LG Krefeld : Verstoß gegen RBerG durch eine Bank

LANDGERICHT KREFELD

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

12 O 118/00

div align=”justify”>In dem Rechtsstreit
des Rechtsanwalts Wolfgang Pils,
des Rechtsanwalts Andreas Neuber und
der Rechtsanwältin Parwin Wegenaer,
sämtlich dienstansässig Hauptstraße 19 in 47809 Krefeld
und sich selbst vertretend,

Antragsteller,

gegen

die Commerzbank AG, Kaiserplatz in 60311 Frankfurt/Main, vertreten durch den Vorstand, dieser vertreten durch den Vorstandsvorsitzenden, Herrn Martin Kohlhaussen,

Antragsgegnerin,

– Verfahrensbevollmächtigte:
Rechtsanwälte Dr. Godefroid und Pielorz in Düsseldorf –

hat die 2. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Krefeld auf die mündliche Verhandlung vom 26. September 2000 durch den Vizepräsidenten des Landgerichts Hermelbracht als Kammervorsitzenden

für Recht erkannt:

Die einstweilige Verfügung der Kammer vom 18.07.2000 wird aufrecht erhalten.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand:

Die Antragsteller sind Rechtsanwälte. Sie surfen im Internet und mahnen wegen Verstoßes gegen das Rechtsberatungsgesetz solche Personen ab, die sich, ohne Rechtsanwalt zu sein, zur geschäftsmäßigen Übernahme von Testamentsvollstreckungen erbieten.
Seit dem 22.03.2000 wirbt die Antragsgegnerin im Internet dafür, dass sie für Kunden Testamentsvollstreckungen übernehme und dass dies einer ihrer Tätigkeitsschwerpunkte sei. Die Antragsteller wollen das – eidesstattliche
Versicherung des Antragstellers zu l) vom 12.09.2000, Blatt 67 der Akte – erst am 04.07.2000 bemerkt haben und haben gegen die Antragsgegnerin die einstweilige Verfügung vom 18.07.2000, Blatt 24/25 der Akte erwirkt, durch die es der Antragsgegnerin unter Androhung eines Ordnungsgeldes für den Fall der Zuwiderhandlung untersagt worden ist,
im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbs zwecken im Zusammenhang mit ihren übrigen Tätigkeiten “Testamentsvollstreckungen” anzubieten.

Nach Widerspruch der Antragsgegnerin gegen die ergangene einstweilige Verfügung beantragen die Antragsteller,

wie erkannt ist,

während die Antragsgegnerin beantragt,

unter Aufhebung des Beschlusses vom 18.07.2000 den zugrundeliegenden Antrag der Antragsteller auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung vom 17.07.2000 zurückzuweisen.

Die Antragsgegnerin sieht keine Dringlichkeit, leugnet die Aktivlegitimation der Antragsteller und vertritt die Ansicht, ein Verstoß gegen das Rechtsberatungsgesetz liege ihrerseits nicht vor.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

Es ist ein eherner Grundsatz der Rechtsprechung, an dem der Rechtssicherheit wegen festzuhalten ist, dass die Untergerichte die Rechtsprechung der Obergerichte zu beachten haben, wie diese sich wiederum auszurichten haben an der höchstrichterlichen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes. Zu der hier strittigen Frage, ob ein Verstoß gegen das Rechtsberatungsgesetz vorliegt, wenn eine Bank sich erbietet, geschäftsmäßig Testamentsvollstreckungen zu übernehmen, liegt eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs noch nicht vor. Aber es hat im- Sinne der Antragsteller entschieden das OLG Karlsruhe (NJW-RR 1994, 236) und jüngst in einem ähnlich gelagerten Fall der zuständige Fachsenat des OLG Düsseldorf, nach dem das hiesige Landgericht im Vorverfahren 11 0 158/99 LG Krefeld gegen die Antragsteller entschieden hatte. An den Darlegungen im Urteil des 20. Zivilsenats vom 30. Mai 2000 hat sich die Kammer auszurichten. Sie bestätigt deshalb die vorliegende einstweilige Verfügung, obgleich sie selbst die Auffassung des Obergerichtes nur bedingt, jedenfalls nicht in allen Punkten teilt.

I.

Der Antrag der Antragsteller ist zulässig. Es geht um einen Verstoß gegen § l UWG. Es gilt deshalb die Dringlichkeitsvermutung des § 25 UWG. Sie ist nicht widerlegt. Im Gegenteil haben die Antragsteller glaubhaft gemacht, erst im Juli dieses Jahres im Internet auf die Werbung der Antragsgegnerin gestoßen zu sein.

II.

