OLG Karlsruhe: Erstattung von Implantaten bei privater Krankenversicherung

OBERLANDESGERICHT KARLSRUHE

12 U 168/95

O 453/93 LG Karlsruhe .

Verkündet am:

21.03.1996

Im Namen des Volkes

Urteil

In Sachen

Klägerin / Berufungsbeklagte Prozeßbevollmächtigte:

Rechtsanwältin…

gegen

Beklagte / Berufungsklägerin

Prozeßbevollmächtgte: Rechtsanwälte…

wegen Feststellung und Forderung aus Krankenversicherungsvertrag hat der 12. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Karlsruhe auf die mündliche Verhandlung vom 21. März 1996 durch …

für RECHT erkannt:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 21.07.1995 – 6 O 453/93 – wird zurückgewiesen. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsrechtszugs zu tragen. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Wert der Beschwer der Beklagten übersteigt DM 60.000,– nicht.

Tatbestand

Die Klägerin ist bei der Beklagten gemäß Versicherungsschein vom 02.02.1982 unter anderem mit einem Krankenversicherungsvertrag nach Maßgabe der Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Krankheitskosten- und Krankenhaustagegeldversicherung (MBKK 76) zu den Tarifen 701, 720 und 741 versichert.

Wegen Zahnverlustes im Oberkiefer benötigt die Klägerin eine prothetische Versorgung. Zunächst hatte die Klägerin die Zähne 15, 16 und 17 im Oberkiefer verloren, welche durch eine Teilprothese ersetzt wurden. Nach dem Verlust der Zähne 26 und 27 wurde die Teilprothese erweitert. Zur endgültigen prothetischen Versorgung begab sich die Klägerin in weitere zahnärztliche Behandlung. Die Zahnärzte Dres. K. und A. stellten unter dem 04.02.1993 einen Heil- und Kostenplan über eine Implantatversorgung auf, in dem die voraussichtlichen Gesamtkosten für die implantologischen Maßnahmen mit DM 9.223,20 und die voraussichtlichen Kosten eines bei einer Implantatversorgung erforderlichen Kieferkammaufbaus mit ca. DM 8.000,– angegeben wurden. In dem Befund- und Behandlungsplan des Zahnarztes Dr. S. vom 23.04.1993 wurden die Kosten für die endgültige prothetische Versorgung mit DM 11.377,26 errechnet.

Die Beklagte hielt eine kostengünstigere Teleskopkronenversorgung für ausreichend und lehnte deshalb die Abgabe einer Erstattungszusage ab, erklärte sich aber mit Schreiben vom 28.06.1993 bei Vorlage einer die Notwendigkeit einer Implantatversorgung begründenden weiteren Stellungnahme der Ärzte Dres. K. und A. zu einer erneuten Prüfung bereit. Diese gaben unter dem 16.07.1993 eine Stellungnahme ab und stellten dafür mit ihrer Liquidation vom 01.09.1993 DM 109,77 in Rechnung, welche die Klägerin gezahlt hat. Die Beklagte blieb bei ihrer Ablehnung.

Die Klägerin hat hierauf Klage auf Feststellung und Zahlung erhoben und vorgetragen:

Die Beklagte habe die Kosten einer Implantatversorgung im Umfang der vereinbarten Tarife zu tragen. Eine Implantatversorgung sei medizinisch notwendig im Sinne des § 1 Abs. 2 Satz 1 MBKK 76. Die Implantatversorgung sei deshalb notwendig, um eine sonst zu befürchtende Kieferatrophie zu vermeiden und zureichende Okklusions- und Artikulationsverhältnisse herzustellen. Zudem könnten bei einer implantologischen Versorgung paradontal vorgeschädigte Restpfeilerzähne im Oberkiefer entlastet und so erhalten werden. Die von der Beklagten vorgeschlagene Teleskopkronenversorgung mache ein Abschleifen weiterer Zähne erforderlich und führe zur Belastung der Restpfeilerzähne und damit zur Gefahr eines weiteren Zahnverlustes.

Ferner habe die Beklagte die Kosten für die auf ihre Veranlassung hin eingeholte Stellungnahme der Zahnärzte Dres. K. und A. von DM 109,76 zu ersetzen.

Sie hat beantragt:

1. Es wird festgestellt, daß die Beklagte zur tarifgemäßen Erstattung der im Heil- und Kostenplan der Dres. med. dent. K. und A. vom 04.02.1993 einschließlich des Kieferkammaufbaus sowie der im Heil- und Kostenplan von Dr. med. dent. S. vom 22.04.1993 aufgeführten Leistungen verpflichtet ist.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin DM 109,76 zuzüglich 4% Zinsen daraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage wird abgewiesen.

