Landgericht Berlin
Im Namen des Volkes
Urteil
Geschäftsnummer: 16.O.101/00
Verkündet am: 10. August 2000
hat die Zivilkammer 16 des Landgerichts Berlin in
10589 Berlin (Charlottenburg), Tegeler
Weg 17- 21, auf die mündliche Verhandlung vom 10.
August 2000 durch … für Recht erkannt:
I. Die Beklagte wird verurteilt,
1. es bei Vermeidung eines für jeden Fall der
Zuwiderhandlung festzusetzenden
Ordnungsgeldes
bis zu 500.000,00 DM, ersatzweise Ordnungshaft,
oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten,
letztere zu vollziehen an ihrem Geschäftsführer,
zu unterlassen,
unter Benutzung des Namens Deutschland,
insbesondere unter der Internetadresse
“http://deutschland.de” Leistungen anzubieten
oder sich vorzubehalten, Leistungen anzubieten;
2. die Adresse http://deutschland.de
freizugeben.
II. Die Kosten des Rechtsstreits hat die
Beklagte zu tragen.
III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in
Höhe von 500.000,00 DM vorläufig vollstreckbar.
Der Klägerin wird gestattet, die Sicherheit
durch eine schriftliche, unbedingte, unbefristete,
unwiderrufliche, selbstschuldnerische Bürgschaft
eines im Inland als Zoll- oder Steuerbürgen
zugelassenen Kreditinstituts zu erbringen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darum, ob die Beklagte das
Namensrecht der Klägerin verletzt, indem sie
die Internet-Adresse “http://deutschland .de”
benutzt.
Die Beklagte ist ein in Frankfurt a. M. ansässiges
Unternehmen, welches ein elektronisches
(virtuelles) Kaufhaus betreibt, elektronische
Werbeträger bereitstellt, elektronisch angebotene
Produkte verkauft sowie Anschlüsse für den
internationalen Netzzugang bereitstellt.
Die Beklagte ist seit 1995 tätig. Seit 1995 betreibt
die Beklagte auch die Internetseite mit der
Adresse “http://deutschland.de”, die sie sich von
dem deutschen Network Information Center in
Karlsruhe (DENIC e.G.) hat zuweisen lassen. Die
DENIC e.G. überprüft bei der Domain-Vergabe
lediglich, ob die von einem Benutzer gewünschte
Adresse bereits vergeben ist. Ist dies nicht der
Fall, so wird die Domain ohne weitere Prüfung
zugeteilt.
Über die Domain “http://deutschland.de” der
Beklagten hat man Zugang zu einem deutschland-
weiten Hotelführer (“http://deutschland.de/hotels”)
sowie weiteren Internet-Angeboten insbeson-
dere aus dem kulturellen Bereich.
Die Bundesregierung plant in Zusammenarbeit mit den
weiteren Verfassungsorganen und den
Bundesländern, unter der streitgegenständlichen
Domain ein so genanntes Internet-Portal einzu-
richten. Dieses soll auf einer zentralen Seite die
Internet-Angebote der verschiedenen Verfas-
sungsorgane, der einzelnen Bundesministerien sowie
der einzelnen Bundesländer bündeln, um
so dem Benutzer einen schnellstmöglichen Zugang zu
dem jeweiligen Angeboten zu ermögli-
chen. Die von der Bundesregierung bei der DENIC e.G.
beantragte Zuweisung der Domain
“http://deutschland.de’ scheiterte an der bereits
vollzogenen Eintragung der Beklagten. Die Klä-
gerin erwirkte bei der DENIC e.G. daraufhin einen
Wartelisten-Eintrag, den diese pro Domain
grundsätzlich nur ein Mal vergibt.
Im Frühjahr 1999 räumte die Beklagte dem [ … …
… ] die Domain
“www.deutschland.de” ein, unter der dieser in
Zusammenarbeit mit dem Presse- und Informati-
onsamt der Bundesregierung die Online-Version der
Zeitschrift “Deutschland” veröffentlicht.
Die Klägerin sieht in der Verwendung
“deutschland.de” durch die Beklagte eine Verletzung ihres
Namensrechts. Auch wenn die Klägerin in der
Verfassung als “Bundesrepublik Deutschland” be-
zeichnet werde, stünde ihr ein Namensrecht auch
allein an “Deutschland” zu. Der Namensbe-
standteil “Bundesrepublik” bezeichne nämlich
lediglich die Organisationsform des Staates, der
hinter dem die Klägerin individualisierenden
Namensbestandteil “Deutschland” zurücktrete. Die
Nutzung der Domain “http://deutschland.de” durch die
Beklagte begründe die Gefahr einer Zu-
ordnungsverwirrung, da der Großteil der
Internet-Nutzer hinter dieser Adresse ein staatliches
Informationsangebot erwarte. Als berechtigte
Namensinhaberin müsse sie sich nicht auf die
(entgeltliche) Nutzung einer (Unter-)Domain
verweisen lassen.
