LG Aachen
OBERLANDESGERICHT KÖLN
IM NAMEN DES VOLKE
URTEIL
In dem Rechtsstreit
pp.
hat der 7. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 15. Mai 1997 durch …
für Recht erkannt:
Auf die Berufung des Klägers wird das am 20.09.1995 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Aachen – 4 O 501/94 – unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefaßt:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 23.394,85 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 25. April 1994 zu zahlen.
Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits I. Instanz tragen der Kläger zu 22 % und die Beklagte zu 78 %; die Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Kläger zu 48 % und die Beklagte zu 52 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
Die Berufung ist zulässig und führt auch in der Sache zu einer teilweisen Verurteilung der Beklagten.
Nach dem Ergebnis der vom Senat durchgeführten Beweisaufnahme steht fest, daß es sich bei den vom Kläger erworbenen Anteilscheinen um hochspekulative Wertpapiere handelt, bei deren Vertrieb besonders hohe Anforderungen an die Aufklärung und Beratung der Erwerber zu stellen sind. Diesen Anforderungen wird die Beratung, die der Kläger durch die Beklagte bzw. den Zeugen K. erfahren hat, nicht gerecht. Den entstandenen Schaden hat die Beklagte dem Kläger wegen Verletzung des im Zusammenhang mit der Veräußerung der Papiere abgeschlossenen Beratungsvertrags jedenfalls zum überwiegenden Teil zu ersetzen.
Tritt ein Anlageinteressent an eine Bank oder Anlageberater einer Bank an einen Kunden heran, um über die Anlage eines Geldbetrages beraten zu werden bzw. zu beraten, so wird das darin liegende Angebot zum Abschluß eines Beratungsvertrags stillschweigend durch die Aufnahme des Beratungsgesprächs angenommen (BGHZ 100, 117, 118; 123, 126, 128). Zwischen den Parteien ist unstreitig, daß der Kläger die Terramar-Anteilscheine bei der Beklagten nicht nur gekauft hat, sondern sich im Zusammenhang mit den verschiedenen Käufen – mit Ausnahme des letzten im November 1989 getätigten Kaufs – von dem Zeugen K. stets auch hat beraten lassen. Hiernach hat zwischen den Parteien ein Vertragsverhältnis bestanden, aufgrund dessen die Beklagte dem Kläger zur Beratung verpflichtet war. Ob es sich dabei um nur einen Vertrag handelte oder ob mit jedem Verkauf oder Beratungsgespräch ein neuer Vertrag abgeschlossen wurde, kann dahinstehen.
Nach den von der Rechtsprechung zur Anlageberatung entwickelten Regeln hat sich die Beratung auf diejenigen Eigenschaften und Risiken zu beziehen, die für die jeweilige Anlageentscheidung wesentliche Bedeutung haben oder haben können, wobei zwischen den allgemeinen Risiken (Konjunkturlage, Entwicklung des Börsenmarktes) und den speziellen Risiken, die sich aus den individuellen Gegebenheiten des Anlageobjekts (Kurs-, Zins- und Währungsrisiko) ergeben, zu unterscheiden ist (BGHZ 123, 126, 129). Die Beratung hat sich ferner daran auszurichten, ob das beabsichtigte Anlagegeschäft der sicheren Geldanlage dienen soll oder spekulativen Charakter hat. Erstrebt der Kunde erkennbar eine solide Kapitalanlage, so sind an die Beratungspflicht höhere Anforderungen zu stellen als bei Geschäften, die primär nicht Anlage-, sondern Spekulationszwecken dienen (OLG Frankfurt, WM 1995, 245, 247). Der bloße Spekulationscharakter eines Geschäfts macht die Beratung nicht entbehrlich, ebensowenig der Umstand, daß der Kunde über einschlägige Erfahrungen verfügt. Auch der sachverständige Anleger darf die sorgfältige Ermittlung und Weitergabe der für seine Investitionsentscheidung relevanten Daten erwarten (vgl. Kübler, ZHR 145, 215).
