OLG Frankfurt: Kaltanrufe im gewerblichen Bereich

OBERLANDESGERICHT FRANKFURT A.M.

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

Aktenzeichen: 6 U 36/03

Entscheidung vom 24. Juli 2003

In dem Rechtsstreit (…) hat der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main
(…) aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 24.07.2003 beschlossen:

Auf die Berufung des Klägers wird das am 17.01.2003 verkündete Urteil der 11. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Frankfurt
am Main abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes in Höhe von bis zu
250.000 EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu
Zwecken des Wettbewerbs unaufgefordert Telefonwerbung zu betreiben, ohne dass ein vorheriges Einverständnis des Adressaten
besteht oder aber zumindest Umstände vorliegen, auf Grund derer das Einverständnis mit einer solchen Kontaktaufnahme vermutet werden kann.

Die Beklagte wird weiter verurteilt, an den Kläger 175,07 EUR nebst 5% Zinsen über dem aktuellen Basiszinssatz zu zahlen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 30.000,00 EUR abwenden, wenn nicht der Kläger vor
der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Beschwer der Beklagten: 25.000,00 Euro.

Gründe:

I.

Wegen des Sach- und Streitstandes wird zunächst auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).

Der Kläger ist ein eingetragener Verein, zu dessen satzungsmäßigen Aufgaben die Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs zählt. Die Beklagte betreibt ein Unternehmen, dessen Gegenstand die Vermittlung und Koordinierung von Bauvorhaben zwischen Bauherren und deren Planungsbüros sowie Bauunternehmen ist. Zu diesem Zweck umwirbt die Beklagte Partnerunternehmen, mit denen sie formularmäßig vorbereitete Verträge schließt wie aus der Anlage K 9 des Schriftsatzes des Klägers vom 04.11.2002 (Bl. 96 d. A.) ersichtlich. Die Verträge verpflichten die Handwerker zur Zahlung einer Provision für jeden vermittelten Bauauftrag und daneben zur Zahlung einer einmaligen Aufwandsabgeltung für “Bürokosten, Akquisition und die interne Bearbeitung der Leistungsverzeichnisse” in Höhe von mehreren tausend DM.

Die Beklagte bahnt Geschäftskontakte zu ihren potenziellen Vertragspartnern grundsätzlich per Telefon an. in Juni 2001 kündigte die Planungsgruppe “DSL” gegenüber der Beklagten nach deren Darstellung mündlich an, sie mit der Vermittlung von Handwerkern für die Herstellung von Innentüren für zwei Einfamilienhäuser in Kranberg zu beauftragen. Der schriftliche Auftrag erreichte die Beklagte am 17.07.2001. Angebote sollten bis zum 27.07.2001 eingereicht werden. Ebenfalls im Juni 2001 informierte die Firma K. die Beklagte nach deren Vortrag,
sie mit der Vermittlung von Handwerkern für die Durchführung von Fenster- und Treppenarbeiten an einem Bauvorhaben In Kelkheim zu beauftragen. Angebote der Beklagten erwartete die Firma K. bis spätestens 10.08.2001.

Da die Beklagte sich nicht sicher war, ob diese beiden und weitere Bauprojekte von ihren Partnerbetrieben in ausreichendem Maße bearbeitet werden konnten – so ihre Argumentation -, nahm sie am 25. Juni 2001 durch ihren Mitarbeiter, Herrn C., telefonischen Kontakt mit Herrn Reinhard N., Tischlerei N.,
(…), auf. Herr C. erkundigte sich bei Herrn N. über den Leistungsumfang und die Arbeitsbelastung der Firma N. Im Rahmen des Telefongesprächs stellte Herr C. fest, dass die Leistungsmerkmale der Tischlerei N. den Anforderungen der damaligen Auftragslage der Beklagten grundsätzlich entsprechen würden und lud Herrn N. zu einem Kennenlerngespräch ein, um sich einen persönlichen Eindruck zu verschaffen. Ein solches Gespräch fand am 3. August 2001 in den Räumlichkeiten der Beklagten statt. Zu einer Zusammenarbeit kam es jedoch aus Gründen nicht, die zwischen den Parteien streitig sind.
Herr N. setzte sich anschließend mit der Industrie- und Handelskammer Frankfurt am Main in Verbindung, bei der er sich kritisch über die Beklagte äußerte. Die IHK leitete diese Beschwerde an den Kläger weiter: Daneben erlangte der Kläger Kenntnis von weiteren Handwerksbetrieben, die mit der Beklagten einen Vertrag abgeschlossen hatten und mit der Durchführung des Vertrages durch die . Beklagte, insbesondere mit den ihnen angebotenen Aufträgen, nicht zufrieden waren. Mit Schreiben vom 26. September 2001 mahnte der Kläger die Beklagte ab und forderte sie auf, eine strafbewehrte Unterlassungserklärung des Inhalts abzugeben, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs unaufgefordert Telefonwerbung zu betreiben, ohne dass ein vorheriges Einverständnis des Adressaten oder aber zumindest Umstände vorliegen, auf Grund derer das Einverständnis mit einer solchen Kontakt aufnähme vermutet werden kann. Durch eine wettbewerbsrechtliche Abmahnung entstehen dem Kläger durchschnittlich Kosten in Höhe von 175,07 € inklusive Mehrwertsteuer.

