Im Namen des Volkes
In dem Rechtsstreit
Speed-Link GmbH,
vertreten durch den Geschäftsführer Dietrich von Hase,
Dircksenstraße 47, 10178 Berlin,
Klägerin,
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte
Dr. Martin Jaschinski und Kollegen,
Kollwitzstraße 77, 10435 Berlin
gegen
S…. GmbH
Beklagte,
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte
v.G. und S.,
hat die Zivilkammer des Landgerichts Berlin,
Tegeler Weg 17-21 in 10589 Berlin
(Charlottenburg), auf die mündliche
Verhandlung vom 12. Dezember 2000 durch den
Vorsitzenden Richter am Landgericht Dr.
S…, den Richter am Landgericht D… und die Richterin
am Landgericht L…..
für Recht erkannt:
1. Es wird festgestellt, dass die Beklagte
nicht berechtigt ist, die Klägerin auf Unterlassung
wegen Verletzung Marke “Explorer”,
eingetragen beim Deutschen Patent- und Markenamt Nr.
39538830, in Anspruch zu nehmen, weil die
Internet-Präsenz der Klägerin folgenden Text
enthält:
“FTP-Explorer- und FTP-Voyager
Zwei FTP-Programme, deren Aufbau an die
Windows-Explorer erinnern. Beide sind in deutscher
Sprache erhältlich und funktionieren via “drag and drop” ( sind also daher
freundlicher zu bedienen).
Weder der FTP-Explorer noch der FTP-Voyager
kann Permissions setzen.
FTP-Explorer: Shareware für kommerzielle
Nutzer, Freeware für den privaten Gebrauch.”
und unter diesen Text den Hyperlink
http://www.ftpx.com/
auf die Seite der Firma FTPx Corp, Oklahoma,
USA, plaziert.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des
Rechtsstreits.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung
in Höhe des festgesetzten Kostenbetrages zuzüglich
10 % vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Feststellung, dass
die Verwendung des Kennzeichens FTP-Explorer
auf ihrer Homepage unter gleichzeitiger
Setzung eines Hyperlinks auf die Homepage des
amerikanischen Herstellers der Software
FTP-Explorer keine Rechte der Beklagten verletzt.
Die Beklagte ist Inhaberin der am 22.
September 1995 angemeldeten deutschen Marke Explorer
Nr. 39538830, eingetragen für
Datenverarbeitungsgeräte und Datenverarbeitungsprogramme.
Die Klägerin ist ein
Internet-Service-Provider und bietet als solcher Dritten die
Möglichkeit, sich
privat oder geschäftlich im Internet zu
präsentieren. Ihre Kunden pflegen ihre Internet-Präsenzen
überwiegen selbst. Dazu erstellen sie
zunächst die für den Internet-Auftritt erforderlichen
Dateien
und übertragen diese anschließend auf die
dauerhaft in das Internet eingebundenen Rechner
(Webserver ) der Klägerin. Für diesen
Datentransfer benötigen die Kunden ein sogenanntes
FTP-Programme. Diese Software ist in der
Lage, die Dateien gemäß dem im Internet
gebräuchlichen File Transfer Protocol (FTP),
einem technischen Standart für die
Datenübermittlung, zu übertragen.
FTP-Programme werden von zahlreichen Herstellern
größtenteils kostenlos im Internet
angeboten. Um ihren Kunden einen Überblick über die
gebräuchlichsten Programme zu verschaffen,
hielt die Klägerin innerhalb ihrer eigenen
Internet-Präsenz eine spezielle Seite mit
Informationen zu den einzelnen Software-Produkten
bereit. Diese Seite ließ sich durch Eingabe
der Internet-Adresse www.speedlink.de
/service/toolbox/sl-ftp.htm direkt aufrufen.
Die Seite enthielt eine Liste von kurzen
Beschreibungen der einzelnen FTP-Programme
in alphabetischer Reihenfolge.
Unter jeder Beschreibung befand sich ein
Hyperlink zur Internet-Präsenz des jeweiligen
Herstellers der Software. Durch Anklicken
des Links konnte der Nutzer direkt die Web-Präsenz
des Herstellers aufrufen, um sich dort näher
über das gewählte Produkt zu informieren (K 1). Auf
der Internet-Seite der Klägerin befand sich
auch eine kurze Beschreibung der Programme
FTP-Explorer und FTP-Voyager mit dem aus dem
Klageantrag ersichtlichen Inhalt. Die
Kurzbeschreibung war mit einem Hyperlink
unterlegt, der zur Homepage des amerikanischen
Softwareherstellers FTPx Corp., Oklahoma,
verwies.
