LG München I: Pfändung einer Domain unzulässig

LG München I

Beschluss

vom 28.06.2000

20 T 2446/00

Entsprechend der Bezeichnung des
Pfändungsbeschlusses des
Amtsgerichts vom 17.11.1999 als
Pfändungsbeschluss gemäß § 857
ZPO mit der Anordnung, daß die Verwertung des
gepfändeten
Rechtes einem gesonderten Verfahren gemäß § 844
ZPO
vorbehalten wird, legt die Kammer – auch unter
Berücksichtigung des
von dem Gläubiger geltend gemachten Interesses an
einer
wirtschaftlichen Verwertung durch Übertragung an
Dritte – den
Pfändungsbeschluss vom 17.11.1999 dahin aus, daß
die Pfändung
der Rechte des Schuldners … an dem an ihn
vergebenen
Domainnamen … .de als sonstiges Recht gemäß §
857 ZPO und
nicht als Pfändung einer Forderung nach den
Bestimmungen des §
829 ff ZPO angeordnet worden ist. Damit ist im
vorliegenden
Verfahren zu entscheiden, ob sich der Schuldner
… mit seiner gegen
den Pfändungsbeschluss vom 17.11.1999 gerichteten
Erinnerung
und anschließenden sofortigen Beschwerde gegen
die
Zurückweisung seiner Erinnerung mit Beschluss des
Amtsgerichts
vom 13.01.2000 berechtigt auf eine Unpfändbarkeit
seines
Domainnamens … .de beruft. Die Kammer ist dazu
zu dem Ergebnis
gelangt, daß für den vorliegenden Fall
dahinstehen kann, ob in
bestimmten engen Grenzen in Einzelfällen
Domainnamen gemäß §
857 ZPO pfändbar und in welcher zulässigen Form
verwertbar sind,
weil sich der Schuldner in vorliegendem Fall
bereits mit Erfolg auf
eine Unzulässigkeit der angeordneten Pfändung
seines
Domainnamens wegen Verletzung seines
Namensrechtes gemäß §
12 BGB beruft.

Grundsätzlich gibt § 857 ZPO dem Gläubiger die
Möglichkeit, zum
Zweck der Befriedigung seiner titulierten
Forderung nicht nur auf das
bewegliche Vermögen (§ 803 ff ZPO) und auf Geld-
oder
Sachforderungen gemäß §§ 829, 846 – 848 ZPO sowie
unbewegliches Vermögen (§§ 864, 865 ZPO), sondern
auch auf
andere vermögensrechtliche – zumindest nach
privatrechtlichen
Grundsätzen übertragbare- Rechte Zugriff zu
nehmen. Dieser
zugunsten des Gläubigers gegebenen
Zweckbestimmung des § 857
ZPO entsprechend hat das Amtsgericht in seiner
Entscheidung unter
Bezugnahme auf eine Entscheidung des Landgerichts
Essen vom
22.09.1999 (NJW CoR 2000, 106) zur Begründung der
Anordnung
der Pfändung des verfahrensgegenständlichen
Domainnamens
darauf abgestellt, daß Domainnamen übertragbar
seien und daß auf
einem bestimmten Markt Domainnamen angeboten und
entgeltlich
erworben werden. Dazu wird in der genannten
Entscheidung des
Landgerichts Essen für diese Feststellung zur
Begründung angeführt,
daß “für Domainnamen bereits beachtliche
Kaufpreise – in
Einzelfällen bis zu mehreren Millionen Dollar –
gezahlt” würden ohne
daß in der genannten Entscheidung insoweit
Feststellungen zu den
Fragen möglicher Rechtswidrigkeit einzelner
Erscheinungsformen
des Domain-Handels z.B. in Form des sogenannten
Domain-Grabbing (vgl. LG Frankfurt/M. mit
weiteren
Rechtsprechungshinweisen zur Frage der
Rechtswidrigkeit und
Sittenwidrigkeit spekulativer
Domain-Registrierungen, CR 98, 765)
getroffen werden.