Da die Beklagte der Abmahnung nicht nachkam, leitete der Kläger zunächst ein Eilverfahren ein, in welchem die Beklagte jedoch obsiegte, weil es an dem Verfügungsgrund der Eilbedürftigkeit fehlte. Nunmehr verfolgt der Kläger den Unterlassungsanspruch sowie den Anspruch auf Ersatz seiner Aufwendungen im Klagewege weiter.

Das Landgericht hat die Klage mit Urteil vom 17. Januar 2003 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, .es teile den Ausgangspunkt der ganz herrschenden Meinung, wonach Telefonwerbung im geschäftlichen Bereich dann mit § 1 ÜWG unvereinbar sei, wenn der Angerufene weder ausdrücklich noch konkludent sein Einverständnis mit einem derartigen Anruf erklärt habe und ein solches auch nicht . aufgrund konkreter tatsächlicher Umstände vermutet werden könne, dann nicht, wenn sich der Anruf inhaltlich auf den Geschäftsgegenstand des Angerufenen beziehe. Die notwendige Rechtssicherheit über die Wettbewerbs rechtliche Zulässigkeit eines Telefonanrufes würde aufgehoben werden, wenn dies danach zu entscheiden wäre, ob das zugrundeliegende Angebot wirtschaftlich auch für den Angerufenen günstig sei.

Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers, Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Frankfurt vom 17. Januar 2003.(Aktenzeichen 3-11 O 97/02) die Beklagte zu verurteilen,

1. es bei Meidung von Ordnungsgeld in Höhe von bis zu 250.000,- €, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft zu vollstrecken an den Geschäftsführern der Beklagten, zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr . . zu Zwecken des Wettbewerbs,
unaufgefordert Telefonwerbung zu betreiben, ohne dass ein vorheriges Einverständnis des Adressaten besteht oder aber zumindest Umstände vorliegen, aufgrund derer das Einverständnis mit einer solchen Kontaktaufnähme vermutet werden kann;

2. an den Kläger 175,07 € nebst 5 % Zinsen über dem aktuellen Basiszinssatz zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen;

hilfsweise der Beklagten zu gestatten, die Vollstreckung des Urteils gegen in das Ermessen des Gerichts zu stellende Sicherheitsleistung abzuwenden.

Die Beklagte ist der Auffassung, die Klage sei bereits unzulässig, weil der Antrag nicht hinreichend bestimmt sei. Der Begriff der Telefonwerbung sei unklar. Auch sei nicht nachvollziehbar, wann zumindest Umstände vorlägen, aufgrund derer das Einverständnis mit einer telefonischen Kontaktaufnahme vermutet werden könne.

Die Klage sei auch unbegründet. Der Kläger habe bislang keinen Sachverhalt vorgetragen, der den Konstellationen aus den BGH-Entscheidungen “Telefonwerbung IV” und “Telefonwerbung für Blindenwaren” auch nur nahe komme. So habe der Telefonanruf bei der Tischlerei N. weder dazu gedient, einen Vertrag zwischen der Beklagten und der Tischlerei N. abzuschließen oder ein Vertragsverhältnis bei der Tischlerei N. auch nur vorzubereiten. Es sei allein darum gegangen, sich vor dem Hintergrund konkreter Vermittlungsaufträge, über den Leistungsumfang und die Arbeitsbelastung der Firma N. zu informieren.

