Leitsätze der Redaktion
Die Nutzung der Marke eines Konkurrenten als so genanntes Keyword im Rahmen der Google-AdWords-Werbung stellt eine Verwendung der Marke in kennzeichenmäßiger Form gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG dar, wenn für gleichartige Waren geworben werden soll.
Für die Annahme einer Verwechselungsgefahr im Sinne von § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG genügt es, dass die Verwendung der Marke eines Konkurrenten als Keyword im Rahmen der Google-AdWords-Werbung abstrakt geeignet ist, eine Fehlleitung der Verbraucher hervorzurufen; auf die Einzelfallgestaltung kommt es hierbei nicht an.
TATBESTAND
Die Parteien sind Wettbewerber beim Vertrieb von Erotikartikeln im Internet.
Die Klägerin ist Inhaberin der Wortmarke FunFactory für Waren, die zum Sortiment beider Parteien gehören.
Die Beklagte hat – zur Kenntnis der Klägerin seit dem 6.7.2006 – das Wort FunFactory – auch in der Schreibweise Fun Factory – als sog. “Keyword” bei der Schaltung von Anzeigen im Rahmen der AdWords-Werbung bei Google eingesetzt mit der Folge, dass auf die Eingabe von FunFactory / Fun Factory als Suchwort bei Google in unmittelbarer Nähe zu den Suchergebnissen optisch abgesetzt Anzeigen der Beklagten erschienen; dies ist im Tenor bildlich dargestellt.
Bei “AdWords” handelt es sich um Anzeigen, die der Werbende gegenüber Google bezahlt und die dann innerhalb der Suchmaschine in Zusammenhängen für den Google-Nutzer sichtbar wird, die der Werbende durch die Auswahl von bestimmten Schlüsselwörtern bestimmt; vorliegend erscheint sie also dann, wenn der Suchende FunFactory oder Fun Factory eingibt.
Die Parteien streiten darum, ob diese Auswahl des Keywords eine Rechtsverletzung darstellt, entweder eine Verletzung der Marke der Klägerin (oder auch ihrer Firma) oder eine unlautere wettbewerbliche Annäherung der Beklagten an die Klägerin darstellt.
Die Klägerin ist der Auffassung, dass die AdWords-Werbung mit fremden Marken nicht anders zu beurteilen sei als die Nutzung fremder Marken innerhalb von Meta-Tags; hierbei handelt es sich um die Verwendung der fremden Marken innerhalb des Quelltextes der eigenen Website mit der Folge, dass die Suchmaschine bei Eingabe der Marke als Suchwort nicht nur die Seite des Markeninhabers anzeigt, sondern auch die Seite des Dritten. Hierzu hat der BGH in seinem Urteil vom 18. Mai 2006 – I ZR 183/03 – entgegen den Vorinstanzen entschieden, dass es für die Annahme einer Markenverletzung nicht darauf ankommt, dass diese für den Nutzer sichtbar sei – der Quelltext bleibt dem Nutzer im Normalfall verborgen –, sondern es sei entscheidend,
[…]
Die Beklagte […] ist der Auffassung, eine Verwendung fremder Marken in Meta-Tags könne nicht gleichgestellt werden mit deren Verwendung als Keyword im Rahmen der AdWords-Werbung, denn im letzteren Fall werde die fremde Marke überhaupt nicht verwendet, sondern diene nur als Hinweis für Google, in welchem Zusammenhang die bezahlte Anzeige erscheinen solle. Eine Irreführung des Verbrauchers irgendwelcher Art trete schon deshalb nicht ein, weil dieser erkenne, dass es sich um Werbung Dritter handele und er auch aus der Printwerbung daran gewöhnt sei, im Kontext bestimmter Angebote mit ähnlichen Angebote anderer Herkunft konfrontiert zu werden. […]
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE
Die Klage ist begründet.
Die Klägerin kann von der Beklagten Unterlassung […] verlangen, […] weil die Verwendung der Marke der Klägerin als Keyword im Rahmen der AdWords-Werbung eine Markenverletzung darstellt, §§ 4, 14 MarkenG.
Die Klägerin ist durch die Inhaberschaft an der Wortmarke FunFactory vor der kennzeichenmäßigen Verwendung dieses Begriffs für gleichartige Waren geschützt. Vor diesem Hintergrund ist es streitentscheidend, ob die unstreitig in identischer sowie in beinahe identischer Form erfolgte Nennung des Begriffs gegenüber Google zur Platzierung von Werbung für identische Waren eine Verwendung der Marke in kennzeichenmäßiger Form darstellt.
Diese Frage ist zu bejahen.
