Az: VIII ZR 32/00
Leitsatz / Leitsätze:
Bei Verhandlungen über den Kauf eines
Unternehmens oder
von GmbH-Geschäftsanteilen trifft den
Verkäufer im Hinblick
auf die wirtschaftliche Tragweite des
Geschäfts und die
regelmäßig erschwerte Bewertung des
Kaufobjekts durch den
Kaufinteressenten diesem gegenüber
eine gesteigerte
Aufklärungs- und Sorgfaltspflicht.
Tatbestand
Der Kläger macht gegen die Beklagten
Schadensersatzansprüche im Zusammenhang mit
dem Kauf von Geschäftsanteilen der BKD B.-, R.- und S.
GmbH (im folgenden: BKD GmbH
oder GmbH) geltend.
Gesellschafter der GmbH waren zunächst die beiden
Beklagten und der Zeuge K. Am 8.
September 1993 schied der Beklagte zu 2, der Bruder des
Beklagten zu 1, aus der
Gesellschaft aus, nachdem er seine Geschäftsanteile an den
Mitgesellschafter K. verkauft und
übertragen hatte; er blieb jedoch der GmbH – wie bisher –
als Steuerberater verbunden und
arbeitete, insbesondere durch die Erledigung sämtlicher
Buchführungsarbeiten, mit seinem
Bruder und der GmbH weiterhin eng zusammen. Sein Büro
befand sich auf dem
Betriebsgelände der BKD GmbH. Die Geschäftsführung teilten
die beiden verbliebenen
Gesellschafter dergestalt unter sich auf, daß der Beklagte
zu 1 als “Hauptgeschäftsführer” für
den kaufmännischen Bereich und der Zeuge K. für den
technischen Bereich zuständig sein
sollte. Die wirtschaftliche Situation der BKD GmbH war
bereits spätestens seit dem Sommer
1993 angespannt.
Am 9. November 1993 fand zwischen dem Beklagten zu 1, dem
Zeugen K. und dem Kläger
eine Besprechung statt, bei der die Übernahme sämtlicher
Geschäftsanteile des Beklagten zu
1 mit einem Nennbetrag von insgesamt 12.300 DM sowie von
zwei Geschäftsanteilen des
Zeugen K. in Höhe von insgesamt 7.800 DM durch den Kläger
vereinbart wurde; die von K.
gehaltenen restlichen Geschäftsanteile im Nennbetrag von
30.000 DM sollten weiterhin bei
diesem verbleiben. Außerdem vereinbarten die Beteiligten,
daß der Kläger der Gesellschaft
eine “Liquiditätshilfe” in Höhe von 100.000 DM als
Darlehen gewähren sollte, die zur
Bezahlung der anstehenden Löhne bestimmt war. Der Betrag
wurde am 11. November 1993
vom Kläger überwiesen und am folgenden Tag der GmbH
gutgeschrieben.
Entsprechend der Vereinbarung vom 9. November 1993 erwarb
der Kläger durch notariellen
Vertrag vom 22. November 1993 die Geschäftsanteile des
Beklagten zu 1 zum Nennwert von
12.300 DM sowie zwei Anteile des Zeugen K. – ebenfalls zum
Nennwert – für 7.800 DM.
In der Folgezeit gaben der Kläger und der
Mitgesellschafter K. gegenüber einer Gläubigerin
der BKD GmbH, der Firma I. GmbH, die Forderungen aus
Warenlieferungen geltend gemacht
und mit Vollstreckungsmaßnahmen gedroht hatte, eine
Garantieerklärung über 88.222,63 DM
ab; hierauf hat der Kläger insgesamt 50.000 DM an die I.
GmbH gezahlt.
Nachdem am 10. Juni 1994 das Gesamtvollstreckungsverfahren
über das Vermögen der BKD
GmbH eröffnet worden war, erklärte der Kläger mit
anwaltlichem Schreiben vom 14. Juni
1994 die Anfechtung des notariellen Vertrages vom 22.
November 1993 wegen arglistiger
Täuschung über die wirtschaftlichen Verhältnisse der BKD
GmbH durch den Beklagten zu 1.
