OLG Nürnberg: Fokker Anleihen II

12 U 2131/97 9 O 9778/96 LG Nürnberg-Fürth

Oberlandesgericht Nürnberg Verkündet am 28. Januar 1998

IM NAMEN DES VOLKES

E N D U R T E I L

In Sachen

hat der 12. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Nürnberg .. aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 3. Dezember 1997

für Recht erkannt:

I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Endurteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 16. Juni 1997 abgeändert.

II. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 63.000,00 DM nebst 5,8 % Zinsen hieraus vom 1. September 1995 bis 26. August 1996 und von 4 % seit 27. August 1996 zu zahlen.

III. Im übrigen werden die Klage abgewiesen und die Berufung der Klägerin zurückgewiesen.

IV.Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

V.Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte kann die gegen sie gerichtete Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 105.000,00 DM abwenden, die auch durch selbstschuldnerische, unbefristete und unbedingte Bürgschaft einer Großbank, einer Sparkasse des offentlichen Rechts oder einer Raiffeisen- oder Volksbank mit Sitz in der Europäischen Union erbracht werden kann, wenn nicht vorher die Klägerin Sicherheit in gleicher Art und Höhe leistet.

VI. Die Beschwer der Beklagten beträgt 63.000,00 DM, die der Klägerin beträgt 1.120,00 DM.

B e s c h l u ß:

Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf

64.120,00 DM

festgesetzt.

T a t b e s t a n d

Die Klägerin begehrt Schadenersatz wegen behaupteter fehlerhafter Beratung beim Kauf einer Wertpapieranlage.

Die Klägerin ist als Bankkauffrau Angestellte der Beklagten und war 1993 als Schaltermitarbeiterin beschäftigt. Sie erwarb im Oktober 1993 mit 6,5 % zu verzinsende Fokker-DMark-Anleihen (Teilschuldverschreibungen der N. V. Koninklije Nederlandse Vliegtuigenfabriek Fokker) mit einer Laufzeit bis 26. August 1996 über 80.000,00 DM zu einem Verkaufspreis von 100,25 %. Bei dem vorausgegangenen Beratungsgespräch wurde der Klägerin, die eine konservative und sichere Anlage suchte, und deren Eltern, die der Klägerin einen Teilbetrag von 50.000,00 DM zur Verfügung stellten, vom Anlageberater H. der Beklagten, der Kauf dieser Anleihe empfohlen.

Die Aktienmehrheit (51 %) der Fokker AG hielt damals die in der ersten Jahreshälfte 1993 gegründete Fokker-Holding N. V., deren Anteile zu 22 % vom niederländischen Staat und zu 78 % von der DASA AG … gehalten wurden; vom Aktienkapital der DASA AG hält die Daimler-Benz AG 85 %. Am 22. Januar 1996 veröffentlichte die Daimler-Benz AG die Beendigung ihres Engagements im Fokker Konzern. Der Kurswert der Anleihe (wie auch der Fokker-Aktien) verfiel binnen weniger Tage.

Mit Schreiben vom 1. Februar 1996 unterrichtete die Beklagte die Klägerin von der Entwicklung. Am 9. August 1996 veräußerte die Klägerin ihre Anleihe entsprechend dem damaligen Kurs zum Preis von 16.080,00 DM.

Die Klägerin ist der Meinung, die Beklagte habe den ihr entstandenen Schaden zu vertreten und deshalb auch zu ersetzen, weil diese sie einerseits beim Ankauf falsch beraten und andererseits ihr nicht rechtzeitig zum Verkauf geraten habe.

Sie hat hierzu im ersten Rechtszug vorgetragen, daß sie und ihre Eltern in dem Verkaufsgespräch – unstreitig – konservative und sichere Anlagen verlangt hätten und ihnen von dem Anlageberater H. die Fokker-Anleihe als absolut sicher und mindestens genauso gut wie öffentliche Schuldverschreibungen und ähnliches bezeichnet worden sei. Dabei sei dargestellt worden, daß sowohl die Daimler-Benz AG als auch der holländische Staat faktisch die Sicherheit dieser Anleihen garantierten. In Wirklichkeit sei die Anlage, wie es sich auch in der weiteren Entwicklung gezeigt habe, keineswegs sicher gewesen. Dies hätte bereits von der Beklagten als Konsortialbank bei der Auflage der Anleihe bemerkt werden müssen.