Selbst wenn man davon ausgehen wollte, es läge ein Fall der Telefonwerbung vor, sei diese jedenfalls nicht wettbewerbswidrig. Da die Tischlerei N. – was unstreitig ist – Anzeigen in den “Gelben Seiten” unter ausdrücklicher Angabe der Telefonnummer schalte, habe sie ihr Einverständnis mit Telefonanrufen wie den der Beklagten erklärt.

Überdies handele der Kläger mit der Geltendmachung dieses Unterlassungsanspruchs rechtsmissbräuchlich, weil es ihm in Wahrheit nicht um eine angebliche Telefonwerbung, sondern um die Vertragsgestaltung der Beklagten gehe.

Die Beklagte regt an, den Rechtsstreit gegebenenfalls auszusetzen und dem Europäischen Gerichtshof vorzulegen, weil ein Verbot der Telefonwerbung mit Artikel 10 der Fernabsatzrichtlinie nicht vereinbar sei und auch Artikel 14 der Fernabsatzrichtlinie den Mitglied Staaten nicht die Möglichkeit eröffne, eine gegenüber dem europäischen Verbraucherschutz grundlegend verschiedene Konzeption des Verbraucherschutzes aufrecht zu erhalten.

Ihren Vollstreckungsschutzantrag begründet die Beklagte damit, sie sei darauf angewiesen, ständig Kontakt zu neuen Betrieben per Telefon aufzunehmen. Da bei ihr eingehende Aufträge häufig von den Handwerksbetrieben, mit denen sie regelmäßig zusammenarbeite, wegen mangelnder zeitlicher Verfügbarkeit oder mangelndem Angebot nicht erfüllt werden könnten, müssten andere Unternehmen kontaktiert werden. Die Notwendigkeit, neue Unternehmen auch auf telefonischem Wege ansprechen zu können, werde noch dadurch verstärkt, dass die eingehenden Aufträge häufig unter einem großen zeitlichen Druck bearbeitet werden müssten. Ein Verzicht auf die Kontaktaufnahme per Telefon würde bei ihr zu einem. Umsatzrückgang von bis zu 42% führen.

Daraus ergebe sich zugleich, dass die Stattgabe der Klage einem Berufsverbot gleichkäme, die Beklagte mithin in ihren Rechten aus Art. 12 GG verletzen würde.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 24. Juli 2003 war in Wahrnehmung der Parteirechte der Beklagten Herr Mike M. anwesend. Dieser erklärte auf entsprechendes Befragen des Senats, die Beklagte habe bislang darauf verzichtet, als Vertragsunternehmen in Betracht kommende Handwerksbetriebe schriftlich zu kontaktieren, um ihre grundsätzliche Bereitschaft in Erfahrung zu bringen, mit der Beklagten zusammen zu arbeiten, weil dies praktisch nicht durchführbar sei und daher auch für die Zukunft nicht geplant sei. Denn die Beklagte könne unmöglich im Vorhinein absehen, welche neuen Vertragsunternehmen für sie interessant sein könnten. Es könne sein, dass sie für einen Handwerksbetrieb, den sie ohne das Bestehen eines konkreten Bedarfs kontaktiere, erst in zwei bis drei Jahren eine Verwendung haben werde.

II.

Die zulässige Berufung hat auch in der Sache Erfolg.

Die Klage ist auch hinsichtlich des Unterlassungsantrages zulässig, insbesondere ist der Klageantrag bestimmt genug. Hierzu hat der Senat in seinem zum Eilverfahren (Aktenzeichen 6 U 21/02) ergangenen Urteil vom 25.04.2002 (Seite 5) ausgeführt:

“Die Formulierung “unaufgefordert Telefonwerbung zu betreiben” ist bestimmt genug, da der Begriff der Telefonwerbung ohne weiteres so zu verstehen ist, dass er alle absatzfördernden Maßnahmen via Telefon erfasst. Dies soll der Antragsgegnerin nicht schlechthin untersagt werden, sondern nur dann, wenn ihre Werbung unaufgefordert erfolgt und die im Antrag und im Tenor näher umschriebenen Umstände hinzutreten. Auch diese Umstände sind hinreichend bestimmt definiert; es müssen solche sein, die das Einverständnis mit einer solchen Kontaktaufnahme vermuten lassen (fast wortgleich die Formulierung des Tenors in der Entscheidung “Telefonwerbung IV” des BGH vom 24.01.1991, WRP 1991, 470, 471:”.: ohne dass deren Einverständnis vorliegt oder zu vermuten ist”; ebenso BGH WRP 1996,100 – Telefax-Werbung) Ob solche Umstände vorliegen ist aus der Ex-Ante-Sicht des Werbenden zu beurteilen.”
Diese Argumentation hält der Senat für das Hauptsacheverfahren aufrecht, da sich insoweit keine neuen Aspekte ergeben haben.
Dem Kläger steht der eingeklagte Unterlassungsanspruch zu, weil die Beklagte gegen § 1 UWG unter dem Gesichtspunkt des Kundenfangs durch Belästigung verstoßen hat.

