UWG § 1; ZugabeVO § 1 Abs. 1
“Saustarke Angebote”
Amtliche Leitsätze:
Kopplungsangebote verschiedener Waren (hier: Gefriertruhe und Schweinehälfte), die nur den Gesamtpreis, nicht aber den Einzelpreis erkennen lassen (sogenannte verdeckte Kopplungsangebote), verstoßen nicht gegen § 1 UWG, wenn der angesprochene Verkehr die Einzelpreise ohne weiteres in Erfahrung bringen kann.
Zur Frage des Zugabeverstoßes in einem solchen Fall.
BGH, Urt.v. 30. 11. 1995 – I ZR 233/93, Berufungsinstanz OLG Hamm, erste Instanz LG Bielefeld
Tatbestand:
Die Bekl., die vorwiegend den Einzelhandel mit Unterhaltungselektronik, Elektrogeräten und Computern betreibt, veröffentlichte in der Tageszeitung “N.” vom 15. 10. 1992 die nachstehend verkleinert wiedergegebene Anzeige:
Der Kl., ein rechtsfähiger Verein von Gewerbetreibenden und Verbänden von Gewerbetreibenden, der satzungsgemäß unlauteren Wettbewerb bekämpft, hat dieses Angebot als eine nach § 1 UWG unzulässige Warenkopplung beanstandet.
Die Bekl. ist dem entgegengetreten. Sie hat geltend gemacht, sie habe die aus der Anzeige ersichtliche Truhe zusammen mit der Schweinehälfte deutlich billiger als ihre Mitbewerber am Ort der Werbung (Bielefeld) angeboten. Ein Preisvergleich sei ohne weiteres möglich gewesen.
Das LG hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Kl. hat das BerG (OLG Hamm NJW-RR 1994, 430) der Bekl. unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel untersagt, gegenüber letzten Verbrauchern für die Veräußerung einer Tiefkühltruhe inkl. eines halben Schweins zu werben, wenn als Preis nur ein Einheitspreis für die Tiefkühltruhe inkl. des halben Schweins genannt wird, insbesondere wenn dies wie aus der nachfolgend wiedergegebenen Werbeanzeige ersichtlich geschieht (im folgenden ist die vorstehend abgebildete Anzeige wiedergegeben).
Mit der – zugelassenen – Revision verfolgt die Bekl. den Klageabweisungsantrag weiter. Das Rechtsmittel führte zur Wiederherstellung des LG-Urteils.
Entscheidungsgründe
I. Das BerG hat ausgeführt: Nach der Rechtsprechung des BGH sei ein Gesamtangebot verschiedener Waren zu einem Gesamtpreis ohne Nennung der Einzelpreise unlauter, wenn sich der Gesamtpreis auf branchenverschiedene Waren oder Leistungen unterschiedlicher Art und Beschaffenheit beziehe, die in keinem Zusammenhang miteinander stünden, und wenn dem Publikum ohne Kenntnis der Einzelpreise jeder Anhaltspunkt dafür fehle, den voraussichtlichen Wert der gemeinschaftlich angebotenen Einzelwaren oder -leistungen auch nur annähernd zu schätzen. Die Kopplung betreffe vorliegend völlig unterschiedliche Leistungsgegenstände. Die Tatsache, daß eine Schweinehälfte in der Kühltruhe aufbewahrt werden könne, bedinge keine Zweckgebundenheit, wobei ein Indiz für die Sachfremdheit sei, daß die Schweinehälfte nicht bei der Bekl. bezogen werden könne. Auch sei die Beurteilung der Preiswürdigkeit des Angebots erheblich erschwert. Die Schweinehälfte sei nicht standardisiert oder marktgängig und werde regelmäßig nicht an Endverbraucher verkauft. Die Kunden hätten auch nicht die Möglichkeit, nur eine der beiden Leistungen bei der Bekl. zu kaufen. Darauf, ob das Gesamtangebot der Bekl. billiger sei als das Einzelangebot der Mitbewerber für die Gefriertruhe, komme es nicht an. Der unmittelbare Preisvergleich hinsichtlich der angebotenen Gefriertruhe als solcher sei