LG Augsburg: Kein Schadensersatz für Spekulationsverluste aufgrund Ad-hoc-Mitteilungen einer AG (Infomatec II)

Az. 6 O 1640/01

T A T B E S T A N D

Die Kläger hatten Geld in Aktien angelegt, u. a. auch in Papieren der Infomatec Integrated Information Systems AG. Unter Berufung auf ihrer Meinung nach unzutreffender Ad-hoc­ Mitteilungen dieser Aktiengesellschaft machen sie Schadensersatzansprüche wegen erlittener Spekulationsverluste geltend. Während des Rechtsstreits ist gegen die Aktiengesellschaft das Insolvenzverfahren eröffnet worden, wegen der hierdurch insoweit eingetretenen Verfahrensunterbrechung ist hinsichtlich der Gesellschaft, der früheren Beklagten zu 3), eine Verfahrensabtrennung erfolgt. Die Beklagten zu 1) und zu 2) waren die Vorstandsvorsitzenden bzw. Stellvertreter der Beklagten zu 3). Der streitgegenständliche Verlust des Klägers zu 1) in Höhe von 11.202,27 DM ist dadurch entstanden, dass am 8.2.2000 Aktien zum Preis von 11.779,78 DM gekauft wurden, der Verkauf erfolgte am 13.12.2000 zum Verkaufspreis von 577,26 DM. Der Verlust des Klägers zu 2) in Höhe von 8.482,41 DM entstand nach einem Ankauf vom 31.3.2000 zum Preis von 6.062,00 DM und einem weiteren Kauf vom 19.4.2000 zum Preis von 4.491,47 DM nach einem Verkauf vom 1.9.2000 zum Preis von 2.071,06 DM. Der Verlust des Klägers zu 3) in Höhe von 3.555,94 DM entstand nach einem Ankauf vom 16.5.2000 zum Preis von 4.548,28 DM bei einem Verkauf vom 4.9.2000 zum Preis von 992,34 DM. Der Verlust des Klägers zu 4) schließlich besteht wegen eines Ankaufs vom 27.3.2000 zum Preis von 3.435,08 DM, wobei ein Verkauf nicht erfolgt ist. Bei den von den Klägern beanstandeten Ad-hoc-Mitteilungen handelt es sich um die Mitteilungen vom 19.5.1999 (bzw. 20.5.1999) bezüglich eines Geschäfts mit dem Mobilfunkanbieter …, vom 13.9.1999 bezüglich eines Geschäfts mit einer Firma … und vom 16.11.1999 bezüglich eines Geschäfts mit einer Firma … Wegen des Inhalts der Mitteilungen wird auf die Anlagen K 4, K 6 und K 7 verwiesen. Der positive Inhalt der vorstehenden Ad-hoc-Mitteilungen wurde kurz vor Bekanntgabe der Halbjahresergebnisse durch Ad-hoc-Mitteilungen vom 22.8.2000 und vom 29.8.2000 zurückgenommen. Auf diese weiteren Ad-hoc-Mitteilungen (Anlagen K 3 und K 5) wird verwiesen.

Die Kläger behaupten, nur wegen der positiven Ad-hoc-Mitteilungen aus dem Jahre 1999 hätten sie die Gewinnchancen bezüglich der von ihnen erworbenen Infomatec-Aktien positiv eingeschätzt. Nur hierwegen hätten sie ihr Geld so angelegt. Sie behaupten, die Beklagten zu 1) und zu 2) seien als damalige Vorstände verantwortlich für die Ad-hoc-Mitteilungen und hätten sie darüber hinaus sogar persönlich veranlasst. Sie halten die Mitteilungen für falsch. Sie sind der Meinung, die Beklagten zu 1) und zu 2) müssten ihnen Schadensersatz leisten. Als Anspruchsgrundlage sehen sie die Vorschrift des § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 400 AktG, mit § 263 StGB und § 264 a StGB, weiterhin die Bestimmung des § 826 BGB, ferner § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 88 Börsengesetz, weiterhin berufen sie sich auf die Regeln der culpa in contrahendo und halten die Beklagten hierwegen für schadensersatzpflichtig.

