4. Strafsenat
Beschluss
In der Strafsache
2 BJs 88/01-5 / 2 StE 4/02-5
gegen …
hier betreffend: Haftprüfung
hat der 4. Strafsenat des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg am 7. April 2004
beschlossen:
I. Der Haftbefehl des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofes vom 27. November 2001 in der Fassung der Beschlüsse des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofes vom 15. April 2002 sowie des Hanseatischen Oberlandesgerichts vom 17. September 2002, zuletzt bestätigt durch Haftfortdauerbeschluss des Hanseatischen Oberlandesgerichtes vom 19. Februar 2003, wird dahingehend abgeändert, dass dringender Tatverdacht nur noch hinsichtlich des Vorwurfes der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung gemäß § 129a Abs. 1 StGB besteht.
II. Der Angeklagte wird vom weiteren Vollzug der Untersuchungshaft unter folgenden Auflagen verschont:
a) Der asservierte marokkanische Pass des Angeklagten hat bei den Akten zu bleiben. Dem Angeklagten wird untersagt, sich einen neuen Pass ausstellen zu lassen.
b) Nach seiner Entlassung aus der Haft hat der Angeklagte umgehend bei seiner Ehefrau in der gemeinsamen Wohnung in .. Hamburg Wohnung zu nehmen.
c) Jeden Wechsel seines Wohn- oder Aufenthaltsortes hat er dem Gericht umgehend anzuzeigen.
d) Ihm wird untersagt, das Gebiet der Freien und Hansestadt Hamburg zu verlassen.
e) Zweimal wöchentlich, jeweils …, hat der Angeklagte sich bei der für seinen Wohnsitz zuständigen Polizeiwache zu melden.
f) Vorladungen des Gerichts hat er pünktlich Folge zu leisten.
Gründe:
Der Angeklagte ist weiterhin der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung gemäß § 129a Abs. 1 StGB dringend verdächtig (1.). Hinsichtlich des Vorwurfes der Beihilfe zum Mord in 3.116 Fällen gemäß §§ 211, 27 StGB ist zwar weiterhin hinreichender, jedoch kein dringender Tatverdacht mehr gegeben (2.). Auf Grund der danach im Ergebnis deutlich geringeren Straferwartung kann der fortbestehenden Fluchtgefahr (3.) durch mildere Maßnahmen als den Vollzug der Untersuchungshaft ausreichend begegnet werden (4.).
1. Gegen den Angeklagten besteht weiterhin der dringende Tatverdacht, in der Zeit von spätestens Sommer des Jahres 1999 bis zu einem nicht genau feststehenden Zeitpunkt im Jahr 2000 in einer Vereinigung, deren Zwecke darauf gerichtet waren, jedenfalls Tötungsdelikte (§§ 211, 212 StGB) sowie gemeingefährliche Straftaten gemäß § 308 StGB zu begehen, Mitglied gewesen zu sein (§ 129a Abs. 1 StGB).
Nach dem Ergebnis der bisherigen Ermittlungen ist, auch unter Berücksichtigung vorliegender den Angeklagten entlastender sowie bisher gesperrter den Angeklagten potentiell entlastender Beweise, als hochwahrscheinlich davon auszugehen, dass spätestens im Sommer des Jahres 1999 sich in Hamburg aus einer hier lebenden Gruppe muslimischer Studenten eine Vereinigung gebildet hatte, deren Zweck darauf gerichtet war, den von ihren Mitgliedern befürworteten so genannten „Heiligen Krieg„ (Jihad) gegen von ihnen als Feinde des Islam angesehene Personen und Staaten, wozu sie insbesondere Israel und die USA zählten, umzusetzen.
Zu dieser spätestens seit dem Sommer 1999 in Hamburg entstandenen terroristischen Vereinigung islamischer Studenten gehörten neben den bei den Anschlägen vom 11. September 2001 in den USA ums Leben gekommenen Attentätern Mohamed Atta, Marwen Alshehhi und Ziad Jarrah auch der kurz vor dem 11. September 2001 untergetauchte zwischenzeitlich in Pakistan festgenommene und in die USA ausgelieferte Ramzi Binalshibh, die kurz vor dem 11. September 2001 ebenfalls untergetauchten noch flüchtigen Z.E. und S.B. sowie der Angeklagte und daneben möglicherweise des weiteren der anderweitig verfolgte Abdelghani Mzoudi.
