LG Kleve: Werbung im Branchentelefonbuch ohne Angabe einer bestehenden Rufwahlumleitung in anderes Ortsnetz ist wettbewerbswidrig

Landgericht Kleve

Urt v. 24.09.2002 – Az.: 8 O 166/01

§§ 1,3 UWG

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

In dem Rechtsstreit

hat die 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Kleve auf die am 18. Juli 2002 geschlossene mündliche Verhandlung durch den Vorsitzenden Richter am Landgericht für Recht erkannt:

Der Beklagten wird bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu vollstrecken an den Geschäftsführern, untersagt, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs

1)auf Geschäftsbriefen, die an einen bestimmten Empfänger gerichtet sind, ausschließlich eine gebührenpflichtige Sondernummer als Kontaktadresse anzugeben, sofern nicht gleichzeitig die Rechtsform und der Sitz der Gesellschaft, das Registergericht des Sitzes der Gesellschaft und die Nummer, unter der die Gesellschaft in das Handelsregister eingetragen ist, sowie alle Geschäftsführer angegeben werden;
und/oder

2) in Branchenbüchern wie den „Gelben Seiten” mit einem
Eintrag für das eigene Leistungsangebot für eine bestimmte Gemeinde unter Angabe einer örtlichen Telefon-Nummer zu werben, sofern in der Gemeinde kein Büro oder keine Geschäftsniederlassung mit eigenem Personal eingerichtet ist oder, wenn nicht klargestellt wird,
dass der Telefonanruf an eine andere Gemeinde weiter-
geleitet wird.

Die Beklagte wird ferner verurteilt, an die Klägerin 176,06 (in Worten: Einhundertsechsundsiebzig 06/100 EURO) nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz nach § l des
Diskont-Überleitungs-Gesetzes vom 9. Juni 1998 seit dem 11. Juli 2001 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % der jeweils beizutreibenden Forderung vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

Der Kläger nimmt die Beklagte in Anspruch auf Unterlassung wettbewerbswidrigen Verhaltens. Die Beklagte betreibt einen Schlüsselnotdienst in… . Früher firmierte sie als…
durch Beschluss der Gesellschafterversammlung vom 10. August 2000 wurde die Firmenbezeichnung geändert in… . Sitz der Beklagten ist… , Niederlassungen in anderen Orten unterhält sie nicht.

Gleichwohl wirbt die Beklagte in den Branchenfernsprechbüchern 2001/2002 unter der Telefonbuch-Rubrik „Schlüssel und Schlösser” bundesweit in einer großen Vielzahl von Ortschaften – so u.a. in den Bezirken… – unter Angabe jeweils örtlicher Telefonnummern, mal mit 3, mal mit 5 „A.”, mal mit Zusatz „GmbH„, mal ohne diesen Zusatz, wie folgt für ihre Dienste:… oder…
Die Anrufe von Kunden, welche die angegebenen örtlichen Telefonnummern wählen, werden automatisch an ein „Call-Center” in… umgeleitet, das die Anrufe im Auftrage der Beklagten entgegennimmt und sodann seinerseits einen vertraglich an die Beklagte gebundenen Handwerker beauftragt, den Kunden aufzusuchen.

Die Kunden zahlen die von dem beauftragten Handwerker in Rechnung gestellten Leistungen jeweils bar/ per Scheck oder per „EC-Karte”. Die ihnen sofort erteilten Rechnungen nennen weder Namen noch Anschrift der Beklagten und enthalten auch keine sonstigen Angaben zur Identifizierung der Beklagten oder des in der Rechnung als „Monteur” bezeichneten Handwerkers. Genannt wird lediglich eine „0190-Telefonnummer” und der Hinweis, dass Anrufe zu dieser Nummer 363 Pf / Min kosten.
Nach entsprechenden Hinweis eines Kunden der Beklagten hat der Kläger die Beklagte mit Schreiben vom 27. Juni 2001 aufgefordert, eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben mit dem Inhalt,

es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs auf Geschäftsbriefen, die an einen bestimmten Empfänger gerichtet sind, ausschließlich eine gebührenpflichtige Sondernummer als Kontaktadresse anzugeben, sofern nicht gleichzeitig die Rechtsform und der Sitz der Gesellschaft, das Registergericht des Sitzes der Gesellschaft und die Nummer, unter der die Gesellschaft in das Handelsregister eingetragen ist sowie alle Geschäftsführer angegeben werden.