Die Beklagte habe es schließlich unterlassen, sie bei dem sich abzeichnenden Untergang der Fokker – schon ab Oktober 1995 sei der Kurs der Anleihe mehrfach, wenn auch nur vorübergehend, eingebrochen – rechtzeitig auf die Risiken hinzuweisen und zum Verkauf zu raten. Vielmehr sei ihr gesagt worden, es bestünde kein Handlungsbedarf und kein Ausfallrisiko.

Die Beklagte ist dem entgegengetreten mit der Behauptung, die Klägerin habe die Fokker-Anlage wegen des hohen Zinsertrages gewählt. Sie und ihre Eltern seien auf die Beteiligungsverhältnisse hingewiesen worden, ihnen sei die einschlägige Bildschirmseite der maschinellen Offertenverwaltung (MOV) der Beklagten zugänglich gemacht worden und schließlich seien sie auch über das Restrisiko einer unvorhergesehenen und unvorhersehbaren Entwicklung des Unternehmens hingewiesen worden. Ein Anlaß, die Klägerin auf einen drohenden Vermögensverfall hinzuweisen habe vor dem 22. Januar 1996 nicht bestanden.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien im ersten Rechtszug, er dort gestellten Anträge und des Ergebnisses der dort durchgeführten Beweisaufnahme wird auf das Ersturteil Bezug genommen.

Mit am 16. Juni 1997 verkündetem Endurteil hat das Landgericht die Klage abgewiesen, weil nach seiner Auffassung der Beklagten kein Beratungsfehler zum Vorwurf gemacht werden könne.

In seinen Gründen hat es insbesondere ausgeführt, daß, wie die Beweisaufnahme ergeben habe, der Anlageberater H. die Fokker-Anleihe als eine sichere Anlage bezeichnet und darauf hingewiesen habe, daß Daimler-Benz und die niederländische Regierung hinter Fokker stünden. Außerdem habe er die Bildschirminformation zugänglich gemacht, in der es ausdrücklich u. a. geheißen habe: „Mit dieser Konstruktion kommt die Anleihequalität dem Standing von Daimler Benz relativ nahe, ohne jedoch von dieser garantiert zu werden.„

Diese Beratung hielt das Erstgericht für ausreichend und zutreffend. Es habe sich zwar um eine Auslandsanleihe gehandelt. Solche in DMark seien aber nicht schon wegen ihres allgemeinen Charakters zu den spekulativen Papieren zu rechnen. Als Risiko habe nur das allgemeine der Insolvenz bestanden. Mit einer solchen war jedoch nicht zu rechnen. Gerade wegen des Engagements der DASA einerseits und des holländischen Staates andererseits sei der Fortbestand des Unternehmens im Jahre 1993 nicht als gefährdet angesehen worden. Daß es bereits damals Analysen oder Berichte gegeben habe, in denen Hinweise einer etwa drohenden Insolvenz vorhanden gewesen wären, habe die Klägerin selbst nicht vorgetragen. Anhaltspunkte dafür, daß die Anleihe intern als Y-Anlage und damit als für konservative Anleger nicht empfehlenswert eingestuft gewesen sei, hätten sich nicht ergeben. Außerdem komme es nicht auf die bankinterne Einstufung an, sondern auf den wirklichen Wert.

Nach dem Ankauf der Anlage sei die Beklagte, so das Erstgericht, nicht mehr verpflichtet gewesen, nachzuberaten. Zwischen den Parteien habe lediglich ein Depotvertrag bestanden, der eine solche Beratungspflicht nicht umfasse.

Hinsichtlich der Einzelheiten der Urteilsgründe wird auf das Ersturteil Bezug genommen.

Gegen diees ihren Prozeßbevollmächtigten am 24. Juni 1997 zugestellte Urteil hat die Klägerin mit am 2. Juli 1997 eingegangenem Anwaltsschriftsatz Berufung eingelegt; diese hat sie mit Anwaltsschriftsatz, der am 29. August 1997 nach Verlängerung der Begründungsfrist bis zu diesem Tage eingegangen ist, begründet.

Mit ihrem Rechtsmittel verfolgt die Klägerin ihr ursprüngliches Begehren in vollem Umfange weiter. Sie wiederholt und vertieft ihren Vortrag aus dem ersten Rechtszug.

