LG Leipzig: Angabe von Tätigkeitsfeldern im Internet-Angebot einer Rechtsanwaltssozietät

Landgericht Leipzig, Urteil vom 4. Januar 2002 – 02 HK O 8701/01

GG Art. 12 Abs. 1; BORA § 7 Abs. 1

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

erlässt das Landgericht Leipzig – 2. Kammer für Handelssachen – (…)
aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 21.12.2001 folgendes Endurteil:

1. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung
wird zurückgewiesen.

2. Der Verfügungskläger trägt die Kosten des Verfahrens..

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Verfügungskläger kann die Vollstreckung abwenden durch
Sicherheitsleistung in Höhe von l.250,00 Euro, wenn nicht der Verfügungsbeklagte vor der Vollstreckung
Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

4. Der Streitwert wird festgesetzt auf 10.000,00 DM.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Zulässigkeit einer anwaltlichen Werbung im Internet.

Verfügungskläger (im Weiteren: Kläger) und Verfügungsbeklagter (im Weiteren: “Beklagter) sind zugelassene Rechtsanwälte, tätig im Bereich des Strafrechts. Der Kläger ist ansässig in Gera, der Beklagte in Berlin.
Der Beklagte gehört einer aus insgesamt 3 Anwälten bestehenden Sozietät an. Diese Sozietät unterhält unter der (…) eine Homepage.

Von deren Ausgangsseite gelangt der Internet-Nutzer über den Button “Tätigkeitsprofil” auf eine Seite mit der Überschrift “neben dem allgemeinen Zivilrecht sind wir schwerpunktmäßig auf folgenden Rechtsgebieten tätig:” Darunter sind die einzelnen Rechtsgebiete in weißer Schrift aufgelistet:

Arbeitsrecht, Ehe- und Familienrecht, Erbrecht, Mietrecht,
Pachtrecht, Sozialrecht, Strafrecht, Verkehrsunfallrecht,
Wohneigentumsrecht. Rechts daneben befinden sich – in
schwarz-weiß und damit optisch zurücktretend – die Porträts
der drei Sozietätsmitglieder. Geht der Cursor über das
Wort “Strafrecht”, färbt sich dieses blau, erhält eine
orangefarbene Umrandung und das Bild des Antragsgegners
tritt optisch gegenüber den anderen Porträts deutlich
hervor. Klickt man den Begriff “Strafrecht” nunmehr an,
erscheint rechts neben dem Porträt des Antragsgegners der
Text:

(…) insbesondere: Ordnungswidrigskeits- und Bußgeldverfahren, Strafverteidigungen Verkehrsstrafrecht, Führerscheinentzug und Fahrverbote”

(vgl. die Anlage zum Schriftsatz vom 18.12.2001, Bl. 52
d. A.).

Durch Anklicken einer beliebigen anderen Stelle der Seite verschwindet dieser Text und die Internetseite nimmt wieder ihre Ausgangsposition ein. Nach Auffassung des Klägers verstößt die Werbung des
Antragsgegners gegen § 7 Abs. l BORA, wonach Teilbereiche
der Berufstätigkeit .nur als Interessens- und/oder Tätigkeitsschwerpunkte benannt werden dürfen. Damit stehe dem
Kläger ein Unterlassungsanspruch nach § l UWG zu. Der Kläger
habe den Beklagten mit Schreiben vom 30.11.2001 ergebnislos
abgemahnt.

Der Kläger beantragt,
dem Beklagten wird es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes
bis zu 500.000,00 DM, ersatzweise Ordnungshaft bis
zu 6 Monaten oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten,
im Wiederholungsfall. Ordnungshaft bis zu 2 Jahren, untersagt, zu Zwecken des Wettbewerbes im Internet mit der Benennung der Rechtsgebiete Strafverteidigungen, Verkehrsstrafrecht, bezugnehmend auf die Person des Beklagten und ohne nähere Erläuterung zu werben, ohne dass kenntlich gemacht wird, ob es sich hierbei um einen Interessens- oder Tätigkeitsschwerpunkt handelt.

Der Beklagte beantragt,
den Antrag abzuweisen sowie rein vorsorglich und nur hilfsweise anzuordnen, dass der Kläger innerhalb von 4 Wochen in dieser Sache Klage zu erheben hat.
Aus Sicht des Beklagten beurteilt sich die Zulässigkeit der Homepage des Antragsgegners und ;seiner Sozietät nach § 6 Abs. 2 BORA, und unterliegt damit nicht den Beschränkungen des § 7 BORA. Daher sei weder eine Differenzierung zwischen Tätigkeits- und Interessenschwerpunkten erforderlich noch deren zahlenmäßige Begrenzung.

Entscheidungsgründe:

Der Antrag des Klägers auf Erlass der begehrten einstweiligen Verfügung ist zulässig, aber unbegründet.

I.

Der Antrag ist zulässig.
Die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Leipzig folgt
aus § 24 Abs. 2 Satz l UWG. Die Beschränkung des § 24 Abs. 2
Satz 2 gilt für den Kläger als unmittelbar Verletzten nicht
(vgl. Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 22. Aufl., § 24
Rdnr. Ib und 6). ‘
Die sachliche Zuständigkeit folgt aus §§ 937 Abs. l ZPO in Verbindung mit §§ 23, 71 GVG. Demnach ist das Landgericht sachlich zuständig, obwohl der Streitwert : nur bei 10.000,00. DM liegt, weil der Streitwert der Hauptsache bei jedenfalls 15.000,00 DM läge, also im Zuständigkeitsbereich des Landgerichts.

II.

Der Antrag ist unbegründet.

