Urteil
Tatbestand
Der Kläger ist Inhaber der deutschen Marke
3980641
“WEBSPACE”. Diese Marke wurde am 07.02.1998 beim
DPMA
angemeldet und schließlich, nach kontroversen
Stellungnahmen
bezüglich der Eintragungsfähigkeit der
streitgegenständlichen
Kennzeichnung, am 07.06.1999 im Markenregister
eingetragen.
Der Schutzbereich erstreckt sich auf “Beratung,
Konzeption und
Gestaltung von Internetpräsentationen, sowie
Bereitstellung der für
die Internetpräsentation benötigten Hardware
sowie die Durchführung
der technischen Umsetzung”. Nach dem Vortrag des
Klägers hat er
diese Kennzeichnung auch “seit Anfang des Jahres
1996
kennzeichnungsmäßig benutzt”. In welcher Form
diese Benutzung
erfolgte, hat der Kläger nicht vorgetragen.
Der Beklagte ist minderjährig und wohnt in 56348
Bornich. Er wird in
diesem Verfahren durch seinen Vater, Herrn A…
M…, gesetzlich
vertreten.
Der Kläger gibt jedenfalls durch die Verwendung
im entsprechenden
Klageschriftsatzrubrum vom 24. 08.1999 an, daß
sich der
minderjährige Beklagte einer “Firma Web4Space”
bediene, gegen
die auch formal die Klage gerichtet ist.
Tatsächlich verwendet der
Beklagte im Internet folgende Adresse
“www.web4space.de” (Anl. K
2). Unter dieser Adresse macht/machte der
Beklagte
“Webspaceangebote auf zwei verschiedenen Servern,
nämlich mit
einem Standort in Deutschland und einen in den
USA”.
Der Kläger benutzt – derzeit – folgende homepage
im Internet (Anl. K
10):
“http://home.t-online.de/home/…/webspace.htm”.
Der Kläger ließ den Beklagten mit Schriftsatz
seines
Verfahrensbevollmächtigten, Rechtsanwalt …, vom
02.08.1999 (Anl.
K 4) abmahnen und forderte diesen auf , “aufgrund
der
prioritätsälteren Rechte”, die Kennzeichnung
“WEBSPACE” hierfür
im geschäftlichen Verkehr nicht mehr zu benutzen
sowie eine
entsprechende strafbewehrte
Unterlassungserklärung bis 09.08.1999
abzugeben.
Zugleich wurde dem Beklagten eine Kostenrechnung
des
klägerischen anwaltschaftlichen Vertreters über
DM 1.108,80
Abmahnkosten zugeleitet.
Der Beklagte gab mit Schreiben vom 03 . 08. 1999
die geforderte
Unterlassungserklärung ab. Mit Schriftsatz seiner
Verfahrensbevollmächtigten vom 06. 08. 1999
erklärte er, daß er
nicht bereit sei , die geltend gemachten
Abmahnkosten zu
übernehmen.
Der Kläger hat hierauf mit verfahrenseinleitendem
Schriftsatz vom
24.08.1999 insoweit Klage erhoben, gerichtet an
das Landgericht
München I, Kammer für Handelssachen.
Der Kläger trägt vor,
hinsichtlich des streitgegenständlichen
Kennzeichens “WEBSPACE”
liege Kennzeichenfähigkeit vor. Zwischen der
Klagemarke und dem
vom Beklagten im Internet benutzten Kennzeichen
bestehe
Verwechslungsgefahr. Die Abmahnung vom 02.08.1999
sei
gerechtfertigt gewesen. Nach ständiger
Rechtsprechung sei der
Beklagte, jedenfalls über die Anwendung der
Grundsätze der
Geschäftsführung ohne Auftrag, verpflichtet, die
durch die
Inanspruchnahme eines Verfahrensbevollmächtigten
entstandenen
Abmahnkosten, hier in Höhe von DM 1.108,80, zu
ersetzen. Auf ein
Verschulden komme es insoweit nicht an.
Das angegangene Landgericht München
I/Wettbewerbskammer sei
nach den §§ 12, 13 , 32 ZPO i.V.m. § 140 MarkenG
zuständig.