Nach wie vor ist sie der Überzeugung, daß die Beklagte bereits dadurch ihre Beratungspflicht verletzt habe, daß sie nicht bereits auf das allgemeine Insolvenzrisiko und darauf, daß die Anlage einem offiziellen Rating nicht unterzogen war, hingewiesen habe. Hinzu kommen, daß die Beklagte die Fokker-Anleihe selbst nach dem eigenen internen Bewertungssystem als sogenannte Y-Anlage bezeichnet habe, was einem allgemeinen Rating „B„, nicht jedoch einem solchen nach „A„ als einer sicheren Anlage entspreche.

Im Zeitpunkt der Plazierung der Anleihe sei die Fokker N. V. schon nicht mehr kreditwürdig gewesen.

Bei dem sich abzeichnenden Niedergang der Fokker N. V. ab etwa Sommer 1995 hätte die Beklagte sie auf das konkret eingetretene Risiko hinweisen und in Richtung Verkauf beraten müssen. Auch ohne gesonderten Vermögensverwaltungsvertrag ergebe sich dies aus ihrer gesteigerten Informationspflicht als Konsortialführerin sowie daraus, daß sie dieses Objekt in ihr Beratungsprogramm aufgenommen und dadurch ein besonderes Maß persönlichen Vertrauens in Anspruch genommen habe.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des Ersturteils die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 64.120,00 DM zuzüglich 6,5 % Zinsen hieraus seit dem 1. September 1995 zu bezahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das Ersturteil und wiederholt und vertieft ebenfalls ihren Vortrag aus dem ersten Rechtszug.

Sie trägt insbesondere vor, daß die Fokker-Anleihe zwar nach dem internen Bewertungssystem, weil ohne offizielles Rating, als Y-Anlage zu behandeln gewesen wäre. Wegen der günstigen Prognosen für die Luftfahrtindustrie und besonders wegen der Beteiligung von Daimler-Benz und des niederländischen Staates habe man die Anleihe jedoch für sicher gehalten und als X-Anleihe bewertet, weil auch Daimler-Benz damals so eingestuft gewesen sei.

Hinsichtlich der Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die eingereichten Schriftsätze und Schriftstücke Bezug genommen.

Der Senat hat Beweis erhoben (gemäß Beweisbeschluß vom 29. Oktober 1997, Bl. 273 ff. d. A.) durch uneidliche Einvernahme der Zeugen U., V., S., L. und H.; hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Niederschrift vom 3. Dezember 1997, Bl. 291-307 d. A., Bezug genommen.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

Die zulässige Berufung ist in der Sache weitgehend begründet. Die Beklagte haftet der Klägerin wegen Verletzung des von ihnen geschlossenen Beratungsvertrages zum Erwerb einer Anlage. Der von der Klägerin als Schadensersatz verlangte verlorene Anlagebetrag ist mit geringem Abstrich wegn der aus der Anlage enthaltenen Zinsen zu erstatten. Die geltend gemachten Zinsen sind hingegen nur zum Teil begründet.

1. Es ist in Literatur und Rechtsprechung unstreitig, daß Banken im Zusammenhang mit Verkaufsgesprächen bezüglich Geldanlagen ganz erhebliche Beratungspflichten entstehen können. Tritt ein Anlageinteressent an eine Bank heran, um über die Anlage eines Geldbetrages beraten zu werden, so ist darin ein Angebot zum Abschluß eines Beratungsvertrages zu sehen, das stillschweigend durch die Aufnahme des Beratungsgespräches angenommen wird (herrschende Rechtsprechung; BGH WM 1993, 1455 – „Bond-Fall„ – m. w. N.). Bei dieser Anlageberatung hat die Bank den Wissensstand des Kunden über Anlagegeschäfte der vorgesehenen Art und dessen Risikobereitschaft zu berücksichtigen (anlegergerechte Beratung); das von ihr danach empfohlene Anlageobjekt muß diesen Kriterien Rechnung tragen (objektgerechte Beratung).

Diesen Kriterien wird die Beratung durch den als Zeugen einvernommenen Anlageberater H. nicht gerecht.

a)Es ist schon zweifelhaft, ob die Empfehlung einer Industrieanleihe im Grundsatz dem unstreitigen Bestreben der Klägerin, eine konservative und sichere Anlage zu zeichnen, entsprach, also anlegergerecht war.