Die in ideologischer Hinsicht von dem späteren Attentäter Mohamed Atta angeführte Gruppe verfolgte unter Unterordnung des Willens ihrer einzelnen Mitglieder das gemeinsame Ziel, sich an der Umsetzung des von islamischen Fundamentalisten ausgerufenen und von ihnen befürworteten so genannten „Heiligen Krieges„ durch gegen Leib und Leben von Menschen gerichtete Straftaten in Form von noch nicht näher bestimmten Attentaten zu beteiligen. Die Gruppenmitglieder wussten, dass es bei diesen Attentaten, zu denen sie wenn auch noch ohne konkrete Planung fest entschlossen waren, zu im Einzelnen noch nicht konkretisierten Straftaten im Sinne des § 129a Abs. 1 StGB kommen würde und dies wollten sie auch (vgl. BGH St 27, 325 (328); BGH NStZ 1999, 503 f).
Dass die vorstehende Gruppierung in Hamburg spätestens seit Mitte des Sommers 1999 unter Einschluss des Angeklagten mit der genannten Zielrichtung bestand, ergibt sich vor allem aus den Protokollen der im Ermittlungsverfahren durchgeführten Vernehmungen insbesondere der Zeugen N., M., A., F., G., H., M., L. und D., welche durch zahlreiche Urkunden und sonstige weitere Ermittlungsergebnisse sowie in wesentlichen Teilen auch durch die bisherigen eigenen Angaben des Angeklagten bestätigt worden sind.
Den späteren Attentäter Atta kannte der Angeklagte mindestens seit April 1996, wie sich bereits daraus ergibt, dass er in diesem Monat als einer von insgesamt zwei Zeugen dessen Testament unterzeichnete. Nachdem zunächst Atta und Binalshibh den Angeklagten häufig in dessen damaligem Zimmer in einem Studentenwohnheim in Hamburg-Harburg besucht hatten, kamen im Verlaufe der Jahre 1997 und 1998 B. und E. sowie Jarrah und Alshehhi zu der Gruppe hinzu.
Die aus verschiedenen arabischen Ländern stammenden Gruppenmitglieder beschäftigten sich intensiv mit den Vorschriften der fundamentalistischen Strömung des Islam, die sie in ihrer persönlichen Lebensweise umsetzten und teilweise auch in ihrem persönlichen Umfeld durchsetzten beziehungsweise durchzusetzen versuchten. Für den Angeklagten ergibt sich insbesondere aus den Aussagen früherer Mitbewohner aus dem Studentenwohnheim , dass er sich mit zunehmender Radikalität für die Beachtung der Vorschriften strenggläubiger Islamisten einsetzte.
Nachdem Atta, B. und Binalshibh im November 1998 in Hamburg-Harburg eine gemeinsame Wohnung angemietet hatten, hielten sich außer ihnen selbst auch Alshehhi, Jarrah, E. und der Angeklagte häufig dort auf. In den folgenden Monaten schloss die Gruppe sich zunehmend enger zusammen, wie sich insbesondere daraus ergibt, dass von einigen von ihnen anderen Mitgliedern Generalvollmachten ausgestellt wurden, so für den Angeklagten Ende Juli 1998 von dem späteren Attentäter Alshehhi. Personen aus ihrem weiteren Umfeld, wie beispielsweise der Zeuge N., wurden demgegenüber zunehmend aus der Gruppe hinaus gedrängt. Dass die Gruppe um Mohamed Atta spätestens ab Sommer 1999 vorhatte, den so genannten „Heiligen Krieg„ der Islamisten durch Begehung von noch nicht im Einzelnen geplanten Attentaten gegen noch nicht näher bestimmte Einrichtungen oder Personen umzusetzen, ergibt sich aus zahlreichen Äußerungen ihrer verschiedenen Mitglieder. So forderte nach den Angaben des Zeugen N. Binalshibh in einem der in geführten Gespräche bereits 1999 dazu auf, in Bezug auf die als Hauptverbündete des Erzfeindes Israel angesehenen USA etwas zu tun. Jarrah äußerte laut Angaben des Zeugen N. bereits in dieser Zeit, dass es eine Ehre sei, für „Allah„ und seinen Glauben zu sterben. Der Angeklagte begann nach Angaben des Zeugen N. ebenfalls, eine die Gewaltanwendung gegenüber vermeintlichen Feinden des Islam rechtfertigende Position zu vertreten. Gegenüber dem Zeugen D. sprach der Angeklagte sich laut dessen Angaben dafür aus, Andersgläubige auch mit Gewalt zum muslimischen Glauben zu bekehren und dafür auch Menschen zu töten. Gegenüber dem Zeugen A. soll der Angeklagte nach Angaben des Zeugen L. mit Bezug auf den Staat Israel geäußert haben: „Sie wollen wieder etwas machen und es wird etwas Größeres sein. Die Juden verbrennen und wir werden auf ihren Gräbern tanzen.„
Zur Umsetzung der von der Gruppe beabsichtigten noch nicht im Einzelnen geplanten Attentate zur Verwirklichung des so genannten „Heiligen Krieges„ des Islam beschafften sich verschiedene Mitglieder, teilweise über das Internet, Anleitungen für den Umgang mit Sprengstoffen und die Herstellung von Bomben sowie Informationen über die Möglichkeiten militärischer Ausbildung für den „Jihad„. Der Angeklag-te stellte häufig, wie sich aus Angaben des Zeugen M. ergibt, anderen Gruppenmitgliedern seinen Computer im Studentenwohnheim zur Verfügung. Er selbst hielt sich zunehmend in der im September 1999 von Alshehhi angemieteten Wohnung in Hamburg-Harburg auf, in welche die Gruppe um Atta nach Anmietung der Wohnung ihren Schwerpunkt verlagerte.