Die Beklagte betreibt Telefonwerbung, wenn sie poten2ielle Vertragsunternehmen kontaktiert wie die Tischlerei N. In diesem Zusammenhang kommt es nicht darauf an, ob die Beklagte sich, wie sie behauptet, vorbehält, mit den telefonisch kontaktierten Handwerksbetrieben .keinen ihrer Individualverträge abzuschließen, weil das angerufene Unternehmen nicht ihren Vorstellungen entspricht, wie dies bei der Tischlerei N. der Fall gewesen sein soll. Abgesehen davon, dass sich angesichts der Vertragsgestaltung der Beklagten, nach der die Handwerksbetriebe verpflichtet sind, neben einer Vermittlungsprovision eine Pauschale in Höhe von mehreren Tausend DM zu zahlen, und zwar unabhängig von der Erbringung, einer bestimmten Leistung durch die Beklagte, die Frage aufdrängt, warum es im Interesse der Beklagten liegen sollte, hohe Anforderungen an die von ihr angesprochenen Handwerksbetriebe zu stellen, ändert dieser Umstand nichts am. Vorliegen einer Telefonwerbung. Hierfür genügt es, wenn der Anruf lediglich der Anbahnung eines geschäftlichen Kontakts oder der Vorbereitung eines Geschäftsabschlusses dienen soll (Köhler/Piper, UWG, 3. Auflage, § 1, Rdnr. 149). Es versteht sich von selbst, dass ein Vertragsschluss in diesen Fällen noch offen ist und an beiden Parteien scheitern kann. Entscheidend ist, dass die Beklagte die Unternehmen in ihrem eigenen Interesse anruft, mit dem Ziel, ihre eigene Vermittlungstätigkeit zu fördern, mag dies im Einzelfall auch scheitern.

Die Frage, ob Telefonwerbung im geschäftlichen Bereich mit dem Ziel, Neukunden zu gewinnen, wettbewerbsrechtlich unlauter im Sinne von § 1 UWG ist, lässt sich nur unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls beantworten. Dabei geht der Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass auch ein Gewerbetreibender (nicht nur eine Privatperson) den Telefonanschluss im eigenen Interesse unterhält. Er rechne zwar mit Anrufen potenzieller Geschäftspartner und auch solcher Personen, die zu ihm mit Blick auf seine Geschäftstätigkeit auch in deren eigenen Interesse in Verbindung zu treten wünschten. Andererseits sei zu berücksichtigen, dass telefonische Werbemaßnahmen zu Beeinträchtigungen des angerufenen Gewerbetreibenden führen könnten, ihn insbesondere in seiner beruflichen Betätigung stören könnten. Vor diesem Hintergrund sieht der Bundesgerichtshof eine Telefonwerbung im geschäftlichen Bereich als wettbewerbsgemäß an. Wenn ein konkreter, aus dem Interessensbereich des Anzurufenden herzuleitender Grund diese Art der Werbung rechtfertige.

Ein solcher Grund könne regelmäßig nur dann in Betracht gezogen werden, wenn der Anzurufende ausdrücklich oder konkludent sein Einverständnis mit derartigen Anrufen erklärt habe oder wenn aufgrund konkreter tatsächlicher Umstände ein sachliches Interesse des Anzurufenden darin vom Anrufer vermutet werden könne (BGH WRP 1991, 470 – Telefonwerbung IV; WRP 2001, 1068, 1069 – Telefonwerbung für Blindenwaren). Eine pauschalierende Betrachtungsweise dahingehend, die Zulässigkeit der Telefonwerbung davon abhängig zu machen, ob sie den eigentlichen Geschäftsgegenstand des Anzurufenden betrifft, lehnt der Bundesgerichtshof mit Recht ab (WRP 2001,. 1068, 1070 -.Telefonwerbung für Blindenwaren). Denn genau so wenig, wie sich sagen lässt, dass eine Telefonwerbung, die den Geschäftsgegenstand des Anzurufenden nicht betrifft, schlechthin unzulässig ist, weil in einem solchen Fall ein Einverständnis generell nicht vermutet werden kann, iässt sich umgekehrt argumentieren, diese Vermutung bestehe immer dann, wenn der Geschäftsgegenstand des Anzurufenden betroffen sei.

