(Nicht rechtskräftig)
UWG § 1; BGB 1004
In dem Rechtsstreit
(…)
hat das Amtsgericht Nidda durch die Richterin (…) aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 14.12.2001 für Recht
erkannt:
Die Beklagte wird verurteilt, bei Vermeidung eines Ordnungsgeldes bis zu 500.000,– DM, ersatzweise Ordnungshaft, es zu
unterlassen, Dritten Faxabrufnummern zur Verfügung zu stellen, die dem Abruf von Waren- und Dienstleistungsangeboten dienen,
welche mittels unverlangt zugesandter Werbefaxschrieben beworben werden.
Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 1.300,– DM vollstreckbar.
Der Kläger ist selbständiger Rechtsanwalt und unterhält unter der Nummer (…) einen Telefaxanschluß der seiner
geschäftlichen Korrespondenz dient.
Am 02.07.2001 und am 04.07.2001 fand der Kläger verschiedene Werbefaxe in seinem Faxgerät vor, die für einen Fabrikverkauf,
die Mithilfe bei der Suche nach einem Traumpartner, heiße Erotik im Internet und einen Heim- und Nebenverdienst unter
verschiedenen Faxabrufnummern warben. Es handelte sich um folgende Faxabrufnummern: 01908-277050,1908-277051, 01908-277058,
01908277059, 0190-82771207 und 01908-598830. Die Beklagte ist eine Gesellschaft für Servicenummern und vermietet diese
Faxabrufnummern.
Der Verfügungsbeklagten entstanden durch die Veranstaltung des Gewinnspiels weder Kosten noch flossen ihr Gelder zu. Die
aus der Verwendung der 0190er-Telefonnummer” fließenden Gelder erhielt in voller Höhe der ausführende Sender (…).
Mit Schreiben vom 02.07.2001 übersandte der Kläger der Beklagten eine Abmahnung nebst strafbewehrten
Unterlassungserklärungen, in der er die Beklagte aufforderte, es zu unterlassen dem Kläger Werbefaxe mit derartigen Inhalt
zu übersenden. Dies lehnte die Beklagte mit der Begründung ab, sie habe die Werbefaxe nicht versandt. Am 06.07.2001 forderte
der Kläger die Beklagte durch Abmahnung auf, es zu unterlassen, Dritten die Rufnummern zum Versenden von Werbefaxen zur
Verfügung zu stellen. Dies lehnte die Beklagte ebenfalls ab.
Am 16.07.2001 fand der Kläger erneut ein Werbefax in seinem Faxgerät, welches wieder einen Heim- und Nebenverdienst unter
einer der streitgegenständlichen Nummern bewarb.
Der Kläger ist der Ansicht, daß die Beklagte als wettbewerbsrechtliche Störerin es zu unterlassen habe, daß die von ihr
vermieteten Faxabrufnummern durch unverlangt zugesandte Werbefaxe beworben werden.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte bei Vermeidung eines Ordnungsgeldes bis zu DM 500.000,–, ersatzweise Ordnungshaft, zu verurteilen, es zu
unterlassen, Dritten Faxabrufnummern zur Verfügung zu stellen, die dem Abruf von Waren- und Dienstleistungsangeboten dienen,
welche mittels unverlangt zugesandten Werbefaxschreiben beworben werden.
Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte behauptet, sie und ihre Mieter hätten mit der Versendung der Telefaxe nichts zu tun. Die Beklagte ist der
Ansicht, sie habe keine rechtlichen Möglichkeiten die angeblich störenden Handlungen ihrer Mieter zu verhindern.
Die Klage ist zulässig und begründet.
Der Klageantrag ist hinreichend bestimmt (§ 253 II Nr. 2 ZPO), denn die Verletzungshandlung, deren künftige Begehung
verboten werden soll, ist so genau bezeichnet, daß sich die Beklagte erschöpfend verteidigen kann. Dabei ist die konkrete
Handlung, weiche die Beklagte unterlassen soll, hinreichend umschrieben. Aus dem Klageantrag ergibt sich eindeutig, daß die
Beklagte es unterlassen soll, Dritten Faxabrufnumern zur Verfügung zu stellen die dem Abruf von Waren- und
Dienstleistungsangeboten dienen, welche mittels unverlangt zugesandter Werbefaxe beworben wer, den. Die Frage, wie die
Beklagte der Handlung im einzelnen nachkommen kann, ist nicht der erforderliche Gegenstand eines solchen Klageantrages.
