LG Köln: “huerth.de”

Landgericht Köln

Urteil vom 17. Dezember 1996 – 3 O 478/96 – “huerth.de”

Urteil

In dem Rechtsstreit der Stadt Hürth (…), Verfügungsklägerin,

gegen

die Firma IPOS Internet Provider Online Servicegesellschaft mbH (…), Bergheim, Verfügungsbeklagte,

hat die 3. Zivilkammer des Landgerichts Köln (…) für Recht erkannt:

1. Die einstweilige Verfügung der Kammer vom 02.10.1996 wird aufgehoben,

2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 2.000,– DM ab- wenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Die Sicherheit darf auch durch Bürgschaft eines als Zoll- und Steuerbürge zugelassenen Kreditinstitutes erbracht werden.

Tatbestand

Die Verfügungsklägerin beabsichtigt, den sog. Domain-Namen “Hürth.de” in dem weltweiten Datennetzwerk “Internet” zu verwenden. Das dezentral aufgebaute Netzwerk ermöglicht die Übermittlung von jedem an das Netz angeschlossenen Computer an jeden anderen angeschlossenen Computer. Die zielgerichtete Datenübertragung erfolgt an die aus mehreren Bestandteilen zusammengesetzte Adresse des jeweils angeschlossenen Computers. Möglich sind sowohl – in mehrere Untergruppen aufgeteilte – Zahlenkombinationen, als auch in einzelne Abschnitte (“Sub Domains”) aufgeteilte Buchstabenkombinationen. Die in Deutschland angeschlossenen Computer sind üblicherweise dem übergeordneten Bereich “de” zugeordnet. Die weitere “Adresse” besteht dann aus mindestens einer zusätzlichen Buchstabengruppe, die durch einen Punkt von dem nachgestellten “de” abgetrennt wird.

Die Vergabe und Verwaltung der dem übergeordneten Bereich (“Toplevel Domain”) “de” zugeordneten Zahlen/Buchstabenkombinationen erfolgt durch den Adressenverbund DE-NIC/die NTG Netzwerk- und Telematik GmbH in Karlsruhe. Diese lehnt die von einem Benutzer gewünschte Adreßbezeichnung nur ab, wenn diese Bezeichnung bereits vergeben ist.

Den Antrag der Verfügungsklägerin auf Vergabe der Adresse “Hürth.de” lehnte die DE-NIC mit der Begründung ab, daß diese Bezeichnung bereits an die Verfügungsbeklagte vergeben sei. Die Verfügungsklägerin sieht in der Reservierung des Domains “Hürth.de” ihr Namensrecht verletzt. Sie bewertet dies als einen Fall des “offenkundigen Zeichenklaus” und verweist darauf,daß sich clevere Provider das vorherrschende Prioritätsprinzip bei der Vergabe der Adreßbezeichnungen mißbräuchlich zunutze machten, um sich die Bezeichnungen großer juristischer Personen des privaten und des öffentlichen Rechts zuweisen zu lassen. Die Verfügungsklägerin habe keine Chance gehabt, ohne die Mitwirkung der Verfügungsbeklagten in die Reservierungsposition zu gelangen, da die Verfügungsbeklagte am 01.10.1996 erfolgreich aufgrund der Vergabepraxis die Verlängerung ihrer Reservierung beantragt habe. Mißbräuchlich habe sodann die Verfügungsbeklagte die Reservierung auf ihre Mitarbeiterin Frau Martina Leyendecker übertragen. Wegen der weiteren ausführlichen Darlegungen wird insbesondere auf den Schriftsatz der Verfügungsklägerin vom 18.11.1996 verwiesen.

Die Kammer hat der Verfügungsbeklagten mit Beschluß vom 02.10.1996 im Wege der einstweiligen Verfügung antragsgemäß verboten, die Bezeichnung “Hürth.de” als Adresse im Internet-Verkehr zu verwenden, und der Verfügungsbeklagten aufgegeben, die Reservierung dieses Domains-Namens freizugeben.

Die Verfügungsklägerin beantragt, die einstweilige Verfügung aufrechtzuerhalten.

