LG Braunschweig: FTP-Explorer

LG Braunschweig

Urteil vom 08.11.2000

9 O 1741/00 (274)

FTP-Explorer

BGB §§ 683 Satz 1, 677, 670; MarkenG § 14 Abs. 5,
Abs. 2 Nr. 2

Die Einschaltung eines Rechtsanwaltes ist bei der
Abmahnung wegen eines
unbefugten Gebrauchs der Marke “Explorer”
aufgrund einer Linksetzung auf eine FTP-Explorer-Software
erforderlich, wenn es maßgeblich
darauf ankommt, daß eine gesonderte Prüfung durch einen
sachlich und rechtskundigen Rechtsanwalt stattfindet, der
den
einzelnen
Verletzungsfall eingehend untersucht. Dabei ist
es nicht maßgeblich, daß Abmahnschreiben bereits für eine
Vielzahl
möglicher Verletzungsfälle
vorformuliert sind, da es lediglich maßgeblich
darauf ankommt, daß die
eingehende Prüfung durch einen Rechtsanwalt, eine
Abmahnung in einem Einzelfall rechtfertigt.

Tatbestand

Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen Erstattung
von
Abmahnkosten in Anspruch. Die Klägerin ist
Inhaberin der am
22.9.1995 angemeldeten und am 17.11.1995
eingetragenen
deutschen Wortmarke “Explorer”. Ausweislich des
vor dem
Oberlandesgericht München am 14.11.1996
geschlossenen
Vergleichs hat die Klägerin dem amerikanischen
Software-Hersteller
Microsoft die Nutzung der Marke “Explorer” gegen
ein Entgelt
gestattet (Bl. 40 bis 43 d.A.). Die Beklagte ist
Inhaberin der
Internet-Domain “www. … .de”. Unter dieser
Domain wird diverse
Software zum Download angeboten. Unter der
Adresse “www. …
.de/Hilfe/hilfefr.htm” wurde am 8. März 2000 ein
Download der
“FTP-Explorer”-Software angeboten. Die
FTP-Explorer-Software
konnte direkt von der Internetseite der Beklagten
heruntergeladen
werden. Es befand sich auf der Internetseite kein
Link auf eine
fremde Internetseite.

Mit Schreiben vom 13.3.2000 wurde die Beklagte
zur Abgabe einer
Unterlassungserklärung und der Angabe der
Vorlieferanten bis zum
20.3.2000 aufgefordert. Ferner forderte die
Klägerin die Beklagte in
dem Schreiben auf, die beigefügte Kostenrechnung
für die
Abmahnung bis zum 20.3.2000 zu begleichen. Die
Kostenrechnung
vom 13. März 2000 (Bl. 36 d.A.) ist nach einem
Gegenstandswert von
100.000,– DM und einer 7,5/10 Geschäftsgebühr
berechnet. Der
Rechnungsbetrag beläuft sich auf 1.633,80 DM ohne
Mehrwertsteuer.

Die Beklagte unterzeichnete am 20.3.2000 die
Unterlassungserklärung. Ein Ausgleich der
Kostenrechnung erfolgte
jedoch nicht. Die Klägerin ist der Ansicht, daß
ihr ein Anspruch auf
Erstattung der Abmahnkosten zusteht. Der Hinweis
auf der
Internetseite der Beklagten bezüglich der
Download-Möglichkeit der
FTP-Explorer-Software stelle eine
Markenverletzung dar mit der
Folge, daß die Abmahnung berechtigt gewesen sei.

Sie beantragt daher,

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin
1.633,80 DM
zuzüglich 7,5% Zinsen ab Zustellung des
Mahnbescheids
(24.5.2000) zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie ist der Ansicht, daß der Klägerin kein
Anspruch auf Erstattung der
Abmahnkosten zustehe, weil keine
Verletzungshandlung im Sinne
des § 14 Markengesetz vorliege. Zum einen handele
es sich bei dem
Hinweis auf die Downloadmöglichkeit des Programms
FTP-Explorer
auf der Internetseite der Beklagten nicht um ein
Handeln im
geschäftlichen Verkehr, weil die Beklagte damit
keine Werbung oder
Absatzförderung bezweckt habe. Der Hinweis auf
das Programm sei
zur Verbraucheraufklärung verwendet worden. Im
übrigen habe die
klägerische Marke keine Kennzeichnungskraft.
Ferner fehle es an
einer Nutzung der Marke durch die Klägerin.
Hinsichtlich der
Abmahnkosten wendet die Beklagte ein, daß es für
die Abmahnung
einer Einschaltung eines Rechtsanwaltes nicht
bedurft hätte. Dies
folge daraus, daß die Abmahnung wortgleich mit
anderen vielen
Abmahnungen, die die Klägerin gegen andere Firmen
wegen des
Hinweises auf den FTP-Explorer im Internet
geschrieben hat. Im
übrigen sei im Hinblick auf diese massenmäßige
Absetzung von
Abmahnungsschreiben eine 7,5/10 Gebühr nicht
gerechtfertigt und
der in Ansatz gebrachte Gegenstandswert sei zu
hoch.