Sie hat der Klage entgegengehalten:

Sie habe die Kosten für eine Implantatversorgung nicht zu tragen. Die kostengünstigere Teleskopkronenversorgung sei nicht nur ausreichend, sondern zumindest gleichwertig, wenn nicht gar überlegen. Zumindest im Hinblick auf die bei einer Implantatversorgung bestehenden erheblichen Risiken sei die Teleskopkronenversorgung als Behandlungsmaßnahme vorzuziehen.

Das Landgericht hat nach Einholung eines schriftlichen Gutachtens der Sachverständigen Prof. Dr. Dr. S. und Prof. Dr. Dr. E. die Beklagte antragsgemäß verurteilt und ausgeführt, sie habe der Klägerin Ersatz für die bei einer Implantatversorgung entstehenden Kosten zu leisten und auch die durch die Einholung der ärztlichen Stellungnahme der Dres. K. und A. entstandenen Kosten zu ersetzen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Urteil verwiesen.

Gegen dieses Urteil hat die Beklagte Berufung eingelegt, mit der sie unter Wiederholung und Ergänzung ihres früheren Vortrags weiter geltend gemacht, eine Teleskopkronenversorgung sei ausreichend und zweckmäßig. Die von der Klägerin gewünschte Implantatversorgung stelle eine Luxusausführung dar, für die sie keinen Ersatz zu leisten habe. Sie meint, bei Durchführung einer Implantatversorgung verstoße die Klägerin auch gegen ihre Schadensminderungspflicht nach § 62 VVG.

Sie beantragt,

das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Sie wiederholt ebenfalls ihren früheren Vortrag und führt weiter aus, eine Teleskopkronenversorgung komme als Behandlungsmaßnahme nicht in Betracht, denn eine Teleskopkronenversorgung sei bereits ausgeführt worden, aber gescheitert. Sie meint, § 62 WG komme in der Krankenversicherung von vornherein nicht zur Anwendung, in jedem Falle aber verstoße sie mit einer Implantatversorgung nicht gegen Schadensminderungspflichten.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivortrags wird auf den Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und vorgelegten Urkunden verwiesen.

Im Berufungsrechtszug wurde durch Anhörung des Sachverständigen Prof. Dr. Dr. E weiterer Beweis erhoben. Wegen des Ergebnisses wird auf die Niederschrift vom 29.01.1996 (II 75 ff) verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Berufung der Beklagten ist zwar zulässig. In der Sache muß ihr jedoch der Erfolg versagt bleiben.

I.

Die zulässige Feststellungsklage der Klägerin ist begründet.

Die Beklagte ist nach den §§ 1 Abs . 1 a und Abs . 3, 4 Abs . 1 MBKK 76 verpflichtet, der Klägerin nach Maßgabe und im Umfang der vereinbarten Tarife die Kosten für die von der Klägerin gewünschte Implantatversorgung des Oberkiefers zu ersetzen.

1. Die Implantatversorgung stellt, was auch die Beklagte nicht bestreitet, eine Heilbehandlung im Sinne des § 1 Abs. 2 Satz 1 MBKK 76 dar. Als Heilbehandlung ist die von der Klägerin angestrebte Implantatversorgung des Oberkiefers auch medizinisch notwendig im Sinne dieser Bedingung des Krankenversicherungsvertrags.

a) Ob eine Heilbehandlung medizinisch notwendig ist, entscheidet sich nicht nach der Auffassunq des zugezogenen Arztes oder des Versicherungsnehmers, sondern grundsätzlich nach objektiven Kriterien (Prölss/Martin, WG, 25. Aufl. § 1 MBKK Anm. 2 Ba; Bach/Moser, Die private Krankenversicherung, 2. Aufl., § 1 MBKK Randziffer 26). Dies bedeutet aber nicht, daß die Notwendigkeit einer Heilbehandlung nach wissenschaftlichen Maßstäben eindeutig festgestellt werden muß, denn dies würde im Hinblick auf die in der medizinischen Wissenschaft vielfach zu Tage tretenden Unsicherheiten zu einer Entwertung des Krankenversicherungsschutzes, der zur Absicherung des Versicherungsnehmers im Krankheitsfall dienen soll, führen. Unter Berücksichtigung dieses Gesichtspunkts ist es deshalb für die Bejahung des Begriffs der medizinischen Notwendigkeit als Voraussetzung eines Leistungsanspruchs in der Krankenversicherung ausreichend, aber auch erforderlich, daß es nach dem objektiven medizinischen Befund und den wissenschaftlichen Erkenntnissen zum maßgeblichen Zeitpunkt des Beginns der Behandlung vertretbar ist, eine Behandlung als notwendig einzustufen (BGH VersR 79, 221, 222; VersR 87, 278, 279; VersR 91, 987).

