(Pressestelle für Zivilprozeß – 25.05.2000)
Vollständiger Text des Urteils der 3. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main vom 25.05.2000 (Az. 2-3 O 230/00)
Tenor:
Der Beschluß – einstweilige Verfügung vom 18.04.2000 – wird aufgehoben.
Der Antrag vom 18.04.2000 wird zurückgewiesen.
Der Verfügungskläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Der Verfügungskläger kann die Vollstreckung der Verfügungsbeklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von DM 2.000,00 abwenden, sofern nicht die Verfügungsbeklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Die jeweilige Sicherheit darf auch durch selbstschuldnerische, unbefristete und unwiderrufliche Bürgschaft eines als Zoll- oder Steuerbürge zugelassenen Kreditinstituts erbracht werden.
Tatbestand
Der Verfügungskläger – im folgenden als Kläger bezeichnet – ist ein in Frankfurt a.M. domizilierender Rechtsanwalt. Die Verfügungsbeklagte – nachfolgend Beklagte – betreibt in Frankfurt a.M. einen Abschleppdienst.
Am 09.04.2000 schleppte die Beklagte im Auftrag der Stadt Frankfurt a.M. das Kraftfahrzeug einer Frau O. ab und brachte es auf ihr Betriebsgelände. Das Fahrzeug hatte im Halteverbot gestanden. Als Frau O. dort ihr Fahrzeug abholen wollte, machte die Beklagte die Herausgabe davon abhängig, daß zuvor die Abschleppkosten von DM 312,70 und eine Verwaltungsgebühr von DM 60,– bezahlt würden. Frau O. zahlte unter Protest und erhielt dann ihr Fahrzeug ausgehändigt.
Der Kläger sieht in diesem Verhalten der Beklagten einen Verstoß gegen das Rechtsberatungsgesetz. Die Beklagte stehe mit ihrer Tätigkeit in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis zum Kläger. Grundsätzlich sei die gerichtliche und außergerichtliche Geltendmachung von Forderungen gegen säumige Schuldner dem Rechtsanwalt vorbehalten. Die Beklagte mache im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs Ansprüche Dritter im eigenen oder fremden Namen geltend. Die Beklagte besitze die nach dem Rechtsberatungsgesetz erforderliche Erlaubnis nicht. Bei dem geschilderten Fall vom 09.04.2000 handele es sich um keinen Einzelfall, so daß Wiederholungsgefahr bestehe. Zudem habe die Beklagte auf ein Abmahnschreiben vom 11.04.2000 nicht reagiert.
Gegen die Beklagte ist eine einstweilige Verfügung vom 18.O4.2000 ergangen. Durch diesen Beschluß ist es der Beklagten unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel untersagt worden, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs Ansprüche Dritter im eigenen oder fremden Namen gegen Eigentümer, Halter oder Fahrer von Kraftfahrzeugen geltend zu machen, die darauf beruhen, daß die Beklagte diese Kraftfahrzeuge im Auftrag eines Dritten abschleppt, weil sie im öffentlichen Straßenverkehr behindernd abgestellt sind .
Gegen diese Beschluß-Verfügung richtet sich der Widerspruch der Beklagten.
Der Kläger verfolgt sein bisheriges Vorbringen weiter und vertieft es. Er beschränkt seinen Antrag auf den Stadtbezirk Frankfurt a.M. .
Der Kläger beantragt,
die einstweilige Verfügung – Beschluß vom 18.04 .2000 – zu bestätigen.
Die Beklagte beantragt,
die vorgenannte Verfügung aufzuheben und den Antrag auf ihren Erlaß zurückzuweisen.
Die Beklagte ist der Ansicht, ihr sei die Befugnis, hoheitlich für die Stadt Frankfurt a.M. tätig zu werden, durch § 43 Abs.3 Satz 5 HSOG erteilt worden. Überdies handelt es sich bei ihrer Tätigkeit nicht um die Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten im Sinne des Rechtsberatungsgesetzes, weil sie als Private an der Erfüllung hoheitlicher Aufgaben beteiligt werde. Darüberhinaus fehle es an einem Wettbewerbsverhältnis zwischen den Parteien.
Wegen des Vorbringens der Parteien im einzelnen wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze und überreichten Unterlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Auf den Widersprach der Beklagten war die einstweilige Verfügung der Kammer vom 18.04.2000 auf ihre Rechtmäßigkeit hin zu prüfen. Diese Überprüfung führte dazu, sie aufzuheben und den Antrag auf ihren Erlaß zurückzuweisen.
Dem Kläger steht der geltend gemachte Verfügungsanspruch nicht zu.
Es geht im vorliegenden Falle nicht darum, ob es sich um eine unerlaubte Rechtsberatung handelt, wenn ein Abschleppunternehmer im Auftrage eines p r i v a t e n Dritten ein fremdes Fahrzeug vom P r i v a t g e l ä n d e abschleppt, auf seinem Firmengelände verwahrt und die Herausgabe davon abhängig macht, daß zuvor die dem privaten Dritten entstandenen Kosten bezahlt werden. Eine solche Inkassotätigkeit mag unerlaubte Rechtsberatung sein, wenn der Abschleppunternehmer hierfür keine besondere Erlaubnis besitzt (vgl. OLG München NJW 2000, 1347).
