LG München I: “paulaner.de”

Landgericht München I

Im Namen des Volkes

Urteil

Geschäftsnummer: 7 HKO 2682/97

– Urteil vom 7. Mai 1997 –

“paulaner.de”

In dem Rechtsstreit

Paulaner Brauerei AG, Hochstrasse 75, 81541 München, vertr. d.d. Vorstand
– Klägerin –

gegen

…,
– Beklagte(n) –

wegen Forderung

erlässt das Landgericht München I, 7. Kammer für Handelssachen, durch … im schriftlichen Verfahren gemäss §128 Abs. 2 ZPO am 07.05.1997 folgendes Endurteil:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 2.473,80 DEM nebst 4% Zinsen hieraus seit 19.02.1997 zubezahlen.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von DM 3.000,– vorläufig vollstreckbar.

TATBESTAND

Die Klägerin, eine bekannte Münchner Brauerei, tritt unter der Firmenbezeichnung “Paulaner” auf. Darüberhinaus verfügt sie über Markenrechte, so die Marke-Nr. 952383 / 32 “PAULANER” und die Wort-/Bildmarke Nr.1178245 “PAULANER” angemeldet am 24.08.1990 und eingetragen am 24.06.1991 für “Biere; Mineralwässerund kohlensäurehaltige Wässer undandere alkoholfreie Getränke; Fruchtgetränke und Fruchtsäft”.

Die Beklagte liess den Domain-Namen “Paulaner.de” für sich registrieren.

Auf eine Abmahnung der Klägervertreter im Auftag der Klägerin gab die Beklagte den Domain-Namen “Paulaner.de” frei, so dass er auf die Klägerin eingetragen werden konnte.

Mit Schreiben vom 27.01.1997 forderten die Klägervertreter eine 7,5/10 Gebühr aus einem Streitwert von 300.000,– DM zuzüglich der Pauschale nach § 26 BRAGO, insgesamt 2.473.80 DM. Zahlung erfolgte nicht.

Die Klägerin ist der Auffassung, die sachliche Zuständigkeit des Landgerichts München I ergebe sich aus § 140 Abs 1 MarkenG, die örtliche daraus, dass im Gerichtsbezirk dadurch in den eingerichteten und ausgeübten Geschäftsbetrieb der Klägerin eingegriffen worden sei, dass sie im Internet nicht unter ihrer hausmarke und ihrem bekannten Firmenschlagwort habe erreicht werden können.

Die Beklagte habe die Registrierung des Domain-Namens “paulaner.de” ohne Wissen und Wollen der Klägerin bewirkt.

Die Registrierung einer bekannten Kennzeichnung wie “Paulaner” mit dem Ziel, dem wahren Berechtigten den Weg zum Internet “abzuschneiden”, sei wettbewerbswidrig im Sinne von § 1 UWG. Daneben beständen auchkennzeichenrechtliche Ansprüche der Klägerin. Bereits in der Reservierung des Domain-Namens bei derVergabestelle DENIC liege eine Benutzung der Bezeichnung “Paulaner.de” im geschäftlichen Verkehr. DasMerkmal “im geschäftlichen Verkehr” im Sinne der §§14, 15 MarkenG sei im weiten Sinne zu verstehen.Voraussetzung sei nicht, dass die Verletzungshandlung für Dritte ohne weiteres wahrnehmbar sei. Das Merkmalgrenze vielmehr Verletzungshandlungen ab gegen Benutzungen der Marke durch private, künstlerische, amtlicheoder sonstigen Handlungen.

Die Registrierung einer bestimmten Marke als Domain-Name stelle auch eine Markenverletzung dar. DerVerkehr erwarte unter dem Domain-Namen Informationen des ihm bekannten Kennzeicheninhabers. DieBenutzung eines verwechslungsfähigen Domain-Namens stelle daher auch eine Kennzeichenverletzung dar.

Markenrechtliche Ansprüche seien jedenfalls unter dem Gesichtspunkt der Begehungsgefahr gegebengewesen. Die Verbindung des Domain-namens “Paulaner.de” mit dem Internet, also die Delegierung, habeunmittelbar drohend bevorgestanden.