Wie das vom Senat eingeholte Gutachten des Sachverständigen P. ergeben hat, war der Erwerb der Terramar-Anteilscheine von vornherein mit erheblichen, den Totalverlust einschließenden Risiken behaftet. Die zeitweise günstige Kursentwicklung beruhte darauf, daß 1984 an den Börsen von Toronto und Vancouver nach der Entdeckung bedeutender Goldvorkommen in Ontario/Kanada ein regelrechter „Goldrausch“ ausgebrochen war. Hunderte kleiner über Schürfrechte verfügende Gesellschaften, darunter die Terramar, erweckten mit Pressemeldungen und der damit verbundenen „Promotion“ den Eindruck, ebenfalls bedeutenden Vorkommen auf der Spur zu sein. Durch zahlreiche Kapitalerhöhungen wurde das Geld zur Finanzierung der geologischen Voruntersuchungen und Explorationsbohrungen aufgebracht. Das Stadium des tatsächlichen Goldabbaus wurde aber nur von wenigen Gesellschaftern erreicht.
Nach den Feststellungen des Sachverständigen P. gelang es einigen Gesellschaften, während der bis 1987 dauernden Spekulationsphase auch in Deutschland Erwartungen zu wecken, die durch die tatsächliche Entwicklung der Lage in den Schürfgebieten nicht gerechtfertigt waren. Der Sachverständige bemängelt ausdrücklich, daß unerfahrene Anlageberater gerade in Deutschland für die Spekulation um die Goldvorkommen leicht zu „begeistern“ waren (Gutachten S. 2, GA Bl. 251).
Es kommt hinzu, daß der Finanzvorstand der Terramar, der Deutsche Dr. H. H. aus …, bei der „Promotion“ der Terramar-Anteilscheine ein erhebliches Eigeninteresse verfolgte. Dr. H. hatte billig erworbene Schürfrechte in die Gesellschaft eingebracht und dafür Anteilscheine erworben, die er im Rahmen einer Kapitalerhöhung der Gesellschaft gleichzeitig mit den neu emittierten Papieren verkaufen wollte. Nach den eigenen Angaben der Beklagten verfügte Dr. H. seinerzeit über 1 Mio. Anteile. Allein die daraus resultierende Interessenkollision Dr. H.s war, wie der Sachverständige P. überzeugend ausgeführt hat, Grund genug, um von dem Erwerb der Terramar-Papiere abzuraten.
Die Tatsachen, aus denen sich die Bedenken gegen die Terramar-Papiere ergaben, insbesondere die Ziele und Absichten Dr. H.s waren interessierten Kreisen schon im April 1984 bekannt. Die Beklagte behauptet zwar, das Geschäft, mit dem Dr. H. seine gesamten Anteile außerbörslich an die Pacific Concord veräußerte, sei erst 1986 zustande gekommen. Sie bestreitet aber nicht, daß der Emissionsprospekt der Terramar, aus dem sich die Verkaufsabsicht Dr. H.s ergab, bereits am 05. April 1984 publiziert wurde. Der Prospekt war auch, wie der Sachverständige ausgeführt hat, öffentlich zugänglich. Im Ergebnis hat der Sachverständige daraus mit Recht abgeleitet, daß die fragwürdige Rolle, die Dr. H. bei dem Vertrieb der Terramar-Anteilscheine spielte, einem umsichtigen Anlageberater, der seiner Kundschaft die Papiere empfahl, hätte bekannt sein müssen.
Vor diesem Hintergrund muß schon bedenklich erscheinen, daß die Beklagte nicht davon Abstand genommen hat, ihren Kunden die Terramar-Papiere überhaupt anzubieten. Jedenfalls oblag ihr eine Pflicht zu besonders sorgfältiger Aufklärung, die sich namentlich auch auf die spezifischen, mit der Rolle Dr. H.s zusammenhängenden Risiken zu erstrecken hatte. Dieser Verpflichtung ist der Zeuge K. nicht nachgekommen. Wie er schon bei seiner erstinstanzlichen Vernehmung eingeräumt hat, erklärte er dem Kläger ausdrücklich, daß er die Terramar-Papiere für „interessant“ halte. Eine derartige Aussage, die geeignet und wohl auch dazu gedacht war, beim Kläger die Hoffnung auf ganz erhebliche Kurssteigerungen zu erwecken, war unter den gegebenen Umständen falsch und leichtfertig. Tatsächlich lagen dem Zeugen keine ausreichenden Unterlagen und Auskünfte vor, die bei Beachtung der gebotenen Sorgfalt eine günstige Kursprognose erlaubten. Von den hinter der „Promotion“ der Terramar-Papiere stehenden Absichten Dr. H.s war dem Zeugen, wie er bei seiner Vernehmung durch den Senat selbst bekundet hat, nichts bekannt. Schon diese Unkenntnis rechtfertigt den Vorwurf der Fahrlässigkeit, denn tatsächlich hätten, wie aus dem Gutachten des Sachverständigen P. folgt, entsprechende Informationen ohne weiteres beschafft werden können. Ein derart hochspekulatives Papier, wie es die Terramar-Beteiligung darstellte, durfte nicht zum Kauf angeboten und noch weniger als „interessant“ empfohlen werden, wenn nicht zuvor alle Informationsmöglichkeiten ausgeschöpft waren.