Im vorliegenden Falle geht es hingegen um das Abschleppen von Kraftfahrzeugen die im ö f f e n t l i c h e n Straßenverkehr behindernd abgestellt sind. Der vom Kläger konkret erwähnte Fall betraf ein Kraftfahrzeug, das in Frankfurt a.M. im Halteverbot abgestellt war und das die Beklagte im Auftrag der S t a d t F r an k f u r t a. M. abschleppte. In einem solchen Falle liegt – jedenfalls für den Bereich des Landes Hessen – keine unerlaubte Rechtsberatung vor, wenn die Beklagte die Herausgabe des Fahrzeugs davon abhängig macht, daß zuvor die Abschleppkosten und die Verwaltungsgebühr bezahlt werden. Ob für andere Bundesländer etwas anderes gilt, weil dort andere landesgesetzliche Regelungen gelten, braucht nicht entschieden zu werden. Der Kläger hat seinen Antrag nunmehr eindeutig auf den Stadtbezirk Frankfurt a.M. beschränkt. Deshalb sind die für Nordrhein-Westfalen oder Bayern ergangenen Entscheidungen ( OLG Bamberg NJW 1996, 854; OLG Düsseldorf NZV 1999, 299 ) auf den hier maßgeblichen Bereich des Landes Hessen nicht ohne weiteres übertragbar.
Die Beklagte kann sich zu ihrer Rechtfertigung auf das Hessische Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung ( HSOG ) berufen. Nach § 8 Abs. 1 HSOG können die Gefahrenabwehr- und Polizeibehörden unter bestimmten Umständen eine Maßnahme durch eine beauftragte dritte Person unmittelbar ausführen. Diese Vorschrift besitzt vor allem für das Abschleppen verkehrswidrig abgestellter Fahrzeuge durch private Abschleppunternehmen im Auftrag der Behörde praktische Bedeutung (Meixner, HSOG, 8. Auflage, § 8 RN 1). Gemäß § 43 Abs. 3 Satz 5 HSOG kann die dritte Person, welcher die Verwahrung übertragen worden ist, ermächtigt werden, Zahlungen der voraussichtlichen Kosten für die Gefahrenabwehr- oder Polizeibehörde in Empfang zu nehmen. Das sonach erlaubte Zurückbehaltungsrecht – das heißt, das Fahrzeug nur Zug um Zug gegen Zahlung herauszugeben – kann im Auftrag der Behörde auch von der dritten Person, der die Verwahrung der sichergestellten Gegenstände übertragen worden ist, geltend gemacht werden ( BayObLG BayVBl. 1992, 443 ). So liegt der Fall hier. Der Vertrag zwischen der Stadt Frankfurt a.M. und der Beklagten verpflichtet die Beklagte, von dem Betroffenen die Bezahlung der Kosten zu verlangen und entgegenzunehmen (vgl. Huppertz, Anm. zu OLG Düsseldorf NZV 1999, 299, 300 ). Die Beklagte darf deshalb die Herausgabe der von ihr im Auftrag der Behörde abgeschleppten Fahrzeuge verweigern, solange sie nicht wegen ihrer Abschlepp- und Standkosten sowie der Verwaltungsgebühr Bezahlung erhalten hat.
Auch aus einem zweiten Grunde liegt keine unerlaubte Rechtsberatung vor. Die Beteiligung eines Privaten an der Erfüllung hoheitlicher Verwaltungsaufgaben fällt nicht unter den Begriff der Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten ( OLG Stuttgart NJW-RR 1988, 678; Rennen-Caliebe, Rechtsberatungsgesetz, 2. Auflage, Art. 1 § 1, Rn 10 ). Das Rechtsberatungsgesetz regelt nicht die Beteiligung Privater an der Erfüllung hoheitlicher Aufgaben durch einen Träger der öffentlichen Verwaltung; es umfaßt vielmehr nur die Besorgung von Rechtsangelegenheiten Privater durch Private. Die Kammer schließt sich in vollem Umfang der Begründung des vorstehend zitierten Urteils an. Weder nach Wortlaut noch Sinn und Zweck des RBerG liegt deshalb im gegebenen Falle ein Verstoß gegen dieses Gesetz vor. Träger öffentlicher Verwaltung, die Private an der Erfüllung hoheitlicher Aufgaben beteiligen wollen, bedürfen des Schutzes durch das RBerG nicht. Sie sind – anders als der einzelne Rechtssuchende – durchaus in der Lage, sich qualifizierte Helfer auszusuchen. Wie der Erlaß des Hessischen Ministeriums des Innern vom 15.02.1998 ( Staatsanzeiger S. 644 ) zeigt, sollen bei der Auftragsvergabe an private Abschleppunternehmen durch die Behörde z.B. auch Erkenntnisse hinsichtlich der Preisgestaltung berücksichtigt werden.
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 708 Nr.6, 711, 108 ZPO.