17 O 548/00
Internet-Apotheke
Leitsatz der Redaktion
Eine einstweilige Verfügung des
Inhalts, daß der
Versandhandel von Arzneimitteln über eine
“Internet-Apotheke”, die ein Lager in Deutschland unterhält,
wenn das Lager unstreitig einem anderen Unternehmen gehört,
daß die Bestellungen ausliefert, vorläufig zu unterlassen
ist, kann unter diesen Umständen nicht erlassen werden,
sofern nicht glaubhaft gemacht wird, daß es sich um eine
Aislagerung eines Auslieferungslagers der betreffenden
Internet-Apotheke handelt.
Tatbestand
Die Verfügungsklägerin nimmt die
Verfügungsbeklagte auf
Unterlassung wettbewerbswidrigen Versandhandels
mit
apothekenpflichtigen Arzneimitteln in Anspruch.
Die Verfügungsklägerin ist
Arzneimittelgroßhändlerin. Die
Verfügungsbeklagte mit Sitz in den Niederlanden
betreibt unter der
Domain “… .com” einen Versandhandel u.a. für
apothekenpflichtige
Arzneimittel. Der Versand der bestellten Waren
erfolgt über die Firma
G.
Ein Mitarbeiter der Landesapothekerkammer
Baden-Württemberg
bestellte am 22.09.2000 bei der
Verfügungsbeklagten per Internet
die Arzneimittel “Sinupret forte” (100 Dragees),
“ACC akut” (600 mg,
20 Brausetabletten) und “Canesten” (50 gr Creme).
Am 25.09.2000
erhielt der Mitarbeiter eine Lieferung von der
Verfügungsbeklagten
beinhaltend “Sinupret forte” sowie “Canesten”,
jedoch statt “ACC
akut” das Mittel “Acetylcysteine” (600 mg). Die
beiden letzteren
Medikamente enthielten auf der Verpackung und auf
dem
Beipackzettel Hinweise lediglich in
niederländischer Sprache.
Das Paket, mit dem die Arzneimittel geschickt
wurden, war u.a.
beschriftet mit:
Absender:
…
Mit Schriftsatz vom 17.10.2000 beantragte die
Verfügungsklägerin
den Erlaß einer einstweiligen Verfügung und trug
hierzu vor, daß es
sich bei der Anschrift in Neuss um eine
Niederlassung der
Verfügungsbeklagten handle. Dies wurde durch
Vorlage des Pakets
glaubhaft gemacht. Es handle sich deswegen um
einen reinen
Inlandsfall, für dessen Beurteilung
europarechtliche Erwägungen
keine Rolle spielten.
Am 19.10.2000 erließ die Kammer eine einstweilige
Verfügung (Bl.
18/20 d.A.), wonach es der Verfügungsbeklagten
untersagt wurde,
bestimmte Arzneimittel in Deutschland in den
verkehr zu bringen
sowie apothekenpflichtige Arzneimittel
gewerbsmäßig im Wege des
Versandhandels von dem Lager in Neuss aus zu
versenden.
Hiergegen legte die Verfügungsbeklagte
Wiederspruch ein und trug
vor, daß es sich bei dieser Anschrift um ein
Depot der Firma …
handle, welche die Versendung der Bestellungen
ausführe. Dies wird
von der Verfügungsklägerin nicht bestritten.
Die Verfügungsklägerin trägt nunmehr vor, daß die
Verfügungsbeklagte zwar nicht, wie zunächst
angenommen, dort eine
eigene Niederlassung unterhalte, jedoch versende
sie selbst von
dieser Anschrift aus die bestellten Arzneimittel,
so daß es sich nach
wie vor um einen reinen Inlandsfall handle. Die
Verfügungsklägerin
hat hierzu in der mündlichen Verhandlung
vorgetragen unter Vorlage
von Internetausdrucken von …, daß in der
Vergangenheit die
Verfügungsbeklagte die Pakete selbst im Depot der
… angeliefert
habe, von wo aus der weitere Versand erfolgt sei.
Die Verfügungsklägerin beantragt,
die einstweilige Verfügung aufrecht zu
erhalten.
Die Verfügungsbeklagte beantragt,
die einstweilige Verfügung vom 19.10.2000
aufzuheben
und den Antrag auf Erlaß einer einstweiligen
Verfügung
zurückzuweisen.
Die Verfügungsbeklagte trägt vor, daß auch in der
Vergangenheit die
Pakete stets am Sitz der Verfügungsbeklagten in
den Niederlanden
von einem Kurierdienst übernommen und von diesem
hausintern
gekennzeichnet worden seien.
Weiterhin sei auch der grenzüberschreitende
Versand zulässig
(E-Commerce-Richtlinie, Entscheidungen des EuGH
“Kommission/Bundesrepublik Deutschland und
“Schumacher”, § 73
Abs. 2 Nr. 6 a AMG).
Im übrigen fehle es bereits an einem
Verfügungsgrund, da die
Verfügungsklägerin schon seit dem 08.06.2000 vom
Internetangebot
der Verfügungsbeklagten Kenntnis gehabt habe.
Wegen der weiteren Einzelheiten des
Parteivortrags wird auf die
gewechselten Schriftsätze samt den vorgelegten
Anlagen und auf das
Protokoll der mündlichen Verhandlung vom
21.12.2000 (Bl. 91 d.A.)
verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die einstweilige Verfügung war auf den
Widerspruch der
Verfügungsbeklagten auf ihre Rechtmäßigkeit zu
prüfen. Dies führte
zu ihrer Aufhebung.
1. Ein Verfügungsgrund ist nicht gegeben.
a) Die Verfügungsklägerin hat den Erlaß der
einstweiligen Verfügung
beantragt auf der Grundlage des von ihr
geschilderten Sachverhalts,
wonach die Verfügungsbeklagte selbst eine
Niederlassung bzw. ein
Lager in Neuss unterhalte. Dies ist jedoch
unstreitig nicht der Fall.
b) Daß die Verfügungsbeklagte das Depot der …
zumindest in der
Vergangenheit nutzte wie ein “outgesourctes”
Auslieferungslager, hat
die Verfügungsklägerin nicht glaubhaft machen
können. Die Vorlage
der Internetausdrucke, welche den Ablauf einer
Sendung
dokumentieren, genügt hierfür nicht. Erforderlich
wäre die
Glaubhaftmachung, daß die Verfügungsbeklagte
selbst mit eigenen
Mitteln die streitgegenständliche Sendung zu dem
Depot nach Neuss
gebracht hätte. Dies hat die Verfügungsklägerin
jedoch nicht
glaubhaft gemacht; die Ausdrucke sagen hierzu
nichts aus,
insbesondere nicht, daß nicht etwa ein anderer
Spediteur die Waren
über die Grenze lieferte.
c) Somit konnte die einstweilige Verfügung vom
19.10.2000 keinen
Bestand haben und war deshalb aufzuheben.
2. Demgegenüber kann offen bleiben, ob ein
Verfügungsgrund
vorliegt oder ein grenzüberschreitendes Versenden
von
apothekenpflichtigen Arzneimitteln durch die
Verfügungsbeklagte
zulässig ist.
Letztere Frage spielt deswegen keine Rolle, weil
Gegenstand der
einstweiligen Verfügung vom 19.10.2000
ausdrücklich nicht der
Versand von den Niederlanden nach Deutschland
war.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.
4. Die Entscheidung zur vorläufigen
Vollstreckbarkeit beruht auf §
709 S. 1 ZPO.