Ausgenommen von dem Ersatzanspruch des Klägers ist der letzte, im November 1989 getätigte Kauf. Insoweit ist schon fraglich, ob der Kläger überhaupt noch eine Beratung in Anspruch genommen hat. Weder der Zeuge K. noch der Kläger selbst haben sich daran bei ihrer Vernehmung bzw. Anhörung durch den Senat noch konkret zu erinnern vermocht. Im übrigen ist ein Beratungsfehler der Beklagten auch aus Rechtsgründen zu verneinen, da der Kläger bei dem Kauf im November 1989 auf eine Beratung jedenfalls nicht mehr angewiesen war. Zum damaligen Zeitpunkt war der Kurs, der 1985 zeitweise nahe 2 can$ gelegen hatte, auf 0,15 can$ gesunken. Dieser dramatische Kursverfall mußte auch einem unerfahrenen Laien deutlich machen, daß sich die an den Goldabbau geknüpften Erwartungen nicht erfüllt hatten und daß mit einem Totalverlust ernsthaft gerechnet werden mußte. Im Hinblick darauf erübrigte sich jede Beratung.
Der Anspruch des Klägers ermäßigt sich ferner um den Gegenwert der Papiere, die er im März 1986 an seinen Neffen veräußerte. Wie der Kläger bei seiner Anhörung durch den Senat eingeräumt hat, handelte es sich dabei nicht um eine Schenkung, sondern um eine Übertragung zum Zwecke der Schuldentilgung. Den Vorteil, den er daraus gezogen hat, muß der Kläger sich schadensmindernd anrechnen lassen, wobei davon auszugehen ist, daß die von seinem Neffen erbrachte Gegenleistung nach dem Kurswert der Papiere im Zeitpunkt der Übertragung bemessen worden ist. Aus dem Kursdiagramm, das der Zeuge K. anläßlich seiner erstinstanzlichen Vernehmung zu den Akten gereicht hat (Hülle Bl. 64) und dessen Richtigkeit von beiden Parteien nicht in Zweifel gezogen worden ist, läßt sich für den fraglichen Tag, den 3. März 1986, ein Kurs von – annäherungsweise – 1,00 can$ ablesen. Es kann ferner unterstellt werden, daß bei der Übertragung der Papiere auch der amtliche Devisenkurs des can$ zugrunde gelegt wurde, der am 03.03.1986 bei 1,552 DM lag. Demnach mindert sich der Schaden um (12.000 x 1,00 x 1,552 =) 18.624,00 DM.
Im Ergebnis errechnet sich der Schadenersatzanspruch des Klägers wie folgt:
Gesamtkaufpreis 44.523,36 DM
abzüglich Kauf vom 14.11.1989 2.504,51 DM
abzüglich Veräußerung vom 03.03.1986 18.624,00 DM
verbleiben 23.394,85 DM
Hinsichtlich der im November 1989 gekauften Papiere steht dem Kläger auch der hilfsweise geltend gemachte Herausgabeanspruch nicht zu, da die Beklagte, wie die Vernehmung des Zeugen K. ergeben hat, diese Papiere nicht in Besitz hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 ZPO. Hinsichtlich der erstinstanzlichen Kosten ergibt sich die Quote unmittelbar aus dem Verhältnis des zuerkannten Betrags zum Klageanspruch, mit dem der Kläger in erster Instanz noch seinen vollen Schaden geltend gemacht hat. In zweiter Instanz bezeichnet er die auf Zahlung von 30.000,00 DM gerichtete Klage dagegen ausdrücklich als Teilklage und berühmt sich eines weiteren Anspruchs in Höhe von 14.523,36 DM, den er ebenfalls – hilfsweise – geltend macht, so daß insgesamt über einen Anspruch in Höhe von 44.523,36 DM zu entscheiden war.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 10 ZPO.
Berufungsstreitwert: bis 45.000,00 DM;
Wert der Beschwer: für beide Parteien unter 60.000,00 DM.