Richtig ist zwar, daß ein Kursrisiko bei einer Industrieanleihe jedenfalls dann nicht besteht, wenn der Anleger die Anleihe nicht vorzeitig veräußern will. Nicht übersehen werden kann jedoch das allgemeine Insolvenzrisiko, d. h. die Abhängigkeit der Rückzahlung von der Bonität des Emittenten zum Zeitpunkt der Rückzahlbarkeit. Es ist wohl herrschende Meinung in Literatur (vgl.ZB Schwark WuB I G 4. – 9.93; Köndgen WuB I G 4. – 7.94 und WuB I G 4. – 4.93) und Rechtsprechung (z. B. BGH WM 1993, 1455, 1456; OLG Braunschweig, WM 1996, 1484; OLG Celle WM 1993, 190), daß über dieses Risiko aufzuklären ist. Der gegenteilige Standpunkt (Vortmann, Aufklärungs- und Beratungspflichten der Banken, 4. Aufl., Rn. 386; derselbe WuB I G 1. – 1.97; OLG Schleswig WM 1996, 1487; OLG Düsseldorf, WM 94, 1468; sowie neuerdings zur Fokker-DM-Anleihe: Landgericht Duisburg, WM 1997, 574 mit ablehnender Anmerkung Jaskulla, WuB I G 1. – 8.97) wird im wesentlichen von der Auffassung getragen, daß über die allgemein bekannte Abhängigkeit von Rückzahlung und Rückzahlungsfähigkeit nicht aufzuklären sei. Die übrigen bisher zur Fokker-Anleihe veröffentlichten Entscheidungen LG Berlin, WM 1997, 1422, LG Hamburg, WM 1997, 1423 und LG Nürnberg-Fürth, WM 1997, 1426 gehen hierauf nicht ein.

Diese Frage kann sicher nicht generell beantwortet werden. Auch hier hängt der Umfang der Beratungspflicht von den Umständen ab. Die Klägerin war aufgrund ihrer Ausbildung als Bankkauffrau nach Überzeugung des Senats durchaus in der Lage zu erkennen, daß es sich bei der Anleihe um ein Darlehen mit einem allgemeinen Insolvenzrisiko handelt. Dem steht nicht entgegen, daß die Klägerin bisher äußerst konservativ angelegt hatte. Im vorliegenden Fall kann dies allerdings offen bleiben.

b)Die Beklagte hat jedenfalls ihre Beratungspflicht dadurch verletzt, daß sie es unterließ, die Klägerin über das allgemeine Insolvenzrisiko hinaus auf die besonderen Verhältnisse der Emittentin hinzuweisen.

Denn die Beratung durch die Beklagte durfte sich nicht in der Mitteilung des Ergebnisses eigener Beurteilung, nämlich der Anlage als sicher, und des Umstandes erschöpfen, daß Daimler-Benz und der niederländische Staat hinter der Emittentin stünden. Sie hätte vielmehr auf weitere Bewertungsfaktoren hinweisen müssen.

Zwischen den Parteien ist unstreitig, daß hinsichtlich der Fokker-Anleihe ein offizielles Rating nicht bestanden hat. Die Beklagte wäre deshalb verpflichtet gewesen, wenigstens die für eine Bewertung wesentlichen Faktoren der beratungsbedürftigen Klägerin mitzuteilen. Dies gilt umsomehr, als die Beklagte selbst – so die Aussage ihres Mitarbeiters S. – in ihrem Bewertungssystem WOP die Fokker-Anleihe gerade wegen des Fehlens eines offiziellen Ratings nach ihrem eigenen Kennzeichensystem als Y-Anleihe bezeichnete, was einem offiziellen Rating von B, also nicht risikofrei, spekulativ, gleichkam.