Die Kritik des Landgerichts an diesem Ansatz vermag nicht zu überzeugen. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes veranlasst nicht die Entscheidung der Frage, ob das per Telefonwerbung zu vermittelnde Angebot wirtschaftlich, für den Angerufenen ist, insbesondere eine angemessene oder noch akzeptable Preisgestaltung enthält. Erforderlich, aber auch ausreichend ist es, dass der Anrufer ex-ante betrachtet unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls vermuten darf, der Anzurufende werde der Telefonwerbung ein sachliches Interesse, aus welchen Gründen auch immer, entgegenbringen. Ein objektiv günstiges Angebot kann ein Indiz für das vermutete Einverständnis sein, ebenso wie ein objektiv ungünstiges Angebot gegen dieses Einverständnis sprechen kann;

Die Frage, welche Anforderungen im einzelnen an ein vermutetes Einverständnis zu stellen sind, braucht im vorliegenden Fall nicht beantwortet zu werden, da die Beklagte schlechterdings überhaupt keine Umstände vorgetragen hat, die ihre Annahme rechtfertigen könnten, die Anzurufenden hätten ein sachliches Interesse an ihrem Anruf. Ihre Argumentation, die Tischlerei N. sei, ebenso wie die anderen von ihr kontaktierten Handwerksunternehmen in den Gelben Seiten aufgeführt und habe damit ihr Einverständnis mit Telefonwerbung zum Ausdruck gebracht, vermag nicht zu überzeugen. Natürlich möchten die in den Gelben Seiten verzeichneten Handwerksbetriebe von potentiellen Kunden, also von Bauherren bzw. deren Architekten, angerufen werden. Die Anrufe der Beklagten sind hiermit jedoch nicht zu vergleichen, da die Beklagte gegenüber den Handwerksbetrieben nicht als Nachfragerin, sondern als Anbieterin einer eigenen Leistung, nämlich ihrer Vermittlungstätigkeit, auftritt. Diese wird, falls die angerufenen Unternehmen die Kriterien der Beklagten erfüllen und einen Vertrag mit ihr abschließen sollten, von den Anzurufenden vergütet, was die Beklagte in maßgeblicher Hinsicht von einem Architekten unterscheidet.

Daher rechtfertigt der Eintrag in den “Gelben Seiten” nicht einmal eine telefonische Kontaktaufnahme wegen der Eintragung im Elektronischen Branchenbuch (OLG Stuttgart, NJW-RR 1998, 184; Köhler/Piper, UWG, 3. Auflage, § 1 Rn. 156)
Andere Umstände, weshalb die Tischlerei N. oder ein anderes Unternehmen, welches von der Beklagten angerufen wurde, aus der ex-Ante-Sicht der Beklagten vermutlich mit dem Anruf einverstanden war, hat die Beklagte nicht vorgetragen. Die Tatsache, dass einige Unternehmen sich mit der Beklagten getroffen haben, um Näheres zu erfahren, ist in diesem Zusammenhang ohne Belang. .Da
die Beklagte nach ihrem eigenen Vortrag grundsätzlich darauf angewiesen ist, neue Vertragsunternehmen telefonisch zu akquirieren, kann sie es sich auch gar nicht erlauben, im Einzelfall das Vorliegen derartiger konkreter Umstände zu prüfen.
Der vorliegende Fall bietet keinen Anlass, die Grenzen zulässiger Telefonwerbung auszuloten, indem der Frage nachgegangen wird, ob ein Anrufer grundsätzlich davon ausgehen kann, dass ein sachliches Interesse des Anzurufenden vorliegt, wenn der Anruf dessen Geschäftsgegenstand betrifft und darauf abzielt, ihm Aufträge gegen Provision zu vermitteln. Denn die von der Beklagten intendierte Geschäftsbeziehung erschöpft sich nicht in dem Vermitteln einzelner Aufträge gegen Provision, sondern ist auf eine Dauerrechtsbeziehung der Gestalt angelegt, dass die Beklagte für das Entfalten von -.nicht näher spezifizierten – Vermittlungsbemühungen eine Zahlung von mehreren Tausend DM enthält. Es kann, schon wegen der rechtlich nicht greifbaren Gegenleistungsverpflichtung der Beklagten, nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass die Anzurufenden an einer Telefonwerbung Interesse haben, die dazu dient, in Erfahrung zu bringen, ob der Angesprochene für die Beklagte als Vertragspartner in Betracht kommt. Dies um so weniger, als Herr Mike M. in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat für die Beklagte ausgeführt hat, schriftliche Anfragen bei Handwerksbetrieben, denen keine konkrete Nachfrage zugrunde liege, seien nicht sinnvoll, weil im Vorhinein nicht abgeschätzt werden könne, wann welches Unternehmen benötigt werden. Daraus folgt zugleich, dass die Beklagte einem Handwerksbetrieb, mit dem sie aus Anlass einer konkreten Nachfrage einen Vertrag geschlossen hat, nicht sagen könnte, wann in den nächsten, Jahren sie ihm wieder einen Auftrag vermitteln könnte. Vor diesem Hintergrund sind die von der Beklagten angebotenen Verträge für die Handwerksbetriebe mehr als riskant.