Die Klägerin beantragt,
worauf erkannt worden ist.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie bestreitet zunächst die Zulässigkeit der Klage.
Kraft Natur der Sache sei der Bundespräsident
für die Schaffung eines Internet-Portals zuständig
und damit ordnungsgemäßer Vertreter der Klä-
gerin.
Weiter ist die Beklagte der Ansicht, die Domain
“deutschland.de” könne aus verschiedenen
Gründen nicht das Namensrecht der Klägerin
verletzen:
Zunächst laute der vollständige und richtige Name
der Klägerin “Bundesrepublik Deutschland”.
Dabei könne “Bundesrepublik” schon deshalb kein
untergeordneter Namensbestandteil sein, weil
diese Staatsform die Grundlage unserer
freiheitlich-demokratischen, in der Verfassung veranker-
ten Rechtsordnung sei.
Weiter käme Internet-Domains grundsätzlich die
Funktion einer Adresse und nicht die einer Na-
menskennzeichnung zu. Entscheidend sei daher der
konkrete Gebrauch der Domain. Bei
“deutschland.de” handele es sich jedoch um eine
geografisch-beschreibende und nicht um eine
namensmäßige Angabe. Gegenüber dem beschreibenden
Gebrauch habe der Namensinhaber
auch nicht das bessere Recht. Mangels einer
gesetzlichen Regelung entscheide vielmehr allein
der Zeitpunkt der Domain-Vergabe durch die DENIC
e.G.. Dies veranschauliche insbesondere die
Domain mit der beschreibenden Angabe “buecher.de”,
bei der die Inhaber des bürgerlichen Na-
mens Buecher auf eine gleichlautende
Internet-Adresse hätten verzichten müssen.
Auch bestünde hier nicht die Gefahr einer
Zuordnungsverwirrung: Internet-Nutzer erwarteten un-
ter “deutschland.de” ebensowenig staatliche
Informationen wie beispielsweise bei einem Bildband
“Deutschland” eine amtliche Publikation vermutet
werde. Im Gegenteil ginge die Erwartungshal-
tung der Benutzer dahin, ein privates Tourismus-
oder lnternetdienstleistungsangebot anzutref-
fen. Ein staatliches Informationsangebot werde
nämlich regelmäßig unter der Domain “gov”,
“admin” o. Ä. in das Internet eingestellt, da der
jeweilige Ländername bereits durch die geografi-
sche Länder-Top-Level-Domain – für Deutschland “de”
– bezeichnet werde.
Schließlich genießt die Domain “deutschland.de” nach
Ansicht der Beklagten Bestandsschutz.
Sie habe sich diese Domain bereits im Jahre 1995 zum
Zwecke der Einrichtung eines Hotel-
suchdienstes zuteilen lassen. Seitdem benutze sie
die Adresse gutgläubig beschreibend und
ohne Beanstandung durch die Klägerin, die ihrerseits
ebenfalls seit 1995 im Internet präsent sei.
Dass die Klägerin nunmehr die Freigabe der Domain
verlange, verstoße gegen Treu und Glauben.
Die Klägerin habe vielmehr über die Domain
“www.deutschland.de” hinreichend Möglichkeit, sich
im Internet darzustellen.
Insgesamt sei die Vorschrift des § 12 BGB nicht
geeignet, über die Zuordnung der insofern knap-
pen, weil jeweils nur ein MaI zu vergebenden
Ressource “lnternet-Domain” zu entscheiden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des
Parteivorbringens wird auf den Inhalt der gewechselten
Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig und begründet. Die Klägerin
kann von der Beklagten gemäß §§ 12 Satz 2
i.V.m. 1004 BGB verlangen, die weitere Benutzung der
Adresse “http://deutschland.de” zu unter-
lassen und die Adresse freizugeben.
1. Die Klage ist zulässig. Insbesondere ist die
Klägerin durch den Chef des Presse- und Informa-
tionsamtes der Bundesregierung ordnungsgemäß
vertreten. Denn Aufgaben der Öffentlichkeits-
arbeit und der Selbstdarstellung der Klägerin, zu
denen die Einrichtung eines staatlichen Internet-
Portals gehört, können von der Bundesregierung
wahrgenommen werden. Gemäß Art. 65 GG
i.V.m. § 1 GO BReg bestimmt nämlich der
Bundeskanzler als Mitglied der Bundesregierung die
Richtlinien der inneren und äußeren Politik.