Mit weiterem Schreiben vom 18. Juli 1994 forderte der
Kläger den Beklagten zu 1 auf, einer
Rückübertragung der Geschäftsanteile der BKD GmbH
zuzustimmen. Dies lehnte der Beklagte
zu 1 mit Schreiben seines Anwalts vom 21. Juli 1994 ab.
Der Kläger macht im Zusammenhang mit der Zahlung der
Liquiditätshilfe für die BKD GmbH
und seiner Garantieerklärung gegenüber der I. GmbH gegen
die Beklagten
Schadensersatzansprüche in Höhe von insgesamt 195.775,21
DM sowie einen
Feststellungsanspruch hinsichtlich des weiteren Schadens
geltend. Er behauptet, die
Beklagten hätten ihn bei den Vertragsverhandlungen über
die finanzielle Lage der BKD
GmbH getäuscht, weil sie ihn über die wahre Situation
nicht pflichtgemäß aufgeklärt,
vielmehr die Lage der Gesellschaft positiv dargestellt
hätten.
Die Beklagten haben das Vorbringen des Klägers,
insbesondere eine Täuschung über die
wahre wirtschaftliche Lage der GmbH und eine
Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft bereits
im November 1993, bestritten. Der Beklagte zu 2 hat
außerdem Verjährung etwaiger
Schadensersatzansprüche eingewandt.
Das Landgericht hat der Klage gegen den Beklagten zu 1
unter Berücksichtigung eines
Mitverschuldens des Klägers überwiegend stattgegeben,
gegen den Beklagten zu 2 hat es sie
abgewiesen. Auf die Berufung des Beklagten zu 1 hat das
Oberlandesgericht die Klage
insgesamt abgewiesen. Die Berufung des Klägers hat es
zurückgewiesen. Mit der Revision
verfolgt der Kläger seinen bezifferten
Schadensersatzanspruch und den
Feststellungsanspruch in vollem Umfang weiter.
Entscheidungsgründe
I. Das Berufungsgericht hat, soweit für das weitere
Verfahren noch von Interesse, im
wesentlichen ausgeführt:
Zwar sei ein Schadensersatzanspruch aus Verschulden bei
Vertragsschluß nicht grundsätzlich
ausgeschlossen, da die Beklagten dem Kläger gegenüber
keine mehrjährigen Umsatz- und
Ertragsangaben gemacht hätten und deshalb eine vorrangige
Sachmängelhaftung nach den
§§ 459 ff BGB nicht in Betracht komme. Ein solcher
Schadensersatzanspruch scheitere jedoch
– ebenso wie eventuelle deliktische Ansprüche – am
fehlenden Verschulden der Beklagten.
Die Beklagten – der Beklagte zu 1 als Verkäufer, der
Beklagte zu 2 aufgrund seiner engen
Verflechtungen mit der Gesellschaft und dem Beklagten zu 1
– seien allerdings verpflichtet
gewesen, den Kläger über alle für ihn wesentlichen
Tatsachen vollständig und
wahrheitsgemäß aufzuklären; dies gelte insbesondere für
solche Umstände, die geeignet
gewesen seien, den Vertragszweck – Beteiligung des Klägers
an einer lebensfähigen
Gesellschaft – zu vereiteln, wie etwa eine desolate
wirtschaftliche Lage oder Konkursreife der
Gesellschaft.
Die vom Kläger behauptete desolate wirtschaftliche
Situation der Gesellschaft bis hin zur
Konkursreife sei jedoch nicht bewiesen. Nach den Aussagen
der Zeugen J. und O. sei es
allerdings im Zeitraum Juli bis Oktober 1993 zu
Zwangsvollstreckungsmaßnahmen
verschiedener Gläubiger, u.a. der Berufsgenossenschaft und
der Zusatzversorgungskasse, zu
Rückholversuchen von Leasingfirmen, Rückbuchungen von
Lastschriften und Rückholung von
unter Eigentumsvorbehalt gelieferten Waren gekommen; die
Sperrung der Telefonleitung
und der Stromleitung sei zwar angedroht worden, es sei
aber nicht feststellbar, ob sie auch
durchgeführt worden sei. Ebenso unerheblich sei auch die
Tatsache, daß der Beklagte zu 1
im Oktober 1993 eine persönliche Bürgschaft wegen
rückständiger
Sozialversicherungsbeiträge übernommen habe. Alle diese
Umstände ließen weder für sich
genommen noch im Zusammenhang mit anderen Indizien den
zwingenden Schluß auf eine
dauernde Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft zu.