Die Antragsteller – jeder einzelne von ihnen – sind aktivlegitimiert.
Das Rechtsberatungsgesetz hat neben anderen Schutzzwecken auch im Auge die Interessen der Anwaltschaft. Daher ist bei einem Verstoß gegen das Rechtsberatungsgesetz jeder deutsche Rechtsanwalt aktivlegitimierter Verletzter im Sinne von § l UWG. Darauf, ob die Antragsteller selbst bereits Testamentsvollstreckungen übernommen haben, kommt es nicht an. Entscheidend ist allein, dass sie es dürften und dass sie – unwiderlegt – gewillt sind, ein solches Amt zu übernehmen, so es ihnen denn angetragen wird. Schon das begründet zwischen den Parteien ein Wettbewerbsverhältnis. Indem die Antragsgegnerin Testamentsvollstreckungen übernimmt bzw. sich dazu anbietet, solches zu tun, schmälert sie die Erwerbschancen der Antragsteller. Das reicht aus, um anzunehmen, dass die Antragsteller Verletzte im Sinne von § l UWG sind.

III.

Das Wettbewerbsverhältnis zwischen den Parteien besteht in ganz Deutschland, der Unterlassungsantrag der Antragsteller ist also nicht zu weit gefaßt.
Die l. Kammer für Handelssachen hat in dem Vorverfahren 11 0 158/99 ihre Entscheidung unter anderem auch darauf gestützt, dass es an dem erforderlichen konkreten Wettbewerbsverhältnis fehle: zwar seien die Antragsteller als Rechtsanwälte an und für sich aktivlegitimiert, aber sie seien gleichwohl nicht betroffen, weil der Wettbewerber in einer anderen Region Deutschlands geschäftsansässig sei, eine wechselseitige Überschneidung der Einflußsphären folglich nicht zu erwarten sei. Auf diesen Gesichtspunkt haben die Kammern für Handelssachen des hiesigen Landgerichts auch in anderen Verfahren abgestellt, in denen die Antragsteller beispielhaft in den neuen Bundesländern ansässige Wettbewerber auf Unterlassung in Anspruch genommen haben. Aber diese einengende Sicht der Kammern des hiesigen Landgerichts hat die Billigung des übergeordneten Fachsenats nicht gefunden. In seinem Urteil vom 30. Mai 2000 betont dieser, wie die Antragsteller zu Recht hervorheben, vielmehr, als Entscheidungskriterium komme es nicht nur auf den Wohnort des Wettbewerbers bzw. auf den Wohnort der .Umworbenen an, sondern es könne auch darauf abgestellt werden, wo das zu verwaltende Vermögen liegt. Zu verwaltendes Vermögen am Niederrhein können alle haben, die daran interessiert sind, einen Testamentsvollstrecker zu berufen. Es ist also, wird in gebotenem Gehorsam auf die Rechtsprechung des Obergerichts abgestellt, ein konkretes Wettbewerbsverhältnis auch dann gegeben, wenn die Antragsgegnerin bloß außerhalb Nordrhein-Westfalens als Testamentsvollstrecker tätig wird oder sich anbietet, solches zu tun. Eine Beschränkung des Verbots auf einen engeren Raum kommt folglich nicht in Betracht.

IV.

Es liegt ein Verstoß gegen das Rechtsberatungsgesetz vor.

l. Die Antragsgegnerin verweist auf das Urteil des Bundesgerichtshofs in NJW, 2108. Er hat dort einen
Wettbewerbsverstoß durch Verstoß gegen das Rechtsberatungsgesetz verneint, weil im Kern/Vordergrund Tätigkeit auf wirtschaftlichem Gebiet liege und die Klärung rechtlicher Verhältnisse quasi Nebenprodukt der Tätigkeit sei. Es liegt nahe, auch vorliegend auf diese Unterscheidung abzustellen, zumal nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, wie die Antragsgegnerin aufzeigt, bei der Anwendung und Auslegung des Rechtsberatungsgesetzes restriktiv zu verfahren ist, weil dieses das Grundrecht der Berufsfreiheit und damit letztlich das Grundrecht des Artikels 2 GG einengt. In ihrer Werbung zielt die Antragsgegnerin primär ab auf ihre Kunden, vornehmlich solche, die vermögend sind, etwa bei ihr Wertpapierdepots unterhalten. Hier entfaltet die Antragsgegnerin, soweit sie berät, mittelbar bereits jetzt vermögensverwaltende Tätigkeit. Indem sie darum wirbt, als Testamentsvollstrecker beauftragt zu werden, will sie erreichen, dass ihr die Vermögensverwaltung erhalten bleibt auch über den Tod des Kunden hinaus. Das Gebiet der Vermögensverwaltung, auf dem sie sachkundig ist, steht danach im Vordergrund. Das gebietet es, die Vermögensverwaltung als Schwerpunkt der zu entfaltenden Tätigkeit anzusehen.
Aber diese Wertung ist unvereinbar mit der Entscheidung des Oberlandesgerichts Karlsruhe und ebenso unvereinbar mit der Entscheidung des Oberlandesgerichts Düsseldorf. Nach letzterer soll sogar die rechtliche Betätigung des Testamentsvollstreckers “im Vordergrund”‘ stehen, also den Schwerpunkt seiner Tätigkeit bilden. Hieran hat sich die Kammer auszurichten. Danach steht eine Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten im Sinne von Artikel l § l Abs. l RBerG in Frage.