b) Nach dem vorliegenden zahnmedizinischen Befund und dem derzeitigen Stand der zahnärztlichen Wissenschaft ist es unter rein zahnmedizinischen Gesichtspunkten in jedem Fall vertretbar, die von der Klägerin gewünschte Implantatversorgung als notwendige Behandlungsmaßnahme zu betrachten.

Die Sachverständigen Prof. Dr. Dr. S. und Prof. Dr. Dr. E. haben in ihrem von dem Landgericht eingeholten schriftlichen Gutachten vom 21.12.1994 ausgeführt, daß die prothetische Versorgung des Oberkiefers der Klägerin hauptsächlich auf drei Arten ausgeführt werden kann. Neben der einfachsten und kostengünstigsten Lösung mit einer abnehmbaren Teilprothese und einem über den Gaumen führenden, zur Stabilisierung dienenden Metallbügel, auf welche auch die Beklagte die Klägerin nicht verweisen will, und der von der Klägerin gewünschten implantatgetragenen prothetischen Versorgung mit festsitzendem oder herausnehmbaren Zahnersatz kommt nach den Darlegungen der Sachverständigen auch die von der Beklagten vorgeschlagene Versorgung des Oberkiefers mit Konuskronen in Betracht. Beide Arten der Versorgung – die implantatgetragene prothetische Versorgung und die von der Beklagten genannte Konuskronenversorgung – sind nach den Darlegungen der Sachverständigen in ihrem Gutachten geeignet, die Kaufähigkeit im Rahmen des Möglichen wieder herzustellen und stellen aus zahnmedizinischer Sicht geeignete und vertretbare Behandlungsmethoden dar.

Unzutreffend ist in diesem Zusammenhang der Vortrag der Klägerin, daß bei ihr eine Teleskopkronenversorgung bereits gescheitert und nicht möglich sei, weshalb als geeignete Behandlungsmaßnahme von vornherein nur eine implantatgetragene prothetische Versorgung in Betracht kommen könne. Wie der Sachverständige Prof. Dr. Dr. bei seiner Anhörung im Berufungsrechtszug nachvollziehbar erläutert hat, ist im Oberkiefer der Klägerin im Seitenzahnbereich bereits eine Atrophie eingetreten, so daß diese auch durch Einsetzung von Implantaten nicht mehr gehindert werden kann. Unrichtig ist auch, daß eine Teleskopkronenversorgung endgültig gescheitert sei. Die Teilprothese, welche die Klägerin jetzt trägt, stellt keine endgültige prothetische Versorgung dar. Wie der Sachverständige Prof. Dr. Dr. bei seiner Anhörung erklärt hat, handelt es sich bei dieser Teilprothese um ein Provisorium, weil eine früher vorhandene Prothese nach dem Verlust zweier weiterer Zähne lediglich verlängert wurde, dies aber keine ausreichende und dauerhafte prothetische Versorgung darstellt.

Beide Arten der Versorgung haben jedoch, wie die Sachverständigen schon in ihrem schriftlichen Gutachten nachvollziehbar und einleuchtend dargelegt haben, spezifische Vor- und Nachteile. Bei einer Teleskopkronenversorgung wäre es, wie der Sachverständige Prof. Dr. Dr. E bei seiner Anhörung nochmals ausführlich dargelegt hat, erforderlich, sämtliche verbliebenen Restzähne im Oberkiefer – also außer den bereits überkronten Zähnen 18, 14 und 24 auch die Zähne 13, 12, 11, 21, 22 und 23 abzuschleifen und zu überkronen. Wenn auch bei einem fachgerechten Abschleifen der Zähne, wie der Sachverständige weiter dargelegt hat, keine besonderen Risiken entstehen, so führt das Abschleifen doch, wie bereits in dem schriftlichen Gutachten dargelegt wurde, zu einer Qualitätsminderung der Zähne. Zur Dauerhaftigkeit einer Teleskopkronenversorgung hat der Sachverständige erklärt, daß die Dauer der Funktionsfähigkeit statistisch bei acht bis zehn Jahren liege.