Gründe

Die Klage ist zulässig und begründet.

Der Klägerin steht gegen die Beklagte ein
Anspruch auf Ersatz der
Abmahnkosten gem. der §§ 683 Satz 1, 677, 670 BGB
zu. Es ist in
ständiger Rechtsprechung anerkannt, daß eine
begründete
Abmahnung gegenüber dem Abgemahnten eine
Geschäftsführung
ohne Auftrag darstellt (vgl. Ingerl/Rohnke,
Kommentar zum
Markengesetz, Randnr. 94 vor den §§ 14 bis 19
MarkenG). Die
Abmahnung war im vorliegenden Fall begründet, da
die Beklagte mit
ihrem Hinweis auf ihrer Internetseite zur
Downloadmöglichkeit der
FTP-Explorersoftware die Markenrechte der
Klägerin verletzt hat und
der Klägerin daher ein Unterlassungsanspruch gem.
§ 14 Abs. 5,
Abs. 2 Nr. 2 MarkenG zusteht.

Entgegen der Ansicht der Beklagten handelt es
sich bei dem Hinweis
der Downloadmöglichkeit der FTP-Explorersoftware
um ein
geschäftliches Handeln, auch wenn die Beklagte
für die
Downloadmöglichkeit keine Kosten verlangen würde.
Entscheidend
für den Begriff des geschäftlichen Handelns kommt
es lediglich
darauf an, daß die Handlung einem beliebigen
eigenen oder fremden
Geschäftszweck dient (Ingerl/Rohnke MarkenG, § 14
Randnr. 35). Im
vorliegenden Fall wird durch den Hinweis auf den
FTP-Explorer
fremder Wettbewerb gefördert. Als
Software-Hersteller ist die
FTPX-Corporation im geschäftlichen Bereich tätig
und nutzt hierbei
auch das von ihr entwickelte Programm
“FTP-Explorer”. Durch den
Hinweis auf die Downloadmöglichkeit dieses
Programms fördert die
Beklagte den Namen und die Bekanntheit der
FTPX-Corporation. Im
übrigen wird durch den Hinweis auf der
Internetseite der Beklagten
möglicherweise das Interesse vieler Internetuser
geweckt. Dieses
Interesse an der Internetseite der Beklagten kann
die Beklagte zum
Beispiel durch Aufnahme von Werbung in ihrer
Internetseite
geschäftsmäßig nutzen.

Die Marke der Klägerin ist auch
kennzeichnungskräftig. Es ist zwar
richtig, daß das englische Wort Explorer, aus dem
die Marke
abgeleitet ist, beschreibenden Inhalt hat und
übersetzt sinngemäß
Forscher bedeutet. Trotzdem kommt der Marke
aufgrund der
weltweiten Bekanntheit des Begriffs in Verbindung
mit dem
Programm Windows NT-Explorer des amerikanischen
Softwareherstellers Microsoft eine große
Bedeutung zu.

Es besteht auch eine Verwechslungsgefahr zwischen
dem Zeichen
Explorer und dem von der Beklagten genutzten
FTP-Explorer.
Entscheidend bei der Beurteilung der
Verwechslungsgefahr sind die
maßgeblichen Übereinstimmungen. Eine
Verwechslungsgefahr
würde im vorliegenden Fall nur dann nicht
bestehen, wenn ein
Zeichenbestandteil des Gesamtzeichens
FTP-Explorer derart
bestimmend ist, daß dadurch der Gesamteindruck
des Zeichens
geprägt wird. Dies ist vorliegend nicht der Fall.
Der Bestandteil
Explorer ist das eindeutig prägende Zeichen. Bei
dem Bestandteil
FTP handelt es sich zum einen um den
Herstellerhinweis und zum
anderen ist dieser Bestandteil des Gesamtzeichens
im Gegensatz zu
dem Zeichenbestandteil Explorer nicht
aussprechbar. Der
Herstellerhinweis trägt zur Kennzeichnung nicht
entscheidend bei
(BGH GRUR 1996, 404 – “Blendax-Pepp”).

Entgegen der Ansicht der Beklagten wird die Marke
von der Klägerin
auch benutzt. Gem. § 26 Abs. 2 MarkenG wird auch
die Benutzung
der klägerischen Marke durch die Firma Microsoft,
die die Klägerin
ausweislich der vorliegenden vertraglichen
Regelung vom November
1996 gestattet hat, der Klägerin zugerechnet.