Auf Grund der vorangegangenen Äußerungen verschiedener Gruppenmitglieder zur Rechtfertigung des Einsatzes von Gewalt in ihrem so genannten „Heiligen Krieg„ sowie der von ihnen teilweise über das Internet gesammelten Informationen zu Teilaspekten der praktischen Umsetzung von Attentatsplänen ist davon auszugehen, dass die im Jahr 2000 erfolgten Reisen verschiedener Gruppenmitglieder in afghanische Ausbildungslager des internationalen Netzwerkes gewaltbereiter Islamisten dem Zwecke dienten, ihre Attentatspläne zu konkretisieren und voran zu treiben.
Nachdem noch Ende 1999 Atta, Jarrah, Binalshibh und Alshehhi nach Afghanistan in dortige militärische Ausbildungslager des internationalen Islamistennetzwerkes abgereist waren, wo sie bis zum Frühjahr 2000 blieben, reisten Anfang des Jahres 2000 E. und im Mai 2000 der Angeklagte ebenfalls dorthin. Während des Aufenthaltes der ersten Gruppe in Afghanistan hielten die zurück gebliebenen Gruppenmitglieder deren soziale Strukturen aufrecht, indem sie mit Hilfe der zuvor erteilten Vollmachten insbesondere für die Begleichung laufender Zahlungsverpflichtungen und dergleichen sorgten. Der Angeklagte beendete außerdem für Alshehhi dessen Mietverhältnis bezüglich der Wohnung und wickelte die Wohnungsrückgabe für ihn ab. Der in B. lebenden Freundin des Jarrah bot er telefonisch seine Hilfe an. Umgekehrt besorgte B. auf Grund einer ihm im April 2000 erteilten Vollmacht des Angeklagten für diesen während seines Afghanistanaufenthaltes verschiedene Angelegenheiten, wie insbesondere die Abwicklung des Mietverhältnisses bezüglich des früheren Zimmers des Angeklagten in dem Studentenwohnheim sowie die Übernahme der neuen Wohnung des Angeklagten in Hamburg.
Dass sein von dem Angeklagten – jedenfalls zunächst – bestrittener Aufenthalt in einem afghanischen Ausbildungslager des Netzwerkes gewaltbereiter Islamisten von Ende Mai bis Ende Juli 2000 wie auch die dortigen Aufenthalte anderer Gruppenmitglieder dem Zweck dienten, die im Einzelnen noch unbestimmten Attentatspläne der Gruppe zu konkretisieren und voranzutreiben, lässt sich insbesondere aus dem dies-bezüglichen konspirativen Verhalten der Gruppenmitglieder ableiten, welches darauf gerichtet war, ihre Aufenthalte in Afghanistan gegenüber Außenstehenden zu verschleiern. So agierte der Angeklagte bei Erledigung verschiedener Rechtsgeschäfte für Alshehhi unter dessen Namen, ohne sein Vertreterhandeln kenntlich zu machen. Seine eigene mehrmonatige Abwesenheit aus Hamburg im Frühjahr/Sommer des Jahres 2000 erklärte er selbst gegenüber Mitstudenten wahrheitswidrig damit, dass er die ganze Zeit in Marokko verbracht habe, während sein Bevollmächtigter B. gegenüber dem Zeugen A. die Abwesenheit des Angeklagten mit einem Aufenthalt bei dessen Schwiegereltern in Russland begründete. Tatsächlich brachte der Angeklagte nach den vorliegenden Ermittlungsergebnissen zunächst zwar seine schwangere Ehefrau zu seinen Eltern nach Marokko, hielt sich selbst aber nur kurze Zeit dort auf und reiste anschließend über Pakistan nach Afghanistan.