Die Beklagte hätte bei der Beratung vor Ort durch den Zeugen H. insbesondere darauf hinweisen müssen, daß sich die Emittentin Fokker AG noch Anfang 1993 vor der Gründung der Holding durch die DASA AG, hinter der im wesentlichen Daimler-Benz steht, und dem holländischen Staat in wirtschaftlich ganz prekärer Situation befunden hatte, ja ein Sanierungsfall war, und daß diese Krise der Fokker AG im wesentlichen auf der Entwicklung des Flugzeugmarktes in den Bereichen, in denen die Fokker AG tätig war, beruhte. Daß mit dem Engagement der DASA AG und dem holländischen Staat die Krise nicht völlig beseitigt war, sondern von der weiteren Entwicklung des Marktes abhing, ergibt sich insbesondere auch aus dem von der …, einer Tochterfirma der Beklagten, für den Vertrieb der Fokker-Aktien, also für spekulative Anlagen, zeitnah im Juni 1993 erstellten Beurteilung (Anlage B 1), auf die sich die Beklagte gerade als Beleg für ihre positive Beurteilung stützte. Dort ist (Seite 1) auf die Ursachen der Liquiditätsprobleme der Fokker AG, nämlich die bestehende Absatzflaute für Regionalflugzeuge, ausdrücklich hingewiesen. Aufgezählt als negative Beurteilungskriterien sind unter anderem, daß die Rezession auf dem Luftmarkt bis Mitte der neunziger Jahre anhalten werde, daß auch in 1993 mit einem Gewinnrückgang zu rechnen sei und Dividendenfähigkeit nicht vor 1995/96 erwartet werde. In ihrer Bewertung (Seite 6 f) führt die D. aus, daß die Fokker AG „den anhaltenden Schwierigkeiten in der Luftfahrtindustrie … nicht davonfliegen„ könne, in Zukunft jedoch im Zuge der weltweiten konjunkturellen Erholung mit einer Nachfragebelebung zu rechnen sei. Zunächst verursache freilich die bestehende Absatzflaute Kapazitätsanpassungen, Personalabbau und hohe Lagerbestände.

Daraus ist zu entnehmen, daß die Emittentin im Jahre 1993 bei weitem noch kein gesundes Unternehmen war. Die Hoffnung auf Besserung stützte sich auf die Erwartung, daß sich die Lage auf dem Flugzeugmarkt verbessern werde. Die Beurteilung der Fokker AG war also zum damaligen Zeitpunkt spekulativ. Daran ändert auch nicht, daß dei DASA AG als neue Gesellschafterin der Fokker-Holding N. V. im April 1993 sofort nach Übernahme ihrer Beteiligung 900Mio. DM investiert und daß auch der niederländische Staat eine zusätzliche Garantie für ein Darlehen in Höhe von 180 Mio. Holländischen Gulden zu rverfügung gestellt hatte. Die Investitionen der neuen Beteiligten beseitigten zunächs tnur die unmittelbaren Liquiditätsschwierigkeite. Die weitere Entwicklung mußte abgewartet werden, zumal es auch in der Vergangenheit, zum Beispiel in der Werften-, Stahl- und Bergbauindustrie wiederholt vorkam, daß sich potente Investoren wieder zurückgezogen haben. Hierauf hätte die Beklagte die Klägerin als beratungsbedürftige Anlegerin, die unstreitig eine sichere Anlage vornehmen wollte, hinweisen müssen. Denn es ist der Sinn des Beratungsgespräches, dem Anleger eine eigene Beurteilung zu ermöglichen.

Demgegenüber kann sich die Beklagt auch nicht auf von ihr zitierte (S. 13 ff. der Berufungserwiderung = 222 ff. d. A.) Einschätzungen niederländischer Bankinstitute berufen. Denn auch diese geben im wesentlichen Hoffnungen und Erwartungen Ausdruckk, die nicht nur an den Einstieg der DASA sondern häufig auch an der erwarteten konjunkturellen Entwicklung der Luftfahrtindustrie anknüpften. Und schließlich räumt die Beklagte in diesem Zusammenhang (Bl. 226 d. A.) selbst ein, daß es auch negative Bankanalysen und Presseveröffentlichungen gab (wenn sich auch diese (wie auch weitgehend die vorstehend zitierten und die Bewertung der …) im wesentlichen mit dem Kursrisiko der Fokker-Aktie befaßten).