Dieser Aufforderung kam die Beklagte nicht nach. Der Kläger fordert nunmehr (342,40 DM =) 175,07 € als Ersatz seiner Kosten für diese Abmahnung. Wegen der Berechnung der Höhe dieser Forderung wird auf die Darstellung im Schriftsatz des Klägers vom 3. April 2002 Bezug genommen.

Der Kläger beantragt,

im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs

1) auf Geschäftsbriefen, die an einen bestimmten Empfänger gerichtet sind, ausschließlich eine gebührenpflichtige Sondernummer als Kontaktadresse anzugeben, sofern nicht gleichzeitig die Rechtsform und der Sitz < werden; angegeben Geschäftsführer alle sowie ist, eingetragen Handelsregister das in Gesellschaft die der unter Nummer, und Sitzes des Registergericht Gesellschaft,

und/oder

2)in Branchenbüchern wie den… einem Eintrag für das eigene Leistungsangebot für eine bestimmte Gemeinde unter Angabe einer örtlichen Telefon-Nummer zu werben, sofern in der Gemeinde kein Büro oder keine Geschäftsniederlassung mit eigenem Personal eingerichtet ist oder, wenn nicht klargestellt wird, dass der Telefonanruf an eine andere Gemeinde weitergeleitet wird.

3) an den Kläger 176,06 € nebst 5 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 11. Juli 2001 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie bestreitet die Klagebefugnis des Klägers.
Sie trägt vor, es entziehe sich ihrer Kenntnis, in welcher Form die von ihr vermittelten Handwerker (hier der Zeuge… aus…) ihre Rechnungen erteilten. Warum der Zeuge… seine Rechnungsgestaltung wie geschehen vorgenommen habe, sei dessen Entscheidung vorbehalten gewesen; jedenfalls könne dessen Rechnungsgestaltung der Beklagten nicht angelastet werden. „Dem Call-Center” seien selbständige Schlüsselnotdienste angeschlossen, welche gegenüber den Kunden eigenverantwortlich tätig würden und abrechneten.
Die Beklagte behauptet, bei jedem Anruf eines Kunden des Schlüsselnotdienstes werde er von dem Call-Center darüber aufgeklärt, dass es vor Ort keine Niederlassung der Beklagten gebe, also Fahrtkosten anfielen.
Die Beklagte ist der Ansicht, anhand einer Vielzahl ähnlicher Werbeeinträge in die Branchenfernsprechbücher… ergebe sich die Üblichkeit solcher Werbung und leitet daraus seine Berechtigung zu entsprechender Werbung her.

Schließlich bestreitet die Beklagte die Angemessenheit der für die Abmahnung geltend gemachten Kosten. Wegen weiterer Einzelheiten des wechselseitigen Vertrages wird Bezug genommen auf die Schriftsätze nebst Anlagen, die die Parteien zu den Gerichtsakten gereicht und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht haben.
Gemäß Beweisbeschluss vom 14. Juni 2002 hat die Kammer Beweis erhoben. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die darüber erstellte Niederschrift Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig. An der umfassenden Klagebefugnis des Klägers zur Bekämpfung unlauterer Wettbewerbshandlungen bestehen nach ständiger Rechtsprechung (auch der Kammer) keine Bedenken (vgl. Baumbach/Hefermehl „Wettbewerbsrecht” 22. Aufl. UWG Einl. Rn. 36).

Die Klage ist in vollem Umfang begründet.

