AG Lüneburg: Koppelverträge bei betreutem Wohnen

Im Namen des Volkes

Urteil

In dem Rechtsstreit

XXX

Klägerin

XXX

gegen

XXX

Beklagte

XXX

wegen Zahlung und Feststellung

hat das Amtsgericht Lüneburg auf die mündliche Verhandlung vom 05.01.2001 durch den Richter am Amtsgericht XXX

für Recht erkannt:

1.) Die Klage wird abgewiesen.

2.) Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 700,00 DM abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Der Streitwert für den Feststellungsantrag wird festgesetzt auf 600,00 DM.

Tatbestand

Der Kläger verlangt von den Beklagten eine Vergütung für die Erbringung von Betreuungsleistungen.

Die Beklagten mieteten mit Mietvertrag vom 09.09.1997 in der Seniorenwohnanlage XXX eine Seniorenwohnung. Zugleich bestätigten sie, dass ihnen bekannt sei, dass ein Betreuungsvertrag mit dem Kläger abgeschlossen werden muss. Am 02.11.1997 schlossen dann die Beklagten mit dem Kläger einen Betreuungsvertrag ab. Nach den Bestimmungen des Betreuungsvertrages ist dieser für die Bewohner und den Kläger lediglich kündbar, wenn zugleich das Wohnraummietverhältnis bezüglich der gemieteten Wohnung gekündigt wird. Weiter ist dort bestimmt, dass der Vertrag mit einer Frist von drei Monaten bis zum Ende des Monats gekündigt wird, in dem sein Mietvertrag für die Wohnung endet. In dem Vertrag hat sich der Kläger zur Bereitstellung bestimmter Grundleistungen bereit erklärt. Er hält insoweit ein Hausnotrofsystem vor und verpflichtet sich, gelegentlich Unterstützungsleistungen durch Zivildienstleistende, Hilfestellung bei kurzer Erkrankung, Beratung in sozialen Angelegenheiten usw. im Bedarfsfalle zu erbringen. Wegen der Einzelheiten wird auf den Betreuungsvertrag, Bl. 4, 5 d. A., Bezug genommen. Als Gegenleistung war vereinbart, dass die Beklagten monatlich 150,00 DM an den Kläger bezahlen. Mit Schreiben vom 01.10.1999 haben die Beklagten den Betreuungsvertrag ohne vorherige Kündigung ihres Mietvertrages gegenüber dem Kläger mit Wirkung zum 31.12.99 gekündigt. Seitdem zahlen sie das vereinbarte Entgelt von 150,00 DM monatlich nicht mehr. Der Kläger macht mit der vorliegenden Klage den rückständigen Betrag für die Monate Januar 2000 bis einschließlich August 2000 geltend.

Der Kläger ist der Auffassung, dass die vertraglich vorgesehene Koppelung zwischen Mietvertrag und Betreuungsvertrag rechtlich unbedenklich ist. Die von dem Kläger angebotenen Leistungen würden im Bedarfsfalle ordnungsgemäß erbracht.

Er begehrt weiter die Feststellung, dass der zwischen den Parteien am 09.12.1997 geschlossene Betreuungsvertrag nicht durch Kündigung beendet ist, sondern vielmehr fortbesteht.

Der Kläger beantragt,

die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger DM 1.200,00 nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 25.08.00 zu zahlen;

festzustellen, daß der zwischen den Parteien am 09.12.1997 geschlossene Betreuungsvertrag fortbesteht.

Die Beklagten beantragen,

die Klage abzuweisen.

Sie sind der Auffassung, dass die Koppelung zwischen Mietvertrag und Betreuungsvertrag nach den Vorschriften des AGB-Gesetzes unzulässig sei und des Weiteren der Tatbestand der Sittenwidrigkeit gemäß § 138 BGB erfüllt sei. Der Ausschluss der Kündigungsmöglichkeit des Betreuungsvertrages ohne gleichzeitige Kündigung des Wohnraummietverhältnisses sei eine unzulässige Einschränkung der Vertragsfreiheit der Beklagten. Die von dem Kläger angebotenen Betreuungsleistungen würden von diesem nicht ordnungsgemäß erbracht. Die Inanspruchnahme von Leistungen im Bedarfsfalle müsse zusätzlich noch gesondert vergütet werden. Eine angemessene Gegenleistung für die monatlich zu zahlenden 150,00 DM sei nicht vorhanden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist unbegründet.

