LG Köln: “d-mail.de”

“D-Mail”

LANDGERICHT KÖLN

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

rechtskräftig

– 31 O 442/97 –

Verkündet am 18. November 1997

I.

Die Klage wird abgewiesen.

II.

Auf die Widerklage werden die Kläger verurteilt,

1. es bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zum 500.000,00 DM – ersatzweise Ordnungshaft – oder der Ordnungshaft bis zu sechs Monaten zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken beim Vertrieb von Software-Programmen den Namen

“D-Mail”

zu nutzen …

2. der Beklagten Auskunft darüber zu erteilen, in welchem Umfang sie Verletzungshandlungen gemäß Ziffer II. 1. begangen haben, und zwar unter Angabe der Art der Werbung (Werbebeilage, Zeitungsanzeigen, Direct-Mailing usw.) und des Umfangs der Werbung, wobei die Angaben nach Datum, Wortlaut, Verbreitungsgebiet und Auflage der Ankündigung aufzuschlüsseln sind, bei Direct-Mailing unter Angabe der Adressaten sowie Auskunft zu erteilen wo, wann und wie oft sie Produkte mit dem Namen “D-Mail” vertrieben haben unter Angabe des Einstandspreises, des Verkaufspreises sowie Nennung von Namen und Anschriften ihrer Abnehmer;

3. in die Löschung der beim Deutschen Patentamt unter der Nr. 396 02 380 eingetragenen Marke “D-Mail” einzuwilligen.

III.

Es wird festgestellt, daß die Kläger verpflichtet sind, der Beklagten allen Schaden zu ersetzen, der dieser durch die unter Ziffer II. 1. genannte Handlung entstanden ist und noch entsteht.

TATBESTAND:

Die Parteien sind Wettbewerber auf dem Gebiet der Herstellung und des Vertriebs von Computer-Software.

Im März/April 1995 begannen die Kläger mit der Entwicklung eines Software-Programms, mit dem Kurznachrichten an Mobiltelefone und Funkrufempfänger versandt werden können.

Im Januar 1996 kam die entsprechende CD-ROM unter dem Titel “D-Mail lite” auf den Markt

Die Kläger sind ferner Inhaber der am 20.01.1996 beim Deutschen Patentamt angemeldeten und am 07.05.1996 unter der Nr. 396 02 380 eingetragenen Marke “D-Mail” (Anlage K 1), bei der das “D” in rot gehalten ist.

Die Beklagte vertreibt seit Februar/März 1996 ebenfalls eine CD-ROM mit gleichem Anwendungsgebiet unter dem Titel “D-Mail”…. Die Beklagte ist Inhaberin der am 14.03.1996 angemeldeten und am 30.11.1996 unter der Nr. 396 12 421 eingetragenen Marke “D-Mail”, bei der das “D” in den Bundesfarben schwarz-rot-gold gehalten ist.

Mit dem in den Bundesfarben gehaltenen “D” sind weitere CD-ROMs erschienen. Im Juni 1995 brachte die Firma TopWare PD-Service GmbH die CD-ROM “D-Info”, eine Adress- und Telefonauskunft für Deutschland, heraus, die ca. 700.000 Mal verkauft wurde. Der Titel “D-Info” ist beim Deutschen Patentamt mit Priorität vom 24.07.1995 für die Firma TopWare PD-Service GmbH eingetragen (Anlage JS 2).

Die CD-ROM “D-Atlas” erschien im Juli 1995 mit einer Auflage von rd. 200.000 Exemplaren, ebenfalls vor der CD-ROM der Kläger sind “D-Steuer” (ca. 40.000 Exemplare), “D-Jure” (ca. 100.000 Exemplare) und im November 1995 “D-Tarif” (ca. 17.000 Exemplare) erschienen.

Die Beklagte ist ferner Inhaberin weiterer Marken mit “D”-Titeln, die aber sämtlich prioritätsjünger als die Marke der Kläger sind. Auf das Anlagenkonvolut JS 3 wird verwiesen.

Mit der vorliegenden Klage nehmen die Kläger die Beklagte gestützt auf ihre Marke 396 02 380 “D-Mail” auf Unterlassung, Auskunft, Rechnungslegung sowie Schadensersatzfeststellung hinsichtlich der Bezeichnung “D-Mail” in Anspruch. Ferner wenden sie sich gegen die Schutzrechtsverwarnung durch die Beklagte.

Die Kläger vertreten die Ansicht, die sich gegenüberstehenden Zeichen seien verwechslungsfähig. Sie genössen die Priorität.