Der geltend gemachte Anspruch auf Unterlassung der beschriebenen Telefonbuchwerbung ergibt sich aus § 3 UWG, denn mit dieser Werbung führt die Beklagte die interessierten Verbraucherkreise im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs über die Beschaffenheit ihrer gewerblichen Leistungen in die Irre. Zur Beschaffenheit einer gewerblichen Leistung gehören alle ihr innewohnenden tatsächlichen und rechtlichen Eigenschaften, nämlich alles das, was nach der Auffassung des Verkehrs für die Würdigung einer Leistung von Bedeutung ist (vgl. Baumach/Hefermehl a.a.O. UWG § 3 Rn. 124).
Der in Not geratene Verbraucher, der der Hilfe eines Schlüsseldienstes bedarf, erwartet, unter der angegebenen Telefonnummer aus seinem Ortsnetz einen am Ort ansässigen Schlüsseldienst zu erreichen, dem er wegen der Eilbedürftigkeit, der Ortskenntnis und zum Zwecke der Vermeidung unnötiger Fahrtkosten in aller Regel den Vorzug vor einem auswärtigen Mitbewerber oder gar Vermittler geben wird. Auch einen Vermittler wird der Kunde in der Regel nur bemühen, wenn er unmittelbar keinen Schlüsselnotdienst erreichen kann.
Zur Beurteilung dieser Zusammenhänge bedurfte die Kammer nicht sachverständiger Unterstützung, weil auch ihr Vorsitzender zu dem mit der Werbung angesprochenen Verbraucherkreis gehört.
Diese Zusammenhänge ließen geschäftlichen Erfolg der Beklagten nicht zu, wenn sie unter einer Telefonnummer aus dem Ortsnetz… mit entsprechender Vorwahlnummer Werbung betriebe. Geschäftsidee und Erfolgsgrundlage der Beklagten ist mithin die vorsätzliche Irreführung der angesprochenen Verbraucherkreise.
Dabei ist es unerheblich, ob die Behauptung der Beklagten zutrifft, das Call-Center, welches – ebenfalls unter maßgeblichem Einfluss des Gesellschafters der Beklagten, Herrn…- insoweit ihre Aufgaben übernimmt, informiere die Kunden stets über die genannten Umstände. Nachträgliche Aufklärung über irreführende Werbung modifiziert nämlich nicht deren rechtswidrigen Inhalt.
Unerheblich ist auch der Vortrag der Beklagten, aus einer Vielzahl ähnlicher Werbeeinträge in die Branchenfernsprechbucher… ergebe sich die Üblichkeit solcher Werbung. Rechtswidrige, weil irreführende Werbemaßnahmen werden auch nicht rechtmäßig, wenn die Behauptung der Beklagten zur Üblichkeit zuträfe.
Der auf Unterlassen fehlerhafter Rechnungserteilung gerichtete Anspruch ergibt sich aus § l UWG i.V.m. § 35a GmbHG. Rechnungen sind Geschäftsbriefe im Sinne des § 35a GmbHG (vgl. Baumbach/Hueck „GmbH-Gesetz” 16. Aufl. § 35 a GmbHG Rn. 7). Auf allen Geschäftsbriefen, die an einen bestimmten Empfänger gerichtet werden, müssen Rechtsform und Sitz der Gesellschaft, das Registergericht des Sitzes der Gesellschaft und die Nummer, unter der die Gesellschaft in das Handelsregister eingetragen ist, sowie alle Geschäftsführer angegeben werden.
Die Rechnungen, welche auf Grund der Leistungen der Beklagten erteilt werden, enthalten nicht eine einzige dieser Angaben. Diese Rechnungen sind Rechnungen der Beklagten. Unwahr ist ihr Vortrag, es entziehe sich ihrer Kenntnis, in welcher Form die von ihr vermittelten Handwerker ihre Rechnungen erteilten. Das sei vielmehr der Entscheidung jedes Handwerkers vorbehalten; jedenfalls könne deren Rechnungsgestaltung der Beklagten nicht angelastet werden.
Die örtlichen Schlüsselnotdienste seien nämlich selbständig, würden gegenüber den Kunden eigenverantwortlich tätig und rechneten eigenverantwortlich ab. Auf Grund der Beweisaufnahme steht im Gegensatz zu der Darstellung der Beklagten fest, dass die örtlichen Handwerker, welche in den Rechnungsformularen als „Monteure” bezeichnet werden, in nahezu völliger Abhängigkeit von der Beklagten tätig werden, insbesondere aber deren zuvor beschriebenen Rechnungsformulare zu benutzen haben.
Die Kammer hat keinen Zweifel, dass die Aussage des Zeugen…, er habe die Rechnungsformulare von der Beklagten erhalten und müsse diese in vorgeschriebener Weise verwenden, der Wahrheit entspricht, zumal sich Rudimente der Firmenbezeichnung der Beklagten auf den Rechnungsformularen wiederfinden und der bei der Vernehmung anwesende Geschäftsführer der Beklagten den Angaben des Zeugen nicht widersprochen hat.
Auf Grund der Erklärungen des Geschäftsführers der Beklagten, die anderen Schlüssel-notdienste, die für „das Call-Center” arbeiten, seien mit der Beklagten in ähnlicher Weise verbunden, wie der Zeuge…, steht ferner fest, dass diese Rechnungsformulare im gesamten Geschäftsbereich der Beklagten benutzt werden.