Es greift sicherlich zu kurz, die Entscheidung zu Gunsten der Klägerin mit der BGH-Entscheidung über die Verwendung von fremden Marken in Meta-Tags zu begründen, denn in der Tat unterscheiden sich die jeweils zu Grunde liegenden Sachverhalte. Meta-Tags dienen dazu, Nutzer das Gesuchte finden zu lassen, sodass bei der Recherche z.B. nach der Marke der Klägerin das Angebot z.B. der Beklagten dem Suchenden als dasjenige der Klägerin erscheinen muss, hätte die Beklagte die Marke innerhalb ihrer Meta-Tags verwendet. Die fremde Marke wird von dem Verletzer dort – wenn auch nicht auf den ersten Blick sichtbar – in einen Zusammenhang gestellt, der gegenüber den umworbenen Verkehrskreisen auf den unberechtigten Verwender hindeutet. Im vorliegenden Fall wird sie von der Beklagten (nur) einem Dritten gegenüber eingesetzt, der nicht zur Zielgruppe gehört, und eingesetzt wird sie lediglich als Anweisung zur Platzierung der Anzeige.
Dieser im Tatsächlichen durchaus deutliche Unterschied wirkt sich allerdings im Ergebnis bei der Bewertung des Verhaltens nicht aus, denn rechtlich macht es keinen Unterschied, ob sich die Anweisung aus technischen Gründen im engeren Zusammenhang mit der Anzeige befindet – etwa im Quelltext wie im Fall der Meta-Tags oder in einem vergleichbaren “Versteck” – oder ob sie von einem Dritten ausgeführt wird und es deshalb gar nicht mehr erforderlich ist, die fragliche Kennzeichnung im engeren Umfeld der Anzeige zu führen, um dasselbe Ziel zu erreichen.
Ebenso wenig wie die bloße “Unsichtbarkeit” gegenüber der Verbraucher (die in Wirklichkeit gar keine Unsichtbarkeit ist, denn jedermann kann den Quelltext sichtbar machen) einen Grund darstellt für die Ablehnung einer kennzeichenmäßigen Verwendung – hierüber streiten die Parteien nach dem oben zitierten BGH-Urteil zu Recht nicht mehr – scheitert die Annahme einer markenmäßigen Verwendung an dem rechtlich eher zufälligen Umstand, dass der Wunsch der Beklagten, ihr Angebot in die Nähe desjenigen der Klägerin zu rücken, auf der Werbeplattform nicht mehr in Erscheinung tritt.
Entscheidend ist, dass die Beklagte ihr Angebot nicht in den Kontext eines generischen Begriffes gestellt und etwa “Erotikartikel” als Keyword verwendet hat, sondern die Werbewirksamkeit der Marke und des Firmenschlagwortes der Klägerin benutzt hat, um sich und ihr Sortiment dem Verbraucher zu präsentieren. Ohne die Vorleistung der Klägerin wäre die Nennung des Begriffs FunFactory ohne jedes Interesse für die Beklagte gewesen; das zeigt, dass sich die Beklagte einer der Kernfunktionen der Marke – des Herkunftshinweises und des durch eigene Leistungen aufgebauten guten Rufes der Kennzeichnung – bedient hat und diese Rechtsgüter für den Absatz der identischen, eigenen Waren ausbeutet. Damit sind für die Beanstandung betreffend die Marke FunFactory die Voraussetzungen des § 14 II Nr. 1 MarkenG erfüllt, ohne dass es auf die Eignung zu Verwechslungen und/oder Irreführungen ankäme.
In Bezug auf die getrennt geschriebene Kennzeichnung Fun Factory ist Verwechslungsgefahr im Sinne von § 14 II Nr. 2 MarkenG gegeben, denn der Verbraucher, der ja immerhin – falsch geschrieben, aber gleichwohl unverkennbar – die Klägerin und deren Produkte sucht, muss – möglicherweise vorbehaltlich besonders gelagerter, hier nicht gegebener Ausnahmefälle – annehmen, Anzeigen in unmittelbarer Nähe des wirklich Gesuchten, die erst nach Eingabe des bewussten Suchwortes erscheinen, hätten in irgend einer Form mit der Klägerin zu tun. Wie berechtigt die Annahme ist, zeigen etliche der weiteren kontextsensitiv erscheinenden Werbehinweise auf den streitgegenständlichen Suchergebnislisten, die zwar nicht ausnahmslos, aber vielfach auch Produkte gerade der Klägerin anbieten; deren Markenverwendung ist in Ausübung des Ankündigungsrechtes nicht zu beanstanden. Letztlich kommt es auf aber diese Einzelfallgestaltung nicht an, denn es genügt die E i g n u n g der Markenverwendung zur Fehlleitung der Verbraucher und dabei verbleibt es auch dann, wenn sich beim Einsatz der AdWords-Werbung Missstände eingeschlichen haben sollten. Ebenso wie im „Meta-Tag”-Fall des BGH erscheint die beanstandete Anzeige als eine Art Ergebnis der Suche und es besteht die Gefahr, dass sich der Verbraucher allein wegen seiner falschen Annahme näher mit ihm befasst. Durch nichts ist ausgeschlossen und deshalb für den Verbraucher auch zu erwarten, dass auch und gerade der rechtmäßige Markennutzer, der bei Eingabe des Suchbegriffs ohnehin ganz oben erscheint, die Werbewirksamkeit seines Auftritts durch zusätzliche Anzeigen im unmittelbaren Umfeld noch weiter verstärken will; die Auffassung der Beklagten läuft darauf hinaus, dass der Verbraucher es für zwingend halten müsse, AdWords-Anzeigen könnten nur von Dritten stammen.[…]