Bis zu der Abgabe der Unterlassungserklärung, die
erst aufgrund der
Abmahnung erfolgt ist, bestand für die Klägerin
die Besorgnis, daß
die Beklagte die klägerische Marke weiterhin
verletzt, weil der
Hinweis auf den FTP-Explorer auf der
Internetseite der Beklagten
stand.

Die Einschaltung eines Rechtsanwaltes zum Zwecke
der Abmahnung
war auch erforderlich. Der Argumentation der
Beklagten, die
Einschaltung eines Rechtsanwaltes sei nicht
erforderlich gewesen,
da bereits gleichlautende Abmahnungsschreiben als
Muster
vorgelegen hätten, kann sich die Kammer nicht
anschließen. Bei der
Frage der Erforderlichkeit der Einschaltung eines
Rechtsanwaltes
kommt es darauf an, ob die Sach- und Rechtskunde
des Anwalts
erforderlich ist. Dies ist hier der Fall, da
jeder einzelne Verletzungsfall
sachlich und rechtlich gesondert zu prüfen ist.
Es kommt daher nicht
darauf an, ob das Abmahnschreiben bereits
vorformuliert ist. Denn
entscheidend ist die vorherige Prüfung, ob die
Abmahnung in diesem
Einzelfall gerechtfertigt ist. Dazu ist der
Sachverstand eines
Rechtsanwalts notwendig.

Der geltend gemachte Erstattungsanspruch steht
der Klägerin auch in
voller Höhe zu. Die Einwendungen der Beklagten
hinsichtlich der
Höhe greifen nicht durch. Der in Ansatz gebrachte
Gegenstandswert
in Höhe von 100.000,– DM ist nach Ansicht der
Kammer
gerechtfertigt. Entscheidend für die Festsetzung
des
Gegenstandswertes ist zum einen der Marktwert der
klägerischen
Marke, die im Softwarebereich seit Jahren durch
die Firma Microsoft
genutzt wird, zum anderen ist zu berücksichtigen,
daß der
zugrundegelegte Gegenstandswert von 100.000,– DM
im unteren
Bereich der Streitwerte für Markenverletzungen
angesiedelt worden
ist.

Auch die für die Abmahnung in Ansatz gebrachte
Mittelgebühr von
7,5/10 ist nach Ansicht der Kammer
gerechtfertigt. Nach der
Rechtsprechung steht dem Anwalt für eine
Abmahnung eine
Mittelgebühr von 7,5/10 nach § 118 Abs. 1 Nr. 1
BRAGO zu (OLG
Köln GRUR 1979, Seite 76; Baumbach-Hefermehl
Einleitung UWG
Randnr. 557 m.w.N.). Der Hinweis der Beklagten
auf die Massen von
Abmahnungen, die die Klägerin ausgesprochen hat,
rechtfertigt nicht
eine anderweitige Bemessung der Gebühr. Es ist
unstreitig, daß der
Anwalt der Klägerin in dem Schreiben vom
13.3.2000 eine
Abmahnung ausgesprochen hat. Damit sind die
Voraussetzungen
des § 118 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO erfüllt und der
Anwalt der Klägerin hat
zutreffend die sogenannte Mittelgebühr mit 7,5/10
bemessen.
Aufgrund der rechtlichen Bedeutung der Abmahnung
sieht die
Kammer die Mittelgebühr von 7,5/10 als zutreffend
bemessen an,
unabhängig davon, ob es sich um ein
Massengeschäft handelt oder
nicht. Maßgeblich für die bemessene Mittelgebühr
ist nicht die
Schwierigkeit des Sachverhaltes, sondern die
rechtliche Bedeutung
der Abmahnung. Entgegen der Ansicht der Parteien
war die
Einholung eines Gutachtens bei dem Vorstand der
Rechtsanwaltskammer nach § 12 Abs. 2 BRAGO im
vorliegenden
Fall nicht erforderlich. Nach der Rechtsprechung
ist die Einholung
eines Gutachtens zwingend erforderlich in einem
Rechtsstreit
zwischen dem Rechtsanwalt und dem Mandanten (vgl.
OLG Frankfurt
in Anwaltsblatt 1998 Seite 484). Einer Einholung
eines Gutachtens
bedarf es jedoch nicht, wenn der Auftraggeber die
von ihm an seinen
Anwalt gezahlte Vergütung in einem Rechtsstreit
von einem Dritten
fordert (vgl. Gerold/Eicken, Kommentar zur BRAGO,
14. Aufl. § 12
Randnr. 20).