II. Diese Erwägungen des Berufungsgerichts halten der
rechtlichen Nachprüfung in dem
entscheidenden Punkt nicht stand.
1. Nur im Ergebnis, nicht in der Begründung trifft der
rechtliche Ausgangspunkt des
Berufungsurteils zu. Zu Recht weist die Revision darauf
hin, daß eine – gegenüber der
Haftung für Verhandlungsverschulden vorrangige –
Sachmängelhaftung gemäß §§ 459 ff BGB
hier nicht etwa erst wegen Fehlens einer langjährigen
Umsatz- und Ertragsangabe
ausscheidet, sondern bereits deshalb, weil ein
Unternehmenskauf überhaupt nicht vorliegt.
Ein zur Anwendung der §§ 459 ff BGB führender
Unternehmenskauf ist nach ständiger
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes nur gegeben, wenn
der Käufer sämtliche oder
nahezu sämtliche Anteile an einem Unternehmen erwirbt (so
z.B. BGHZ 65, 246, 251 f und
BGHZ 138, 195, 204 m.w.Nachw.). Der Kläger hat jedoch mit
dem notariellen Vertrag vom 22.
November 1993 von dem Beklagten zu 1 und dem Zeugen K.
unstreitig lediglich
Geschäftsanteile im Gesamt- Nennbetrag von 20.100 DM (rund
40 % des Stammkapitals)
übernommen, während die restlichen Anteile in Höhe von
30.000 DM bei dem Zeugen K.
verblieben sind. Gegen eine Haftung der Beklagten wegen
Verschuldens bei
Vertragsverhandlungen bestehen daher keine grundsätzlichen
Bedenken.
2. Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, daß der
Beklagte zu 1 als Verkäufer der
Anteile und der Beklagte zu 2 aufgrund seiner maßgeblichen
Beteiligung an den
Vertragsverhandlungen, seiner engen Beziehung zum
Beklagten zu 1 und der BKD GmbH
sowie seiner Sachkunde als langjähriger Steuerberater der
Gesellschaft als sogenannter
Sachwalter unter dem Gesichtspunkt der Inanspruchnahme
besonderen Vertrauens dem
Kläger gegenüber haften. Das wird von der
Revisionserwiderung nicht angegriffen und läßt
Rechtsfehler nicht erkennen (vgl. dazu BGH, Urteil vom 29.
Januar 1992 – VIII ZR 80/91, WM
1992, 699 unter I 4).
3. Nicht gefolgt werden kann dagegen der Auffassung des
Berufungsgerichts, eine Haftung
der Beklagten scheitere am fehlenden Verschulden.
a) Es kann dahinstehen, ob der Beklagte zu 1, der sich das
mitwirkende Verhalten seines
Bruders auch insoweit zurechnen lassen muß (vgl. dazu BGH,
Urteile vom 1. Juni 1989 – III ZR
261/87, WM 1989, 1364 unter II 2 = BGHR BGB § 123 Abs. 2
Dritter 1; vom 8. Dezember 1989 – V
ZR 259/87, WM 1990, 479 unter II = BGHR aaO Dritter 2; vom
9. April 1992 – IX ZR 145/91, WM
1992, 1016 unter I 1= BGHR aaO Dritter 4 und vom 20.