nicht maßgeblich. Vielmehr komme es auch auf die Verwendbarkeit, Zweckmäßigkeit und Preiswürdigkeit dieser Truhe im Vergleich mit vergleichbaren Truhen anderer Art und anderer Hersteller an. Gerade bei einem langlebigen Wirtschaftsgut wie einer Gefriertruhe, die vom Kunden üblicherweise über mehrere Jahre verwendet werde, komme es auch darauf an, Systemvergleiche mit anderen Truhen vornehmen zu können, um festzustellen, ob die Truhe nach Fassungsvermögen und Leistung für den betreffenden Verbraucher tatsächlich optimal zu verwenden sei. Solche Systemvergleiche hinsichtlich des angebotenen Gefriertruhentyps würden erschwert, wenn der Verbraucher nicht wisse, welcher Anteil des Gesamtpreises auf die Gefriertruhe und welcher Anteil auf die Schweinehälfte entfalle. Ein Verstoß gegen die ZugabeVO sei nicht gegeben, weil der Verkehr erkenne, daß ihm zwei Gegenstände zu einem Gesamtpreis angeboten würden.
II. Die gegen diese Beurteilung gerichtete Revision der Bekl. hat Erfolg. Sie führt zur Wiederherstellung des die Klage abweisenden Urteils des LG.
Mit der Anzeige kündigte die Bekl. weder eine unzulässige Warenkopplung an noch verstößt sie in sonstiger Weise gegen wettbewerbsrechtliche Vorschriften oder die ZugabeVO.
1. Der Kl. ist zur Prozeßführung befugt (§ 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG). Ihm gehört eine erhebliche Zahl von Gewerbetreibenden an, die Waren oder gewerbliche Leistungen gleicher oder verwandter Art auf demselben Markt vertreiben. Der Kl. hat hierzu vorgetragen, daß zu seinen Mitgliedern unter anderem die Industrie- und Handelskammer Ostwestfalen-Lippe, die Kreishandwerkerschaften Bielefeld, Gütersloh, Herford, Minden-Lübbecke sowie der Einzelhandelsverband Ostwestfalen e. V. und der Einzelhandelsverband Lippe e. V. zählen. Die Mitgliedschaft dieser Verbände und Vereinigungen reicht zur Annahme der Prozeßführungsbefugnis aus (vgl. BGH GRUR 1995, 122 = WRP 1995, 104 – Laienwerbung für Augenoptiker). Von diesem Vorbringen ist auszugehen. Die Bekl. hat seine Richtigkeit nicht in Abrede gestellt. Es sind auch sonst keine Umstände erkennbar, die es rechtfertigen, die Richtigkeit des Vorbringens des Kl. in Zweifel zu ziehen.
2. Angebote, bei denen – wie hier – unterschiedliche Waren zu einem Gesamtpreis beworben werden, ohne daß die Einzelpreise ersichtlich sind (sogenannte verdeckte Kopplungsangebote), sind wettbewerbsrechtlich grundsätzlich nicht zu beanstanden. Im allgemeinen kann es nicht als Verstoß gegen die Grundsätze des Leistungswettbewerbs angesehen werden, Qualität und Preiswürdigkeit des Angebots durch die Attraktivität eines Kombinationsangebots – auch verschiedener Waren – hervorzuheben (BGH GRUR 1962, 415, 418 = WRP 1962, 200 – Glockenpackung). Wettbewerbswidrig können verdeckte Kopplungsgeschäfte allerdings dann sein, wenn die Einzelpreise nicht bekannt sind und der Käufer sie auch nicht in Erfahrung bringen kann, weil er keinerlei Anhaltspunkte für deren Berechnung hat und er deshalb die Preisgestaltung des Angebots nicht mit Konkurrenzangeboten vergleichen kann (BGH GRUR 1971, 582, 584 = WRP 1971, 369 – Kopplung im Kaffeehandel). Von diesen Rechtsgrundsätzen ist das BerG zutreffend ausgegangen. Nicht beigetreten werden kann ihm aber darin, daß danach auch das vorliegend in Rede stehende Kopplungsangebot als wettbewerbswidrig zu beurteilen ist.