Die Kammer verkennt nicht, daß Domainnamen einen
wirtschaftlichen Wert darstellen können. Dies
folgt aus der Tatsache,
daß Domainnamen nicht nur als technische Adressen
im Internet
dienen. Sie können über diese Adressfunktion
hinaus aufgrund des
Aussagegehaltes des gewählten Namens eine
kennzeichnende
Wirkung entfalten. Es ist die inhaltliche
Aussagekraft des
Second-Level-Domainnamens, für den u. a. Marken,
geschäftliche
Bezeichnungen und bürgerliche Namen verwendet
werden, und damit
die Namensfunktion neben der Adressfunktion, die
einen
identifizierbaren Vorteil für das Auffinden im
System gegenüber
weniger kennzeichnenden Internetadressen mit sich
bringt. Das
bisherige System der Vergabe bringt es mit sich,
daß die
Registrierung identischer
Second-Level-Domainnamen unterhalb der
Top-Level-Domain .de im Internet ausgeschlossen
ist, wobei die
Vergabe der Domainnamen grundsätzlich nach dem
Prioritätsprinzip
erfolgt und die Vergabestelle keine Verantwortung
bezüglich der
Verletzung von anderweitigen Namensrechten
übernimmt.

Die letztlich beschränkte Anzahl von
unterscheidbaren
Domainnamen, das Prioritätsprinzip bei der
Vergabe von
Domainnamen verbunden mit einem in der Regel
gegebenen
Bestreben des Anmelders, den Domainnamen so
einprägsam wie
möglich zu gestalten, hat zu zahlreichen
gerichtlichen
Auseinandersetzungen geführt, wobei zu
Verletzungen von
Markenrechten, geschäftlichen Bezeichnungen,
geografischen
Herkunftsangaben sowie Namen unter Bezug auf §§
14, 15, 126
MarkenG, § 12 BGB, § 37 Abs. 2 HGB, §§ 823, 1004
BGB, §§ 1, 3
UWG entschieden wurde (vgl: Das System der
Domainnamen im
Internet, Rz 296 ff zu § 3 MarkenG sowie
Rechtsprechungsübersicht
vor Rz 296 zu § 3 MarkenG Fezer Komm. zum MarkenG
2 . Auflage).
Abweichend von einzelnen gerichtlichen
Entscheidungen, die auf die
freie Wählbarkeit der Buchstabenkombination für
den Domainnamen
abstellen (vgl. LG Köln BB 97, 1121 zu GRUR 97,
377), bejaht die
Kammer mit dem überwiegenden Teil der
Rechtsprechung die
Namensfunktion von Internetadressen, nämlich die
Funktion eines
Namens, bestimmte Personen oder Einrichtungen von
anderen zu
unterscheiden (vgl. OLG München CR 98, 556, LG
Mannheim GRUR
97, 377, sowie oben genannte
Rechtsprechungsübersicht zu § 3
MarkenG vor Rz 296 Fezer 2. Auflage). Zum
Schutzbedürfnis des
Inhabers eines Domainnamens wird in der
Rechtsprechung
ausgeführt, daß die beteiligten Verkehrskreise
einen Domainnamen
nicht nur hinsichtlich der Verbindung zu dem
durch das Internet
angeschlossenen Rechner sondern zu dem Inhaber
des
Domainnamens auffassen. Soweit diese Erwartung
enttäuscht
werde, führe die Verwendung auch eines frei
wählbaren
Kennzeichens oder Namens zu einer
Zuordnungsverwirrung und
Identitätstäuschung (vgl. Rz 305 zu § 3 MarkenG
Fezer 2 . Auflage).