November 1995 – II ZR 209/94, WM 1996,
201 unter 3 = BGHR aaO Dritter 5), den Kläger bei den
Vertragsverhandlungen durch
Übergabe einer falschen betriebswirtschaftlichen
Auswertung zum 30. September 1993 und
durch die angeblichen Manipulationen im Zusammenhang mit
dem Verkauf des Betriebsteils
“Baustoffcenter” arglistig getäuscht hat und der Kläger
deshalb den notariellen Vertrag vom
22. November 1993 wirksam gemäß § 123 BGB angefochten hat.
Der Kläger kann jedenfalls
unter dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes für
Verschulden bei Vertragsverhandlungen
nicht nur die Rückabwicklung des notariellen Vertrages,
sondern auch Ersatz derjenigen
Aufwendungen verlangen, die ihm im ursächlichen
Zusammenhang mit dem Erwerb der
Geschäftsanteile an der BKD GmbH entstanden sind; denn der
Beklagte zu 1 hat ihn bei den
Verhandlungen pflichtwidrig nicht über wesentliche
Umstände aufgeklärt, die für seine
Kaufentscheidung von Bedeutung waren.
b) Nach gefestigter Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofes, von der auch das
Berufungsgericht ausgeht, besteht selbst bei
Vertragsverhandlungen, in denen die Parteien
entgegengesetzte Interessen verfolgen, für jeden
Vertragspartner die Pflicht, den anderen
Teil über solche Umstände aufzuklären, die den
Vertragszweck (des anderen) vereiteln
können und daher für seinen Entschluß von wesentlicher
Bedeutung sind, sofern er die
Mitteilung nach der Verkehrsauffassung erwarten konnte
(BGH, Urteil vom 6. Dezember 1995 –
VIII ZR 192/94, NJW-RR 1996, 429 unter II 2 m.w.Nachw.;
vgl. BGH, Urteil vom 16. Oktober 1987
– V ZR 170/86, NJW RR 1988, 394 unter 2).
Beim Kauf eines Unternehmens oder von
GmbH-Geschäftsanteilen ist im Hinblick auf den für
den Kaufpreis im Regelfall erheblichen Ertragswert
insbesondere zu berücksichtigen, daß der
Kaufinteressent – für den Verkäufer erkennbar – sich ein
einigermaßen zutreffendes Bild von
den wertbildenden Faktoren in erster Linie nur an Hand der
Bilanzen, der laufenden
betriebswirtschaftlichen Auswertungen, sonstiger
Buchführungsunterlagen und ergänzender
Auskünfte des Inhabers oder Geschäftsführers machen kann.
Diese Erschwerung der
Bewertung des Kaufobjekts durch einen außenstehenden
Interessenten, die auch durch
dessen möglicherweise vorhandene Sachkunde nicht
ausgeglichen wird, und seine
besondere Abhängigkeit von der Vollständigkeit und
Richtigkeit der ihm erteilten
Informationen vor allem zur Umsatz- und Ertragslage des
Unternehmens sowie die
regelmäßig weitreichenden wirtschaftlichen Folgen der
Kaufentscheidung rechtfertigen es,
dem Verkäufer eine gesteigerte Aufklärungspflicht
aufzuerlegen und an die hierbei
anzuwendende Sorgfalt einen strengen Maßstab anzulegen.
Geht es um die Beteiligung des
Erwerbers an einem lebensfähigen Unternehmen, dann
erstreckt sich die Aufklärungspflicht
des Käufers namentlich auch auf alle Umstände, welche die
Überlebensfähigkeit ernsthaft
gefährden, insbesondere also drohende oder bereits
eingetretene Zahlungsunfähigkeit oder
Überschuldung.
c) Gemessen an diesen Grundsätzen und auf der Grundlage
des festgestellten und
unstreitigen Sachverhalts kann der Auffassung des
Berufungsgerichts, dem Beklagten zu 1 sei
nicht einmal fahrlässiges Verhalten anzulasten, nicht
gefolgt werden.
aa) Zu Recht beanstandet die Revision, daß das
Berufungsgericht die desolate wirtschaftliche
Situation der Gesellschaft “bis hin zur Konkursreife” als
nicht bewiesen angesehen hat.