Die Beklagte sei sowohl unter dem Gesichtspunkt des Schadenersatzes als auch unter demjenigen derGeschäftsleitung ohne Auftrag zur Zahlung der der Klägerin entstandenen Abmahnkosten verpflichtet. DieBeklagte habe vorsätzlich gehandelt, da sie den Domain-Namen “Paulaner.de” in Kenntniss derprioritätsälternen Rechte der Klägerin mit der Motivation habe registrieren lassen, bei der Klägerin für dieVermittlung von Internet-Dienstleistungen “einen Fuss in die Tür zu bekommen”.

Die Klägerin beantragt daher,

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 2.473.80 DM nebst 4% Zinsen seit Rechtshängigkeit(19.02.1997) zu bezahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen, hilfsweise, ihr Sicherheitsleitung durch Bürgschaft der Kreissparkasse S.- H., C. zugestatten. Sie ist der Auffassung, das angerufene Gericht sei funktionell und örtlich unzuständig.

Der geltend gemachte Anspruch habe mit einer Markenrechtsstreitigkeit nichts zu tun. Die Beklagte habezudem ihren Geschäftssitz in N., so dass Zahlungsansprüche dort geltend gemacht werden müssten.Ein Gerichtsstand in München könne auch nicht damit begründet werden, dass im Falle eines Auftretens derBeklagten unter der verfahrensgegenständlichen Domain die Daten im Internet auch in München hätenabgerufen werden können.

Die Abmahnung sei zudem nicht berechtigt gewesen.

Die Beklagte habe die Domain “paulaner.de” nicht benutzt, so dass eine Wiederholungsgefahr ausscheide.Sie habe unter der Adresse “http://www.paulaner.de” im Internet nie Leistungen angeboten. Das sei technisch auchgar nicht möglich gewesen, weil die Domain “paulaner.de” für die Beklagte nicht als Webserver delegiert gewesen sei.

Aus der Tatsache der Registrierung der Domain könne auch noch nicht auf einen Benutzungswillen geschlossenwerden. Es gebe eine Vielzahl von Gründen, eine Domain für sich registrieren zu lassen. Eine dieserMöglichkeiten sei die spätere Deligierung. In der Praxis geschehe die Reservierung von Domains häufig zudem Zweck, dem namen für einen anderen vorzumerken, um diesem später eine Zusammenarbeit anzubieten.Die Domain könne auch deshalb reserviert werden, um die Benutzung durch andere zu verhindern oder mit derDomain – etwa über virtuelle Tauschbörsen – zu handeln.

Ausserdem sei der Mitarbeiter der Klägerin Z. mit der Reservierung der Domain einverstanden gewesen.

Auch an einer Erstbegehungsgefahr fehle es. Eine Registrierung beim DENIC erfolge ohne Angabe der Art derVerwendung. Damit scheide ein vorbeugender Rechtsschutz gegen eine spätere Konnektierung als Webserveraus. Ein solcher Rechtsschutz setze nämlich voraus, dass sich die drohende Verletzungshandlung intatsächlicher Hinsicht so konkret abzeichne, dass für das angerufene Gericht eine zuverlässige Beurteilungmöglich sei.

Auch Namens- oder Markenrechte der Klägerin seien nicht verletzt worden. Die Bezeichnung “paulaner.de” werde auch im Falle einer späteren Delegierung für Webserver nicht als “Name” oder “Marke” genutzt. Eshandle sich lediglich um die Adresse eines Rechners im Internet.

Die Behauptung, jeder Internetnutzer, der die Domain “paulaner.de” aufrufe, wolle damit ausgerechnet die Klägerin erreichen, sei falsch. Es geben keinerlei Belege dafür, dass ein Internetnutzer bei der Eingabe von “paulaner.de” zwingend die Klägerin suche.

Ein kennzeichenrechtlicher Unterlassungsanspruch setze ferner voraus, dass die umstrittene Bezeichnungüberhaupt benutzt werde. Der Gebrauch einer Domain setze aber frühestens in dem Moment ein, in dem sie füreinen bestimmten Inhabere als Adresse für einen Webserver delegiert sei. Hierzu gehöre zwingend dieEintragung in mindestens einem Domain-Name-Server. Der Rechner, dem die Adresse zugeordnet sei, sei erstdann unter der Internte-Domain weltweit zu erreichen.

Ohne Eintrag erhalte, wer versuche, im Word-Wide-Net die Adresse “http://www.paulaner.de” aufzurufen, lediglicheine Fehlermeldung.

Damit könne es auch nicht zu Fehlvorstellungen darüber kommen, wer Inhaber der Bezeichnung “Paulaner.de” sei. Ohne Verwechslungs- oder zumindestens doch Verwirrungsgefahr könne keine Namens- und/oderMarkenrechtsverletzung vorliegen.