Der Kläger hat ein Rechtsschutzbedürfnis zur Erhebung der Klage. Dieses ergibt sich aus der Nichterfüllung des behaupteten
Unterlassungsanspruchs; von dessen Bestehen bei der Prüfung des Interesses auszugehen ist. Daran ändert auch der von der
Beklagten vorgetragene Umstand nichts, daß der Kläger die Möglichkeit hätte, gegen die Mieter der Faxabrufnummern direkt
vorzugehen. Wenn dem Kläger ein materiell-rechtlicher Anspruch gegen die Beklagte zusteht, kann der Kläger sein Ziel, daß
ihm objektiver Rechtsschutz gegen die Beklagte gewährt wird, nicht durch eine Klage gegen die Mieter der Beklagten
erreichen. Die Überlegung, daß das Handeln der Beklagten möglicherweise nur eine untergeordnete Bedeutung hat, gehört zum
materiellen Recht, nämlich der Prüfung, ob die Beklagte als Störer anzusehen ist.
Der Kläger kann die Beklagte gemäß § 1 UWG i.V.m. § 1004 BGB analog auf Unterlassung in Anspruch nehmen. Die
Aktivlegitimation des Klägers folgt aus § 13 II Nr. 1 UWG.
Der vom Kläger geltend gemachte Unterlassungsanspruch ergibt sich aus § 1 UWG i.V.m. § 1004 BGB analog. Nach der ständigen
Rechtsprechung des BGH haftet derjenige in entsprechender Anwendung von § 1004 BGB als Störer, der auch ohne
Wettbewerbsförderungsabsicht und ohne Verschulden an dem Wettbewerbsverstoß eines Dritten in der Weise beteiligt ist, daß er
in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal an der Herbeiführung der rechtswidrigen Beeinträchtigung mitwirkt. Dabei
kann als Mitwirkung auch die Unterstützung oder Ausnutzung der Handlung eines eigenverantwortlich handelnden Dritten
genügen, sofern der Inanspruchgenommene die rechtliche Möglichkeit zu Verhinderung dieser Handlung hatte (vgl. BGH GRUR
1990, 373 (374); BGH GRUR 1991, 540 (541); BGH GRUR 1991, 769 (770); BGH GRUR 1995, 167 (168); BGH GRUR 1997, 313 (315); BGH
GRUR 1997, 909 (911)). Unter Zugrundelegung dieses Ausgangspunktes ist die Beklagte passivlegitimierte
Unterlassungsschuldnerin.
Der Wettbewerbsverstoß eines Dritten ist gegeben. Die Beklagte hat an den wettbewerbswidrigen Handlungen ihrer Mieter
mitgewirkt. Die Mieterhaben durch die unverlangte Zusendung von Werbefaxen sittenwidrige Wettbewerbshandlungen vorgenommen.
Unverlangte Telefaxwerbung ist auch gegenüber Gewerbetreibenden grundsätzlich sittenwidrig. Als Begründung dient hier, daß
schon im Hinblick auf das Interesse der Anschlußinhaber, den Anschluß für ihre Geschäftszwecke zu nutzen und von unerbetener
Nutzung freizuhalten, sowie im Hinblick auf die drohende unzumutbare Belästigung bei Freigabe der unverlangten
Telefaxwerbung, diese als grundsätzlich wettbewerbswidrig anzusehen. Soweit die Beklagte vorträgt ihre Mieter hätten
bestritten mit den Werbefaxen irgend etwas zu tun zu haben und ein Dritter würde wohl Unfug mit dem Faxgerät des Klägers
treiben, so ist dem entgegenzuhalten, daß das Gericht es erwiesen ansieht, daß die Werbefaxe von den Mietern der Beklagten
stammen. Ob sie diese nun sel!
bstversandt haben oder durch eine Drittfirma haben versenden lassen ist unbeachtlich. Vielmehr spricht aufgrund der
Tatsache, daß die Kunden der Beklagten Mieter solcher 0190-Faxabrufnummern sind, eine Vermutung dafür, daß diese Mieter auch
die gemieteten Faxabrufnummern mittels Werbefaxe bewerben. Dieser Erfahrungssatz ergibt sich hier aus den Inhalten der
Werbefaxe (“Heiße Erotik im Internet”, “Wir helfen Ihnen bei der Suche Ihres Traumpartners”, “Heim- und Nebenverdienst”).