Bei einer implantatgetragenen prothetischen Versorgung ist dagegen ein Abschleifen und Überkronen weiterer Restzähne nicht erforderlich. Der Sachverständige Prof. Dr. Dr. E hat bei seiner Anhörung nochmals dargelegt, daß zwar die Kaukraft bei beiden Lösungen in etwa gleich sei. Als Vorzug einer Implantatversorgung hat er jedoch hervorgehoben, daß, weil der Gaumen frei bleibe, ein besserer Tragkomfort zu erzielen sei und Schwierigkeiten bei der Artikulation und dem Sprechen nicht auftreten könnten. Nachteilig bei einer Implantatversorgung ist nach den weiteren Darlegungen des Sachverständigen gerade auch infolge des erforderlichen Kieferkammaufbaus, daß relativ hohe Komplikations- und Verlustrisiken bestehen. Auch fehlen zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch gesicherte Erkenntnisse über die Dauer der Funktionsfähigkeit bei einer erfolgreichen Implantatversorgung mit Kieferkammaufbau. Gleichwohl hat der Sachverständige bei seiner Anhörung nochmals bekräftigt, daß die Implantatversorgung der Klägerin mit dem erforderlichen Kieferkammaufbau eine zahnmedizinisch geeignete und vertretbare Behandlungsmethode darstelle.

c) Richtig ist allerdings, daß eine Implantatversorgung – gleichgültig ob mit festsitzenden oder herausnehmbaren Zahnersatz – wesentlich teurer ist als eine Teleskopkronenversorgung. Dies rechtfertigt es aber in dem hier vorliegenden Fall nicht, die medizinische Notwendigkeit einer solchen Behandlung zu verneinen.

Die Frage, ob Kostengesichtspunkte bei der Prüfung, ob eine Heilbehandlung medizinisch notwendig im Sinne des §1 Abs. 2 Satz 1 MBKK 76 ist, heranzuziehen sind, wird unterschiedlich beantwortet. Zum einen wird die Auffassung vertreten, der Kostenaufwand sei für die Beurteilung der medizinischen Notwendigkeit kein Kriterium (so z. B.: Schmid NJW 81, 2504; Schüssler VersR 86, 322, 323). Hierbei wird – immerhin nicht ohne jede Berechtigung – auf den Wortlaut des § 1 Abs. 2 Satz 1 MBKK 76 hingewiesen, der über Kosten nichts besagt und lediglich auf eine Bewertung unter medizinischen Gesichtspunkten abstellt. Zum anderen wird die Auffassung vertreten, bei der Beurteilung der Notwendigkeit einer Heilbehandlung seien auch wirtschaftliche Maßstäbe anzulegen (so z. B. Prölss/Martin, a.a.0.,§ 1 MBKK Anm. 2 B a; Bach VersR 79, 792, 794; Bach/Moser, a.a.0., § 1 MBKK Randziffer 34; OLG Köln r+s 95, 431). Hierbei wird auf das berechtigte Interesse des Versicherers verwiesen, sich vor einer unvorhergesehenen “Kostenexplosion” zu schützen (so Bach VersR 79, 792, 794), sowie darauf, daß ein Anspruch nur auf Ersatz der Kosten für eine adäquate Therapie bestehe, eine solche aber nicht vorliege, wenn eine andere, kostengünstigere Möglichkeit zur Verfügung stehe (OLG Köln r+s 95, 431).

Welcher der beiden Auffassungen der Vorzug zu geben ist, bedarf im vorliegenden Fall keiner Entscheidung. Auch die Auffassung, welche Kostengesichtspunkte mitberücksichtigen will, räumt ein, daß den Versicherungsnehmer keine allgemeine Verpflichtung treffe, die Kosten einer medizinischen Behandlung möglichst gering zu halten (so Bach VersR 79, 792, 794). Sie verneint die medizinische Notwendigkeit einer Heilbehandlung im Sinne des § 1 Abs. 2 Satz 1 MBKK 76 vielmehr nur dann, wenn mehrere medizinisch gleichwertige, kostenmäßig aber um ein Vielfaches auseinander liegende Möglichkeiten der Behandlung bestehen und nicht die kostengünstigere gewählt wird (Prölss/Martin, a.a.0., § 1 MBKK Anm. 2 B a; Bach/Moser, a.a.0., § 1 MBKK Randziffer 34; Bach VersR 79, 792, 794; OLG Köln r+s 95, 531).