Der Kläger hat gegen die Beklagten keinen Anspruch auf Zahlung des rückständigen Monatsentgeltes für die von ihm angebotenen Betreuungsleistungen in geltend gemachter Höhe von 1.200,00 DM. Ebensowenig kann er die Feststellung verlangen, dass der Betreuungsvertrag fortbesteht.

Der Vertrag ist vielmehr unwirksam, so dass der Kläger hieraus keine Rechte mehr herleiten kann.

Die Unwirksamkeit des Vertrages ergibt sich zunächst aus § 11 Nr. 12 a des AGB-Gesetzes. Das von dem Kläger verwendete Vertragsformular für den Betreuungsvertrag wird von ihm in einer Vielzahl von Fällen verwendet und dem jeweiligen Vertragsschluss zugrunde gelegt. Es handelt sich daher um Allgemeine Geschäftsbedingungen i. S. d. § 1 des AGB-Gesetzes. Nach § 11 Nr. 12 a des AGB-Gesetzes ist in Allgemeinen Geschäftsbedingungen insbesondere eine Bestimmung unwirksam bei einem Vertragsverhältnis, das die regelmäßige Erbringung von Dienst- oder Werkleistungen durch den Verwender zum Gegenstand hat, eine den anderen Vertragsteil länger als zwei Jahre bindende Laufzeit des Vertrages vorsieht.

Die von dem Kläger vertraglich zu erbringende Leistung stellt eine Dienstleistung dar, die unter diese Vorschrift fällt. Dabei kommt es nicht darauf an, ob und inwieweit die Beklagten die Leistungen, die der Kläger bereitstellt, tatsächlich in Anspruch nehmen. Entscheidend ist, dass der Kläger alle Leistungen abrufbereit bereithält und diese nach dem jeweiligen Bedarf des Vertragspartners erbringen kann. Ein Betreuungsvertrag in der vorliegenden Form unterfällt daher dem § 11 Nr. 12 a AGB-Gesetz. Die Bestimmung, wonach der Vertrag für den Bewohner und den Kläger unkündbar ist, solange der Bewohner die o. g. Wohnung nutzt oder zu nutzen berechtigt ist, hält einer Überprüfung in Anbetracht der gesetzlichen Regelung nicht stand. Es handelt sich insoweit um eine Laufzeit, die länger als zwei Jahre ist, denn eine Kündigung des Vertrages ist nur für den Fall der gleichzeitigen Wohnungskündigung vorgesehen und i. ü. ausgeschlossen.

Die Unwirksamkeit ergibt sich des Weiteren unter dem Gesichtspunkt der Sittenwidrigkeit gemäß § 138 Abs. 1 BGB. Die im vorliegenden Falle vorgenommene Koppelung zwischen Miet- und Betreuungsvertrag erfüllt den Tatbestand dieser Vorschrift deshalb, weil die Beklagten mit dem Abschluss des Vertrages in ihrer Vertragsfreiheit über Gebühr eingeschränkt werden. Neben dem Kläger gibt es auch noch andere Institutionen, die Betreuungsleistungen für alte Menschen anbieten. Bei der vorliegenden Vertragsgestaltung haben die Beklagten keine Möglichkeit, insoweit den Vertragspartner zu wechseln und ein anderes u. U. günstigeres Unternehmen mit der Betreuung zu beauftragen, wenn sie in der von ihnen gemieteten Wohnung bleiben wollen. Die im vorliegenden Falle vorhandene Koppelung des Betreuungsvertrages an den Mietvertrag ist damit unzulässig. Sie führt des Weiteren auch zu einer starken Einschränkung des Wettbewerbs. Des Weiteren stellt die von dem Kläger angebotene Betreuungsleistung kein angemessenes Äquivalent für die monatlich zu zahlenden 150,00 DM dar. Wie dem Betreuungsvertrag zu entnehmen ist, lässt sich der Kläger überwiegend die von ihm angebotenen Betreuungsleistungen – soweit sie tatsächlich in Anspruch genommen werden – noch darüber hinaus gesondert in Rechnung stellen. Der Kläger hat nicht ausreichend dargelegt, dass das von ihm verlangte Entgelt von 100,00 DM bzw. 150,00 DM ein angemessener Gegenwert für die von ihm bereitgestellten Leistungen ist.

Im Ergebnis war daher die Klage abzuweisen.

Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsstreits beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO; diejenige über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf den §§ 708 Nr. 11, 711 Satz 1 ZPO.

Die Festsetzung des Streitwertes für den Feststellungsantrag beruht auf den §§ 12 Abs. 1 GKG, 3 ZPO.

XXX

Richter am Amtsgericht