Insofern kommt ihm auch die Funktion der inneren
und äußeren Repräsentation der Klägerin zu. Die
Kompetenz des Bundespräsidenten ist gemäß
Art. 59 GG hingegen auf die formelle Seite der
Vertretung der Klägerin im Völkerrechtsverkehr
beschränkt (Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts
der Bundesrepublik Deutschland,
17. Aufl., Rn 663). Ob es dem Bundespräsidenten
daher verwehrt ist, ein Internet-Portal der Klä-
gerin aufzubauen, kann dahinstehen. Jedenfalls liegt
es auch und zuvorderst in der Zuständigkeit
der Bundesregierung, die Klägerin nach außen – und
daher auch durch Einrichtung eines Inter-
net-Portals ihrer Verfassungsorgane – zu
repräsentieren.
2. Die Klage ist auch begründet. Denn die Benutzung
der Domain “http://deutschland.de” verletzt
das Namensrecht der Klägerin.
Der Namensschutz des § 12 BGB gilt, obwohl im Titel
über natürliche Personen festgeschrieben,
auch für die Klägerin als juristischer Person des
öffentlichen Rechts (zum Namensrecht juristi-
scher Personen s. Palandt/Heinrichs, BGB 58. Aufl.,
§ 12, Rn 9).
Weiter ist auch der Domain-Name nach § 12 BGB
schutzfähig. Zwar kennzeichnen Domains
einen bestimmten, mit dem Internet verbundenen
Rechner und sind – ähnlich wie Telefonnum-
mern – frei wählbar. Ihnen deshalb den Namensschutz
zu versagen (so insbesondere LG Köln,
NJW-RR 1998, 976; LG München I, NJW-RR 1998, 978),
wäre aber deshalb nicht gerechtfertigt,
weil die Internet-Adresse gleichzeitig den Inhaber
des Rechners identifizierbar macht und somit
auch die Funktion des Namens im Sinne des § 12 BGB
erfüllt (für die Schutzfähigkeit von Inter-
net-Domains nach § 12 BGB daher KG NJW 1997, 3321,
3322; OLG Hamm, NJW-RR 1998,
909, 910; LG Lüneburg, GRUR 1997, 470, 471;
Palandt/Heinrichs, aaO, Rn 10).
Die Beklagte hat durch die Verwendung der genannten
Internet-Adresse auch vom Namen der
Klägerin Gebrauch gemacht. Prägender
Namensbestandteil ist nämlich “Deutschland”. Die Klä-
gerin kann sich somit auch dann auf ihr Namensrecht
berufen, wenn ein Dritter diesen ohne die
zusätzliche Bezeichnung “Bundesrepublik” verwendet.
Die republikanische Staatsform des Bun-
des gehört gemäß Art. 20 Abs. 1 GG zwar zur
verfassungsmäßigen Ordnung des Grundgeset-
zes, die das Wesen unseres Staates wesentlich
mitgestaltet. Entscheidend dafür, ob ein nach
§ 12 BGB schützenswerter Name vorliegt, ist aber
nicht, ob der Begriff für die Daseins- oder
Rechtsform der Person Bedeutung hat. Maßgeblich ist
vielmehr allein, ob die sprachliche Kenn-
zeichnung die (juristische oder natürliche) Person
ausreichend von anderen unterscheidet. Der
Name ist somit Ausdruck der Individualität und dient
zugleich der Identifikation des Namensträ-
gers; schutzfähig sind dabei auch Abkürzungen und
Schlagworte (BGHZ 15, 107, 109; Palandt,
aaO, Rnn 1 und 10) oder unterscheidungskräftige
Bestandteile des Namens (Palandt, aaO,
Rn 24). Die Klägerin ist bereits durch die
Bezeichnung “Deutschland” ausreichend identifiziert.
Dass sich hinter “Deutschland” die Klägerin
verbirgt, ist nämlich auch eindeutig, wenn nicht
“Bundesrepublik” hinzugefügt wird. Andersherum
genügt “Bundesrepublik” – ungeachtet der ver-
fassungsrechtlichen Bedeutung der Bezeichnung –
allein nicht, um die Klägerin zu identifizieren.
Unter namensrechtlichem Aspekt bedeutet
“Bundesrepublik” daher nicht mehr als “AG” oder
“GmbH”.