Aus der Namensfunktion neben der Adressfunktion
des
Domainnamens folgt in vorliegendem Fall, daß der
Schuldner, der
Inhaber eines aus seinem Nachnamen bestehenden
Domainnamens
ist, durch die Entziehung des Domainnamens durch
eine Pfändung
mit dem Ziel einer Übertragung an Dritte in
seinem Recht auf
Namensschutz verletzt wird. Nach der
Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs (BGH GRUR 69, 690) im
Anschluss an die
Rechtsprechung des Reichsgerichts (RGZ 170, 270)
folgt aus § 12
BGB, daß niemandem verwehrt werden kann, sich in
redlicher Weise
im Privat- und im Geschäftsleben seines
bürgerlichen Namens
bedienen. Obwohl der bürgerliche Name
grundsätzlich aus einem
Vor- und Zunamen besteht, erfüllt bei der Wahl
eines Domainnamens
im Hinblick auf den gewünschten
Wiedererkennungseffekt zur
Erleichterung der Suche im System die Wahl des
bürgerlichen
Nachnamens als wesentlicher Teil des Namens
Namensfunktion.

Nach dem bestehenden Vergabesystem für
Domainnamen nutzt der
Schuldner den aus seinem Nachnamen bestehenden
Domainnamen
aufgrund seines Prioritätsrechtes befugt. Die
Kammer geht dazu
auch davon aus, daß die Kommunikation über das
Internet und damit
die Erreichbarkeit über einen Domainnamen sowohl
im privaten als
auch im geschäftlichen Bereich bereits zum
jetzigen Zeitpunkt und
auch weiter zunehmend in der Zukunft zu den
üblichen – auch einem
Schuldner grundsätzlich zu belassenden –
Kommunikationsmöglichkeiten gehört. Daß Dritte,
die ebenfalls den
Nachnamen des Schuldners führen, wegen
Namensgleichheit oder
aus anderen Gründen ein Interesse daran haben,
dem Schuldner den
Domainnamen zu entziehen und eine Übertragung des
Namens an
Dritte zu bewirken und die Tatsache, daß auch die
Bereitschaft
Dritter zur Zahlung eines Entgeltes bestehen mag,
rechtfertigen es
unter Berücksichtigung des Namensschutzes gemäß §
12 BGB nicht,
dem Schuldner den unter Verwendung seines
Familiennamens
befugtermaßen erworbenen Domainnamen im Weg der
Pfändung zu
entziehen und unter Mitwirkung des
Vollstreckungsgerichtes zu
verwerten.

Ob unter bestimmten Voraussetzungen im übrigen im
Hinblick auf
den als Nebenfolge des Vergabesystems
entstandenen Markt,
Domainnamen pfändbar und in welcher zulässigen
Form gem. § 844
ZPO verwertbar sind, kann hier dahinstehen.
Unerörtert kann dazu
auch bleiben inwieweit gegebenenfalls vor
Anordnung der Pfändung
und der Art der Verwertung, die in die
Zuständigkeit des
Vollstreckungsrechtspflegers fallen, Namens- und
Kennzeichenrechte
des Schuldners sowie Dritter im übrigen zu prüfen
wären, was bei
Pfändungen von “angeblichen” Forderungen gemäß §
829 ff ZPO
sowie im Fall der Geltendmachung von Rechten
Dritter gemäß § 771
ZPO nach der bestehenden gesetzlichen Regelung
grundsätzlich
nicht in die Zuständigkeit des
Vollstreckungsgerichts, sondern des
Streitgerichts fällt.

Nachdem die sofortige Beschwerde des Schuldners
begründet ist,
hat der Gläubiger gemäß § 91 ZPO die Kosten des
Erinnerungs- und
Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Die Entscheidung über die Aussetzung des
Wirksamwerdens bis zur
Rechtskraft beruht auf den Umstand, daß ohne
sichernde
Vollziehungshemmung die Vollstreckungsmaßnahme
endgültig
unwirksam würde, d. h. notfalls erlassen werden
müßte (Zöller, 21.
Aufl., § 572 ZPO Rdn. 6).