Die Verfügungsbeklagte beantragt, die einstweilige Verfügung aufzuheben und den Antrag zurückzuweisen.

Die Verfügungsbeklagte verweist darauf, daß eine Reservierung längstens 6 Monate bestehe und die Verfügungsklägerin die Möglichkeit gehabt habe, bei Ablauf der Reservierung der Verfügungsbeklagten Ende September 1996 in die Reservierungsposition zu gelangen. Überdies laufe die Reservierung nun auftragsgemäß auf eine Frau Martina Leyendecker. Diese sei nicht Mitarbeiterin der Beklagten. Im übrigen bestehe angesichts des Angebotes der Verfügungsklägerin vom 23.08.1996 jedenfalls kein Verfügungsgrund.

Schließlich sei auch das Namensrecht der Verfügungsklägerin nicht verletzt. Wegen der ausführlichen Darlegungen hierzu wird insbesondere auf den Schriftsatz der Verfügungsbeklagten vom 22.10.1996 (Bl. 25 ff. d. A. ) verwiesen.

Entscheidungsgründe

Der Widerspruch der Beklagten gegen die einstweilige Verfügung der Kammer vom 02.10.1996 ist begründet.

Die Verfügungsklägerin hat gegen die Verfügungsbeklagte keinen diesbezüglichen Anspruch.

Dies ergibt sich in der vorliegenden Fallkonstellation bereits daraus, daß die Reservierung der begehrten Adreßbezeichnung nicht mehr von der Beklagten, sondern von Frau Martina Leyendecker gehalten wird. Die Verfügungsbeklagte hat dies durch eidesstattliche Versicherung glaubhaft gemacht. Anhaltspunkte für ein “Umgehungsgeschäft”, insbesondere der bestehenden Absicht der Verfügungsbeklagten, sich selbst die Reservierung wieder übertragen zu lassen, hat die Verfügungsklägerin nicht glaubhaft gemacht. Speziell kann die Kammer nicht davon ausgehen, daß es sich bei Frau Leyendecker um eine Mitarbeiterin der Verfügungsbeklagten handelt.

Die Kammer sieht aber auch darüber hinaus in der Reservierung und in dem Gebrauch des Kürzels “Hürth.de” keine Verletzung des Namensrechts der Verfügungsklägerin.

Denn die Bezeichnung “Hürth.de” im Internet erfüllt keine Namensfunktion im Sinne des § 12 BGB. An eine derartige Wirkung könnte gedacht werden, wenn der ans Internet angeschlossene Benutzer in der Verwendung der gewählten Buchstabenkombination einen Hinweis auf die Person des Namensträgers, hier: die Stadt Hürth sehen müßte.Dies ist jedoch nicht der Fall. Denn die Zahlen- und Buchstabenkombinationen sind frei wählbar. Sie können insbesondere auch ohne erkennbaren Zusammenhang mit dem Namen des Benutzers stehen und sind daher vergleichbar mit einer Telefonnummer, einer Bankleit- oder Postleitzahl. Die Kammer verkennt bei dieser Wertung nicht den Umstand, daß in der Praxis die frei wählbare Buchstabenkombination durchaus als Kennzeichnungselement verwendet wird und oftmals im Zusammenhang mit Namen und Funktion des Benutzers steht. In diesem Kontext kann die gewählte Kombination auch eine Orientierungshilfe zur Auffindung des tatsächlichen Benutzers geben. Der gut und treffend gewählte Domain-Name (Beispiel: “Stadt Hürth”) mag insoweit auch zweifelsfrei auf den angeschlossenen Benutzer schließen lassen. Gleichwohl wird diese Funktion weder durchgängig angewandt, noch wird sie zwingend durch gesetzliche oder rechtsgeschäftliche Vorgaben gefordert. Wäre beispielsweise vorgegeben, daß den Adressen angeschlossener Städten oder Gemeinden eine bestimmte Kennung voranzugehen hätte, so dürfte jeder im Internet Arbeitende auch erwarten, daß hinter der entsprechenden Adreßkennung auch der bezeichnete städtische Namensträger steht.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91, 708 Nr. 6, 711 ZPO.

Der Streitwert beträgt DM 15.000,–