Solche Werbefaxe dienen lediglich dazu, die Empfänger neugierig” zu machen, um sie so zum Anwählen der . entsprechenden
Nummern zu bewegen. Diese Art von Werbefaxen werden massenhaft versandt, um so möglichst viele Interessierte zu erreichen,
die dann für 3,63 DM ein Fax abrufen. Der Zusammenhang zwischen den 0190-Nummern und den Faxschreiben ist so evident, daß
hier nach der Lebenserfahrung die Vermutung dafür spricht, daß die Faxe auch von den Mietern der Beklagten versandt wurden
oder von diesen in Au!
ftrag gegeben wurden.
Auch konnten die Versender nicht von einer Zulässigkeit der Werbung aufgrund eines ausdrücklichen oder zu vermutenden
Einverständnis des Klägers ausgehen. Zulässig ist Telefaxwerbung gegenüber Gewerbetreibenden bei ausdrücklichen oder
konkludenten vorherigen Einverständnis, sowie bei einem aufgrund konkreter Umstände vom Absender zu vermutenden
Einverständnis. Die Versender der Werbefaxe konnten nicht aufgrund des Geschäftsbetriebes des Klägers sein Einverständnis
vermuten, denn die Faxe weisen keinen Zusammenhang mit der selbständigen Tätigkeit des Klägers als Rechtsanwalt auf.
An dem vorliegenden Wettbewerbsverstoß gegen § 1 UWG ihrer Mieter hat die Beklagte willentlich und adäquat kausal
mitgewirkt, indem sie es trotz bestehender rechtlicher Möglichkeiten unterließ, den Verstoß zu verhindern. Die Mitwirkung
liegt hier in der Förderung und Ausnutzung der wettbewerbswidrig handelnden Mieter. Die vermieteten Faxabrufnummern der
Beklagten bilden den Anlaß der Versendung der Werbefaxe und sind deren zwingende Voraussetzung. Ohne Faxabrufnummern gäbe es
die Werbefaxe nicht. Die Vermietung der Faxabrufnummern ist adäquat kausal für die Versendung der Werbefaxe. Die Beklagte
mußte damit rechnen, daß die Mieter der streitgegenständlichen Nummein diese bewerben, denn insoweit handelt es sich um eine
Vorgehensweise, die sich in den letzten Jahren etabliert hat. Nach der zum Wettbewerbsrecht ergangenen Rechtsprechung (vgl.
dazu OLG Frankfurt WRP 1987,115; OLG Hamm GRUR 1992,126; OLG München MDR 1994,1106; OLG Stuttgart ZIP 1993,1494; BGH WRP
1999, 1048) kann a!
uch derjenige haftbar sein, der seinen Telefaxanschluß einein Dritten überläßt, der dann seinerseits von diesem Anschluß
aus das Schutzrecht verletzende Handlungen begeht. Ihren Grund findet diese Haftung jedoch nicht schon in der Oberlassung
des Anschlusses als solchem. Voraussetzung der Haftung ist ein von dem Anschluß ausgehender oder unter seiner Benutzung
begangener Rechtsverstoß. Die Verantwortlichkeit des Dritten folgt vielmehr daraus, daß er die auf diese Weise ermöglichten
Rechtsverletzungen nicht unterbunden hat, obwohl er dazu als Inhaber des Anschlusses die Möglichkeit gehabt hätte und ein
derartiges Einschreiten von ihm mit Blick auf die aus dieser Stellung resultierenden Befugnisse und die Überlassung des
Anschlusses zu erwarten war. Die Verantwortlichkeit der Beklagten ergibt sich hier aus dem Umstand, daß der
Wettbewerbsverstoß unter Benutzung ihrer Anschlüsse begangen wurde, denn die Faxabrufnummem sind in den Werbefaxschreiben
genannt und bilden den Anlaß der!
