BESCHLUSS
Aktenzeichen: 6 U 87/02
Entscheidung vom 12. Juni 2003
In dem Rechtsstreit (…) hat der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main
(…) aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 12.06.2003 beschlossen:
Nach übereinstimmender Erledigungserklärung haben von den Kosten des Rechtsstreits der
Kläger 1/5 und die Beklagte 4/5 zu tragen.
Gründe:
Nachdem die Parteien den Rechtsstreit in. der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt
haben, war lediglich noch über die Kosten zu entscheiden. Diese Entscheidung war nach billigem
Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes zu treffen (§ 91 a Abs.
1 ZPO). Danach war der Beklagten der weit überwiegende Teil der Kosten aufzuerlegen, weil sie
ohne den Eintritt des erledigenden Ereignisses im wesentlichen unterlegen gewesen wäre. Da der
Unterlassungsantrag zu weit ging, war auch der Kläger mit einem (geringen) Anteil zu belasten.
Der ursprünglich geltend gemachte Unterlassungsanspruch hat im Laufe des Berufungsverfahrens
mit der Neuregelung des § 13 a TKV und dem hierauf gestützten Einschreiten der Beklagten gegen
die Fa. IRC seine Grundlage verloren. Denn es gibt keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine
Mißachtung bzw. unzureichende Beachtung der neuen Vorschrift durch die Beklagte und die
Begehungsgefahr kann auch nicht mehr aus einschlägigen Wettbewerbsverstößen vor dem
Inkrafttreten der Neuregelung hergeleitet werden (vgl. BGH, WRP 2002, 679). Insoweit nimmt der
Senat auf den in der Berufungsverhandlung zu Protokoll erteilten Hinweis Bezug.
Maßgebend für die nach § 91 a ZPO zu treffende Kostenentscheidung ist somit die Frage, wie
der Rechtsstreit aufgrund der alten Rechtslage zu entscheiden gewesen wäre. Danach hätte der
Kläger mit seinem Unterlassungsbegehren weitgehend Erfolg gehabt. Die Beklagte haftete für das
wettbewerbswidrige Verhalten der Fa. IRC, das Versenden unverlangter Telefaxschreiben, als
Störer.
Nach ständiger Rechtsprechung haftet in entsprechender Anwendung von § 1004 BGB derjenige als
Störer, der auch ohne Wettbewerbsförderungsabsicht und ohne Verschulden an dem
Wettbewerbsverstoß eines Dritten in der Weise beteiligt ist, daß er in irgendeiner Weise
willentlich und adäquat kausal an der Herbeiführung der rechtswidrigen Beeinträchtigung
mitwirkt. Dabei kann als Mitwirkung auch die Unterstützung oder Ausnutzung der Handlung eines
eigenverantwortlichen Dritten genügen, sofern der in Anspruch Genommene die rechtliche
Möglichkeit zur Verhinderung dieser Handlung hatte. Weil die Störerhaftung nicht über Gebühr
auf Dritte erstreckt werden darf, die nicht selbst die rechtswidrige Beeinträchtigung
vorgenommen haben, setzt die Haftung des Störers die Verletzung von Prüfungspflichten voraus.
Deren Umfang bestimmt sich danach, inwieweit eine Prüfung nach den Umständen zumutbar ist
(vgl. BGH, WRP 2001, 1305, 1307-ambiente.de; WRP 2002, 1050, 1052 – Vanitiy-Nummer, jeweils
m.w!
.N.).
Die eben dargelegten Voraussetzungen der Störerhaftung sind im vorliegenden Fall erfüllt.
Zunächst steht der Wettbewerbsverstoß der Fa. IRC außer Frage. Die unverlangte Zusendung von
Telefax-Werbung ist unzulässig (vgl. Köhler/ Piper UWG, 3. Auflage, § 1 Rdnr. 158 ff.). Der
Einwand der Beklagten, die Fa. IRC betreibe keine Werbung, geht fehl. Die Fa. IRC befaßt sich
damit, eine Vielzahl von Personen zu der Teilnahme an “Abstimmungen” aufzufordern. Zu diesem
Zweck sollen die Adressaten ihre Antwort per Telefax an eine Mehrwertdienstenummer
(“0190er-Nummer’) übersenden. Dementsprechend zielt das Verhalten der Fa. IRC darauf ab, durch
die Rücksendung der Antwort-Telefaxe Einnahmen zu erzielen. Hiermit verbindet sich das Bemühen
der Fa. IRC, mit den Adressaten der unverlangten Telefaxschreiben Verträge abschließen. Diese
(konkludent geschlossenen) Verträge sollen einen Zahlungsanspruch der Fa. IRC begründen und
damit zugleich einen Rechtsgrund für die über das Telefonentgelt ein!
genommene Zahlung darstellen. Die unverlangten Telefax-Sendungen beinhalten hierbei nicht
nur das bloße Angebot zum Abschluß eines solchen Vertrages i.S.v. § 145 BGB, sondern zugleich
den Versuch, den Adressaten zu dem Vertragsabschluß zu bestimmen. Darin liegt der Werbezweck
der unverlangt übersandten Telefax-Schreiben.
