OLG Frankfurt/Main: “weideglueck.de”

Oberlandesgericht Frankfurt/Main

Beschluss

Geschäftsnummer: 6 W 33/00 (LG Frankfurt/M.)

Beschluss vom 12. April 2000

Sachverhalt

Die Klägerin ist eine Molkerei. Sie ist Inhaberin von vier in den Jahren 1979, 1987, 1990 und 1992eingetragenen Wort-/ Bildmarken mit dem Wortbestandteil „Weideglück„.

Unter der Bezeichnung „Weideglück„ vertreibt sie in erheblichem Umfang ihre Milchprodukte. DerBeklagte hat sich im Frühjahr 1999 den Domain-Namen „weideglueck.de„ registrieren lassen. Daraufhinmahnte die Klägerin den Beklagten mit Schreiben vom 12.4.1999 ab und forderte ihn auf, eineVerpflichtungserklärung abzugeben. Mit Schreiben vom 19.4.1999 verweigerte dieser die Abgabe einerVerpflichtungserklärung, woraufhin die Klägerin Klage erhob. Weil der Beklagte den Domain-Namenfreigegeben hat, haben die Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend in der Hauptsache für erledigterklärt. Das LG hat die Kosten des Rechtsstreits dem Beklagten auferlegt. Hiergegen wendet sich derBeklagte mit seiner Beschwerde.

Aus den Gründen:

Zu Recht hat das LG einen markenrechtlichen Unterlassungsanspruch verneint. Dabei kann dahinstehen,ob die Registrierung eines Domain-Namens eine kennzeichenmäßige Benutzung darstellt (vgl. dazuViefhues, in: Hoeren/Sieber, Multimedia Recht, Teil 6 Rdnr. 65 ff.). Einem Anspruch nach §§ 14 Abs. 2Nr. 2, Abs. 5, 15 Abs. 2, 4 MarkenG steht entgegen, dass weder eine Waren- undDienstleistungsähnlichkeit noch eine Branchenähnlichkeit vorliegt, da der Beklagte den Domain-Namenohne Bezug zu einem Produkt oder Gewerbe registriert hat. Nach dem bisherigen Sach- und Streitstandist offen, ob die Klägerin ihre Ansprüche auf §§ 14 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 5, 1 5 Abs. 3 MarkenG stützen kann,da von einer bekannten Marke oder einer bekannten geschäftlichen Bezeichnung ohne weitere – nunmehrnicht mehr mögliche – Sachaufklärung nicht ausgegangen werden kann.

Die Klägerin hat aber gegen den Beklagte wegen der Registrierung des Domain-Namens„weideglueck.de„ jedenfalls einen Unterlassungsanspruch nach §§ 826, 226, 1004 BGB. DieseVorschriften verbieten die Vornahme von Handlungen, die gegen die guten Sitten verstoßen und inSchädigungsabsicht vorgenommen werden. Vorliegend hat der Beklagte durch die Registrierung desDomain-Namens „weideglueck.de„ verhindert, dass die Klägerin sich und ihre Produkte unter ihren durchden Wortbestandteil „Weideglück„ geprägten Marken im Internet präsentieren konnte. Die Klägerin konntesich auch nur unter der vom Beklagte besetzten Schreibweise „weideglueck.de„ und nichtbuchstabengetreu registrieren lassen, da „weideglück.de„ kein gültiger DE-Domain-Name ist.

Von einer sittenwidrigen und in Schädigungsabsicht vorgenommenen Behinderung ist dann auszugehen,wenn die Domain-Registrierung mit dem Ziel erfolgt, dem Zeicheninhaber die Nutzung dieserBezeichnung für eigene geschäftliche Zwecke unmöglich zu machen. Das wird in der Regel mit derAbsicht einhergehen, sich die Domain vom Zeicheninhaber teuer abkaufen zu lassen. Wer das naheliegende Interesse des Inhabers einer Marke an der Nutzung einer entsprechenden Domain bewusst inGewinnerzielungsabsicht auszubeuten versucht, verstößt gegen das Anstandsgefühl aller billig undgerecht Denkenden.