Die Kläger beantragen,

die Beklagte zu verurteilen,

I. 1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis zu DM 500.000,00, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfall bis zu zwei Jahren, zu unterlassen, im Bereich der Bundesrepublik Deutschland ohne Zustimmung der Kläger das Zeichen

“D-Mail”

im geschäftlichen Verkehr im Zusammenhang mit Computersoftware und –hardware und der Erstellung von Programmen für die Datenverarbeitung zu benutzen, insbesondere das vorstehend bezeichnete Zeichen auf den vorstehend bezeichneten Waren oder ihrer Aufmachung oder Verpackung anzubringen, unter dem vorstehend bezeichneten Zeichen die wiedergegebenen Waren anzubieten oder in den Verkehr zu bringen oder zu den genannten Zwecken zu besitzen, einzuführen oder auszuführen und schließlich das vorstehend bezeichnete Zeichen in Geschäftspapieren oder in der Werbung zu benutzen;

2. den Klägern Auskunft über die Herkunft und den Vertriebsweg der unter vorstehend zu I. 1. beschriebenen Erzeugnisse zu erteilen, insbesondere unter Angabe der Namen und Anschriften (der Hersteller, der Lieferanten und deren Vorbesitzer), der gewerblichen Abnehmer oder Auftraggeber sowie unter Angabe der Mengen der hergestellten, ausgelieferten, erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse;

3. den Klägern über den Umfang der vorstehend zu I. 1. bezeichneten Handlungen Rechnung zu legen, und zwar unter Angabe des unter der Kennzeichnung “D-Mail” erzielten Umsatzes sowie unter Angabe des Umfangs der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Kalendervierteljahren, Bundesländern und Werbeträgern.

II. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis zu DM 500.000,00, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfall bis zwei Jahren im Bereich der Bundesrepublik Deutschland zu unterlassen, von den Klägern unter Androhung gerichtlicher Maßnahmen zu verlangen, daß die Kläger es zu unterlassen haben, im geschäftlichen Verkehr die Bezeichnung “D-Mail” zu benutzen oder durch Dritte benutzen zu lassen, wie insbesondere in der Abmahnung vom 11.05.1997 gemäß Anlage JS 7 der Beklagten geschehen, ohne daß ein entsprechender Unterlassungsanspruch besteht.

III. festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, den Klägern allen Schaden zu erstatten, der ihnen aus den vorstehend unter Ziff. I. 1. bezeichneten Handlungen entstanden ist oder künftig noch entstehen wird.

Die Beklagte beantragt,

wie erkannt.

Die Kläger beantragen,

die Widerklage abzuweisen.

Die Beklagte nimmt für sich unter dem Gesichtspunkt des Serienzeichens ihrerseits die Priorität in Anspruch.

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

Die Klage ist nicht begründet.

Die Widerklage hat mit den im Termin zur mündlichen Verhandlung gestellten Anträgen Erfolg.

Im Einzelnen:

I. Klage

Zwar genießt die Marke der Kläger gegenüber der Marke “D-Mail” der Beklagten Priorität. Auch sind die sich gegenüberstehenden Marken unzweifelhaft verwechslungsfähig, wovon auch die Parteien übereinstimmend ausgehen. Obwohl zudem die CD-ROM der Kläger mit dem Titel “D-Mail lite” früher als die entsprechende CD-ROM der Beklagten erschienen ist, diese somit auch von daher nicht die Priorität unter dem Gesichtspunkt des Titelschutzes gemäß § 15 MarkenG beanspruchen kann, liegen die besseren Rechte letztlich bei der Beklagten.

Im Januar 1996, dem Zeitpunkt des Erscheinens der CD-ROM der Kläger sowie ihrer Markenanmeldung, gab es bereits eine Reihe von CD-ROMs mit dem vorangestellten und in den Bundesfarben gehaltenen “D”. So waren unstreitig folgende Titel bereits auf dem Markt:

“D-Atlas” Auflage ca. 200.000 Stück “D-Steuer” Auflage ca. 40.000 Stück “D-Jure” Auflage ca. 100.000 Stück “D-Tarif” Auflage ca. 17.000 Stück.

Jedenfalls “D-Atlas”, “D-Steuer” und “D-Jure” waren bis zum Jahreswechsel 1995/1996 relativ erfolgreich und den interessenten Verkehrskreisen durchaus bekannt, wie sich aus der Auflagenzahl und den von der Beklagten vorgelegten Chartlisten aus dem Zeitraum bis Januar 1996 ergibt. Offenbleiben kann in diesem Zusammenhang, ob die Chartlisten – wie von den Klägern behauptet – nicht der Richtigkeit, nämlich der verkauften Auflage, entsprechen. Allein der Umstand, daß die “D”-Titel in den Chartlisten geführt werden, trägt zu Bekanntheit der Titel bei. Und nur dieses entnimmt die Kammer den vorgelegten Chartlisten.