Mit Schreiben vom 13. März 2000 mahnte die
Beklagte die Klägerin ab (K 4). Sie forderte die
Klägerin mittels vorformulierter
Unterlassungserklärung auf, es zu unterlassen, die
Kennzeichnung FTP-Explorer im geschäftlichen
Verkehr für Software zu benutzen. Hierauf gab
die Klägerin am 23. März 2000 die aus der
Anlage K5, auf die Bezug genommen wird,
ersichtliche Erklärung ab, welche die
Beklagte mit Telefax vom 24. März 2000 annahm (K 6).
Die Klägerin behauptet, sie vertreibe keine
Software und beziehe auch keine Einnahmen aus
Geschäften, die mit dem Vertrieb von
Software im Zusammenhang stehen. Sie ist der
Auffassung, nicht zur Unterlassung
verpflichtet zu sein. Es mangele bereits am Handeln im
geschäftlichen Verkehr im Sinne des § 14
Abs. 2 Nr. 2 MarkenG. Ihr Handeln fördere weder
eigene noch fremde Geschäftszwecke. Die
Beschreibung des Computerprogramms
FTP-Software und das Setzen eines Hyperlinks
auf die Homepage des amerikanischen
Softwareherstellers seien keine
Benutzungshandlungen im Sinne des § 14 Abs. 2 MarkenG,
sondern dienten lediglich der Information,
erfolgten also zu journalistisch-redaktionellen
Zwecken.
Sie meint, Verwechslungsgefahr bestehe
nicht, da das Zeichen Explorer der Beklagten allenfalls
äußerst geringe Kennzeichnungskraft besäße.
Der Begriff Explorer stehe im Bereich der
elektronischen Datenverarbeitung für
Computerprogramme, die dafür geeignet sind, bestimmte
Datenbestände zugänglich zu machen oder
deren einfache Verwaltung zu ermöglichen. Die
Verwechslungsgefahr entfalle bereits
aufgrund des Zusatzes FTP. Dem stehe auch nicht das
von der Beklagten beigebrachte
Marktforschungsgutachten (B 5) entgegen. Die Benutzung der
Zeichen Internet-Explorer und
Windows-Explorer durch die Firma Microsoft habe die
Kennzeichnungskraft der Marke Explorer nicht
zugunsten der Beklagten gestärkt, da die Firma
Microsoft nicht mit Fremdbenutzungswillen
handele.
Sie meint, der Anspruch der Beklagten sei
zudem wegen mangelnder Benutzung des Zeichens
gemäß §§ 25, 26 MarkenG ausgeschlossen.
Darüber hinaus beruft sie sich auf § 23 Nr. 2
MarkenG.
Sie meint, das Verhalten der Beklagten sei
rechtsmissbräuchlich, da ihm kein schutzwürdiges
Eigeninteresse zugrunde liege und sie sich
damit in Widerspruch zu ihrem Recht aus der Marke
setze.
Die Klägerin beantragt,
Festzustellen, dass die Beklagte nicht
berechtigt ist, die Klägerin auf Unterlassung wegen
Verletzung der Marke “Explorer”, eingetragen
beim Deutschen Paten- und Markenamt Nr.
39538830, in Anspruch zu nehmen, weil die
Internet-Präsenz der Klägerin folgenden Text
enthält:
“FTP-Explorer- und FTP-Voyager
Zwei FTP-Programme, deren Aufbau an die
Windows-Explorer erinnern. Beide sind in deutscher Sprache
erhältlich und funktionieren via “drag and drop” ( sind
also daher freundlicher zu bedienen).
Weder der FTP-Explorer noch
der FTP-Voyager kann Permissions
setzen. FTP-Explorer:
Shareware für kommerzielle Nutzer, Freeware
für den privaten Gebrauch.”
und unter diesen Text den Hyperlink
http://www.ftpx.com/
auf die Seite der Firma FTPx Corp, Oklahoma,
USA, plaziert.
Die Beklagte beantragt,
Die Klage abzuweisen.
Sie meint, der Rechtsstreit habe sich
erledigt, da sie gegen die Klägerin Kostenklage erhoben
habe, in der am 25. Januar 2001 Termin vor
dem Landgericht München anstehe. Zudem existiere
die Ziel-URL nicht mehr.