Versendung dieser Schreiben. Telefaxwerbung und gebührenpflichtige 0190- Faxabrufnummem sind hier derart miteinander
verknüpft, daß die Verantwortlichkeit der Beklagten für die vermieteten Nummern, sich auch gerade aus diesem besonderen
Zusammenhang ergibt.
Die Beklagte hatte auch die Möglichkeit gegen den Wettbewerbsverstoß einzuschreiten. Von dem wettbewerbswidrigen Verhalten
ihrer Mieter hat die Beklagte durch die Abmahnungen des Klägers Kenntnis erlangt, darauf aber nicht reagiert. An der
Zusendung der Werbefaxe ist die Beklagte zwar nicht unmittelbar beteiligt. Sie unterbindet sie aber auch nicht, obwohl sie
dies auf Grund ihrer mietvertraglichen Befugnisse ohne weiteres könnte. Die Beklagte duldet hier das wettbewerbswidrige
Verhalten ihrer Mieter, was das vom Kläger mit denn Klageantrag bekämpfte Verhalten der Beklagten ebenfalls
wettbewerbswidrig erscheinen läßt. Es ist mit § 1 UWG nicht zu vereinbaren, daß es die Beklagte infolge ihres
Untätigbleibens, ihren Mietern ermöglicht, sittenwidrige Telefaxwerbung zu betreiben und so zu einer erheblichen
wettbewerbswidrigen Belästigung der beworbenen Teilnehmer des Wirtschaftsverkehr beizutragen und so die Mieten
mitzufinanzieren, die der Beklagten aus den Mietverträgen zufließe!
n. Im übrigen ist es Sache der Beklagten ihre Rechtsbeziehungen so zu gestalten, daß sie durch diese nicht gezwungen ist,
sich an wettbewerbswidrigen Handlungen zu beteiligen. Der Beklagten ist es daher zuzumuten, bei Kenntnis von
Wettbewerbsverstößen ihrer Mieter, mit den ihr zur Verfügung stehenden Mitteln, gegen diese Verhaltensweisen vorzugehen. Im
übrigen dürfte dies im Hinblick auf die Vorschriften des Telekommunikationsgesetzes auch im Interesse der Beklagten liegen.
Der von der Beklagten im Zusammenwirken mit den Mietern begangene Wettbewerbsverstoß ist auch geeignet den Wettbewerb auf
dem Markt wesentlich zu beeinträchtigen. Dies ist für unzulässige Telefaxwerbung anerkannt. Denn die Werbung mittels
Telefaxschreiben führt zu einer erheblichen wettbewerbswidrigen Belästigung der beworbenen Teilnehmer des
Wirtschaftsverkehrs und begründet die Gefahr, daß andere Unternehmen die Werbemethode übernehmen, um im Wettbewerb nicht
benachteiligt zu sein (BGH NJW 1996, 661).
Auch liegt hier die für den Unterlassungsanspruch erforderliche Wiederholungsgefahr vor, weiche sich aus den bereits
begangenen Wettbewerbsverstößen ergibt. In den Fällen eines bereits begangenen Wettbewerbsverstoß wird die
Wiederholungsgefahr tatsächlich vermutet. Grundsätzlich kommt der Wegfall der Wiederholungsgefahr nur dann in Betracht, wenn
eine Unterlassungserklärung abgegeben wird (BGH GRUR 1990, 617 (624). Aus der unbedingten und unwiderruflichen Erklärung muß
sich der ernstliche Wille des Verletzers ergeben, den Wettbewerbsverstoß nicht fortzusetzen. Ein solcher Wille der Beklagten
ist nicht erkennbar. Zum einen hat sie keine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben, zum anderen setzt sie die
Mitwirkung am wettbewerbswidrigen Verhalten fort” was sich daraus ergibt, daß der Kläger weiterhin Werbefaxe für die
Faxabrufnummem der Beklagten erhält.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 11 ZPO. Der Ausspruch der vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 ZPO.