Urteil vom 26. September 2000 – X ZR 94/98 –
Der für das Werkvertragsrecht zuständige X. Zivilsenat des
Bundesgerichtshofs hat zur Frage der Haftung eines Wirtschaftsprüfers
auf Schadensersatz Stellung genommen, der im Rahmen eines
Kapitalanlagemodells vertragsgemäße Verwendung von Geldeinlagen
der Anleger in Prüfberichten bestätigte, obwohl er die Mittelverwendung
nicht hinreichend kontrolliert hatte.
Die Kläger beteiligten sich in den Jahren 1994 und 1995 mit
unterschiedlichen Geldbeträgen an einem Kapitalanlagemodell, bei
dem den Anlegern Beteiligungen an Gesellschaften bürgerlichen
Rechts angeboten wurden. Gegenstand der Gesellschaften sollte die
Kapitalanlage im US-Financial-Futures-Handel sein. Das Anlagemodell
wurde von einer GmbH betrieben, die in Prospekten hervorhob, daß die
Geldbeträge nach Einzahlung ungeschmälert an Broker flössen, denen
die Anlage obliege. Dies sollte ein besonderes
Kapitalsicherungssystem gewährleisten. Danach sollten die Einlagen
auf ein Treuhandkonto eines Rechtsanwalts eingezahlt werden und von
dort unmittelbar an die Broker fließen. Die Einlagen, die
vertragsgemäße Mittelverwendung, die Gewinnauszahlungen und die
Beteiligungen sollten halbjährlich von einem unabhängigen und
namhaften Wirtschaftsprüfer überprüft werden. Die GmbH beauftragte
den Beklagten, der von April 1990 an in Prüfberichten bestätigte, daß
der Zahlungsverkehr vertragsgemäß abgewickelt werde und der
Mittelzufluß sowie die Mittelverwendung ordnungsgemäß erfolge.
Die von den Anlegern eingehenden Geldbeträge wurden von dem
Treuhänder entgegen den Angaben im Prospekt auf das Konto eines
Rechtsanwalts überwiesen, der als Treuhänder eines Unternehmens
mit Sitz auf den Cayman-Inseln fungierte. Dieser überwies die
Geldbeträge auf Konten, die ihm dieses Unternehmen jeweils angab.
Der weitere Verbleib der Gelder ist ungeklärt. Im Jahre 1995 brach das
gesamte Kapitalanlagemodell zusammen.
Die Kläger haben von dem Beklagten Schadensersatz und die
Rückzahlung der von ihnen angelegten Gelder abzüglich erhaltener
Renditezahlungen mit der Begründung verlangt, der Beklagte hafte als
Prospektverantwortlicher und aus Werkvertrag, weil er seine Pflicht zur
umfassenden Prüfung schuldhaft verletzt, und unrichtige Testate
erstellt habe, mit denen die GmbH um Kunden geworben habe.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat
ihr im wesentlichen stattgegeben. Die Revision des Beklagten führte
zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung
der Sache.
Der Bundesgerichtshof hat einen Schadensersatzanspruch aus
Prospekthaftung in Übereinstimmung mit den Vorinstanzen nicht als
gegeben angesehen. Er hat andererseits mit dem Berufungsgericht
einen Werkvertrag zwischen den Klägern und dem Beklagten und
mangelhafte Ausführung durch Erstellung falscher Prüftestate
angenommen, einen Anspruch der Kläger aus dem Werkvertrag aber
gleichwohl verneint, weil nicht nachgewiesen sei, daß die
Pflichtverletzungen des Beklagten ursächlich für die vor Erteilung der
Prüfaufträge gezahlten Einlagen der Kläger gewesen seien.
Allerdings könne, so hat der Bundesgerichtshof ausgeführt, eine
Schadenshaftung des Beklagten aus Verschulden bei Vertragsschluß
in Betracht kommen, wenn nachgewiesen werde, daß die Betreiberin
des Anlagenmodells den Klägern gegenüber vor Zeichnung der Anlagen
mit unrichtigen Prüftestaten des Beklagten geworben habe und der
Beklagte dies gewußt habe oder damit habe rechnen müssen. In der
Rechtsprechung sei anerkannt, daß die berufliche Stellung bedeutsam
dafür sein könne, ob eine Person auch Dritten gegenüber, zu denen sie
keine unmittelbaren vertraglichen Beziehungen unterhalte, nach den
Grundsätzen der vertraglichen oder quasi-vertraglichen Haftung
einzustehen habe. Dieser Rechtsprechung liege der allgemeine
Rechtsgedanke zugrunde, daß für die Vollständigkeit und Richtigkeit
der in Verkehr gebrachten Angaben jeder einstehen müsse, der durch
von ihm in Anspruch genommenes und ihm auch entgegengebrachtes
Vertrauen auf den Willensentschluß eines Dritten Einfluß genommen
habe. Diese Grundsätze müßten auch für Wirtschaftsprüfer gelten, die
sich in ein Kapitalanlagesystem als Kontrollorgan einbinden ließen und
aufgrund des ihnen in der Öffentlichkeit in wirtschaftlichen Fragen
allgemein entgegengebrachten Vertrauens Einfluß auf die
Anlageentscheidung der Anlageinteressenten nähmen. Der
Wirtschaftsprüfer erwecke durch seine Tätigkeit den Eindruck
besonderer Zuverlässigkeit des Systems. Ein Wirtschaftsprüfer, der es
im Rahmen eines Kapitalanlagemodells übernehme, die Einzahlungen
der Anleger und die Mittelverwendung regelmäßig zu überprüfen, diese
Kontrolle tatsächlich nicht in dem den Anlegern versprochenen Umfang
durchführt, aber in seinen Prüftestaten die Ordnungsgemäßheit des
Geldflusses und der Mittelverwendung bestätigt, haftet den Anlegern
auf Schadensersatz aus Verschulden bei Vertragsschluß, wenn diese
im Vertrauen auf die Richtigkeit der Testate Geldanlagen tätigten. Er
könne sich in einem solchen Fall nicht darauf berufen, er sei von dem
Veranstalter des Kapitalanlagesystems nur mit der Kontrolle der
Konten beauftragt worden; vielmehr müsse er, wenn er
Unzulänglichkeiten im Geschäftsbetrieb des Kapitalanlagebetreibers
und Abweichungen zwischen den Angaben des Anlageprospekts und
dem Gegenstand seines Prüfauftrags feststelle, geeignete
Maßnahmen ergreifen, um den von ihm mitgeschaffenen
Vertrauenstatbestand zu beseitigen.
Urteil vom 26. September 2000 – X ZR 94/98 –