BGH: Setpreis

BGH, Urt.v. 29.2.1996 – I ZR 6/96 (OLG Bremen)

UWG § 3

“Setpreis”

Amtlicher Leitsatz:

Die Werbung mit einer Preissenkung (hier: für eine HiFi-Kompaktanlage und Lautsprecher) in einem “Setpreis” ist grundsätzlich nicht schon deshalb irreführend, weil einer der angegebenen Einzelpreise über dem “Setpreis” liegt. Eine Irreführung kommt jedoch in Betracht, wenn der höhere Einzelpreis vorher entweder überhaupt nicht oder nicht ernsthaft gefordert worden ist.

BGH, Urt.v. 29.2.1996 – I ZR 6/96, Berufungsgericht OLG Bremen, erste Instanz LG Bremen

Die Bekl. betreibt in B. einen Fachmarkt für Elektrogeräte, insbesondere im Bereich der Unterhaltungselektronik, ferner für Fotoartikel und Möbel. In einer am 30. 7. 1992 im “B. Anzeigenblock” veröffentlichten Anzeige bewarb sie unter anderem eine HiFi-Kompaktanlage A. M 600 und Lautsprecherboxen der Marke BO. zu einem “Setpreis” von 1.111,- DM in der nachstehend wiedergegebenen Weise.

Der Kl., ein Verband zur Förderung der gewerblichen Interessen seiner Mitglieder, hat die Anzeige beanstandet und Unterlassung verlangt, weil die Bekl. damit irreführende Angaben über die Preisgünstigkeit des beworbenen Geräts mache. Die unverbindliche Preisempfehlung der Herstellerin für die Kompaktanlage sei schon lange Zeit um wenigstens 300,- DM niedriger gewesen, und die Bekl. habe den in der Anzeige genannten Einzelpreis von 1.598,- DM weder ernsthaft kalkuliert noch vorher nachhaltig verlangt. Der Kl. hat in erster Instanz zuletzt beantragt, die Bekl. unter Androhung von Ordnungsgeldern zu verurteilen, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs in Zeitungen, Zeitungsinseraten oder in den Zeitungen beigelegten Werbeseiten oder in sonstigen öffentlichen Mitteilungen den beim Kauf eines mit Preisangaben versehenen Gerätesets dargelegten bzw. sich ergebenen Preisvorteil dergestalt zu bewerben, daß dem Kaufpreis des Gerätesets Einzelpreise gegenübergestellt werden, die die unverbindliche Preisempfehlung des Herstellers überschreiten, wenn eine besondere Preisgünstigkeit derartiger Angebote zudem noch mit entsprechenden Werbeaussagen hervorgehoben wird.

Die Bekl. hat dagegen vorgebracht, der Antrag sei mangels Bestimmtheit nicht zulässig. Er sei auch inhaltich unbegründet, weil sie die Anlage längere Zeit zu dem in der Anzeige genannten Preis von 1.598,- DM angeboten und verkauft habe.

Das LG hat die Bekl. entsprechend dem Klageantrag, aber – insoweit unter teilweiser Abweisung – mit dem einschränkenden Zusatz verurteilt: “es sei denn, daß es sich bei den Einzelpreisen um ernsthaft kalkulierte Preise handelt, die in zeitlichem Zusammenhang mit der Werbung über einen Zeitraum von jedenfalls vier Wochen regelmäßig gefordert und von den Kunden auch regelmäßig gezahlt worden sind”.

Das BerG hat die Berufung zurückgewiesen, jedoch – entsprechend der Neuformulierung durch den Kl. – “klarstellend” hinter Gerätesets die Worte “der Unterhaltungselektronik” eingefügt und den Satzteil “die die unverbindliche Preisempfehlung des Herstellers überschreiten” durch den Satzteil “wenn bereits einer der Einzelpreise über dem Setpreis liegt” ersetzt.

Mit der Revision verfolgt die Bekl. den Klageabweisungsantrag weiter. Das Rechtsmittel führte zur Aufhebung und Zurückverweisung. (Anmerkung: Nach Zurückverweisung und vor dem Berufungsgericht erfolgter Beweisaufnahme wurde die Klage in vollem Umfang abgewiesen).