Der Kläger stellt deshalb den Antrag,
den Beklagten zur Zahlung von DM 1.108,80
zuzüglich 4
% Zinsen seit Rechtshängigkeit (03.09.1999)
an ihn zu
verurteilen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte rügt vorab die Zuständigkeit des
angegangenen
Landgerichts München I . Zuständig sei das für
seinen Wohnsitz in
Betracht kommende Amtsgericht, nämlich das
Amtsgericht St. Goar.
In materiellrechtlicher Hinsicht bestreitet der
Beklagte die
Begründetheit der Abmahnung und damit eine
entsprechende
Erstattungspflicht. So sei die klägerische Marke
nicht
kennzeichnungsfähig, vielmehr nur allgemein
beschreibend und damit
nicht eintragungsfähig im Sinne von § 8 Abs. 2
Nr. 1 und Nr. 2
MarkenG. Weiter gebe es eine einer dritten Firma
gehörende
prioritätsfrühere Marke “WEBSPACE”.
Zwischenzeitlich sei auch bezüglich der
klägerischen Marke beim
DPMA ein Löschungsverfahren gem. § 50 MarkenG
anhängig,
weshalb der Beklagte die Aussetzung des
Verfahrens nach § 148
ZPO beantragt.
Schließlich wendet der Beklagte ein, die
streitgegenständliche
Abmahnung (vom 02.08.1999) und der hieraus
resultierende Streit
wegen der Abmahnkosten sei unter dem
Gesichtspunkt der
unzulässigen Rechtsausübung zu beurteilen. So
handle es sich “nach
neuesten Erkenntnissen offensichtlich um eine
Serienabmahnung
zum Zwecke des Geldverdienens” ; die Nutzung des
Markennamens
des Klägers bezüglich Internetleistungen sei nur
in Form von
Abmahnungen festzustellen. Der Kläger habe
bereits kurz nach der
Anmeldung der Marke (gemeint ist hier wohl die
Eintragung der
Marke) im Juni dieses Jahres begonnen, durch den
Prozeßbevollmächtigten des Klägers eine Vielzahl
von
Internetprovidern wegen der Verwendung des
Begriffes
“WEBSPACE” abzumahnen. Es bestehe deshalb der
begründete
Verdacht, daß dies allein zu dem Zweck geschehe,
im Rahmen von
Serienabmahnungen Gelder zu kassieren.
Der Kläger nahm zu diesem Schriftsatz des
Verfahrensbevollmächtigten des Beklagten vom 27.
09.1999 mit
Schriftsatz vom 05.10.1999 Stellung (Bl. 18/26 d.
A.), in dem auf den
vorstehenden Sachvortrag des Beklagten nicht
eingegangen wurde.
Vielmehr enthält dieser Schriftsatz Ausführungen
zur sachlichen und
örtlichen Zuständigkeit des Landgerichts München
I, zur Frage der
Priorität der klägerischen Marke, zum
angesprochenen
Löschungsverfahren und dem Aussetzungsantrag (dem
entgegengetreten wird), zur Frage des
Verschuldens und der
Benutzung der Marke.
Ein ergänzender Schriftsatz des Klägervertreters
vom 26.11.1999
beschäftigt sich (allein) mit dem Löschungs- und
Widerspruchsverfahren.
Der Beklagte hat mit Schriftsatz vom 08.12.1999, übergeben im
Kammertermin vom selben Tag, ergänzend
Ausführungen zum
Einwand der unzulässigen Rechtsausübung
(Serienabmahnung allein
zur Kosteneintreibung) gemacht und entsprechende
Unterlagen
vorgelegt.
Die angesprochenen Tatsachen und Rechtsfragen
wurden in der
Sitzung vom 08.12.1999 erörtert, insbesondere
auch die Frage der
unzulässigen Rechtsausübung.
Zur Ergänzung des Tatbestands wird Bezug genommen
auf die von
den Verfahrensbevollmächtigten gewechselten
Schriftsätze, die als
Anlagen übergebenen Unterlagen sowie das
Terminsprotokoll vom
08.12.1999.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist nicht begründet.
Jedenfalls nach
zivilprozessualen Grundsätzen ist davon
auszugehen, daß die hier zu
beurteilende Abmahnung vom 02.08.1999 eine
Serienabmahnung
zum alleinigen Zweck des Geldverdienens ist.