Die Beklagte wird durch eine Auslegung des § 1 UWG, die zu einem Verbot der von ihr durchgeführten Telefonwerbung führt, nicht in ihren Grundrechten verletzt.

Zwar stellen die Grundrechte in erster Linie Abwehrrechte des Bürgers gegen den Staat dar, weshalb ihnen keine unmittelbare Drittwirkung zukommt. Es entspricht jedoch allgemeiner Meinung, dass die Wertordnung des Grundgesetzes bei der Auslegung zivilrechtlicher Generalklauseln, zu denen § 1 UWG gehört, zu berücksichtigen sind. Dies bedeutet einerseits, dass die Sittenwidrigkeit im Sinne des § 1 UWG regelmäßig zu bejahen ist, wenn das Wettbewerbshandeln grundrechtswidrig ist, andererseits, dass ein auf § 1 UWG gestütztes Verbot den Adressaten nicht in seinen Grundrechten verletzen darf. Letzteres ist vorliegend .nicht der Fall, insbesondere ist das Grundrecht der Berufsfreiheit (Artikel 12 Grundgesetz) der Beklagten nicht verletzt. Das Grundrecht der Berufsfreiheit gebietet es, Berufsausübungsbeschränkungen nur dann vorzunehmen, wenn sie durch vernünftige Erwägungen des Gemeinwohls legitimiert sind (Jerass/Pieroth, Grundgesetz, 6. Auflage, Artikel 12 Rdnr. 36). Dabei besteht wegen des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit eine Wechselwirkung zwischen der Intensität der beschränkenden Wirkung und den Anforderungen, die an die Rechtfertigung des Verbots zu stellen sind.

Die Beklagte hat vorgetragen, sie sei darauf angewiesen, zu potenziellen Neukunden telefonischen Kontakt aufzunehmen und zur Begründung hierfür insbesondere auf den zeitlichen Druck verwiesen, dem sie bei der Vermittlung von Handwerksbetrieben ausgesetzt ist, Es ist jedoch bereits zweifelhaft, ob dieser zeitliche Druck in jedem Fall so hoch ist, dass er eine schriftliche Kontaktaufnahme unmöglich macht. Wie die Beklagte im Zusammenhang mit dem Fall der Tischlerei N. ausgeführt hat, wurden ihr die beiden Vermittlungsaufträge, die nach ihrem Vortrag die Kontaktaufnahme mit der Firma N. veranlasst haben, jeweils im Juni 2001 avisiert, wobei der eine Auftrag bis zum 27.07.2001 (betreffend die Planungsgruppe DSL) ausgeführt sein sollte, der zweite Auftrag (betreffend die Firma Keller) bis zum 10. August 2001. Angesichts dieser Zeiträume ist kein Grund ersichtlich, warum die Beklagte die Tischlerei N. am .25.06.2001 anstelle einer schriftlichen Anfrage telefonisch kontaktierte.
Aber selbst wenn man zugunsten der Beklagten davon ausgehen wollte, dass sie in aller Regel nicht über genügend Zeit verfügt, um nach Eingang eines Vermittlungsauftrages schriftlich nach neuen Vertragsunternehmen zu suchen, führt dies
keineswegs zu der Notwendigkeit, potenzielle Vertragsunternehmen ohne jede vorherige Kontaktaufnahme telefonisch zu kontaktieren. Selbst wenn es zutreffen
sollte, dass es der Beklagten nur schwer möglich ist, vorherzusehen, welche neuen Vertragsunternehmen sie benötigen könnte, spricht nichts gegen ein Rund
schreiben bei – vielleicht nur vage in Betracht kommenden – Handwerksunternehmen, um deren grundsätzliche Bereitschaft zu einer Zusammenarbeit mit der
Beklagten zu sondieren. Diese Vorgehensweise würde die Beklagte in die Lage versetzen, über einen Pool potenziell interessierter Handwerksunternehmen zu
verfügen, auf den sie bei Bedarf selbstverständlich auch telefonisch zurückgreifen darf.