2. Die Antragsgegnerin kann sich nicht auf die Ausnahmevorschrift des Artikels l § 3 Nr. 6 RBerG berufen. Die Anwendbarkeit dieser Norm hat der 20. Zivilsenat in seiner Entscheidung ausdrücklich (UA S. 5 ff) verneint.

3. Das Argument des Landgerichts, kraft BGB sei das Amt des Testamentsvollstreckers jedem offen, greift die Antragsgegnerin auf Seite 7 des Schriftsatzes vom 31.08.2000 auf. Indes hat das Oberlandesgericht Düsseldorf in seinem Urteil dieses Argument (wohl zu Recht) für nicht stichhaltig erklärt unter Hinweis auf unterschiedliche Normzwecke. Dem schließt sich die Kammer – auch aus Gründen des gebotenen Gehorsams – an,

4. wie sie es aus den eingangs genannten Gründen auch hinzunehmen hat, dass nach der Auffassung des Senates auch nicht anwendbar ist die Ausnahmevorschrift des Artikels l § 5, Nr. 3 RBerG.

5. Ohne Erfolg verweist die Antragsgegnerin schließlich auf die Ausnahmevorschrift des Artikels l § 5 Abs. l RBerG. Sie setzt voraus das Vorliegen eines Hauptgeschäfts und eines damit im Zusammenhang stehenden Nebengeschäfts. Eben daran fehlt es vorliegend nach der Entscheidung des 20. Zivilsenates, der (UA S. 9 unten/10 oben) ausdrücklich betont hat, die Tätigkeit für den Erblasser noch zu dessen Lebzeiten -hier: Beratung in Dingen der Vermögensverwaltung durch die Beklagte – sei die eine, die Ausübung der Testamentsvollstreckung nach dem Tode des Erblassers eine ganz andere Tätigkeit, die der ersteren nachfolge, aber kein notwendiges Hilfsgeschäft sei, sondern mit Blick auf eine veränderte Zielrichtung neue und eigenständige Tätigkeit.

6. Es bleibt als letztes Argument der Antragsgegnerin der Hinweis auf § l Abs. 2 BRAGO. Die Ansicht, diese Bestimmung verdeutliche, dass der Gesetzgeber davon ausgegangen sei, die Tätigkeit als Testamentsvollstrecker könne auch von Nicht-Anwälten übernommen werden, überzeugt. Aber das besagt noch nicht, dass er auch aufbaute auf der Erwägung, Nicht-Anwälte könnten, worauf es hier allein ankommt, Testamentsvollstreckungen auch geschäftsmäßig übernehmen.

V.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

Einer Entscheidung zur Vollstreckbarkeit bedarf es nicht.

Den Streitwert setzt die Kammer abändernd mit 30.000,- DM an. Hierbei läßt sie sich leiten von der Streitwertfestsetzung des 20. Zivilsenats im Vorverfahren. Dort ging es um einen Steuerberater, der Testamentsvollstreckungen angeboten hatte. Er ist als Wettbewerber für die Antragsteller weniger gefährlich als die Antragsgegnerin als Großbank. Im Vorverfahren hat das OLG Düsseldorf den Streitwert festgesetzt auf 15.000,– DM. Weil die Antragsgegnerin der gefährlichere Wettbewerber ist, erscheint es angemessen, ihn in dieser Sache doppelt so hoch anzusetzen, also festzulegen auf 30.000,- DM.

Vorsorglich in diesem Zusammenhang:

Der Streitwert bemißt sich allein nach dem Unterlassungsinteresse der Antragsteller. Es mag geringer sein als das Interesse der Antragsgegnerin, um Testamentsvollstreckungen werben zu können. Der Streitwert der Sache beschränkt folglich nicht die Beschwer der Antragsgegnerin, die höher sein dürfte.

[Richter/in]