Unterlassung könne ein Namensträger mit besseren Rechten nach § 12 BGB nur dann verlangen, wenn seineschützenswerten Interessen durch die Verwendung seines Namens in einer Internet-Domain verletzt würden. Beidem Geschäftsleben geführten Namen sei nur ein geschäftliches Interesse schutzwürdig. An einem solchenInterese fehle es. Bei völlig verschiedenen Branche nsei die Gefahr einer Verwechslulng und damit einerInteressensverletzung regelmässig ausgeschlossen.

Ein unbefugtere Namensgebrauch könne auch vorliegen, wenn man eigene Güter oder Meinungen öffentlich alsdie eines anderen erscheinen lasse. Hier fehle es an einer Kundgabe ebenso wie an einer Öffenltichkeit.

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE

1.Die Klage ist zulässig. Insbesondere ist das Landgericht sachlich zuständig. Nach § 140 Abs. 1 MarkenGsind in Kennzeichenstreitsachen die Landgerichte ohne Rücksicht auf den Streitwert ausschliesslichzuständig. Die Klägerin stützt ihren Anspruch auf Ersatz der ihr entstandenen Abmahnungskosten u.a. auf§ 15 MarkenG im Sinne einer vorsätzlichen Verletzung ihres Firmenschlagworts “Paulaner”.

Die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts München I folgt aus § 32 ZPO. Zuständig nach dieserVorschrift ist das Gericht, in dessen Bezirk die Handlung begangen ist. Das ist jeder Ort, an dem einesder wesentlichen Tatbestandsmerkmale verwirklicht wurde, insbesondere da, wo eine adäquate Ursachegesetzt wurde und der Erfolg eingetreten ist, regelmässig, aber nicht immer, am Wohnsitz des Verletzten(Thomas/Putzs, Rdnr. 7 zu § 2 ZPO.). Durch die Registrierung des Domain-Namens “paulaner.de” hat dieBeklagte die in München ansässige Klägerin daran gehindert, ihrerseits unter dieser Domain aufzutreten.Der Erfolg der Blockade – wohl zu dem Zweck der Klägerin “eine Zusammenarbeit anzubieten”, bzw. siehierzu zu zwingen – ist in München eingetreten.2. Die Klage ist auch begründet. Nach § 5 MarkenG sind geschäftliche Bezeichnungen, darunter die Firmageschützt. Hierbei handelt es sich bei “Paulaner” um einen Begriff von ausserordentlich grosserUnterscheidungskraft und enrtsprechend grossem Schutzumfang. Das gesamte Münchener Telefonbuchenthält ausser der Klägerin und der mit ihr verbundenen Paulaner-Salvator-Beteilungs-AG weder einenatürliche noch eine juristische Person mit dem Namen bzw. dem Firmenbestandteil “Paulaner”. Soweitdie Beklagte vorträgt, es gebe keinen Beleg dafür, dass ein Internet-Nutzer bei der Eingabe von”paulaner.de” zwingend die Klägerin suche, ist dies nicht richtig. Auch die Beklagte vermöchte nicht zubelegen, dass irgendjemand ausser der Klägerin und der oben erwähnten Beteilungs-AG dasFirmenschlagwort “Paulaner” benutze, gleichgültig für welche Branche. Das Gericht ist deshalb derAuffassung, dass ein Internetnutzer bei Aufruf der Domain “paulaner.de” ausschliesslich die Klägerinsuchen wird und sonst niemanden.

Nach § 15 Abs. 1 MarkenG gewährt der Erwerb der Schutzes einer geschäftlichen Bezeichnung ihremInhaber ein ausschliessliches Recht. Nach Abs. 2 ist es Dritten u.a. untersagt, die geschäftlicheBezeichnung im geschäftlichen Verkehr unbefugt in einer Weise zu benutzen, die geeignet ist,Verwechslungen mit der geschützen Bezeichnung hervorzurufen.