Da die Beklagte bislang nicht einmal den Versuch unternommen hat, auf diese Weise vorzugehen und ihre Begründung, warum dies nicht möglich sei, nicht überzeugend ist, geht der Senat davon aus, dass das ausgesprochene Verbot die Beklagte keineswegs daran hindert, ihr Geschäftskonzept auch in Zukunft umzusetzen. Das Verbot bringt lediglich eine gewisse Erschwernis dahingehend mit sich, dass es der Beklagten künftig verwehrt ist, Neukunden ohne weiteres per Telefonwerbung zu akquirieren. Diese Beschränkung der Berufsübungsfreiheit ist gerechtfertigt, weil es dem Interesse der Anzurufenden Rechnung trägt, ihrerseits nicht mit unerbetener Telefonwerbung belästigt wird bei dem Nachgehen der eigenen Geschäfte gestört zu werden.

Dieses Interesse überwiegt auch den ebenfalls nur sehr marginalen Eingriff in das Grundrecht der Beklagten auf Meinungsfreiheit Die Beklagte wird lediglich in der Wahl des Mediums, dessen sie sich bei der Äußerung ihrer Werbung bedient, eingeschränkt, und auch dies nur unter bestimmten Voraussetzungen.

Die Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs durch den Kläger ist nicht gemäß § 13 Absatz 5 UWG missbräuchlich. Der in diesem Zusammenhang vorgebrachte Einwand der Beklagten, dem Kläger gehe es in Wahrheit nur darum, die Beklagte daran zu hindern, Verträge abzuschließen, wie aus der Anlage K 9 (Bl. 96 d. A.) ersichtlich, verfängt nicht. Die von der Beklagten praktizierte Telefonwerbung ist wettbewerbswidrig, Die Befugnis des Klägers, diesen Wettbewerbsverstoß gerichtlich zu verfolgen hängt nicht davon ab, dass der Kläger möglicherweise auch Anstoß an dem weiteren Geschäftsgebaren der Beklagten nimmt. Im übrigen ist die von der Beklagten gewählte und für ihre Vertragspartner unvorteilhafte Vertragsgestaltung durchaus in die Würdigung der Wettbewerbswidrigkeit ihrer Telefonwerbung einzubeziehen, so dass der Kläger mit dem von ihm geltend gemachten Unterlassungsanspruch die Vertragsgestaltung der Beklagten ebenfalls zum Gegenstand der Beurteilung macht.

Der Anspruch auf Ersatz der Abmahnkosten ist begründet gemäß §§ 683 S. 1, 677, 670 BGB.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Dem Vollstreckungsschutzantrag der Beklagten gemäß § 712 ZPO war nicht zu entsprechen. Vollstreckungsschulz wäre der Beklagten nur dann zu gewähren gewesen, wenn so gut wie sicher zu erwarten wäre, dass die Vollstreckung des Unterlassungstitels ihr einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringen würde. An das Vorliegen dieser Voraussetzungen sind insbesondere in der zweiten Instanz strenge Anforderungen zu stellen (Baumbach/Lauterbach/Anders/Hartmann, ZPO 61. Auflage, § 712 Rdnr. 3). Die Beklagte beruft sich in diesem Zusammenhang darauf, die Existenz ihres Betriebes sei gefährdet, wenn sie gezwungen wäre, auf die telefonische Kontaktaufnahme mit Betrieben, die potenzielle Neukunden sind, zu verzichten. Es ist jedoch keineswegs so gut wie sicher zu erwarten, dass die Beklagte mit dieser Prognose richtig liegt. Sie hat alternative Formen der Kontaktaufnahme bislang nicht einmal versucht. Überdies verdeutlicht der Fall der Schreinerei N., dass die Beklagte keineswegs bei der Suche nach Neukunden immer einem solchen zeitlichen Druck ausgesetzt ist, dass die Möglichkeit einer schriftlichen Kontaktaufnahme ausscheidet.