In die Bewertung mit einzubeziehen ist auch die CD-ROM “D-Info” Version 1.0, die im Juni 1995 als erste der “D”-Titel auf den Markt gekommen ist und mit großem Erfolg verkauft wurde. Zwar wurde diese nicht von der Beklagten, sondern von der Firma TopWare PD-Service GmbH herausgegeben. Aufgrund des übereinstimmenden Firmennamens “Topware” sowie der übereinstimmenden einheitlichen Gestaltung des “D” stellen sich aber sämtliche bis Ende des Jahres 1995 herausgegebene Titel, nämlich “D-Info”, “D-Atlas”, “D-Steuer”, “D-Jure” und “D-Tarif” dem Verkehr als einheitliche Reihe oder Serie dar.

Dabei kann dahinstehen, ob das Serienzeichen “D” Markenschutz gemäß § 14 MarkenG genießt (vgl. allgemein dazu: Fezer, Markenrecht, § 14 Rdnr. 220 ff.). Dies erscheint nicht unproblematisch, da der allen Titeln gemeinsame Stammbestandteil “D” für sich genommen nicht kennzeichnungskräftig ist und deshalb nur über Verkehrsgeltung Markenschutz erlangen könnte. Jedenfalls ist es aber als unlauter im Sinne des § 1 UWG anzusehen, wenn die Kläger für ihre CD-ROM einen Titel wählen, der den gemeinsamen Stammbestandteil der “D”-Reihe praktisch identisch übernimmt. Ebenso wie die “D”-Reihe haben die Kläger ein in Großbuchstaben gehaltenes “D” vorangestellt und den nachfolgenden Titelbestandteil mit einem Bindestrich verbunden. Das “D” im Titel der Kläger ist zudem in rot gehalten und damit in einer der drei auch von der “D”-Reihe verwandten Farben.

Aufgrund dieser übereinstimmenden Gestaltungsmerkmale wird ein nicht unerheblicher Teil der angesprochenen Verkehrskreise wenn nicht einer unmittelbaren, jedenfalls aber mittelbaren Verwechslungsgefahr unterliegen und annehmen, zwischen den Parteien bestünden wirtschaftlich oder organisatorische Zusammenhänge. Auch lehnen sich die Kläger in wettbewerbswidriger Weise an den Erfolg der “D”-Reihe an. Dies gilt selbst dann, wenn den Klägern – wie behauptet – die Titel “D-Atlas” und “D-Jure” nicht bekannt gewesen sein sollten. Allein das Anlehnen an die erfolgreiche “D-Info” sowie die Titel “D-Steuer” und “D-Tarif” rechtfertigt es, das Verhalten der Kläger als wettbewerbswidrig einzustufen. Sie können daher nicht mit Erfolg gegen das weitere Serienzeichen der Beklagten “D-Mail” vorgehen. Der Beklagten ist es unbenommen, ihre “D”-Reihe durch weitere Titel zu ergänzen.

II. Widerklage

Die Widerklage ist zulässig und nach Maßgabe der im Termin zur mündlichen Verhandlung gestellten Anträge begründet.

2. Die Widerklage ist aus § 1 UWG in Verbindung mit § 242 BGB begründet.

Wie ausgeführt, haben die Kläger sich in wettbewerbswidriger Weise an die “D”-Reihe angelehnt. Die Beklagte kann daher gemäß § 1 UWG Unterlassung der Bezeichnung “D-Mail” beim Vertrieb von Software-Programmen sowie Löschung der Klagemarke verlangen.

Das Auskunfts- und Feststellungsbegehren sind aus § 1 UWG in Verbindung mit § 242 BGB begründet. Es entspricht der Lebenserfahrung, daß der Beklagten durch das wettbewerbswidrige Verhalten der Kläger ein Schaden entstanden ist, den sie allerdings erst nach Erteilung der begehrten Auskunft näher beziffern kann. Diesen Schaden haben die Kläger schuldhaft, zumindest fahrlässig, verursacht. Bei Anwendung der gehörigen Sorgfalt hätten sie ohne weiteres erkennen können, daß es bereits mehrere Titel mit dem übereinstimmend gehaltenen Bestandteil “D” auf dem Markt gibt.

Streitwert:

– Klage: DM 100.000,00

– Widerklage: DM 500.000,00.