Entscheidungsgründe:

I. Das BerG hat den Verbotsausspruch für hinreichend bestimmt gehalten und in der Anzeigenwerbung für die Kompaktanlage zu dem “Setpreis” einen Verstoß gegen § 3 UWG erblickt. Es hat dazu ausgeführt: Es könne dahingestellt bleiben, ob die Werbung mit dem “Setpreis” von 1.111,- DM deshalb irreführend sei, weil – wie das LG angenommen habe – die Bekl. den für die Kompaktanlage genannten Preis von 1.598,- DM weder im Zeitpunkt der Veröffentlichung der Anzeige noch in der Zeit davor ernsthaft verlangt und auch realisiert habe. Sie sei schon allein deshalb irreführend, weil der für die Kompaktanlage angegebene Preis jedenfalls zur Zeit der Werbeaktion nicht mehr gültig gewesen sei, wie sich schon daraus ergebe, daß die Bekl. die Kompaktanlage und die Boxen Ende Juli 1992 zu einem um 487,- DM unter dem für die Kompaktanlage allein genannten Preis angeboten habe. Nur ein Teil der Leser werde bei einer solchen Gegenüberstellung des Setpreises mit den Einzelpreisen der Setteile den den Setpreis schon für sich allein erheblich übersteigenden Einzelpreis eines der Setteile für einen früheren eigenen Preis der Bekl. halten. Näher läge ein Verständnis der an sich mehrdeutigen Werbeaussage dahin, daß es sich bei den Einzelpreisen um die immer noch aktuellen Preise der Bekl. für den Verkauf der Einzelteile handele.

II. Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Revision haben Erfolg. Sie führen zur Aufhebung und Zurückverweisung. Die Annahme des BerG, die beanstandete Werbeanzeige sei irreführend, läßt sich mit der vom BerG gegebenen Begründung nicht halten.

1. Es bestehen bereits in mehrfacher Hinsicht Bedenken, ob der Klageantrag mit den sich aus § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO und der Urteilsausspruch mit den sich aus § 313 Abs. 1 Nr. 4 ZPO ergebenden Bestimmtheitsanforderungen in Einklang steht.

a) Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH darf ein Verbotsantrag nicht derart undeutlich gefaßt sein, daß sich der Bekl. nicht erschöpfend verteidigen kann und es in der Zwangsvollstreckung, wenn dem gestellten Antrag im Erkenntnisverfahren Rechnung getragen würde, die Entscheidung darüber, was dem Bekl. verboten ist, dem Vollstreckungsgericht überlassen wäre. Das bedeutet zwar nicht, daß die Verwendung von Begriffen, deren Bedeutung nicht immer die gleiche sein muß – auch wenn sie in den allgemeinen Sprachgebrauch eingegangen sind und ihre Benutzung üblich ist -, in Antrag und Urteilsformel grundsätzlich und generell unzulässig wäre. Auch der Gebrauch solcher Begriffe kann hinnehmbar oder im Interesse einer sachgerechten Verurteilung zweckmäßig oder sogar geboten sein, wenn im Einzelfall über den Sinngehalt der verwendeten Begriffe oder Bezeichnung kein Zweifel besteht (vgl. BGH GRUR 1992, 561, 562 = WRP 1992, 560 – Unbestimmter Unterlassungsantrag II mit weiteren Nachw.).

b) Daran gemessen genügt jedenfalls die im “es sei denn”-Zusatz enthaltene Formulierung “regelmäßig gefordert und… auch regelmäßig gezahlt” nicht den Bestimmtheitsanforderungen. Auch unter Berücksichtigung des zur Bestimmung von Umfang und Reichweite des Verbots heranzuziehenden Klagevorbringens, des Tatbestands und der Entscheidungsgründe läßt sich nicht hinreichend entnehmen, was mit dem zwischen den Parteien streitigen Begriff “regelmäßig” in dem hier in Rede stehenden Zusammenhang gemeint sein könnte. Wo die Grenze zwischen “regelmäßig” und “nicht regelmäßig” zu ziehen ist, ist nicht generell ersichtlich. Bedenken begegnet auch die Formulierung “ernsthaft kalkulierte Preise”, die aber bei Zugrundelegung einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise im Einzelfall anhand des Klagevorbringens auslegungsfähig sein kann.