Bedenken begegnet bereits die Annahme des BerG, daß das Kopplungsangebot der Bekl. zwei völlig unterschiedliche Leistungsgegenstände betreffe, die nicht miteinander in Zusammenhang stünden, und daß die Möglichkeit der Aufbewahrung des Schweinefleischs in der Tiefkühltruhe keine Zweckverbundenheit beider Leistungen im Sinne einer Gebrauchseinheit bedinge. Ein Gebrauchszusammenhang zwischen Gefriertruhe und Schweinehälfte kann nicht in Abrede gestellt werden. Für den Käufer einer Schweinehälfte liegt der Erwerb einer Gefriertruhe, wenn er über eine solche noch nicht verfügt, durchaus nahe. Die Truhe dient der mit dem Kauf der Schweinehälfte beabsichtigten Vorratshaltung und ermöglicht dem Käufer damit sogleich eine sinnvolle Verwendung. Letztlich kann das aber dahinstehen, ebenso wie die weitere Frage, ob der Gesichtspunkt des Gebrauchszusammenhangs oder der Gebrauchsnähe für die Frage der Zulässigkeit des Kopplungsangebots vorliegend überhaupt von Bedeutung sein kann. Denn jedenfalls trifft die weitere Annahme des BerG nicht zu, daß für den Verkehr die Beurteilung der Preiswürdigkeit der unter dem Gesamtpreis angebotenen Waren erheblich erschwert sei. Das gilt – entgegen den Ausführungen des BerG – sowohl für die Gefriertruhe, als auch für die Schweinehälfte.
Nach der Rechtsprechung des BGH ist Käufern, die einen Preisvergleich vorzunehmen wünschen, auch längeres Suchen nach Vergleichsobjekten zumutbar (BGH GRUR 1991, 468, 469 = WRP 1991, 564, 566 – Preisgarantie II; GRUR 1994, 57, 58 = WRP 1993, 749, 751 – Geld-zurück-Garantie). Im Streitfall ist davon auszugehen, daß die an einem Preisvergleich interessierten potentiellen oder tatsächlichen Käufer die Preise für die Gefriertruhe und die Schweinehälfte am Ort der Werbung ohne Schwierigkeiten hätten in Erfahrung bringen können. Bei der angebotenen Gefriertruhe handelte es sich um einen Markenartikel mit in der Werbeanzeige genau angegebener Artikelbezeichnung (“Philips GT 215”), die die Identifizierung dieses Artikels bei Mitbewerbern ohne weiteres erlaubte. Die Bekl. hat vorgetragen und durch Vorlage einer Ablichtung belegt, daß die Firma S. in B. ein gleiches Gerät wie das beworbene zum Preis von 629,- DM angeboten habe. Ferner hat sie vorgetragen, daß insgesamt mindestens sechs Einzelhändler in B. die Tiefkühltruhe Philips GT 215 zu höheren Preisen führten als die Bekl. und daß diese Tiefkühltruhe auch in den Katalogen der Versandhandelsunternehmen O. und N. zum Preis von 629,- DM angeboten werde.
Von diesem Vortrag der Bekl. ist auszugehen. Das Vorbringen zum Angebot der Firma S. hat der Kl. selber zugrunde gelegt. Im übrigen hat er das Vorbringen der Bekl. nicht substantiiert bestritten. Darauf hat die Bekl. ausdrücklich hingewiesen, ohne daß der Kl. dies zum Anlaß genommen hätte, dem Vortrag der Bekl. in diesem Punkt entgegenzutreten.