Die Kläger beantragen:

1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger zu 1) 11.202,27 DM zuzüglich Zinsen in Höhe von 4 % vom 8.2.2000 bis zum 30.4.2000 aus 11.779,53 DM, 5 % über dem Basiszinssatz vom 1.5.2000 bis zum 12.12.2000 aus 11.779,53 DM und 5 % über dem Basiszinssatz ab dem 13.12.2000 aus 11.202,27 DM zu zahlen.

2. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger zu 2) 8.482,41 DM zuzüglich Zinsen in Höhe von 4 % vom 31.3.2000 bis zum 8.4.2000 aus 6.062,00 DM, 4 % vom 19.4.2000 bis zum 30.4.2000 aus 10.553,47 DM, 5 % über dem Basiszinssatz vom 1.5.2000 bis zum 31.8.2000 aus 10.553,47 DM und 5 % über dem Basiszinssatz ab dem 1.9.2000 aus 8.482,41 DM zu zahlen.

3. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger zu 3) 3.555,94 DM zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz vom 16.5.2000 bis zum 3.9.2000 aus 4.548,28 DM und ab dem 4.9.2000 aus 3.555,94 DM zu zahlen.

4. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger zu 4) 3.435,08 DM zuzüglich 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz ab dem 1.4.2000 und in Höhe von 4 % für die Zeit vom 27.3.2000 bis zum 30.4.2000 zu zahlen, Zug um Zug gegen Übereignung vonn 100 Stück Inhaberaktien der Firma Infomatec Integrated Informations Systems AG, Wertpapierkenn-Nr. 622200.

Es wird festgestellt, dass sich die Beklagten hinsichtlich der Übereignung dieser Aktien in Annahmeverzug befinden.

Die Beklagten beantragen:

Die Klage wird abgewiesen.

Sie bestreiten, genaue Kenntnis der beanstandeten Ad-hoc­Mitteilungen gehabt zu haben. Darüber hinaus bestreiten sie die Unrichtigkeit dieser Mitteilungen, insbesondere sei bei der Würdigung zu sehen, dass sich Ad-hoc-Mitteilungen an ein Fachpublikum richten würden, erkennbare Wertungen seien nicht als unrichtige Tatsachenangaben zu würdigen. Sie bestreiten außerdem die Ursächlichkeit dieser Mitteilungen für die missglückten Spekulationen der Beklagten. Bezüglich der Rechtslage sind sie der Meinung, für die Klage gäbe es keine Anspruchsgrundlage, insbesondere nicht die von den Klägern angeführten Rechtsnormen.

Wegen des weiteren Inhalts des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen, ferner auf die in diesen Schriftsätzen genannten vorgelegten Urkunden (rote Anlagenhefte).

E N T S C H E I D U N G S G R Ü N D E

Die zulässigen Klagen erweisen sich schon aus Rechtsgründen als unbegründet:

Das Gericht vermag eine Anspruchsgrundlage für die Schadensersatzforderungen der Kläger nicht zu erkennen:

1. Verstöße gegen § 400 AktG liegen ersichtlich ebensowenig vor, wie eine Verletzung der Straftatbestände des § 263 StGB oder des § 264 a StGB. Ad-hoc-Mitteilungen sind ausdrücklich geregelt in § 15 des Wertpapierhandelsgesetzes. Die dort angeordneten Veröffentlichungen haben nichts mit Vorträgen oder Auskünften in einer Hauptversammlung zu tun, ebensowenig mit Aufklärungen und Nachweisen, die einem Prüfer der Gesellschaft zu machen sind. Der Straftatbestand des § 263 StGB scheitert von vornherein deswegen, weil ein etwaiger Schaden des Anlegers nichts mit dem Vorteil des Täters zu tun hätte, so dass die Stoffgleichheit fehlen würde. Der Straftatbestand des § 264 a StGB schließlich ist nicht einschlägig, weil es sich bei Ad-hoc-Mitteilungen eben nicht um Prospekte oder Darstellungen oder Übersichten über den Vermögensstand handelt, außerdem stehen solche Mitteilungen nicht im Zusammenhang mit dem Vertrieb von Aktien. Die Kläger beziehen sich auch vergeblich auf die Regeln für das Verschulden bei Vertragsschluss (c.i.c.). Zwischen einer Aktiengesellschaft und den Käufern von Aktien bestehen grundsätzlich keine direkten vertraglichen Beziehungen bezüglich des Erwerbs der Anteile, erst recht nicht zwischen den Aktienkäufern und den Vorständen einer solchen Gesellschaft. Die Bestimmungen des § 88 BörsG und des § 826 BGB haben allerdings im Rechtsstreit 3 0 4995/00 Landgericht Augsburg zur Verurteilung der Beklagten geführt. Das Gericht vermag sich der dort zum Ausdruck gebrachten Rechtsmeinung jedoch nicht anzuschließen:

1. § 88 BörsG ist kein Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB. Dies ist einhellige Meinung (vgl. Assmann/Schneider, Wertpapierhandelsgesetz, 2. Aufl., § 15 Rdnr. 186). Eine Gegenmeinung in der Literatur gibt es nicht, insbesondere ergibt sich nichts anderes aus der Kommentierung in Erbs/Kolhaas B 155. Auch dort ist nachzulesen, dass sich die Bestimmung nur mittelbar auch zugunsten des Anlegers auswirke. Der Gesetzgeber hat sich sehr bewusst dafür entschieden, § 88 BörsG nicht als Schutzgesetz zugunsten des Anlegers zu gestalten. § 15 Abs. 6 des Wertpapierhandelsgesetzes bringt darüber hinaus diese Intention des Gesetzgebers audrücklich zum Ausdruck. Es mag sein, dass Richtlinien der Europäischen Union einen gewissen Schutz von Anlegern bei Falschinformationen verlangen, eine Umsetzung in nationales Recht ist jedoch nicht erfolgt. Die Gerichte wären darüber hinaus auch gar nicht in der Lage, die angemessenen Sanktionen zu bestimmen. Es wäre sicherlich nicht sachgerecht, einen unbeschränkten Schadensersatz zuzubilligen und auf diese Weise bei Vorliegen irgend einer Falschinformation von diesem Zeitpunkt an das Risiko jeder sinnvollen und sinnlosen Spekulation der betroffenen Aktiengesellschaft zu überbürden.

2. Die Kläger berufen sich schließlich auch vergeblich auf die Bestimmung des § 826 BGB. Nach dieser Vorschrift ist schadensersatzpflichtig, wer in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise einem anderen vorsätzlich Schaden zufügt. Diese Vorschrift, die neben anderen Schadensersatzbestimmungen anzuwenden ist, verlangt nicht nur einen adäquate Schadenszufügung, vielmehr muss die jeweilige konkrete Schadensfolge vom Vorsatz des Täters umfasst sein (vgl. BGH NJW 1963, 579, 580; Staudinger, Bürgerliches Gesetzbuch, 1999, § 826 Rdnr. 77). Im vorliegenden Fall müssten die Beklagten zur Zeit der beanstandeten Ad-hoc-Mitteilungen demgemäß mindestens den bedingten Vorsatz gehabt haben, Anlegern dadurch Schaden zuzufügen, dass sie nach Käufen im Vertrauen auf die Mitteilungen wegen der folgenden Insolvenz der Gesellschaft Schaden erleiden würden. Ein so weitgehender Vorsatz liegt nach Überzeugung des Gerichts nicht vor, die Kläger haben auch gar nicht versucht, einen so weitreichenden Vorsatz darzustellen.

Die Klagen erweisen sich sonach als unbegründet und sind abzuweisen.

Die Kostentscheidung folgt aus §§ 91, 100 ZPO, die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708, 711 ZPO (n.F.).