Schon die – unstreitige – Häufung von zahlreichen
gewichtigen Indizien für eine anhaltende
Krise der Gesellschaft ab Juni 1993 zeigt, daß sich die
GmbH bereits seit geraumer Zeit auf
den Zustand der Zahlungsunfähigkeit zubewegte. In den
Monaten Juni und Juli wurde in
mehreren Fällen Ware im Wert von jeweils etwa 20.000 bis
30.000 DM, die unter
Eigentumsvorbehalt geliefert worden war, von der
Lieferantin wegen Nichtbezahlung der
Rechnungen wieder abgeholt. Im Juli und August kam es zu
Zwangsvollstreckungsmaßnahmen verschiedener Gläubiger. In
der ersten Hälfte des vierten
Quartals hatten die rückständigen Raten für geleaste
Kraftfahrzeuge einen solchen Umfang
angenommen, daß die betroffenen Leasingfirmen Maßnahmen
zur Rückholung von
Fahrzeugen ergriffen. Ab Oktober wurden mehrfach
Lastschriften zurückgebucht und Schecks
nicht eingelöst. Wegen Zahlungsrückständen wurde überdies
die Sperrung der Telefon- und
Stromleitungen angedroht. Bei der zuständigen
Berufsgenossenschaft befand sich die BKD
GmbH mit Beiträgen in Höhe von etwa 50.000 DM in Verzug,
so daß sich der Beklagte zu 1 im
Oktober 1993 auf Drängen der Berufsgenossenschaft
veranlaßt sah, eine entsprechende
persönliche Bürgschaft zu übernehmen. Daß der Beklagte zu
2 als Steuerberater und
damaliger Gesellschafter der GmbH die wirtschaftliche
Situation des Unternehmens nicht
anders sah, belegt sein Mahnschreiben an die Gesellschaft
vom 15. Juli 1993, in welchem er
auf die Dringlichkeit der Tilgung von Forderungen der
Krankenkassen und Finanzämter
hinwies. Dieses Schreiben – ein wichtiges Indiz für die
negative Einschätzung der
wirtschaftlichen Lage der GmbH durch die Beklagten – hat
das Berufungsgericht mit
Stillschweigen übergangen, was die Revision zutreffend als
Verstoß gegen § 286 ZPO rügt.
Angesichts einer solchen Häufung deutlicher Anzeichen für
eine bereits eingetretene oder
unmittelbar bevorstehende Zahlungsunfähigkeit der
Gesellschaft spätestens im Herbst 1993
erweist sich die zusammenfassende Wertung des
Berufungsgerichts, es hätte “wesentlich
stärkerer Indizien bedurft”, als formelhafte Wendung und
Überspannung der
Beweisanforderungen (vgl. dazu BGH, Urteil vom 18. Juni
1998 – IX ZR 311/95, WM 1998, 1689
unter C II 2 a = BGHR ZPO § 286 Abs. 1 Beweismaß 2).
Sofern der Beklagte zu 1 als der für die kaufmännischen
Angelegenheiten zuständige
“Hauptgeschäftsführer” der GmbH über diese Vorgänge nicht
in vollem Umfang unterrichtet
war, entlastet ihn das nicht, denn dann müßte er sich, wie
ausgeführt, das Verhalten seines
als Verhandlungsgehilfen hinzugezogenen Bruders, des
Beklagten zu 2, zurechnen lassen (§
278 BGB), der, wie den Aussagen der Zeugen J. und O. zu
entnehmen ist, umfassend
informiert war.
bb) Aufgrund der unstreitigen gewichtigen Anzeichen für
eine anhaltende Krise der
Gesellschaft war für die Beklagten erkennbar, daß die GmbH
im Herbst 1993 entweder bereits
zahlungsunfähig war oder der Eintritt der
Zahlungsunfähigkeit zumindest drohte. Damit war
der vom Kläger mit dem Erwerb eines Geschäftsanteils
verfolgte Vertragszweck der
Beteiligung an einer lebensfähigen Gesellschaft jedenfalls
ernsthaft gefährdet. Der Beklagte
zu 1 war daher verpflichtet, den Kläger – auch ungefragt –
über diese Vorkommnisse
umfassend und wahrheitsgemäß zu unterrichten; dieser
Verpflichtung ist er unstreitig nicht
nachgekommen, wobei ihm das Unterlassen des Beklagten zu 2
zuzurechnen ist. Darin liegt
eine mindestens fahrlässige Verletzung der ihm gegenüber
dem Kläger obliegenden
Aufklärungspflicht, die ihn nach den Grundsätzen der
Haftung für Verschulden bei
Vertragsverhandlungen zum Schadensersatz verpflichtet.
d) Das Verschweigen der auf eine Zahlungsunfähigkeit der
GmbH hindeutenden Anzeichen
war ursächlich sowohl für den Kaufentschluß des Klägers
als auch für die Leistung der
Liquiditätshilfe von 100.000 DM an die GmbH, die Zahlung
von 40.000 DM an die I. GmbH
aufgrund der dieser gegenüber übernommenen Garantie und
die im Zusammenhang damit
entstandenen Anwalts- und Gerichtskosten.
