LG Frankfurt: “Inmotion” – vermeintliches Domaingrabbing

Landgericht Frankfurt am Main

Im Namen des Volkes

Urteil

Verkündet am 11. Oktober 2000

3/11 O 144/00

In dem einstweiligen
Verfügungsverfahren

*

Verfügungsklägerin

g e g e n

*

Verfügungsbeklagte

Verfahrensbevollmächtigter: RA Boris Hoeller –
Meckenheimer Allee 82, 53115 Bonn

wegen: Domainstreit

hat das Landgericht Frankfurt am Main – 11. Kammer für
Handelssachen durch Richter am Landgericht
Dr. S* – als Vorsitzender – auf Grund der
mündlichen Verhandlung vom 06.10.2000

für R E C H T erkannt

1.Die einstweilige Verfügung der Kammer vom
04.08.2000 wird aufgehoben, der Antrag auf
ihren Erlaß wird zurückgewiesen.
2.Die Verfügungsklägerin hat die Kosten des
Eilverfahrens zu tragen.
3.Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4.Die Verfügungsklägerin kann die Vollstreckung
durch Sicherheitsleistung in Höhe von
5.700,– DM abwenden, wenn nicht die
Verfügungsbeklagte vor der Vollstreckung Sicherheit
in gleicher Höhe leistet.

T a t b e s t a n d

Die Verfügungsklägerin ist ein Unternehmen, das unter
ihrer Firmenbezeichnung “IN-motion AG”
Fernseh- und Kinofilme sowie Musik produziert. Das
Unternehmen ist an der Börse notiert und 1998 ins
Handelsregister eingetragen worden. Die
Verfügungsklägerin ist darüber hinaus Inhaberin der am
27.04.1999 eingetragenen Marke “inmotion”.

Die Verfügungsbeklagte ist Inhaberin der Domain
“in-motion.de” und “inmotion.de”. Bei Aufruf dieser
Domains wird der Interessent ausschließlich und
automatisch weitergeleitet auf die Homepage des
Vereins ‘Drogenberatung eV Bielefeld”. Dieser Verein hat
eine weitere Hompage unter der Domain
“inmotion-bielefeld.de” und betreibt seit Anfang 1998
ein Drogenprogramm unter dem Projektnamen
“INMOTION”.

Vorprozessual unterbreitete die Verfügungsklägerin dem
Verein ein Kaufangebot über 50.000,– DM.

Die Verfügungsklägerin erwirkte eine einstweilige
Verfügung der Kammer vom 04.08.2000, wonach
der Verfügungsbeklagten untersagt wurde, die Bezeichnung
“inmotion” insbesondere als
Internet-Domain mit verschiedenen Toplevels zu benutzen.

Hiergegen wendet sich die Verfügungsbeklagte mit ihrem
eingelegten Widerspruch.

Die Verfügungsklägerin ist der Ansicht, es handele sich
vorliegend um eine typischen Fall von
“Domain-Grabbing”. Ein Interesse der Verfügungsbeklagten
an der Domain sei nicht ersichtlich.
Dementsprechend habe die Verfügungsbeklagte ihr
vorprozessual den Verkauf der Domain zu eine
sechsstelligen Betrag angeboten. Hierzu legt sie
eidesstattliche Versicherungen vor.

Die Verfügungsklägerin beantragt,

die einstweilige Verfügung aufrechtzuerhalten.

Die Verfügungsbeklagte beantragt,

die einstweilige Verfügung aufzuheben und den Antrag
auf ihren Erlaß zurückzuweisen.

Sie ist der Ansicht, sie habe das prioritätsbessere
Namensrecht. Die Bezeichnung sei nicht im
geschäftlichen Verkehr verwendet worden, eine
markenrechtliche Verwechselungsgefahr bestehe nicht.
Die von der Verfügungsklägerin vorgelegten
eidesstattlichen Versicherungen seien falsch, insoweit legt
sie eine eigene eidesstattliche Versicherung vor.
Hinsichtlich des Toplevels “com” fehle es zudem an
einer Begehungs- und/oder Wiederholungsgefahr.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

Auf den Widerspruch der Verfügungsbeklagten hin war die
einstweilige Verfügung der Kammer
aufzuheben.

Die Verfügungsklägerin hat keinen Anspruch auf
Untersagung der Benutzung der beanstandeten
Bezeichnungen.

Ein derartiger Anspruch ergibt sich nicht aus §§ 4, 14
MarkenG. Zwar ist davon auszugehen, daß die
Verfügungsbeklagte die Kennzeichnung im geschäftlichen
Verkehr verwendet hat, da sie selbst
keinerlei Vereins- oder Verbandstätigkeit mit rein
ideeller Zielsetzung entfalte. Auch kann die
Ähnlichkeit der Marke mit dem Kennzeichen bejaht werden.
Dies gilt auch, wenn man – wie teilweise
vertreten wird – höhere Anforderungen an die Ähnlichkeit
von Bezeichnungen im Internet stellt. Jedoch
ist eine Ähnlichkeit der angebotenen Waren oder
Dienstleistungen nicht festzustellen. Die
Verfügungsklägerin produziert Filme und Musik, die
Verfügungsbeklagte exportiert Waren aller Art. Die
Kammer teilt insofern die Auffassung der herrschenden
Meinung, daß es bei dem Schalten einer
Homepage im Internet auf die dahinterstehenden Waren
oder Dienstleistungen und nicht auf die
Homepage selbst ankommt, da letztere gerade keine Waren
oder Dienstleistung darstellt, sondern nur
als Adresse anzusehen ist (vgl. OLG Frankfurt WRP 2000,
772 – alcon.de; OLG Hamm NJW-RR 1999,
631 – pizza.direkt.de; LG München 1 CR 1997, 540
freundin.de; LG Hamburg CR 1999, 47 – eltern.de;
Apel/Große-Ruse, WRP 2000, 816 f. m. w. N.; anderer
Ansicht LG Düsseldorf NJW-RR 1998, 997 –
epson.de). Die Voraussetzungen des § 14 Abs. 2 Ziffer 3
MarkenG sind nicht dargetan.