Auch unter Zuqrundelegung dieses Beurteilungsmaßstabs könnte die von der Klägerin gewünschte Implantatversorgung nach den gegebenen Umständen nicht als medizinisch nicht notwendig bewertet werden. Es ist bereits fraglich, ob von einer Gleichwertigkeit beider Behandlungsmethoden gesprochen werden kann. Die Frage der Gleichwertigkeit läßt sich jedenfalls nicht allein oder hauptsächlich damit beantworten, daß mit beiden Behandlungsmethoden im Rahmen der Möglichkeit die Kaufähigkeit weitgehend wieder hergestellt werden kann. Wie ausgeführt, haben beide Behandlungsmethoden spezifische Vor- und Nachteile, die sich nur schwer summieren, gewichten und zur Prüfung der Gleichwertigkeit einander gegenüberstellen lassen. Die Nachteile der Implantatversorgung liegen in einem hohen Verlustrisiko sowie der Unsicherheit der Dauerhaftigkeit der Versorgung, die Vorteile im wesentlichen darin, daß der Gaumen freibleiben kann und dabei – auch beim Sprechen – keine Behinderungen entstehen. Bei einer Teleskopkronenversorgung würden Nachteile dadurch entstehen, daß weitere weitgehend gesunde, bisher nicht überkronte Zähne abgeschliffen und überkront werden müßten. Ferner würden Behinderungen und Beeinträchtigungen durch eine den Gaumen zum Teil überdeckende Prothese entstehen. Die Vorteile dieser Behandlungsmethode liegen demgegenüber darin, daß sie im wesentlichen frei von Komplikationsrisiken ist und sich die Dauerhaftigkeit der Versorgung mit einiger Sicherheit vorhersagen läßt. Im Hinblick auf die Art der geschilderten Vor- und Nachteile stellt sich die Frage, ob überhaupt von einer Gleichwertigkeit gesprochen werden kann oder es sich nicht um völlig andere, nicht vergleichbare Behandlungsmethoden handelt.

Letztlich kann aber auch dies dahinstehen. Die Notwendigkeit einer Implantatversorgung kann jedenfalls deshalb nicht verneint werden, weil die Kosten einer solchen prothetischen Versorgung diejenigen einer Teleskopkronenversorgung nicht soweit überschreiten, daß dies eine Verweisung der Klägerin auf die kostengünstigere Teleskopkronenversorgung rechtfertigen könnte. Die Kosten einer Implantatversorgung übersteigen diejenigen einer Teleskopkronenversorgung nicht um ein Vielfaches. Nach dem Heil- und Kostenplan der Zahnärzte Dres. Kund A vom 04.02.1993 wurden die voraussichtlichen Kosten für die implantologischen Maßnahmen mit DM 9.232,20 und für den erforderlichen Kieferkammaufbau, mit ca. DM 8.000,–, also insgesamt mit DM 17.232,20, angegeben. In dem Befund- und Behandlungsplan des Zahnarztes Dr. vom 22.04.1993 werden die voraussichtlichen Kosten für die endgültiqe prothetische Versorgung mit Zahnersatz mit DM 11.377,26 angegeben. Damit belaufen sich die voraussichtlichen Kosten für eine Implantatversorgung auf insgesamt ca. DM 28.609,46. Unzutreffend ist, daß, wie von der Beklagten behauptet wird, auch bei einer Implantatversorgung weitere Zähne abgeschliffen und überkront werden müßten und dadurch Kosten von DM 12.000,– anfallen würden. Der Sachverständige hat dies bei seiner Anhörung gerade verneint. Wie die Beklagte selbst vorträgt, würden bei einer Teleskopkronenversorgung voraussichtlich Kosten von DM 16.800,– anfallen. Danach betragen die voraussichtlichen Kosten bei einer Implantatversorgung noch nicht einmal das Doppelte und damit in jedem Fall nicht ein Vielfaches von der einer Teleskopkronenversorgung. Die Kostendifferenz ist auch nicht so erheblich, daß deshalb der Klägerin das Recht, sich für die Implantatversorgung zu entscheiden, zu versagen wäre.

Mit ihrer Forderung nach Ersatz der bei einer Implantatversorgung entstehenden Kosten verstößt die Klägerin auch nicht gegen Treu und Glauben.