Das Berufungsgericht hat dies – aus seiner Sicht
folgerichtig – nicht geprüft. Soweit es in
anderem Zusammenhang Zweifel an der Kausalität der
Handlungsweise des Beklagten zu 1
und des Zeugen K. äußert, ver- kennt es, daß sich in
Fällen der vorliegenden Art die
Darlegungs- und Beweislast umkehrt: Nach gefestigter
Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofes ist derjenige, der vertragliche oder
vorvertragliche Aufklärungspflichten
verletzt, beweispflichtig dafür, daß der Schaden auch bei
pflichtgemäßem Verhalten
eingetreten wäre, der Geschädigte also den Hinweis – hier:
auf die eindeutigen Anzeichen für
eine drohende oder bereits eingetretene
Zahlungsunfähigkeit im Sommer und Herbst 1993 –
unbeachtet gelassen und auch bei wahrheitsgemäßen Angaben
den Kaufvertrag so wie
geschehen abgeschlossen hätte (vgl. z.B. BGH, Urteil vom
18. Juni 1996 – VI ZR 121/95, NJW
1996, 2503 unter II; Urteil vom 20. September 1996 – V ZR
173/95, NJW-RR 1997, 144 unter II 2 b
bb). Anhaltspunkte für ein solches – hypothetisches –
Verhalten des Klägers sind weder von
den Beklagten vorgetragen noch sonst ersichtlich.
Insbesondere trifft es nicht zu, daß dem
Kläger, wie die Beklagten unter Hinweis auf das von ihm
erstellte Unternehmenskonzept
behaupten, die “äußerst angespannte wirtschaftliche
Situation” der Gesellschaft bekannt
gewesen sei. Jenes – allerdings undatierte –
Sanierungskonzept kann der Kläger frühestens
am 9. Dezember 1993, mithin vier Wochen nach der Zahlung
der Liquiditätshilfe und mehr als
zwei Wochen nach dem Abschluß des Anteilskaufvertrages,
erstellt haben. Das ergibt sich
aus dem einleitenden Satz des Konzepts: “Eine BWA …
liegt für den Monat Oktober seit dem
09.12. 1993 vor (Anhang).” Unter diesen Umständen läßt die
unstreitige Tatsache, daß der
Kläger ein Sanierungs- bzw. Unternehmenskonzept erstellt
hat, keinerlei Rückschlüsse auf
seinen Kenntnisstand bei Leistung der Liquiditätshilfe an
die BKD GmbH oder bei Abschluß
des notariellen Vertrages am 22. November 1993 und etwaige
Schlußfolgerungen hinsichtlich
einer mangelnden Kausalität der Pflichtverletzungen der
Beklagten zu. Soweit die Beklagten
darüber hinaus geltend machen, der Kläger hätte im
Zeitpunkt der Abgabe seiner
Garantieerklärung gegenüber der I. GmbH am 17. Dezember
1993 aufgrund seiner
Eigenschaft als Gesellschafter und Geschäftsführer selbst
einen Überblick über die
wirtschaftliche Lage der GmbH haben können, beseitigt dies
die Ursächlichkeit der
Pflichtverletzungen der Beklagten nicht. Der Kläger hat
hierzu vorgetragen, er sei damals
noch – mangels ausreichender Kenntnisse über das wahre
Ausmaß der Krise der Gesellschaft
– von der Sanierungsfähigkeit der BKD GmbH ausgegangen.