Dieser vom Kläger
nicht bestrittene Sachvortrag des Beklagten ist
auch durch weitere
Indizien belegt, so daß die Kammer –
zivilprozessual zwingend – von
der Richtigkeit des Sachvortrags des Beklagten
auszugehen hatte.
Für in einem derartigen Fall geltend gemachte
Abmahnkosten fehlt
es aber an einer entsprechenden gesetzlichen
Anspruchsgrundlage,
insbesondere kann hier nicht Geschäftsführung
ohne Auftrag – §§ 677
ff BGB – herangezogen werden. Selbst wenn man
diese
Anspruchsgrundlage auch hier – entsprechend
ständiger
höchstrichterlicher Rechtsprechung zur Erstattung
von Abmahnkosten
– anwendete, so scheiterte die Durchsetzung des
klägerischen
Anspruchs wegen des einschlägigen Gesichtspunkts
des
individuellen und institutionellen
Rechtsmißbrauchs, d. h. die
klägerische Durchsetzung ist als unzulässige
Rechtsausübung im
Sinne von § 242 BGB anzusehen.
Im einzelnen:
1.
Die Klage ist zulässig. Das angegangene
Landgericht München I ist
sachlich und örtlich (auch) zuständig.
a)
Die Kostenerstattungsklage gegen den
markenrechtlichen
Kennzeichenverletzer ist stets
Kennzeichenstreitsache und fällt damit
ohne Rücksicht auf den Streitwert in die
ausschließliche
Zuständigkeit des Landgerichts gem. § 140 Abs. 1
MarkenG (vgl.
z.B. Ingerl/Rohnke, Kommentar zum MarkenG 1998,
RdNr. 12 am
Ende zu § 140 MarkenG).
b)
Da die beanstandete Kennzeichenverletzung im
Internet geschehen
ist und damit auch eine
Abrufbarkeit/Verletzungshandlung im Bezirk
des Landgerichts München I gegeben ist, ist auch
bei
Geltendmachung von Abmahnkosten das angegangene
Landgericht
München I/Kammer für Wettbewerbssachen örtlich
zuständig.
2.
Wie im Tatbestand dieses Urteils ausgeführt, hat
der Beklagte
vorgetragen, bei der hier zu beurteilenden
Abmahnung vom
02.02.1999 handle es sich um eine
“offensichtliche
Serienabmahnung zum Zwecke des Geldverdienens …
und der
alleinigen Verwendung der Marke, um Unternehmen
zu untersagen,
den Begriff in Zusammenhang mit ihren Geschäften
zu verwenden …”.
Diesem Sachvortrag ist der Kläger in zwei
nachfolgenden
Schriftsätzen nicht entgegengetreten, so daß von
der Richtigkeit
auszugehen ist (§ 138 Abs. 3 ZPO).
Hinzu kommen folgende Indizien, die diese
Bewertung rechtfertigen
bzw. untermauern:
a)
Der Kläger hat seinen – bestrittenen – Vortrag,
er habe “seit Anfang
des Jahres 1996 WEBSPACE kennzeichnungsmäßig
benutzt” in
keiner Weise näher präzisiert. Die Richtigkeit
dieses Vortrags
erscheint auch deshalb bedenklich, da die
Klagemarke nach den
inzwischen vorgelegten Unterlagen erst nach
längerer Korrespondenz
und entsprechenden Einwendungen seitens des DPMA
knapp 1 1/2
Jahre nach Anmeldung (07.02.1998) eingetragen
wurde
(07.06.1999) und eine kennzeichnungsrechtliche
Verwendung, in
welcher Form auch immer – eine solche als
Firmenname u. ä. wurde
nicht vorgetragen – nicht konkret vorstellbar
ist.
b)
Der Beklagte hat den Vortrag zur “serienmäßigen
Abmahnung” durch
konkrete Anlagen im Schriftsatz vom 08.12.1999
weiter präzisiert:
Danach sind seit August 1999 seitens des Klägers
durch den auch
hier tätig gewordenen Verfahrensbevollmächtigten
insgesamt 14
Abmahnungen erfolgt (Anl. B 24 – B 27) , ohne daß
eine anderweitige
konkrete Nutzung des Markennamens erkennbar
und/oder
vorgetragen ist.
c)
Indiziell verwertet die Kammer in diesem
Zusammenhang auch die
Tatsache, daß gewissermaßen schematisch und ohne
jede
Differenzierung hinsichtlich des “Störers” der
Beklagte, ein
Minderjähriger, abgemahnt wurde und auch
gegenüber diesem mit
der hier streitgegenständlichen Klage (bei Angabe
der
Minderjährigkeit im Klagerubrum) die
Kostenerstattung gerichtlich
durchgesetzt werden soll.
d)
Schließlich fällt im Zusammenhang mit dem Studium
des inzwischen
vorgelegten Urteils des Landgerichts Bochum vom
14.10.1999 (Anl.
