen Tätigkeitsschwerpunkt muß sich zwar nicht auf ein eng begrenztes Rechtsgebiet beziehen (die Werbung mit “Tätigkeitsschwerpunkt Zivilrecht” genügt). Doch muß der Adressat daraus ersehen können, auf welchem Gebiet der Anwalt vorwiegend arbeitet (BGH, ZIP 1997, 1514, 1516 = NJW 1997, 2522).
b) Als eine solche Werbung mit einem/mehreren bestimmten Tätigkeitsschwerpunkten läßt sich die hier von den Beklagten verwendete Aussage nicht werten. “Alles was Recht ist!” bedeutet nach altgemeinem Sprachverständ-nis eben das Recht in seiner Gesamtheit, nicht aber einen, wie weit auch immer gefaßten Ausschnitt daraus. Dies bestätigt auch ein Blick auf die Anzeige der Beklagten insgesamt. Denn im folgenden Text der Anzeige werben die beiden Beklagten jeweils mit ausdrücklich so bezeichneten “Tatigkeitsschwerpunkten”.
c) Damit liegt die beanstandete Aussage jenseits der zulassigen, rein sachbezogenen Weitergabe von Informationen über die Tätigkeitsschwerpunkte der Beklagten. Worin ihr sachlicher Gehalt neben den ausdrücklich angegebenen Tätigkeitsschwerpunkten liegt, bleibt unklar. Klar ist aber ihre Zielrichtung: Die Beklagten empfehlen sich selbst als sachkundig eben für “Alles was Recht ist!”. Ob sie damit “eine besonders umfassende Beratungs- und Vertretungskompetenz” für sich beanspruchen (so ACH NRW, AnwBI. 1999, 558 für den gleichlautenden Slogan und ihm folgend die Klager) oder nur sich a($ erste .Ansprechpartner in allen Rechtsbereichen” empfehlen möchten (Berufungserwiderung Seite 7 unten ^ Bl. 95) kann dagegen offen bleiben. Denn der Empfehlungscharakter der Aussage steht nach beiden Versionen im Vordergrund. Folgt man allerdings der Version der Beklagten, so läge darin wegen § 3 Abs. 1 BRAO gleichzeitig eine unzulässige Werbung m” einer Selbstverständlichkeit (Feurich/Brgun, BRAO, 4. Auflage, 1999, § 43 b, Rn. 10).
Offenkundig ist nach beiden Auslegungsalternativen die Absicht, auf die Entschließung des interessierten, rechtsuchenden Personenkreises zu Gunsten der Beklagten einzuwirken. Da dies über ein Schlagwort ohne klaren sachlichen Gehalt erfolgt, haben die Beklagten damit den allein zulassigen Bereich bloßer Informationswerbung verlassen und bewegen sich auf dem Gebiet unzulässiger Selbsteinschatzung. Denn jede Aussage, welche sich nicht auf die Angabe des Tatigkeitsschwerpunktes beschränkt, sondern eine Selbsteinschätzung enthält oder durch zusätzliche Mittel den Adressaten zu beeinflussen sucht, enthält Merkmale reklamehafter Anpreisung, die mit dem gesetzlichen Berufsbild des Rechtsanwalts als einem Organ der Rechtspflege nicht vereinbar ist (BGH, ZIP 1997, 1516 m. w. N. für die Hinweise “Rechtliche und steuerliche Beratung im Verbund” und “Erbrechtliche und erbschaftssteuerrechtliche Beratung aus einer Hand”; ebenso; OLG Köln, NJW 1999, 63 ff. – “Ihre Rechtsfragen sind unsere Aufgabe”).
Zwar hat die Kammer des 1. Senats des BVerfG im Nichtannahmebeschluss über die gegen die Entscheidung des OLG Köln gerichtete Verfassungsbeschwerde es als “nur schwer verstellbar” bezeichnet, dass die soeben zitierte Werbeaussage einen irreführenden Eindruck bei den Rechtssuchenden auslösen könne. Allein dieses obiter dictum kann aber kein Grund sein, für den hier zu beurteilenden Fall von der skizzierten Grundlinie der BGH-Rechtssprechung abzugehen und Selbstempfehlungen eines Rechtsanwalts als zulässig anzusehen. Schließlich dient das Verbot unzulässiger Werbung nicht nur dem Schutz des Rechtssuchenden vor falschen Erwartungen, sondern auch der Abgrenzung zwischen anwaltlicher und gewerblicher Werbung (§ 2 Abs, 1 und Abs. 2 BRAO). Gestärkt werden soll dadurch das Vertrauen der Rechtssuchenden darauf, dass der Rechtsanwalt seinen Beruf nicht allein an Gewinnstreben ausrichtet (Jessnteer/Blumberg, § 43 b, Rn. 3; ahnlich schon; BVerfGE 76, 196, 207 f.).
d) Daß der Verstoß gegen § 43 b BRAO gleichzeitig auch einen Verstoß
gegen § 1 UWG darstellt, entspricht gesicherter Rechtsprechung (ausführlich begründet in OLG Köln, NJW 1999, 63, 64). Davon ist auch die einschlägige Se-natsrechtssprechung bisher ausgegangen (Senat, NJW 1997, 2529 – Anwaltswerbung mit Serienrundschreiben und MDR 2000 ‘ Heft 8 -. 483 – Vanity-Nr,). Die Wiederholungsgefahr als materiell-rechtliche Voraussetzung des hier geltend gemachten Unterlassungsanspruchs folgt schon daraus, daß” die Beklagten ihre Werbung im vorliegenden Prozeß ohne jegliche Einschränkungen als zulassig verteidigt haben.
3. Die Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 91, 708 Nr. 10, 711 und 713 ZPO. Gründe für eine Zulassung der Revision sind weder ersichtlich noch dargetan.