Handelt es sich daher bei den im Zusammenhang mit dem Geschäftsbetrieb der Beklagten ausgestellten Rechnungen um Rechnungen der Beklagten, so ist sie es, die fortlaufend gegen die oben zitierte Verpflichtung aus § 35a GmbHG verstößt.
Dieser Verstoß ist zugleich ein Verstoß gegen § l UWG und begründet einen entsprechenden wettbewerblichen Unterlassungsanspruch, denn gemäß § l UWG kann auf Unterlassung in Anspruch genommen werden, „wer im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs Handlungen vornimmt, die gegen die guten Sitten verstoßen.”
Rechnungserteilungen durch Kaufleute erfolgen stets im „geschäftlichen Verkehr”, und Gesetzesverstöße (hier Verstöße gegen § 35a GmbHG) sind begriffsnotwendig stets auch Verstöße gegen die guten Sitten.

Mit dem Verstoß gegen § 35a GmbHG verfolgte die Beklagte auch Wettbewerbszwecke, nämlich das Ziel, sich gegenüber gesetzestreuen Mitbewerbern Wettbewerbsvorteile zu verschaffen. Einer dieser Vorteile besteht in der zusätzlichen Einnahme durch die bei Anruf zu entrichtenden Telefonkosten von 363 Pf/Min.
Die Idee, Kunden nur die Möglichkeit zu geben, unter Einsatz erheblicher finanzieller Mittel Mängel handwerklicher Leistungen zu reklamieren, setzen seriöse Kaufleute nicht um. Diesen gegenüber hat die Beklagte einen finanziellen, also auch wettbewerblichen Vorteil, sei es durch entsprechende Einnahmen, durch welche der Betrieb (die Inanspruchnahme) des Call-Centers jedenfalls mitfinanziert wird, sei es dadurch, dass Kunden angesichts der für den Fall einer Reklamation angedrohten Telefonkosten auf berechtigte Reklamationen verzichten.

Darüber hinaus verschafft die Beklagte sich durch ihre rechtswidrige Rechnungserstellung die Möglichkeit, sich verleugnen zu lassen, denn Name und Anschrift sind nur mit Willen der Beklagten oder des unter ihrem Einfluss stehenden Call-Centers in Erfahrung zu bringen. Auch so hat die Beklagte die Möglichkeit, sich berechtigten Reklamationen zu entziehen und damit im Verhältnis zu seriösen Mitbewerbern wettbewerbliche Vorteile zu verschaffen.
Die Beklagte vermisst hinsichtlich der ihr vorgehaltenen Verstöße die Darlegung der Wiederholungsgefahr. Diese aber wird bei bereits begangenem Wettbewerbsverstoß stets vermutet, so dass es der Beklagten oblegen hätte, die Vermutung auszuräumen (vgl. Baumbach/Hefermehl a.a.O. UWG Einl. Rn 263 m.w.N.). Stattdessen hat sie die Wiederholungsvermutung als zutreffend bestätigt, hält sie ihr Gesamtverhalten doch nach wie vor für rechtmäßig, so dass auch deswegen zu vermuten ist, sie werde es – ohne gerichtliches Verbot – wiederholen.
Der geltend gemachte Zahlungsanspruch folgt, wie vom Kläger vorgetragen, dem Grunde nach aus §§ 863, 670 BGB (vgl. Baumbach/Hefermehl a.a.O. UWG Einl. Rn. 554 f.). Die nachvollziehbar vorgetragene Höhe der durchschnittlichen Aufwendungen des Klägers für eine Abmahnung macht die Kammer sich im Wege der Schadensschätzung gemäß § 287 Abs. II ZPO zu eigen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs.1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 ZPO.