B 33) auf, daß der Kläger sogar gegen solche
“Störer” gerichtlich
vorgeht, bei denen jedenfalls nach Ansicht des
Gerichts gar keine
Nutzung des markenrechtlich geschützten Begriffs
“WEBSPACE”
vorliegt, weder als Domain-Name noch in sonstiger
Form, vielmehr
nur als eine Art allgemeine Inhaltsangabe in
einer Kopfzeile der
homepage (des dortigen Antragsgegners – S. 4 des
zitierten Urteils).
Mit anderen Worten: selbst dort, wo jeder
vernünftige und halbwegs
an einem fairen Verfahren Interessierte
Bemühungen, durch Einsatz
von Gerichten Entscheidungen zu erzwingen,
unterläßt, klagt der
Kläger und dokumentiert hierdurch sein
Kosteninteresse nach
Auffassung der Kammer in besonders deutlicher
Form.
3.
Kosten, die dadurch anfallen, daß beauftragte
Rechtsanwälte
Abmahnschreiben – wie hier das
streitgegenständliche vom
02.08.1999 – fertigen, können im hier
vorliegenden Ausnahmefall
nicht vom “Abgemahnten” gefordert werden. Es
kommt insoweit
wegen der in Ziff . 2 dargestellten
Besonderheiten dieses Falls
entscheidungserheblich nicht auf die streitigen
Fragen der
Kennzeichnungsfähigkeit der klägerischen Marke,
eines etwaigen
Wettbewerbverstoßes, auf Prioritätsfragen und
Löschungs- bzw.
Aussetzungsmöglichkeiten an.
Es fehlt vielmehr insoweit an einer
Anspruchsgrundlage bezüglich
des Ersatzes von Abmahnkosten. Zumindest ist
diesem Verlangen
der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung (§
242 BGB)
entgegenzuhalten:
a)
Üblicherweise kann ein Kostenanspruch bei
außergerichtlicher
Erledigung der Markenstreitsache nach einer
vorprozessualen
Abmahnung nach den Vorschriften der
Geschäftsführung ohne
Auftrag (§§ 683 S. 1, 677, 670 BGB) durchgesetzt
werden, soweit
die Abmahnung für den Störer objektiv nützlich
war und seinem
wirklichen oder mutmaßlichem Willen entsprach
(ständige
höchstrichterliche Rechtsprechung, z.B. BGH GRUR
1980, 1074). Bei
einem Verschulden des Rechtsverletzters kommt
darüber hinaus eine
Kostenerstattung nach Schadensersatzrecht in
Betracht (vgl.
allgemein Fezer, 2. Aufl., 1999, RdNr. 547 zu §
14 MarkenG).
Bei der – hier zu unterstellenden –
Rechtsinhaberschaft einer Marke
allein zum Zweck der Durchsetzung von
Serienabmahnungen wegen
Verletzungen im Bereich des Internets greifen die
angezogenen
Bestimmungen als Anspruchsgrundlage bereits von
ihrem
2 gedanklichen Ansatz her nicht: In diesen Fällen
entspricht eine
Abmahnung nicht dem “wirklichen oder mutmaßlichen
Willen” des
Abgemahnten, vielmehr ist genau das Gegenteil der
Fall.
b)
Selbst wenn man diese Anspruchsgrundlage bejaht,
so ist zumindest
deren Durchsetzung als unzulässige Rechtsausübung
und zwar in der
Form des individuellen institutionellen
Rechtsmißbrauch nicht
möglich. Sie würde unter Berücksichtigung der
oben dargestellten
Besonderheiten dieses Einzelfalls zu einem mit
Treu und G1auben
unvereinbaren, schlechthin untragbaren Ergebnis
führen (vgl. hierzu
allgemein z.B. Palandt/Heinrichs, 28. Aufl.,
RdNr. 40 zu § 242 BGB).