Die Beklagte hat an den Wettbewerbsverstößen der Fa. IRC adäquat kausal mitgewirkt, indem sie
der Fa. IRC die Mehrwertdienstenummer als Inkassoinstrument zur Verfügung gestellt hat. Der
Senat teilt die gegenteilige Einschätzung des angefochtenen Urteils (ähnlich OLG Dresden,
Urteil vom 20.11.2001-14 U 1838/01 und LG Wuppertal, Urteil vom 25.03.2003 – 1 O 539/02) nicht
Das Überlassen der “Inkasso-Nummer” durch die.Beklagte kann nicht hinweggedacht werden, ohne
daß der konkrete Wettbewerbsverstoß der Fa. IRC entfiele. Denn die Fa. IRC führt “Umfragen” in
der beschriebenen Form nicht durch, ohne Vorkehrungen für die Bezahlung durch die
teilnehmenden Adressaten zu treffen. Die Erwägung, daß auch andere Zahlungswege in Betracht
kommen können, bezieht sich auf ein alternatives Geschehen, und ist für die äquivalente
Kausalität zunächst ohne Bedeutung.
Es fehlt hier auch nicht an der Adäquanz bzw. dem erforderlichen Zurechnungszusammenhang.
Unter diesem Gesichtspunkt kann man zwar die Frage aufwerfen, ob die Mehrwertdienstenummer in
der vorliegenden Konstellation nicht einfach durch ein anderes “Inkassoinstrument” (wie etwa
die Angabe einer Kontonummer o.a.) ersetzt werden könnte, ohne daß sich die Bewertung des
Wettbewerbsverstoßes ändern würde. Diese Frage ist nach der Einschätzung des Senats jedoch zu
verneinen.
Die Angabe einer Mehrwertdienstenummer ist für den Wettbewerbsverstoß der Fa. IRC nämlich von
wesentlicher, gleichsam prägender Bedeutung. Auf diese Weise kann die Fa. IRC ein
wirtschaftliches Ergebnis erzielen, das bei der Verwendung konventioneller
“Inkassoinstrumente”, wie etwa der Angabe einer Kontonummer, nicht erreichbar wäre. Die
Verwendung einer Mehrwertdienstenummer ermöglicht ein Zusammenspiel zwischen Übertragungsund
Bezahlvorgang., bei dem die erforderliche Mitwirkung des Adressaten auf das Ankreuzen eines
Kästchens und das Zurückfaxen des Schreibens beschränkt ist. Nur infolge dieser größtmöglichen
Vereinfachung des Übertragungs- und Inkassoweges lassen sich die erzielten Rückiaufzahlen
erreichen. Die unverlangte Telefaxversendung und die Angabe der Mehrwertdienstenummer hängen
somit durch das Geschäftsinteresse der Fa. IRC fest verbundenen, zusammen.
Des weiteren ist davon auszugehen, daß die Beklagte die (zumutbare) rechtliche Möglichkeit
hatte, den (fortdauernden) Wettbewerbsverstoß zu verhindern. Auch wenn der mit der Fa. IRC
geschlossene Vertrag, den die Beklagte in diesem Rechtsstreit nicht vorgelegt hat, keine
einschlägige Regelung enthalten haben sollte, stellte der beharrliche und gravierende
Mißbrauch der Fa. IRC mit der ihr zur Verfügung gestellten Mehrwertdienstrufnummer (nach
vorheriger Abmahnung) einen außerordentlichen Kündigungsgrund dar. Erst recht wäre ein
Kündigungsrecht der Beklagten dann zu bejahen, wenn die Beklagte (wie von ihr angedeutet) in
die mit den Kunden abgeschlossenen Verträge den Verhaltenskodex der Freiwilligen
Selbstkontrolle der Telefonwertvermittler einbezogen haben sollte. Sollte die Beklagte
hingegen der Fa. IRC gleichsam einen vertraglichen “Freibrief erteilt und sich damit selbst
die Hände gebunden haben, so würde sie wegen der von ihr gewählten Vertragsgestaltung haften.