Auch ein Anspruch aus §§ 5 Abs. 2, 15 Abs. 2 MarkenG
scheidet aus. Der Bestandteil INmotion stellt
als schlagwortartiger Hinweis den eigentlich
kennzeichnenden Teil dar und ist deshalb als geschäftliche
Bezeichnung geschützt. Jedoch kann auch hier
entsprechend den obigen Ausführungen nicht von einer
durch Branchennähe bedingten Verwechselungsgefahr
gesprochen werden.

Des weiteren ist ein Anspruch nach § 12 BGB unter dem
Gesichtspunkt der Namensleugnung nicht
gegeben. Grundsätzlich sind zwar die Voraussetzungen
dieser Anspruchsgrundlage gegeben. Nach
herrschender Meinung jedoch geht, soweit es sich um die
spezifische Benutzung von
Unternehmenskennzeichnungen im geschäftlichen Verkehr
handelt, die Reichweite des § 12 BGB im
allgemeinen nicht über den speziellen Markenschutz der
§§ 4, 5, 14, 15 MarkenG hinaus (OLG
Frankfurt WRP 2000, 772 – alcon.de; Ingerl-Rohnke,
MarkenG, Rdnr. 5 nach § 15 m. w. N.).

Ausnahmsweise kann eine nach § 12 BGB relevante
Interessenverletzung auch ohne
Verwechselungsgefahr im Sinne der markenrechtlichen
Spezialnorm vorliegen, wenn ein berechtigtes
Interesse des Domain-Inhabers an der Reservierung der
Domain nicht ersichtlich ist (vgl. OLG Frankfurt
WRP 2000, 772 – alcon.de; LG Frankfurt CR 1997, 387; LG
Lüneburg CR 1997, 288). Davon kann
vorliegend jedoch nicht ausgegangen werden. Die
Verfügungsbeklagte hat hinreichend dargetan und
glaubhaft gemacht, daß die Domain für den Verein
Drogenberatung eV in Bielefeld freigehalten wird.
Zwar hat dieser Verein – davon geht die Kammer aus einen
nur regional begrenzten Wirkungskreis. Es
ist jedoch nicht zu beanstanden, wenn der Verein über
die Verfügungsbeklagte generell das
Kennzeichen “inmotion” als Internetadresse verwendet.
Auch hat die Verfügungsbeklagte durch
Vorlage der eidesstattlichen Versicherungen des P* S*
und der E* St* glaubhaft gemacht, daß dieses
Interesse des Vereins tatsächlich besteht. Dem steht
weder die von der Verfügungsklägerin vorgelegte
eidesstattliche Versicherung des R* Sw* noch das
Schreiben der Drogenberatung Bielefeld vom
12.07.2000 entgegen. Zwar mag es darüber hinaus
ungewöhnlich sein, daß ein Unternehmen eine
Homepage ausschließlich dafür verwendet, um einem
gemeinnützigen Verein ein Forum zu bieten.
Jedoch kann nach den obigen Ausführungen nicht davon
ausgegangen werden, daß dies eine reine
Schutzbehauptung der Verfügungsbeklagten darstellt.

Ferner hat die Verfügungsklägerin auch keinen Anspruch
aus § 826 BGB, da eine sittenwidrige
Schädigung der Verfügungsklägerin nicht dargetan ist
(vgl. dazu auch OLG Frankfurt WRP 2000, 646,
Weideglück). Bereits aus den obigen Ausführungen ergibt
sich, daß die Verfügungsbeklagte und die
Drogenberatung Bielefeld ein nachvollziehbares eigenes
Interesse an der Aufrechterhaltung der
Domain besitzen. Ein gegenteiliges Indiz läßt sich auch
aus der Behauptung der Verfügungsklägerin,
der Prokurist der Verfügungsbeklagten habe einen Verkauf
für einen sechsstelligen Betrag in Aussicht
gestellt, nicht entnehmen. Zum einen kann eine derartige
Verkaufsabsicht ohnehin nur ein Indiz
darstellen. Zum anderen stehen sich diesbezüglich die
von beiden Parteien vorgelegten
eidesstattlichen Versicherungen in diesem Punkt
diametral gegenüber, ohne daß die Kammer einer
Seite ein größeres Gewicht beimessen könnte.

Letztlich kommt auch ein Anspruch aus § § 1, 13 Abs. 2
UWG nicht in Betracht. § § 14, 15 MarkenG
stellen, soweit es sich um die markenrechtliche
Beurteilung handelt, abschließende Regelungen dar,
die nicht über die Generalklausel des § 1 UWG
ausgehebelt werden können (BGH GRUR 1999, 161,
162 – Mac Dog). Darüber hinaus ist es zwar m öglich, daß
§ 1 UWG unter dem Gesichtspunkt der
Behinderungsabsicht in Fällen wie dem hier vorliegenden
gegeben ist. Dies ist jedoch hier nicht der
Fall, da die Parteien bereits nicht als Wettbewerber
angesehen werden können.