Dem Kläger steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu.
Ein solcher Anspruch folgt namentlich nicht aus § l UWG unter dem Gesichtspunkt des Vorsprungs durch Rechtsbruch.
Der vom Kläger angegriffene Teil der Homepage des Beklagten bzw. seiner Sozietät verstößt nicht gegen § 7 Abs. l BORA. Demnach dürfen unabhängig von der Angabe von Fachanwaltsbezeichnungen als Teilbereiche der Berufstätigkeit nur Interessen- und/oder Tätigkeitsschwerpunkte benannt werden. Insgesamt sind nicht mehr als fünf Benennungen zulässig, davon höchstens drei Tätigkeitsschwerpunkte. Interessen- und Tätigkeitsschwerpunkte sind jeweils als solche zu bezeichnen.

Zwar ist dem Kläger zuzugeben, dass auf der angegriffenen
Internetseite dem namentlich benannten Beklagten
insgesamt 5 Arbeitsgebiete zugeordnet werden, nämlich
Ordnungswidrigkeits- und Bußgeldverfahren, Strafverteidigungen, Verkehrsstrafrecht sowie Führerscheinentzug und
Fahrverbote.

Gleichwohl verstößt die angegriffene Passage nicht gegen § 7 Abs. l BORA, wenn man sie – wie erforderlich – in den Kontext der gesamten Internetseite stellt und deren Zulässigkeit am Maßstab des Art. 12 Abs. l GG misst.s

Das Grundrecht der Berufsfreiheit gebietet es, Rechtsanwälten im rechtlichen und geschäftlichen Verkehr ‘Raum zu lassen für interessengerechte und sachangemessene Information, die keinen Irrtum erregt (vgl. BVerfG NJW 2001, 2620). Ausgelegt im Lichte des Art. 12 Abs. l GG dürfen unter § 7 Abs. l BORA nicht sämtliche denkbaren Dienstleistungen eines Rechtsanwalts oder einer Anwaltssozietät fallen. Deshalb erscheint es angezeigt, unter “Teilbereiche der Berufstätigkeit” im Sinne von § 7 Abs. l BORA lediglich Rechtsgebiete zu fassen sowie nennenswerte Teile von :Rechtsgebieten (vgl. BGH NJW 2001, 1573).

Demnach fallen die auf der Internet-Seite gemachten Angaben zu den Einzelbereichen, in denen der Beklagte tätig ist, nicht
unter § 7 Abs. l BO. Die Begriffe Ordnungswidrigkeits- und Bußgeldverfahren, Strafverteidigungen/ Verkehrsstrafrecht sowie Führerscheinentzug
und Fahrverbote charakterisieren keine Rechtsgebiete bzw. nennenswerte Teile von Rechtsgebieten. Vielmehr handelt es sich dabei lediglich um einzelne Tätigkeiten, die allesamt das Rechtsgebiet Strafrecht näher charakterisieren.

Mit dieser Auslegung korrespondiert der Gesamtaufbau der Internetseite. Wie sich aus der Überschrift ergibt, sind dort links. die Tätigkeitsschwerpunkte der gesamten Sozietät aufgeführt, zu denen unter anderem Strafrecht gehört. Klickt man den Begriff “Strafrecht” an, erscheint der vom Kläger angegriffene Text, der den Tätigkeitsschwerpunkt Strafrecht durch Beispiele illustriert, was noch dadurch verdeutlicht wird, dass der Text” eingeleitet wird durch das Wort “insbesondere”.
Eine solche sachliche, berufsbezogene und nicht irreführende Werbung über die angebotenen Dienstleistungen muss dem Rechtsanwalt gestattet sein. Das folgt nicht, nur aus Art. 12 Abs. l GG, sondern auch aus § 6 Abs. l BORA.

Hinzu kommt, dass die angegriffene Textpassage in einer Sözietäts-Homepage enthalten ist, die als mit Praxisbroschüren und Rundschreiben vergleichbares Informationsmittel anzusehen ist (vgl. OLG Nürnberg, NJW 2001, 2481, 2482). In solchen Informationsmitteln dürfen gemäß § 6
Abs. 2 Satz 2 BORA weitere als die nach § 7 BORA erlaubten
Hinweise gegeben werden.
Aus den genannten Gründen verstößt der Beklagte mit der angegriffenen Werbung nicht gegen § 7 Abs. l BORA, so dass der Kläger keinen Anspruch auf Unterlassung dieser Werbung hat.

III.

Die Kostenentscheidung, folgt aus § 91 Abs. l ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr., 11, 711 ZPO.
Der Streitwert war gemäß §§ 20 Abs. l GKG, 3 ZPO festzusetzen.

Auszugehen war dabei vom Interesse des Klägers am Erlass der begehrten einstweiligen Verfügung, das er selbst mit 25.000,00 DM beziffert. Diese Angabe erscheint allerdings überhöht, zumal die Parteien zwar rechtlich gesehen Wettbewerber sind, tatsächlich aber wohl kaum je in Wettbewerb treten werden. Damit ist die Schwere des vermeintlichen Angriffs eher gering zu bewerten. Freilich ist auch zu berücksichtigen, dass die angegriffene Werbung via Internet weltweit zu empfangen ist. . Angesichts dieser Umstände erscheint es angemessen, den Streitwert für eine – mögliche Hauptsache auf 15.000,00 DM zu beziffern und hiervon für das einstweilige Verfügungsverfahren, das lediglich eine vorläufige Regelung treffen soll, einen Abschlag von 1/3 zu machen, so dass sich ein Streitwert von 10.000,00 DM errechnet.