BGH: Kurze Verjährung bei Verbraucherkreditverträgen

Kurze Verjährung bei Verbraucherkreditverträgen

BGH, Urteil vom 25.09.2001; Az: XI ZR 109/01

Leitsatz des Gerichts:

Beim finanzierten Kauf kann sich der Verbraucher gemäß § 9 III S. 1 VerbrKrG auch gegenüber der Darlehensrückzahlungsforderung der kreditgebenden Bank auf die im Verhältnis zum Verkäufer geltende kurze Verjährungsfrist des § 196 I Nr. 1 BGB berufen.

Tatbestand:

Im November 1991 gewährte die Klägerin, eine Bank, dem Beklagten zur Finanzierung der Anschaffung eines PKW einen Kredit i.H.v. ca. 30.000 DM. Die Darlehensvaluta wurde direkt an den Fahrzeugverkäufer ausbezahlt, der Beklagte erhielt das Fahrzeug unter Vereinbarung von Sicherungseigentum zugunsten der Klägerin. In der Folge konnte der Beklagte die Tilgungszahlungen nicht leisten, so dass die Klägerin den Darlehensvertrag im Oktober 1994 fristlos kündigte. Der durch den Verkauf des Fahrzeugs erzielte Nettoerlös wurde mit der Darlehensschuld verrechnet.

Mit ihrer im Jahr 2000 erhobenen Klage fordert die Klägerin den Restbetrag vom Beklagten. Dieser erhob die Verjährungseinrede. Er ist der Ansicht, die kurze zweijährige kaufrechtliche Verjährung des § 196 I Nr. 1 BGB gelte wegen des in § 9 III S. 1 VerbrKrG normierten Einwendungsdurchgriffs auch für die Darlehensrückforderung.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die hiergegen gerichtete Berufung des Beklagten hatte jedoch Erfolg. Mit der (zugelassenen) Revision erstrebt die Klägerin die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Gründe:

Die Revision der Klägerin ist jedoch unbegründet.

Der Anspruch auf Rückzahlung des Darlehens sei verjährt, da sich der Verbraucher gemäß § 9 III S. 1 VerbrKrG auch gegenüber dem Kreditgeber auf die zweijährige Verjährungsfrist aus § 196 I Nr. 1 BGB, die im Verhältnis zu Verkäufer gelte, berufen könne.

Nach § 9 III S. 1 VerbrKrG könne der Verbraucher die Rückzahlung des Kredits verweigern, soweit Einwendungen aus dem verbundenen Kaufvertrag ihn gegenüber dem Verkäufer zur Verweigerung seiner Leistung berechtigen “würden”.

Dies bedeute, dass alle rechtshindernden, rechtsvernichtenden und rechtshemmenden Einwendungen und Einreden (darunter die Einrede der Verjährung des Kaufpreisanspruchs) dem Darlehensrückzahlungsanspruch der Teilzahlungsbank entgegengesetzt werden können.

Für diese Meinung sprächen der Wortlaut, die Systematik, die Entstehungsgeschichte und die Teleologie des in § 9 III VerbrKrG normierten weitreichenden Einwendungsdurchgriffs.

a) Mit der vom Gesetzgeber gewählten Konjunktiv-Formulierung “berechtigen würden” stelle das Gesetz beim Einwendungsdurchgriff auf die hypothetische Rechtslage ab, die bestehen würde, wenn der Verbraucher nur dem Verkäufer gegenüberstünde.

Der Käufer und Darlehensnehmer sei nach dem klaren Gesetzeswortlaut beim verbundenen Geschäft also so zu stellen, wie er bei einem nicht finanzierten Teilzahlungsgeschäft, bei dem er den Kaufpreis in Raten an den Verkäufer zu entrichten hätte, stehen würde. Eine Begrenzung des Einwendungsdurchgriffs auf Fälle der Schlecht- oder Nichterfüllung des Kaufvertrages (wie sie nach Art. 11 II Sätze 1 lit. d und 2 der Richtlinie des Rates zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedsstaaten über den Verbraucherkredit 87/102/EWG vom 22.12.1986 möglich gewesen wäre) sei nicht in § 9 II S. 1 VerbrKrG verankert.

b) Auch die Gesetzessystematik spräche für diese Ansicht. Von dem in § 9 III S. 1 VerbrKrG enthaltenen Grundsatz mache das Gesetz nur in § 9 III S. 2 und 3 VerbrKrG Ausnahmen, zu denen die Einrede der Verjährung des Kaufpreisanspruchs nach § 196 I Nr. 1 BGB nicht gehöre.

c) Auch läge dem Gesetzentwurf die erklärte Absicht des Gesetzgebers zugrunde, durch das an die Stelle des Abzahlungsgesetzes tretende Verbraucherkreditgesetz den Verbraucherschutz auszuweiten. Bis auf die Fälle der Sätze 2 und 3 des § 9 III VerbrKrG sollte, so die entsprechende Regierungserklärung sinngemäß, “grundsätzlich jegliche Schlechterstellung des Käufers und Kreditnehmers aus der Aufspaltung eines wirtschaftlich einheitlichen Vorgangs in einen finanzierten Kauf und einen Darlehensvertrag” vermieden werden.

d) Auch die teleologische Auslegung, ausgehend davon, dass § 9 III S. 1 VerbrKrG den Verbraucher vor den Risiken der rechtlichen Aufspaltung eines Teilzahlungskaufs grundsätzlich umfassend schützen will, gebiete in vorliegendem Fall eine Berücksichtigung der kaufrechtlichen Verjährungseinrede gemäß § 196 I Nr. 1 BGB gegenüber dem Darlehensrückzahlungsanspruch.

Da es für verbundene Geschäfte typisch sei, dass die Leistung des Verbrauchers (durch Anweisung an die kreditgebende Bank, die Darlehenssumme direkt an den Verkäufer zu erbringen) sofort in voller Höhe erfolgt, erhielte der Kaufvertrag den Charakter eines Bargeschäfts. Diesen solle es aber nach “dem Sinn und Zweck des § 9 III S. 1 VerbrKrG nicht haben”, daher müsse dem Verbraucher bei einem finanzierten Kauf ein dem Kaufrecht entsprechender Schutz gegenüber dem Darlehensrückzahlungsanspruch gewährt werden.