Schließlich hat die Beklagte auch zumutbare Prüfungspflichten verletzt, hierbei ist besonders
hervorzuheben, daß der Kläger mit seinem Klageantrag die Unterlassungspflicht der Beklagten
von vornherein an die Kenntnis des Mißbrauche geknüpft hat Es geht daher im vorliegenden Fall
nicht um etwaige Kontrollpflichten der Beklagten, sondern um ihre Verpflichtung zum
Einschreiten nach einer vorherigen Unterrichtung über das wettbewerbswidrige Verhalten eines
ihrer Kunden.
Die in §§ 8 ff. TDG normierte Haftungsprivilegierung der Dienstanbieter ist hier im übrigen
nicht einschlägig, da sich der Wettbewerbsverstoß nicht auf Angebote unter der fraglichen
0190er-Nummer, sondern auf die Art und Weise ihrer Bewerbung bezieht. Aber auch bei Anwendung
des Maßstabs der §§ 8 ff. TDG, würde sich nichts ändern, weil es angesichts der Formulierung
des Klageantrags nicht um Überwachungspflichten ging ( § 8 Abs. 2 Satz 1 TDG) und die
Verpflichtungen zur Entfernung oder Sperrung der Nutzung von Informationen nach den
allgemeinen Gesetzen unberührt bleiben ( § 8 Abs. 2 Satz 2 TDG – vgl. auch OLG Stuttgart, CR
2002, 911, 912). Der in der Rechsprechung kontrovers diskutierten Frage, ob und in welchem
Umfang den “Reseller” von 0190-Rufnummern Prüfungspflichten treffen (vgl. einerseits OLG
Stuttgart, CR 2002, 911 und OLG Karlsruhe, WRP 2002, 1090 sowie andererseits OLG Stuttgart,
MMR 2001, 398 und LG Hamburg, GRUR-RR 2003, 155), muß daher nicht weiter nachgegangen!
werden. Soweit in den genannten Entscheidungen eine Störerhaftung verneint oder nur unter
besonderen Voraussetzungen bejaht wurde, ging es um die vor Kenntnis des Wettbewerbsverstoßes
bestehenden Pflichten des Providers. Diese Entscheidungen besagen nicht, daß selbst nach
Kenntnis des Mißbrauchs keine Haftung des Providers bestehe. Vielmehr hatte in den
angesprochenen Verfahren die (dortige) Beklagte die betr. Nummer bzw. den Telefaxanschluß
jeweils sperren lassen, nachdem sie von der wettbewerbswidrigen Nutzung erfahren hatte (vgl.
OLG Stuttgart, CR 2002, 911, 912 und MMR 2001, 398; OLG Karlsruhe, WRP 2002, 1090, 1092).
Nach allem war die Beklagte bereits für die vor dem Inkrafttreten des § 13 a TKV begangenen
Rechtsverletzungen der Fa. IRC – als Störerin – verantwortlich. Bis zur Klärung der zuvor
streitigen (eine Störerhaftung verneinend insb.: OLG Dresden, Urteil vom 20.11.2001 – 14 U
1838/01) Rechtsfrage durch die Neuregelung bestand Wiederholungsgefahr.
Der aus dem Tatbestand des angefochtenen Urteils ersichtliche Klageantrag, der mit dem zu
Beginn der Berufungsinstanz formulierten Unterlassungsantrag übereinstimmte, ging allerdings
zu weit. Die hierin Rede stehende o Verletzungshandlung wurde wesentlich durch die das
Verhalten der Fa. IRC prägende besondere Verknüpfung zwischen der unverlangten
Telefax-Übersendung und der Angabe einer Mehrwertdienstenummer für die Übermittlung des
Antwort-Telefaxes charakterisiert. Der von der konkreten Verletzungsfarm gelöste
Unterlassungsantrag des Klägers umfaßte auch Konstellationen, in denen dieser Zusammenhang
nicht besteht. Der Antrag ging daher über das Charakteristische der Verletzungsform hinaus.
Mit Rücksicht darauf, daß der Kläger, wie in der Berufungsverhandlung deutlich wurde, auf die
Abstrahierung des Antrags besonderen Wert legte, erscheint es angemessen, der zu weiten
Antragsfassung einen Kostenanteil von 1/5 zuzuordnen.
Die Rechtsbeschwerde war nicht zuzulassen, weil die Rechtssache – nach dem Inkrafttreten des
§ 13 a TKV keine grundsätzliche Bedeutung (mehr) hat und weder die Fortbildung des Rechts noch
die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des
Rechtsbeschwerdegerichts erfordern (§ 574 ZPO).