Es kommt auch nicht darauf an, daß dem Zeugen H. als Berater vor Ort im wesentlichen keine anderen Informationen zur Verfügung standen als die in dem MOV-System enthaltenen Hinweise, die sich in der Darstellung der Beteiligung von Daimler-Benz und dem niederländischen Staat erschöpften. Denn es ist der Beklagten gerade vorzuwerfen, daß sie durch den Zeugen S., der eingestandenermaßen selbst keine besonderen Kenntnisse über die Emittentin hatte, eine Beurteilung als sicher allein aufgrund der Beteiligungsverhältnisse vornehmen und in das MOV-System aufnehmen ließ, das im Regelfall und auch hier (Aussage H.) alleinige Grundlage für den Anlageberater war. Ohne Bedeutung für den Ausgang des Rechtsstreits ist auch, daß der Zeuge H. im Rahmen seiner Beratung der Klägerin und deren Eltern kurzzeitig den Bildschrim mit der für die Fokker-Anlage einschlägigen MOV-Seite (siehe Anlage B1) im Hinblick auf die Eigentümerverhältnisse zugänglich machte. Zum einen tritt der im Anschluß an die Darstellung der Eigentümerverhältnisse angefügte Text, daß „mit dieser (Eigentümer-) Konstruktion … die Anleihequalität dem Standing von D. relativ nehe (komme) ohne jedoch von diesem grantiert zu werden„ nicht so in den Vordergrund, daß er auch bemerkt werde (siehe Aussagen der Eheleute B. in erster Instanz). Zum anderen hebt er wiederum nur auf die Rolle von Daimler-Benz ab, ohne den wirtschaftlichen sonstigen Hintergrund von Fokker zu beleuchten, und berücksichtigte nicht, daß nur die DASA AG zusammen mit dem niederländischen Staat – zudem lediglich über eine Holding – anteilig mit der Fokker AG verbunden war.

c) Der dargestellte Pflichtenverstoß der Beklagten ist auch fahrlässig schuldhaft und frü die letztlich schädliche Anlage der Klägerin ursächlich.

Nach dem eigenen Vortrag der Beklagten hatte sie vor Einkauf der hier weitergegebenen Anleihe als Konsortialführerin eine Prüfung der Bonität der Fokker AG vorgenommen, wußte also über alle wesentlichen Faktoren Bescheid. Es wäre ihr deshalb ohne weiteres möglich gewesen, im Beratungsgespräch diese für die Klägerin deutlich zu machen. Daß die Klägerin die Anlage bei ausreichender Beratung gleichwohl gezeichnet hätte, schließt der Senat aufgrund ihres bisherigen Anlageverhaltens aus. Im übrigen wäre es Sache der Beklagten gewesen, einen solchen Verlauf vorzutragen und zu beweisen (BGH WM 97, 811 m.w.N.).

2. Da mithin ein Verstoß gegen die Pflichten bei der Beratung anläßlich des Ankauf der Anleihe vorliegt, kommt es auf dei Frage, ob die Beklagte verpflichtet war, auf den Niedergang der Fokker AG ab Sommer 1995 hinzuweisen, hier nicht mehr an.

3.Aufgrund der festgestellten Verletzung des Beratungsvertrages ist die Beklagte verpflichtet, der Klägerin den dieser dadurch entstandenen Schaden zu ersetzen. Dieser entspricht dem für den Erwerb der Fokker-Anleihe aufgewandten Betrg von 80.200,00 DM. Davon ist der erzielte Verkaufserlös abzuziehen, so daß sich der Klagebetrag ergibt.

Andererseits kann die Klägerin den erzielten Zisngewinn nicht behalten. Denn sie ist (lediglich) so zu stellen, als hätte sie die hier schädliche Anlage nicht vorgenommen. Dies führt dazu, daß der Klagebetrag um 10.400,00 DM zu kürzen ist, nämlich die Zinsen von jährlich 6,5 % aus 80.000,00 DM für die Jahre 1993/94 und 1994/95. Andererseits kann die Klägerin verlangen so gestellt zu werden, als hätte sie 1993 eine sichere Geldanlage für 3 Jahre vorgenommen. Hiernach hätte sie nach dem unbestrittenen Vortrag der Beklagten einen jährlichen Zins von 0,7 % weniger als dem Vertragszins, also 5,8 % erhalten, was für zwei Jahre einen Betrag von 9.280,00 DM ergibt, der der Klägerin gutzubringen ist. Im Ergebnis ist somit der Hauptsachebetrag um 1.120,00 DM auf 63.000,00 DM zu reduzieren.

Wie dargestellt kann die Klägerin bis Ende der Laufzeit, dem 26. August 1996, einen Zinssatz in Höhe von 5, 8 % verlangen. Von da an stehen ihr lediglich die gesetzlichen Verzugszinsen – die Beklagte hat lediglich die Höhe des Zinssatzes, nicht jedoch das Bestehen des Verzuges bestritten – in Höhe von 4 % zu (§ 288 I BGB).

In Höhe der dargestellten Abstriche hat die Berufung der Klägerin keinen Erfolg; im übrigen ist das klageabweisende Urteil des Erstgerichts abzuändern.

4. Die Nebenentscheidungen ergehen gemäß der §§ 92 Abs. 2, 708 Ziffer 10, 711, 546 Abs. 3 ZPO.