Darüber hinaus trägt die Feststellung des BerG nicht, daß es sich bei einer Schweinehälfte nicht um einen marktgängigen und standardisierten Artikel handele, dessen Preis jederzeit und überall zuverlässig erfragt werden könne. Die Bekl. hat eine Bescheinigung des E-C. in B. vom 4. 1. 1993 vorgelegt, in der es heißt, daß es für Schweinehälften Durchschnittsgewichte gibt, daß ferner das Standard-Handelsdurchschnittsgewicht für ein halbes Schwein bei ca. 35 kg liegt und daß halbe Schweine als solche regelmäßig vom E-C. auch veräußert würden. Von der inhaltlichen Richtigkeit dieser Bescheinigung ist auszugehen. Der Kl. hat sie nicht bestritten.
Preisvergleichsinteressierte Kunden hätten daher auch die Kenntnis der vom E-C. mitgeteilten Umstände unschwer in Erfahrung bringen können, sei es beim E-C. selber, sei es bei der in der Werbung der Bekl. erwähnten Fleischerabteilung, sei es sonst bei Schlachtern in B.
Konnte danach der angesprochene Verkehr die Einzelpreise für beide in der Werbeanzeige der Bekl. beworbenen Artikel ohne weiteres erfragen, entfällt ein Verstoß gegen § 1 UWG unter dem Gesichtspunkt des verdeckten Kopplungsangebots.
3. Einen Verstoß gegen die ZugabeVO (§ 1 Abs. 1 hat das BerG zu Recht verneint. Voraussetzung für die Annahme eines solchen Verstoßes wäre u. a., daß der Verkehr bei einer Anzeige wie der vorliegend beanstandeten davon ausginge, die Schweinehälfte werde zur Gefriertruhe ohne besondere Berechnung als Zugabe mitangeboten. Ein solches Verkehrsverständnis kann aber nicht in Betracht gezogen werden. Ein anderes wäre erfahrungswidrig. Die Bekl. hat ein Gesamtangebot zu einem Gesamtpreis beworben. Gefriertruhe und Schweinehälfte sind damit gleichermaßen Gegenstand ihres Angebots, mag auch nach dem unterschiedlichen Wert der beiden Waren das Schwergewicht bei der Gefriertruhe liegen. Letzteres führt aber nicht dazu, daß der Verkehr die Schweinehälfte als eine ihm ohne besondere Berechnung angebotene Zugabe ansieht. Vielmehr erscheint sie ihm, so wie sie beworben ist, als eine zweite, weitere Ware, von der er annimmt, daß er sie bei Entrichtung des Gesamtpreises mitzubezahlen hat. Eine andere Betrachtungsweise verbietet sich auch mit Blick auf den Wert der Schweinehälfte, der für jeden Kaufinteressenten – auch ohne Einholung von Preisvergleichsdaten – 100,- DM weit übersteigt. Der Nettoeinstandspreis der Bekl. für die Schweinehälfte betrug 168,27 DM. Demgemäß kann auch keine Rede davon sein, daß die Bekl. Schweinehälfte und Gefriertruhe nur deshalb zu einem Gesamtpreis angeboten habe, um verbotswidrig (§ 1 Abs. 1 Satz 3 ZugabeVO) den Charakter der Schweinehälfte als den einer Zugabe zu verschleiern.
Entfällt damit ein Verstoß gegen die ZugabeVO, kann im Streitfall auch ein Verstoß gegen § 1 UWG unter dem Gesichtspunkt der Wertreklame mangels besonderer weiterer, die Wettbewerbswidrigkeit begründender Umstände nicht in Betracht gezogen werden.
4. Die angegriffene Werbung ist schließlich auch nicht als irreführend (§ 3 UWG) zu beanstanden. Eine Täuschung des Verkehrs über die Preisgünstigkeit des Angebots scheidet aus. Nach dem in der Revisionsinstanz als unbestritten zugrundezulegenden Vortrag der Bekl. liegt der Preis für ihr aus Gefriertruhe und Schweinehälfte bestehendes Gesamtangebot mit 599,- DM unter dem, den die Mitbewerber für die Gefriertruhe allein verlangen. Andere Umstände, die eine Prüfung nach § 3 UWG nahelegten, sind nicht gegeben.