Angesichts der erwiesenen, in
erster Linie vom Beklagten zu 2 zu verantwortenden
gravierenden Mängel der Buchführung
sowie der angeblichen Unkenntnis der Beklagten über den
genauen Umfang der
Zahlungsrückstände und einer Überschuldung der
Gesellschaft trotz ihrer jahrelangen
Beteiligung an der GmbH sowie ihrer Tätigkeit als
kaufmännischer Geschäftsführer bzw.
buchführender Steuerberater liegt es nahe, daß der Kläger
Mitte Dezember 1993, mithin erst
wenige Wochen nach seinem Eintritt in die Gesellschaft –
übrigens ebenso wie der an der I.
-Garantie beteiligte langjährige Mitgesellschafter K. –
noch auf die Möglichkeit einer
Sanierung der BKD GmbH vertraute und auch vertrauen
durfte.
4. Der in seinem Vertrauen auf die Richtigkeit und
Vollständigkeit der Angaben seines
Vertragspartners Enttäuschte ist so zu stellen, wie er bei
richtiger Offenbarung der für seinen
Kaufentschluß erheblichen Umstände stünde. Er kann daher
entweder am Vertrag festhalten
und lediglich zusätzlich Schadensersatz beanspruchen oder
aber Rückgängigmachung des
Vertrages verlangen (BGHZ 69, 53, 56 und BGHZ 111, 75,
82). Wählt er – wie der Kläger im
vorliegenden Fall – die letztere Möglichkeit, dann kann er
Zug um Zug gegen (Rück-)
Abtretung des erworbenen Geschäftsanteils den Kaufpreis
zurückfordern und zugleich, wie
ausgeführt, Ersatz derjenigen Aufwendungen verlangen, die
ihm im ursächlichen
Zusammenhang mit dem beabsichtigten und/oder
durchgeführten Erwerb des
Geschäftsanteils entstanden sind. Dies trifft für die
Liquiditätshilfe (100.000 DM), die
Garantieleistung an die I. GmbH (40.000 DM) und die
außerhalb dieses Rechtsstreits und des
Parallelverfahrens entstandenen Anwaltsgebühren und
Gerichtskosten (insgesamt 55.775,21
DM) jedenfalls dem Grunde nach zu. Die
gesamtschuldnerische Haftung der Beklagten
erstreckt sich auch auf den weiteren Schaden, der dem
Kläger aufgrund des Kaufs der
Geschäftsanteile an der BKD GmbH bisher entstanden ist und
künftig entstehen wird, den der
Kläger aber derzeit noch nicht beziffern kann und
hinsichtlich dessen er die Feststellung der
Ersatzpflicht der Beklagten beantragt hat.
III. An einer eigenen Sachentscheidung (§ 565 Abs. 3 Nr. 1
ZPO) sieht sich der Senat
gehindert, weil das Berufungsgericht die vom Landgericht
bejahte Frage des Mitverschuldens
des Klägers sowie die vom Beklagten zu 2 erhobene
Verjährungseinrede zunächst in eigener
Zuständigkeit zu prüfen haben wird und es hierfür weiterer
tatsächlicher Feststellungen
bedarf.
Für das weitere Verfahren weist der Senat auf folgendes
hin:
Das Berufungsgericht hat – aus seiner Sicht folgerichtig –
die besonderen subjektiven
Voraussetzungen einer deliktischen Haftung insbesondere
des Beklagten zu 2 aus § 826 BGB,
für die Anhaltspunkte bestehen, nicht geprüft. Hierauf
kann es jedoch im Hinblick auf die
Verjährungsfrage ankommen; denn die Verjährungsfrist des §
852 BGB entspricht zwar in
ihrer dreijährigen Dauer jener für die Berufshaftung des
Steuerberaters nach dem –
möglicherweise entsprechend anwendbaren – § 68 StBerG,
unterscheidet sich von ihr aber
durch die Voraussetzungen für ihren Beginn. In diesem
Zusammenhang wird sich das
Berufungsgericht gegebenenfalls mit den Ausführungen der
Revision insoweit
auseinanderzusetzen haben.
IV. Bei der Zurückverweisung hat der Senat von der
Möglichkeit des § 565 Abs. 1 Satz 2 ZPO
Gebrauch gemacht.