Die Verwendung der Domain “http://deutschland.de”
durch die Beklagte geschieht auch unbefugt.
Die Beklagte ist nämlich weder selbst Trägerin
dieses Namens, noch steht ihr eine gesetzliche
oder durch Gestattung eingeräumte Befugnis zu.
Schließlich verletzt der unbefugte Namensgebrauch
durch die Beklagte auch die Interessen der
Klägerin. Eine solche lnteressenverletzung ist dann
anzunehmen, wenn die Gefahr einer Identi-
täts- oder Zuordnungsverwirrung begründet wird
(Palandt/Heinrichs, aaO, Rn 20). Eine derartige
Zuordnungsverwirrung ist hier zu bejahen:
Die Beklagte nutzt die genannte Domain nämlich nicht
geografisch-beschreibend, sondern na-
mensmäßig. Eine beschreibende Nutzung hätte etwa
dann vorgelegen, wenn die Beklagte das
Adjektiv “deutsch” oder ergänzende Angaben wie
“hotels-in-deutschland” verwandt hätte.
“Deutschland” beschreibt Deutschland aber nicht,
sondern stellt Deutschland selbst dar.
“Deutschland” sagt also nichts über die namensmäßige
Kennzeichung Hinausgehendes aus. Da-
her ist eine geografisch-beschreibende Verwendung
von “Deutschland” im Internet auch gar nicht
möglich. Anders als beispielsweise bei einem
Bildband, der sich insbesondere durch Umschlag-
motiv und Verfasserbezeichnung als solcher zu
erkennen gibt, kann die Bedeutung einer Anga-
be im Internet nämlich allein durch deren reinen
Wortsinn erschlossen werden. “Deutschland” ist
– ohne erklärende Zusätze verwendet – aber ein Name,
der der Klägerin zusteht.
Aus diesem Grunde ist die Verwechselungsgefahr auch
schon deshalb zu bejahen, weil ein nicht
unerheblicher Teil der Internet-Nutzer die
streitgegenständliche Domain mit der Klägerin als Na-
mensträgerin in Verbindung bringen wird. Dass
Benutzer hinter der Domain “deutschland.de”
eventuell auch geografische oder für Touristen
gedachte Informationen vermuten, ändert nichts
daran, dass angesichts der isolierten Verwendung des
Begriffs wiederum die Klägerin als Urhe-
berin dieser Informationen nahe liegt. Diese
Erwartungshaltung besteht auch dann, wenn der
Zusatz “de” und nicht – ohnehin primär im
anglo-amerikanischen Raum geläufige – Zusätze wie
“gov” oder “admin” verwendet werden. Üben die
erforderliche Sachkunde verfügt die Kammer
schon deshalb, weil zwei ihrer Mitglieder
Internet-Nutzer sind.
Dass es Privatpersonen mit dem Namen “Deutschland”
gibt und dass allgemein Internet-Domains
vielfach – wie im Fall “buecher.de” – aufgrund der
Identität von Sachbezeichung und Name gIeich-
zeitig auch diesen benutzen, ist hier unerheblich:
Die Beklagte heißt jedenfalls nicht
“Deutschland” und kann somit auch keine Rechte aus
einer Gleichnamigkeit herleiten. Aus die-
sem Grunde muss sich die Klägerin auch nicht auf
eventuelle Ausweichmöglichkeiten verweisen
lassen.
Auch kann sich die Beklagte hier nicht auf die dem
Grundsatz von Treu und Glauben erwachse-
nen Institute wie Bestandsschutz oder Verwirkung
berufen. Die Beklagte mag tatsächlich im Jah-
re 1995 arglos die Zuteilung der Domain
“http://deutschland.de” beantragt und allein im Sinn ge-
habt haben, diese griffige Adresse für die
Einrichtung eines Hotelsuchdienstes zu nutzen. Auch
wenn der Beklagten nicht der Vorwurf des
“Domain-Grabbings” zu machen ist, so hätte ihn doch
klar sein müssen, dass diese Domain – eben auf Grund
ihrer Griffigkeit und damit verbundenen
Attraktivität – eines Tages von der Klägerin als
Namensträgerin beansprucht wenden könnte. Ein
schutzwürdiges Vertrauen dahingehend, diese Domain
behalten zu dürfen, konnte die Beklagte
daher nicht entwickeln.
Der Vollstreckungsschutzantrag der Beklagten war
zurückzuweisen, da hier jedenfalls das Inter-
esse der Gläubigerin an einer umgehenden Beendigung
der Verletzung ihres Namensrechtes
überwiegt.
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den
§§ 91, 709 Satz 1 ZPO