OLG Köln: Reichweite des § 1357 I BGB bei privater Krankenhausbehandlung

OLG Köln, Urteil vom 7. 10. 1998 – 5 U 174/97 (= NJW-RR 1999, 733)

Leitsätze:

1. Keine Einstandspflicht gem. § 1357 I BGB für die Kosten einer medizinisch indizierten, unaufschiebbaren ärztlichen Behandlung des Ehepartners, wenn nach den Einkommens- und Vermögensverhältnissen des anderen Ehegatten eine Kostentragung von vornherein ausgeschlossen ist. 2. Die in einem vorformulierten Krankenhausaufnahmeantrag enthaltene Erklärung des Anmeldenden, für die Behandlungskosten gesamtschuldnerisch mit dem Patienten haften zu wollen, ist nach § 11 Nr. 14 a AGBG unwirksam, falls der Anmeldende den Antrag lediglich als Vertreter des zu Behandelnden unterzeichnen wollte und nach dem äußeren Bild auch nur als solcher unterzeichnet hat.

Tabestand (Kurzfassung):

Die Bekl. ist die Witwe des am 23. 10. 1996 verstorbenen S. Der Ehemann der Bekl. wurde unter anderem in der Zeit vom 14. 6. 1996 bis 16. 7. 1996 stationär in der medizinischen Klinik III des Universitätsklinikums – Medizinische Einrichtungen – behandelt. Die Einweisung in die Klinik erfolgte auf Veranlassung des Hausarztes des später Verstorbenen. Es handelte sich um eine Notfallaufnahme. Die Bekl. füllte das Aufnahmeformular der Kl. aus. Dieses lautet u. a.: “… die Aufnahme in die Medizinischen Einrichtungen … zur stationären/teilstationären Behandlung zu den Allgemeinen Vertragsbedingungen des Krankenhauses niedergelegten Bedingungen. Ich verpflichte mich unter Übernahme der gesamtschuldnerischen Haftung alle durch die Behandlung nach den geltenden Tarifen entstandenen Kosten zu tragen, soweit sie nicht eine Krankenkasse oder ein anderer Sozialleistungs-Kostenträger übernimmt. Ich übernehme die Haftung auch insoweit, als ich die Behandlung nicht für mich selbst beantrage …” Mit Rechnung vom 18. 7. 1996 wurden die Behandlungsleistungen der Kl. dem später verstorbenen S mit 18 098 DM in Rechnung gestellt. Die Kl. ist der Auffassung, die Bekl. hafte gesamtschuldnerisch für die angefallenen Behandlungskosten neben ihrem später verstorbenen Ehemann. Der Inhalt des Aufnahmeantrages sei eindeutig. Im übrigen hafte die Bekl. als Erbin ihres verstorbenen Ehemannes. Das LG hat der Klage stattgegeben. Die Berufung der Bekl. hatte Erfolg.

Entscheidungsgründe:

Die Kl. kann ihre mit Rechnung vom 18. 7. 1996 geltend gemachten Behandlungsleistungen für den später verstorbenen S in Höhe von 18 098 DM nicht gegenüber der Bekl. als dessen Ehefrau geltend machen. Die Bekl. kann nicht als Erbin ihres verstorbenen Ehemanns in Anspruch genommen werden. Die Annahme des LG wonach die Bekl. die Erbschaft nicht rechtzeitig ausgeschlagen habe, rechtfertigt deren Verurteilung zur Begleichung der Rechnung nicht mehr, nachdem die Bekl. im Berufungsverfahren das Original einer Bestätigung des AG Aachen vom 9. 7. 1997 zu den Akten gereicht hat, aus der sich eindeutig ergibt, daß die Bekl. die Erbschaft am 3. 12. 1996 fristgerecht ausgeschlagen hat, indem sie zur Niederschrift des Nachlaßgerichts – das war das AG Aachen gem. § 73 I FGG – erklärt hat, die Erbschaft nach ihrem am 23. 10. 1996 verstorbenen Ehemann nicht annehmen zu wollen. Infolge wirksamer Ausschlagung der Erbschaft gem. §§ 1944, 1945 BGB kommt deshalb eine Inanspruchnahme der Bekl. als Erbin ihres verstorbenen Ehemanns nicht in Betracht. Die Bekl. haftet auch nicht aus der Schuldmitübernahmeerklärung in dem von ihr unterschriebenen Aufnahmeantrag der Kl., da diese gegen § 11 Nr. 14 a AGBG verstößt. Nach dieser Vorschrift ist für die Begründung einer Eigenhaftung des (bevollmächtigten) Abschlußvertreters – mehr wollte die Bekl., die ihren als Notfall eingelieferten Ehemann bei der Aufnahme begleitete, im Zweifel auch nicht sein – eine hierauf gerichtete ausdrückliche und gesonderte Erklärung erforderlich. An dem letztgenannten Erfordernis fehlt es vorliegend, auch wenn man nicht notwendig eine völlige Trennung der Schuldübernahmeerklärung von dem eigentlichen Vertragsformular und auch keine drucktechnische Hervorhebung verlangen kann (vgl. dazu Palandt/Heinrichs, BGB, 57. Aufl., § 11 AGBG Rdnr. 88 m. w. Nachw.). Es muß aber für den Vertreter auf den ersten Blick erkennbar sein, daß er eine eigene Haftung übernimmt, was angesichts des durchaus nicht klaren Wortlauts des Formulars nicht der Fall war. Im übrigen wird nach Auffassung des Senats für die Begründung einer eigenen Haftung zudem eine zweite Unterschrift des Vertreters zu verlangen sein (so auch OLG Frankfurt a. M., NJW 1986,1943). Die Bekl. haftet auch nicht gern. § 1357 I BGB für die mit der Klage geltend gemachten Behandlungskosten, wenngleich es sich hierbei offensichtlich um den allgemeinen Pflegesatz des Krankenhauses, nicht aber um kostspielige Wahlleistungen handelt. Zwar dient eine medizinisch indizierte, unaufschiebbare ärztliche Behandlung eines Ehepartners ohne Rücksicht darauf, wie hoch die mit ihr verbundenen Kosten sind, grundsätzlich der angemessenen Deckung des Lebensbedarfs (vgl. BGH, FamRZ 1992, 291), weil sie sich auf die Erhaltung der Gesundheit als des primären und ursprünglichen Lebensbedarfs richtet; dies allein begründet aber nach der Rechtsprechung des BGH (vgl. dazu auch BGH, JZ 1985, 680, 682) noch nicht notwendig eine Mitverpflichtung des anderen Ehegatten, weil mit Rücksicht auf die unterhaltsrechtliche Komponente der Haftung aus § 1357 BGB auf das Leistungsvermögen des anderen Ehepartners abzustellen ist (vgl. BGH, FamRZ 1992, 292). Scheidet also nach den Einkom-mens- und Vermögensverhältnissen des anderen Ehegatten von vornherein aus, daß dieser die Behandlungskosten tragen könnte, kommt nach dem letzten Halbsatz von § 1357 I BGB eine Einstandspflicht für ihn nicht in Betracht. So liegt der Fall hier. Die Bekl. hat nämlich den ihr obliegenden Nachweis dafür geführt, daß nach ihren eigenen Einkommens- und Vermögensverhältnissen im Zeitpunkt der Krankenhausbehandlung des Ehemanns (14. 6. bis 16. 7. 1996) die Tragung der Behandlungskosten für sie ausschied. Davon ist aufgrund der von ihr vorgelegten Unterlagen zur Überzeugung des Senats auszugehen. Die zu den Akten gereichte Studienbescheinigung der Fachhochschule Aachen ergibt, daß die Bekl. dort seit dem Wintersemester 1981 ohne Urlaubssemester bis zum Wintersemester 1997/98 im Fachbereich Architektur immatrikuliert war. Aus dem vorgelegten Schreiben der K-Krankenkasse vom 1. 3. 1994 ergibt sich, daß die Bekl. jedenfalls vom 1. 3. 