Durch die Abgabe der Unterlassungserklärung
mangele es an einem Rechtsschutzbedürfnis für
die Klage.
Die Meint, dadurch, dass die Benennung
FTP-Explorer und der Link im eigenen
HTML-Quellcode der Klägerin enthalten seien,
handele es sich um eigene Inhalte gemäß § 5 Abs. 1 TeledienstG, die zugleich
Kennzeichnungsmittel im Sinne des § 14 Abs. 4 S. 1 MarkenG seien und für die
sie als Störer hafte. Außerdem bestehe eine
Haftung als Mitstörer.
Die Beklagte ist der Auffassung, dass es
sich bei dem Zeichen Explorer um eine bekannte,
wenn nicht berühmte Marke handele.
Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der
Parteien wird auf den Inhalt der zwischen ihnen
gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen
verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist begründet.
I.Das für die negative Feststellungsklage
gemäß § 256 ZPO erforderliche
Feststellungsinteresse der Klägerin ist
gegeben. Die Beklagte hat sie unter Berühmung
eines markenrechtlichen
Unterlassungsanspruchs abgemahnt. Die Klägerin hat also ein
rechtlich schutzwürdiges Interesse
daran, feststellen zu lassen, dass ein
Rechtsverhältnis, kraft dessen die
Beklagte von ihr die Abgabe einer
Unterlassungserklärung verlangen könnte,
nicht besteht. Ein Rechtsschutzbedürfnis
entfällt auch nicht etwa durch die
Abgabe der Unterlassungserklärung vom 23. März
2000, da diese nur bedingt und befristet
bis zu einer diesbezüglichen rechtskräftigen
gerichtlichen Entscheidung abgegeben
worden ist.
Die Erledigungserklärung der Beklagten
ist für den Rechtsstreit ohne Belang, da sie nicht
in der Lage ist, diesen einseitig für
erledigt zu erklären. Eine Erledigung ist auch nicht
hinreichend substantiiert dargelegt. Die
Abmahnung wurde nicht zurückgenommen und
die Homepage der FTPx Corp. War, wie die
Klägerin unwidersprochen dargelegt hat, nur
zeitweilig nicht abrufbar.
II.Die zulässige negative
Feststellungsklage ist begründet, denn der Beklagten steht
der
geltend gemachte Unterlassungsanspruch
hinsichtlich der Verwendung der Marke
Explorer auf ihrer Homepage unter
gleichzeitiger Setzung eines Hyperlinks auf die
Homepage des amerikanischen
Softwareherstellers gemäß §§ 14 Abs. 2 Nr. 2, 4
MarkenG nicht zu.
Gemäß §§ 14 Abs. 2 Nr. 2, 4 MarkenG
ist es Dritten untersagt, ohne Zustimmung
des Markeninhabers im geschäftlichen
Verkehr ein Zeichen zu benutzen, wenn
wegen Identität oder Ähnlichkeit der
durch die Marke und das Zeichen erfaßten
Waren- oder Dienstleistungen für das
Publikum die Gefahr von Verwechslungen
besteht, einschließlich der Gefahr,
dass das Zeichen mit der Marke gedanklich in
Verbindung gebracht wird.
Es kann dahinstehen, ob der Anspruch
der Beklagten, wie die Klägerin meint,
mangels Handelns im geschäftlichen
Verkehr scheitert. Offen bleiben kann ferner,
ob der Unterlassungsanspruch an
einer fehlenden markenmäßigen Benutzung des
Zeichens FTP-Explorer scheitert.
Denn jedenfalls scheitert der
Unterlassungsanspruch der Beklagten
an der fehlenden Verwechslungsgefahr im
Sinne des § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG.
Bei der Prüfung der
Verwechslungsgefahr kommt es auf alle Umstände des
Einzelfalls an. Insbesondere besteht
eine Wechselwirkung zwischen dem
Ähnlichkeitsgrad der Bezeichnung,
dem Grad der Warennähe und der
Kennzeichnungskraft, so dass der
Ähnlichkeitsgrad um so geringer werden kann,
je größer die Kennzeichnungskraft
und/oder Warennähe ist oder umgekehrt (vgl.
BGH WRP 2000, 525, 526; GRUR 1993,
118, 119). Hinsichtlich der Ähnlichkeit
der Marken ist auf den
Gesamteindruck abzustellen, den diese bei dem
Durchschnittsverbraucher der jeweils
in Frage stehenden Waren hervorrufen (vgl.