Der Rechtsstreit war nicht auszusetzen, um dem Europäischen Gerichtshof die Frage vorzulegen, ob eine restriktive Handhabung der Zulässigkeit von Telefonwerbung im Sinne der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes mit den Vorschriften, insbesondere Artikel 10, der Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates der Europäischen Union vom 20.05.1997 über den Verbraucher- o schütz bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz (97/7/EG) vereinbar ist. Wie der Bundesgerichtshof bereits in der Entscheidung “Telefonwerbung für Blindenwaren (WRP 2001, 1068, 1073) ausgeführt hat, erstreckt sich die Richtlinie 97/7/EG schon nicht auf die Telefonwerbung gegenüber Gewerbetreibenden (ebenso Köhler/Piper, UWG 3, Auflage, § 1 Rdnr. 140). Überdies lässt Artikel 14 Satz 1 ‘ den Mitgliedsstaaten Raum für den Erlass oder die Aufrechterhaltung strengerer Bestimmungen, um ein höheres Schutzniveau für den Verbraucher sicherzustellen. Es ist nicht ersichtlich, dass die deutsche Rechtsprechung zur Frage der Zulässigkeit von Telefonwerbung nicht nur strenger als Artikel 10 der Fernabsatzrichtlinie ist, sondern eine “grundlegend verschiedene Konzeption des Verbraucherschutzes zum Gegenstand” hat, wie die Beklagte meint.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern (§ 543 Abs. 2 ZPO). Die Entscheidung beruht auf der Anwendung der höchstrichterlich entwickelten Grundsätze zur Frage der Wettbewerbswidrigkeit von Telefonwerbung im geschäftlichen Bereich. Das Argument der Beklagten, der Bundesgerichtshof habe bislang die Frage nicht entschieden, ob Gewerbetreibende, die in den Gelben Seiten aufgeführt sind, konkludent ihr Einverständnis mit der Telefonwerbung erklärt haben, führt nicht zur Zulassung der Revision. Auch wenn der Bundesgerichtshof zu dieser Frage bislang nicht ausdrücklich Stellung genommen hat, unterliegt es keinem Zweifel, dass ein Eintrag in den Gelben Seiten nicht geeignet ist, die generelle Zulässigkeit der Telefonwerbung zu begründen. Wie bereits dargelegt, mag ein solcher Eintrag den Schluss nahe legen, dass der betreffende Gewerbetreibende von Kunden angerufen möchte, nicht jedoch ohne weiteres von Anbietern einer eigenen Leistung.

Den Senat setzt sich mit seiner Entscheidung auch nicht in Widerspruch zu der Entscheidung des 12. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 29.11.20.01 (Aktenzeichen 12 U 38/01). Der 12. Zivilsenat geht, ebenso wie der erkennende Senat, im Anschluss an die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes davon aus, dass im gewerblichen Bereich Anrufe zu Werbezwecken nur dann zulässig sind, wenn der Anzurufende ausdrücklich oder konkludent sein Einverständnis mit derartigen Anrufen erklärt hat oder wenn aufgrund konkreter tatsächlicher Umstände ein sachliches Interesse des Anrufenden daran vom Anrufer vermutet werden kann. Dass der 12. Zivilsenat in dem. von ihm zu entscheidenden Einzelfall zu dem Ergebnis .kommt, die Telefonwerbung sei zulässig,: stellt die Einheitlichkeit der Rechtsprechung nicht in Frage, Die Konkretisierung der höchstrichterlich entwickelten Grundsätze durch den 12. Zivilsenat dahingehend, der Anrufer dürfe das Interesse des Anzurufenden an der Kenntnis seiner Angebote für preisgünstige Hochgeschwindigkeitszugänge ins Internet vermuten, wenn der Anzurufende zu erkennen gegeben habe, er wolle bei Ausübung seiner geschäftlichen Tätigkeit mit dem Internet arbeiten und dieses zum Kundenkontakt nutzen, ist für den vorliegenden Fall ohne Bedeutung. Abgesehen davon, dass diese Konstellation mit einem bloßen Eintrag in den Gelben Seiten nicht vergleichbar ist, unterbreitet die Beklagte keineswegs preisgünstige Angebote.