Unter Anwendung dieser Grundsätze bejaht der Senat vorliegend eine sittenwidrige Behinderung derKlägerin durch den Beklagte Der Senat schließt aus, dass der Beklagte den Domain-Namen„weideglueck.de„ aus lauteren Motiven zu privaten Zwecken für sich reserviert hat. Der Beklagte verfügtbereits über eine private Homepage unter seinem Nachnamen, die umfangreiche private Interna enthält.Ein nachvollziehbares, anerkennenswertes Interesse des Beklagte an dem Domain-Namen ist nichterkennbar. Bei „weideglueck„ handelt es sich um eine Bezeichnung, die keinerlei Bezug zum Namenoder der Tätigkeit des Beklagte aufweist. Die – wechselnden – Erklärungsversuche des Beklagte sind insich widersprüchlich (§ 138 ZPO) und darüber hinaus nach der Lebenserfahrung abwegig. Der Beklagtehat im Schreiben vom 6.4.1999 an die Klägerin erklärt, er habe sich bei der Wahl der Domain von derUmgebung des Ferienanwesens seiner Mutter in Österreich leiten lassen. Im Schriftsatz vom 28.8.1999hat er angegeben, es handele sich bei „Weideglück„ um seinen Spitznamen, zu dem er infeuchtfröhlicher Runde im Freundeskreis gekommen sei, als er zum unzähligsten Male von seinemÖsterreich-Urlaub und seinen ausgedehnten Wanderungen durch Wiesen und Weiden erzählt habe. ImSchriftsatz vom 8.2.2000 hat er schließlich vorgetragen, bei der Wahl des Domain-Namens habe er sichdurch die Umgebung seines Ferienhauses in Österreich, das ihm einen entsprechenden Spitznameneingetragen habe, inspirieren lassen.

Es kann dahinstehen, ob schon allein das Fehlen eines nachvollziehbaren eigenen Interesses ausreicht,um von einer Vermutung ausgehen zu können, dass der Inhaber eines Domain-Namens, der mit derMarke eines anderen identisch ist, gehandelt hat, um Kapital aus dem Verkauf der Domain zu schlagen.Denn vorliegend belegen die näheren Umstände der Domain-Registrierung nach Ansicht des Senats,dass der Beklagte in der Absicht gehandelt hat, die Nutzung seitens der Klägerin zu behindern. DerDomain-Name war zunächst für einen L registriert. Von der Homepage des L ist ein Verweis zurHomepage des Beklagte geschaltet. L ist Geschäftspartner des Beklagten, mit dem er einFachplanungsbüro für Großküchen betreibt und für das im Internet unter „fachplaner-grosskuechen.de„mit einem gemeinsamen Foto geworben wird. L wurde von der Klägerin am 18.2.1999 wegen derDomain abgemahnt, worauf er erklärte, er habe die Domain freigegeben. Gleichzeitig bot er seineDienste zur Erstellung von Internetpublikationen an, die er gewerbsmäßig betreibt. Das Verhalten des Lwar danach eindeutig geschäftlich motiviert. Der Beklagte hat im unmittelbaren Anschluss die von Lfreigegebene Domain für sich registrieren lassen. Dies erfolgte bei Berücksichtigung der engengeschäftlichen Verbindung des Beklagte zu L nach der Lebenserfahrung in Kenntnis dervorangegangenen Abmahnung durch die Klägerin mit dem Ziel, dieser den begehrten Domain-Namen zusperren. Folgt man der Legende des Beklagten, ist es nach der Lebenserfahrung darüber hinausausgeschlossen, dass sein Geschäftspartner L ihn nicht über das Schicksal seines Spitznamens, derimmerhin Gegenstand eines langen Neids gewesen sein soll, informiert hat. Die Konstruktionen, die derBeklagte zur Rechtfertigung der Domain-Registrierung bemüht und die spitzfindige Argumentation, erhabe keinen Domain-Namen „weideglück.de„, sind ein deutliches Anzeichen dafür dass es ihm geradedarauf ankam, die Klägerin zu behindern. Der Senat geht auf Grund der aufgezeigten Umstände auchdavon aus, dass der Beklagte die Domain blockiert hat, um sie sich von der Klägerin abkaufen zu lassen.Aber selbst wenn der Beklagte den Domain-Namen ohne Gewinnerzielungsabsicht hätte registrierenlassen, würde sich am Ergebnis nichts ändern. Mangels eines nachvollziehbaren eigenen Interesses ander Innehabung der Domain kommt auch dann nur eine schikanöse, vorsätzlich sittenwidrigeSchädigungsabsicht in Betracht (§§ 226, 826 BGB – s. dazu Völker/Weidert, WRP 1997, 652, 660 f.; Kur,in: Loewenheim/Koch, Praxis des Online-Rechts, Kap. 8.3.5, S. 364).

Neben dem Unterlassungsanspruch hatte die Klägerin gegen den Beklagte auch einenBeseitigungsanspruch. Dabei kann im hiesigen Verfahren über die Kosten des Rechtsstreitsdahinstehen, ob die Klägerin entsprechend ihrem Hauptklageantrag zu II. einen Anspruch aufÜbertragung der Domain auf sich hat (so OLG München WRP 1999,- 955, 960 shell.de). Denn jedenfallshat die Klägerin entsprechend ihrem Hilfsantrag zu II. einen Anspruch auf Einwilligung in die Löschungdes Domain-Namens gegenüber der Vergabestelle (vgl. Kur, a.a.O., Kap. 8.3.1, S. 340). Da derHauptklageantrag zu II. wertmäßig nicht wesentlich höher zu bemessen ist als der Hilfsantrag, wären dieKosten nach billigem Ermessen auch dann insgesamt dem Beklagte aufzuerlegen, wenn derHauptantrag unbegründet wäre.