Zwar unterliegt ein privates Versicherungsverhältnis im besonderen Maße den Grundsätzen von Treu und Glauben, weshalb der Versicherungsnehmer in der Krankenversicherung bei kostenträchtigen, nicht lebensnotwendigen Behandlungen auf die Interessen des Versicherers in angemessener Weise Rücksicht nehmen und dieser jedenfalls ganz unverhältnismäßige Kosten nicht erstatten muß (BGH VersR 87, 278, 280; Bach VersR 79, 792, 794). Wie sich jedoch aus dem Vorstehenden ergibt, werden bei einer Implantatversorgung keine völlig unverhältnismäßigen Kosten entstehen. Auch hier gilt, daß die Kostendifferenz nicht so erheblich ist, daß die Klägerin aus Gründen von Treu und Glauben gezwungen wäre, sich mit der kostengünstigeren Teleskopkronenversorgung zu begnügen.

4. Schließlich verstößt die Klägerin bei Ausführung einer Implantatversorgung nicht gegen ihre Schadensminderungspflicht nach § 62 VVG.

§ 62 WG ist allerdings entgegen der Auffassung der Klägerin auch in der Krankenversicherung anwendbar (Bach/Moser a.a.0., §§ 9, 10 MBKK Randziffer 33 ff). Die Krankenversicherung ist, soweit sie auf die Erstattung von Krankheitskosten gerichtet ist, Schadensversicherung (Prölss/Martin, a.a.0., § 1 MBKK Anm. 1 B) .§ 62 WG ist aber auf die gesamte Schadensversicherung anwendbar.

Ein Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht kommt aber aus den vorgenannten Gründen nicht in Betracht. Die Schadensminderungspflicht des § 62 VVG zwingt den Versicherungsnehmer in jedem Fall nicht, stets nur die kostengünstigere Behandlungsmaßnahme in Anspruch zu nehmen. Vielmehr liegt ein Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht jedenfalls dann nicht vor, wenn der Versicherungsnehmer sich für eine Behandlungsmethode entscheidet, die im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 2 MBKK 76 auch unter Berücksichtigung von Kostengesichtspunkten als medizinisch notwendig zu betrachten ist.

II.

Auch die Zahlungsklage ist gerechtfertigt.

1. Die Beklagte hat der Klägerin die Kosten von DM 109,76 zu erstatten, die der Klägerin dadurch entstanden sind, daß sie die Stellungnahme der Zahnärzte Dres. K. und A. vom 16.07.1993 zum Nachweis der medizinischen Notwendigkeit der Implantatversorgung eingeholt und der Beklagten zugeleitet hat.

Die Ersatzpflicht der Beklagten ergibt sich insoweit aus § 66 Abs. 1 WG. Unter § 66 Abs. 1 WG fallen auch die Kosten für den Beweis des Eintritts des Versicherungsfalls (Prölss/Martin, a.a.0., §§ 66 Anm. 2 B b). Der Erstattungsanspruch ist auch nicht nach § 65 Abs. 2 WG ausqeschlossen, weil es sich bei den der Klägerin entstandenen Kosten nicht um solche handelt, die durch die Zuziehung eines Sachverständigen angefallen sind.

Davon abgesehen hat die Beklagte die Kosten aber auch deshalb zu ersetzen, weil sie die Vorlage der ärztlichen Stellungnahme mit ihrem Schreiben vom 28.06.1993 angeregt und damit zu erkennen gegeben hat, daß sie die dadurch entstehenden Kosten für den Fall, daß eine Eintrittspflicht besteht, übernehmen werde.

2. Der Zinsanspruch ist nach § 291 BGB begründet.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Vollstreckungsanordnung auf den § 708 Ziff. 10, 713 ZPO. Der Wert der Beschwer ist nach § 546 Abs. 2 ZPO festgesetzt. Ein Grund, die Revision zuzulassen, besteht nicht. Der Senat weicht nicht von einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs oder des gemeinsamen Senats der Obersten Gerichtshöfe des Bundes ab. Auch wegen grundsätzlicher Bedeutung ist die Revision nicht zuzulassen. Der Frage, ob bei der Prüfung der medizinischen Notwendigkeit im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 2 MBKK 76 Kostengesichtspunkte überhaupt Bedeutung beizumessen ist, mag zwar von grundsätzlicher Bedeutung sein. Sie bedarf jedoch im vorliegenden Fall aufgrund der zutage getretenen Besonderheiten keiner abschließenden Beurteilung. Sonstige Gründe für eine Revisionszulassung liegen nicht vor.