Dagegen bestehen entgegen der Ansicht der Revision keine Bedenken gegen die Verwendung der Formulierung “Geräte der Unterhaltungselektronik”. Beide Begriffe sind im allgemeinen Sprachgebrauch so hinreichend umrissen, daß die Entscheidung über den Verbotsumfang dem Vollstreckungsgericht überlassen bleiben kann. Auch das Vorbringen der Bekl. zeigt, daß ihr die Begriffe hinreichend verständlich sind. So hat sie in ihrem Antrag auf Erhöhung der Beschwer selbst dargelegt, daß sich unter Verwendung beider Begriffe Umsatzgruppen für ihre geschäftliche Tätigkeit bilden lassen.

c) Ungeachtet der zum Teil durchgreifenden Bedenken ist die Klage aber nicht als unzulässig abzuweisen. Das von dem Kl. erstrebte Verbot läßt sich möglicherweise, wie die nachfolgenden Ausführungen unter 2. zeigen, mit anderer rechtlicher Begründung aufrechterhalten, die, wenn das BerG diese seiner Entscheidung zugrunde gelegt hätte, im Rahmen der Hinweispflicht zur sachgemäßen Antragstellung (§ 139 ZPO) dem Kl. eine Anpassung des Klageantrags ermöglicht hätte. Dazu wird im wiedereröffneten Berufungsverfahren Gelegenheit bestehen (vgl. BGH GRUR 1991, 254, 257 = WRP 1991, 216 – Unbestimmter Unterlassungsantrag I; GRUR 1993, 980, 981 – Tariflohnunterschreitung, insoweit in BGHZ 120, 320 nicht abgedruckt).

2. Die Erwägungen des BerG zur Irreführung der angesprochenen Verkehrskreise durch die Werbung der Bekl. mit dem Setpreis tragen die Verurteilung nach § 3 UWG nicht.

a) Sollten, was das BerG zugrunde gelegt hat, die Leser der Anzeige der Werbung mit dem Gesamtpreis für das Set nur entnehmen, die Bekl. verlange den für die Kompaktanlage genannten Preis jedenfalls zur Zeit der Werbeaktion schon deshalb nicht mehr, weil der angegebene Einzelpreis für diese allein im Blick auf die Günstigkeit des Gesamtangebots nicht mehr durchgesetzt werden könne und damit nicht mehr aktuell sei, würden die Leser über die Preisgestaltung der Bekl. zum Zeitpunkt des Erscheinens der Anzeige nicht irregeführt. Sie sähen vielmehr, wie es den Tatsachen entspricht, daß die Bekl. für die Kompaktanlage innerhalb des Sets jetzt einen niedrigeren Preis verlangt, als sie für das Kompaktgerät allein verlangen würde. Die Interessenten erkennen, daß es aus wirtschaftlichen Erwägungen nur sinnvoll sein kann, sich für das Setangebot zu entscheiden. Der genannte Einzelpreis wird für sie für die Dauer der Werbeaktion uninteressant sein. Die vom BerG vertretene Ansicht hätte letztlich zur Folge, daß die Werbung mit einem Setpreis immer dann zu verbieten wäre, wenn – was auch Eingang in den Urteilstenor gefunden hat – einer der Einzelpreise über dem Setpreis liegt. Diese Folgerung hat der Senat schon in seiner bisherigen Rechtsprechung nicht gezogen (vgl. BGH GRUR 1995, 165, 166 = WRP 1995, 192, 194 – Kosmetikset). Würde im übrigen – wie das BerG meint – die Irreführung allein in der Gegenüberstellung des Setpreises mit einem nicht mehr aktuellen Einzelpreis liegen, so wird nicht erkennbar, welchen Sinn die “es sei denn”-Einschränkung im Verbotstenor haben könnte; denn der Umstand, daß es sich um einen ernsthaft kalkulierten und über einen gewissen Zeitraum regelmäßig durchgesetzten Preis handelt, wäre nicht geeignet, die vom BerG angenommene Irreführung zu beseitigen.

b) Es kommt daher auf die vom BerG offengelassene Frage an, ob die beanstandete Werbung deshalb irreführend ist, weil – wie der Kl. vorgebracht hat – der Einzelpreis für die Kompaktanlage vor der Werbeaktion nicht ernsthaft verlangt und durchgesetzt worden sei.