BGH GRUR 1999,735, 736).
Die Marke Explorer ist von nur
geringer Kennzeichnungskraft. Sie leitet sich aus
dem englischen Begriff explorer ab,
der einen beschreibenden Inhalt hat und mit
Kundschafter oder Forscher übersetzt
werden kann. Der Begriff Explorer für eine
der Durchforschung von Daten
dienende Software ist beschreibender Natur. Aus
beschreibenden Angaben abgeleitete
Bezeichnungen sind aber nur von geringer
Kennzeichnungskraft (vgl. BGH GRUR
1995, 808, 810).
Diese schwache Kennzeichnungskraft
hat sich auch nicht durch die Benutzung
des Zeichens durch die Firma
Microsoft gemäß § 26 Abs. 2 MarkenG erhöht.
Denn diese nutzt die Marke nicht mit
Fremdbenutzungswillen. Von einer
zurechenbaren Benutzung im Sinne des
§ 26 Abs. 2 MarkenG kann aber dann
nicht mehr gesprochen werden, wenn
es sich um eine gewissermaßen
aufgedrängte Zustimmung handelt, bei
der Dritte nach außen erkennbar die Marke
nicht für den Markeninhaber nutzt (
vgl. Fezer, MarkenG, § 26 Rn. 96).
Die Firma Microsoft hat den
Vergleich vor dem OLG München ohne Anerkennung
einer Rechtspflicht geschlossen. Sie
verweist entgegen ihrer sonstigen Übung in
ihren Explorer-Programmen auch nicht auf
die Kennzeichenrechte der Beklagten.
Der hohe Bekanntheitsgrad der
Produkte der Firma Microsoft ist dementsprechend
der Beklagten nicht zuzurechnen, so
dass es bei der schwachen
Kennzeichnungskraft der Marke
bleibt.
Zwischen den von der Klägerin und
der Beklagten angebotenen Waren liegt
Warenidentität vor.
Bei der Prüfung der
Verwechslungsgefahr ist auf die Faktoren Zeichenähnlichkeit,
Waren-Dienstleistungsähnlichkeit und
Kennzeichnungskraft der geltend
gemachten Marke abzustellen. Die
einzelnen Merkmale stehen zueinander in
einer Wechselwirkung. Maßgeblich ist
der Gesamteindruck der Kollisionszeichen,
den ein verständiger
Durchschnittsverbraucher erlangt. Bei der Überprüfung ist zu
berücksichtigen, dass das Publikum
die Zeichen regelmäßig nicht gleichzeitig
wahrnimmt und bewußt vergleicht,
sondern seine Auffassung aufgrund eines
undeutlichen Erinnerungseindrucks
erhält. Hierbei treten die übereinstimmenden
Merkmale mehr hervor als die
Unterschiede so dass es mehr auf erstere
ankommt.
Hinsichtlich des Bestandteils
Explorer liegt zwischen der Marke der Beklagten
und dem von der Klägerin benutzten
Zeichen klangliche und inhaltliche Teilidentität
vor. Dem Begriff Explorer kommt
ebenso wie der Buchstabenkombination FTP nur
schwache Kennzeichnungskraft zu.
Demjenigen, der die Bedeutung von FTP
kennt, erschließt sich jedoch, dass
sich hinter FTP-Explorer eine völlig andere
Software verbirgt als beispielsweise
hinter Internet-Explorer oder
Windows-Explorer. Dementsprechend
prägt die Buchstabenkombination FTP den
Gesamtbegriff FTP-Explorer mit.
Zudem mißt das Publikum Wortanfängen
regelmäßig eine erhöhte Bedeutung zu
(vgl. BGH GRUR 1996, 200 f.).
Danach wird der Gesamteindruck des
Zeichens als kombiniertes Zeichen durch
gleichwertige Elemente bestimmt, die
beide beschreibende Anlänge enthalten.
Kein Element allein ist geeignet,
den Gesamteindruck des Kombinationszeichens
zu prägen, weshalb bei einer
Übereinstimmung des Gesamteindrucks des
beanstandeten Zeichen mit nur einem
Element des prioritätsälteren Zeichens die
zeichen- und markenrechtliche
Verwechslungsgefahr hier zu verneinen ist (vgl.
dazu BGH GRUR 1998, 942 f.). Da die
Bezeichnung Explorer bei der angegriffenen
Bezeichnung nicht hervortritt, sind
diese Grundsätze auch vorliegend anwendbar.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
91 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige
Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.