Durch die Registrierung des Domain-Namens “paulaner.de” hat die Beklagte die geschäftlicheBezeichnung der Klägerin im geschäftlichen Verkehr benutzt. Die Registrierung erfolgte im Rahmen desGeschäftsbetriebs der Beklagten, die der – irrigen – Auffassung war, “unter Beachtung der Regeln desfreien Wettbewerbs eine Marktlücke erkannt und ausgefüllt” zu haben, indem sie sich dieFirmenbezeichnungen Dritter als Domain-Namen reservieren liess, um ihnen “später eineZusammenarbeit anzubieten”. Offensichtlich hoffte die Beklagte, durch die Reservierungen Zahlungen derrechtsmässigen Inhaber der geschäftlichen Bezeichnung erreichen zu können. Dass die Beklagte”unbefugt” handelte, ergibt sich daraus, dass sie ohne Wissen und Wollen der Inhaberin desausschliesslichen Rechts der geschäftlichen Bezeichnung handelte. Auch wenn es zutreffen sollte, dassHerr Z., ein Mitarbeiter der Klägerin, von der Reservierung der Domain durch die Beklagte Kenntnishatte und damit einverstanden war, besagt dies nicht, dass die Beklagte davon ausgehen konnte, dieKlägerin sei mit ihrer Handlungsweise einverstanden.

Dass Herr Z. nicht bevollmächtig sein konnte, rechtsverbindliche Erklärungen hinsichtlich derFirmenrechte der Klägerin abzugeben, ist offensichtlich. Die Beklagte behauptet auch nicht, an einederartige Befugnis Herrn Z’s geglaubt zu haben.

Die Reservierung ist auch geeignet, Verwechslungen mit der geschützten Bezeichnung hervorzurufen. Daes ausser der Klägerin und der Paulaner-Salvator-Beteiligungs-AG niemanden gibt, der sich desFirmenschlagworts “Paulaner” bedient, geht – auch ohne den Zusatz Brauerei – jedermann davon aus, beidem reservierten Domain-Namen handle es sich um denjenigen der Klägerin.

Bereits in der Registrierung des Domain-Namens ist eine Benutzung im Sinne von § 15 Abs. 2 MarkenGzu sehen, weil die Beklagte so in den Stand gesetzt wurde, der Klägerin “eine Zusammenarbeitanzubieten”. Der Klägerin war die Benutzung des Domain-Namens verwehrt; um diesen Erfolg zuerreichen, bedurfte es keiner Delegation der Beklagten als Webserver.

Nach § 15 Abs. 5 MarkenG ist, wer die Verletzungshandlung vorsätzlich oder fahrlässig begeht, dem Inhaber der geschäftlichen Bezeichnung zum Ersatz des daraus entstandenen Schadens verpflichtet.

Am zumindestens fahrlässigen Handeln der Beklagten kann es keinen Zweifel geben. Sie hat sich denDomain-Namen “paulaner.de” registrieren lassen, um so die Klägerin zu einer “Zusammenarbeit” zuveranlassen. Sie hat sich mit dem angeblichen Einverständnis Herrn Z’s begnügt, ohne zu überprüfen,ob dieser befugt sei, der verfahrensgegenständlichen Nutzung der Firmenrechte der Klägerin durch dieBeklagte zuzustimmen.

Ein Schaden ist der Klägerin insofern enstanden, als sie die Klägervertreter einschalten musste, um imRahmen einer Abmahnung die Freigabe des Domain-Namens “paulaner.de” zu erreichen.

Der von den Klägervertretern zugrundegelegte Streitwert in Höhe von 300.000,– DM ist nicht zubeanstanden. Bei der Klägerin handelt es sich um ein bedeutendes Unternehmen mit entsprechend hohenUmsätzen. Die von der Beklagten bewirkte Blockade stellte auch eine wesentliche Beeinträchtigung derKlägerin dar, da es ihr verwehrt wurde, ihre Kunden im Internet unter dem bekannten Firmenschlagwort”Paulaner” zu erreichen.

Ist ein Anwalt nur mit der Abmahnung beauftragt worden, so steht ihm nach § 118 Abs. 1 Nr. 1 BRAGOeine Mittelgebühr von 7,5/10 der vollen Gebühr zu (Baumbach/Hefermehl, Rdnr. 557 zu Einleitung UWG).Die Klägerin hat demnach 2.433,80 DM an ihre Anwälte zu bezahlen. Hinzu kommen nach § 26 BRAGO40,– DM als Kostenpauschale.

Der Gesamtbetrag von 2.473.80 DM ist nach §§ 288 Abs. 1, 291 BGB mit 4% ab Rechtshändigkeit zuverzinsen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 709 ZPO. Die Entscheidung im schriftlichen Verfahren im Einverständnis der Parteien beruht auf § 128 Abs. 2 ZPO.