Nach der Rechtsprechung des BGH ist eine Werbung mit Preissenkungen, wie die Bekl. sie in der beanstandeten Anzeige dadurch vornimmt, daß sie ein Gerät, das sie früher allein zu einem höheren Preis angeboten hatte, zum Gegenstand eines Gesamtangebots machte, dann irreführend im Sinne des § 3 UWG, wenn der frühere Preis nicht, nicht ernsthaft oder nicht längere Zeit oder nicht in letzter Zeit verlangt worden ist oder wenn überhöhte Preise angesetzt sind, um eine Preissenkung vortäuschen zu können, oder wenn sonst über das Ausmaß der Preissenkung irregeführt wird (BGH GRUR 1975, 78, 79 = WRP 1974, 552 – Preisgegenüberstellung I; GRUR 1984, 212, 213 – unechter Einzelpreis; GRUR 1995, 165, 166 = WRP 1995, 192 – Kosmetikset). In einem solchen Falle könnte dem für das Setangebot verlangten Preis die herausgestellte Sparwirkung und besondere Preisgünstigkeit fehlen. Zu der zwischen den Parteien streitigen Frage, ob und in welchem Umfang der im Setpreisangebot für die Kompaktanlage genannte Einzelpreis von 1.598,- DM vorher durchgesetzt worden ist, bedarf es weiterer tatrichterlicher Feststellungen, in die die von der Bekl. mit Schriftsatz vom 15. 11. 1993 als Anlage BK 1 vorgelegte Liste über die Verkaufszahlen für die Monate Juni und Juli 1992 miteinzubeziehen sein wird.

III. Danach war auf die Revision der Bekl. das Berufungsurteil aufzuheben und die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten der Revision – an das BerG zurückzuverweisen. Sollten die weiter zu treffenden Feststellungen zur Annahme einer Irreführung führen, wird das BerG dem Kl. im Rahmen der Hinweispflicht zur sachgemäßen Antragstellung Gelegenheit zu geben haben, den oben zu II 1 b) geäußerten Bedenken Rechnung zu tragen und seinen Klageantrag an die rechtliche Beurteilung entsprechend den Ausführungen unter II 2 b) anzupassen, wobei zu beachten wäre, daß es geboten sein kann, die bislang nur als “es sei denn”-Ausnahme angesprochene Irreführungsform (“Mondpreischarakter” des höheren Einzelpreises) im Antrag positiv zu einem Verbot zu formulieren.

Keine Bedenken bestehen dagegen, daß das BerG das Verbot, dem Antrag des Kl. folgend, auf “Gerätesets der Unterhaltungselektronik” erstreckt hat und damit über die konkrete Verletzungsform, nämlich die Werbung für eine HiFi-Kompaktanlage nebst Lautsprechern, hinausgegangen ist. In der Rechtsprechung des BGH ist anerkannt, daß im Interesse eines angemessenen Rechtsschutzes gewisse Verallgemeinerungen zulässig sind, sofern auch in dieser Form das Charakteristische der konkreten Verletzungsform zum Ausdruck kommt (st. Rspr.; BGH WRP 1996, 199, 201 = GRUR 1996, 290 – Wegfall der Wiederholungsgefahr I). Dem liegt zugrunde, daß eine in bestimmter Form begangene Verletzungshandlung nicht nur die Wiederholung der genau identischen Verletzungsform vermuten läßt, sondern auch eine Vermutung für die Begehung zwar leicht abgewandelter, aber in ihrem Kern gleicher Handlungen begründet (BGH GRUR 1992, 858, 859 = WRP 1992, 768 – Clementinen). Diesen Anforderungen wird das angestrebte Verbot gerecht. Die vorliegend beworbenen Geräte gehören, wie auch zwischen den Parteien unstreitig ist, dem Bereich der “Unterhaltungselektronik” an. Daß dieser Bereich durch einheitliche Merkmale bestimmt ist, läßt sich wiederum (vgl. oben II 1 b) aus dem Vorbringen der Bekl. zur Begründung des Antrags auf Erhöhung der Beschwer herleiten. Die Bekl. hat auch durch Vorlage von weiteren Werbebeispielen mit “Setpreisen” dargelegt, daß sie bei der Werbung im Bereich der Unterhaltungselektronik im Kern gleiche Handlungen wiederholt.