1994 an in Gruppe N (Nichtversicherungspflichtige) versichert war. Nimmt man den Umstand hinzu, daß sie ausweislich der weiteren vorgelegten Bescheinigung dieser Krankenkasse vom 8. 4. 1997 noch im April 1997 in dieser niedrigen Betragsklasse versichert war, so ist von einer durchgängig dort bestehenden Versicherung der Bekl. auch im Zeitpunkt der in Rede stehenden stationären Behandlung ihres Ehemanns auszugehen. Eine darüber hinausgehende Darlegungspflicht der Bekl. hinsichtlich des Nichtvorhandenseins von privaten oder beruflichen Einkünften im fraglichen Zeitraum kann von ihr nicht verlangt werden, weil nicht ersichtlich ist, wie sie diese negative Tatsache über die vorgelegten Unterlagen hinaus soll belegen können. Im übrigen erscheint die Annahme, wonach die Bekl. als Hausfrau ausschließlich von Unterhaltsleistungen des Ehemanns gelebt und “nur nebenbei” Architektur studiert hat, nach Auffassung des Senats keineswegs lebensfremd oder unwahrscheinlich. Der Senat sieht deshalb auf der Grundlage der hierzu von der Bekl. gemachten Angaben und der vorgelegten Unterlagen keinen Anlaß, ihren Vortrag zu bezweifeln, wonach sie im fraglichen Zeitraum nicht über eigene Einkünfte verfügt hat. Ein für die Begleichung der Krankenhausrechnung ausreichendes Leistungsvermögen der Bekl. im Zeitpunkt der in Rede stehenden Krankenhausbehandlung ihres Ehemanns als Grundlage einer Haftung gem. § 1357 I BGB kann deshalb nicht angenommen werden. Dafür, daß sie nicht über eigenes Einkommen verfügte, sprechen im übrigen auch die weiteren zu den Akten gereichten Unterlagen, aus denen sich ergibt, daß nach dem Konkurs der Firma des Ehemanns die Miete für das in Belgien bewohnte Haus zunächst nicht mehr gezahlt werden konnte. Schließlich kommt eine Haftung der Bekl. nach § 1357 I BGB auch nicht deshalb in Betracht, weil von der Bekl. vereinnahmte Erstattungsbeträge aus einer eigenen Krankenversicherung des erkrankten Ehepartners an die Stelle der primären Unterhaltsleistung getreten und somit Surrogatfunktion erlangt haben könnten. Eine Haftung der Bekl. aufgrund der Vereinnahmung von Krankenversicherungsleistungen für ihren Ehemann scheidet nämlich ebenfalls aus. Aus den vorgelegten Unterlagen ergibt sich nach Auffassung des Senats eindeutig, daß im fraglichen Behandlungszeitraum eine selbständige Krankenversicherung des Ehemannes nicht bestand. Die Bekl. hat eine Bestätigung der V-Krankenversicherung vom 2. 12. 1997 zu den Akten gereicht, aus der sich ergibt, daß der mit ihrem Ehemann bestehende Krankenversicherungsvertrag gem. § 39 VVG wegen Nichtzahlung der Beiträge gekündigt wurde und deshalb Leistungsauszahlungen für Krankenhausbehandlungen im Jahre 1996 nicht erfolgten. Darüber hinaus ergibt sich aus einer weiteren vorgelegten Bescheinigung der K-Krankenkasse vom 20. 1. 1998, daß der Ehemann (erst wieder) ab dem 1. 8. 1996 bis zu seinem Tod dort als Familienmitglied der Bekl. mitversichert war. Die Bekl. hat auch plausibel gemacht, daß vorher ein Eintritt ihres Ehemanns als Mitversicherter wegen seiner Geschäftsführertätigkeit nicht in Betracht gekommen sei. Soweit die Kl. unter Beweis gestellt hat, daß schon ab Februar 1996 beim Ehemann der Bekl. die Voraussetzungen für das Bestehen einer gesetzlichen Krankenversicherung vorlagen, hindert dies nicht die Annahme, daß jedenfalls ein privater Krankenversicherungsschutz des Ehemanns, aus dem Leistungen an die Bekl. geflossen sein könnten, im Juni/Juli 1996 nicht bestand. Auch insoweit hat die Bekl. über ihren entsprechenden Sachvortrag und die Vorlage der vorgenannten Unterlagen hinaus keine weitere Möglichkeit, das Nichtbestehen einer anderweitigen Krankenversicherung ihres Ehemanns in diesem Zeitraum unter Beweis zu stellen. Zur Überzeugung des Senats reichen die vorgelegten Unterlagen aus, um den Nachweis des Nichtbestehens einer derartigen privaten Krankenversicherung des Bekl. im fraglichen Zeitraum als geführt anzusehen. Dem darüber hinaus auch erfolgten Beweisantritt der Bekl. zur Kündigung der zuvor bestehenden Krankenversicherung ihres Ehemanns bei der V-Versicherung durch Vernehmung der dort zuständigen Sachbearbeiterin braucht deshalb nach Auffassung des Senats nicht nachgegangen zu werden, zumal die Kl. die Echtheit der vorgelegten Bescheinigung der V-Krankenversicherung nicht bestritten hat.