Bei der mindestens aus den späteren Attentätern Atta, Jarrah undAlshehhi sowie aus Binalshibh, E., B. und dem Angeklagten bestehenden Gruppe handelte es sich um eine aus mindestens drei – nämlich konkret mindestens sieben – Mitgliedern bestehende Vereinigung, die ihren Mittelpunkt seit ihrer spätestens im Sommer 1999 erfolgten Begründung in Hamburg und damit im Sinne des § 129a Abs. 1 StGB a. F. im Inland hatte. Das gemeinsame, dem Willen der einzelnen Mitglieder übergeordnete Ziel dieser Gruppe in Form der Umsetzung des so genannten „Heiligen Krieges„ gegen als Feinde des Islam angesehene Personen und Staaten mittels Begehung im Einzelnen noch unbestimmter Attentate gegen Leib und Leben sowie die persönliche Freiheit von Menschen stellt eine von der Vorschrift des § 129a Abs. 1 StGB a. F. erfasste Zielsetzung dar. Die Willensbildung war nach den bisherigen Erkenntnissen in der Gruppe in der Weise organisiert, dass Anweisungen Attas als für alle Gruppenmitglieder verbindlich angesehen wurden.
Nach den bisherigen Ermittlungsergebnissen bestehen keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür, dass die Hamburger Gruppe um Mohamed Atta bereits vor den Afghanistanaufenthalten verschiedener Gruppenmitglieder in im Ausland entstandene Pläne zur Begehung der Attentate vom 11. September 2001 in den USA eingebunden war. Die Vereinigung um Atta verfolgte ihre Ziele selbständig, bis es im Zusammenhang mit den Afghanistanreisen zu Veränderungen kam, die dazu führten, dass es möglich erscheint, dass ab einem nicht näher zu bestimmenden Zeitpunkt die konkret auf die Attentate vom 11. September 2001 gerichteten Pläne ohne den Angeklagten weiterverfolgt wurden. Auf die Voraussetzungen für die Annahme einer im Sinne des § 129a Abs. 1 StGB a. F. hinreichend selbständigen Teilorganisation einer vor der im August 2002 erfolgten Neufassung des § 129a StGB vom StGB noch nicht erfassten ausländischen terroristischen Vereinigung kommt es deshalb nicht an.
2. Hinsichtlich des Vorwurfes der Beihilfe zum Mord in 3116 Fällen gemäß §§ 211, 27 StGB besteht gegen den Angeklagten zwar weiterhin Tatverdacht, dieser ist jedoch nicht mehr dringend im Sinne des § 112 Abs. 1 Satz 1 StPO.
Es fehlt an hinreichenden Indizien dafür, dass der Angeklagte in die Konkretisierung der Attentatspläne eines Teils der Hamburger Gruppe um Atta in Richtung der Anschläge vom 11. September 2001 eingebunden gewesen ist oder davon vor der Durchführung der Anschläge Kenntnis erlangt hat.
Nach den bisherigen Ermittlungen liegen einige Anhaltspunkte dafür vor, dass die am 11. September 2001 unter maßgeblichem Einsatz von Atta, Jarrah und Alshehhi in den USA durchgeführten Attentate unter wesentlicher Beteiligung nicht in der Bundesrepublik Deutschland lebender Angehöriger des bestehenden internationalen islamistischen terroristischen Netzwerkes geplant und durchgeführt worden sind.
So ist nach den Finanzermittlungen den aus der Hamburger Gruppe stammenden Attentätern des 11. September 2001 der Großteil der für ihre vor den Anschlägen vom 11. September 2001 in den USA durchgeführten Pilotenausbildungen sowie der für die Durchführung der Attentate selbst aufzuwendenden Kosten aus den Arabischen Emiraten zugeflossen, und zwar in Form der Überweisung von insgesamt mehr als 100.000,- US-Dollar auf ein hierfür von Atta und Alshehhi in Florida eingerichtetes Konto, von welchem Atta kurz vor dem 11. September 2001 das restliche Guthaben von mehreren tausend US-Dollar in die Arabischen Emirate zurück überwiesen hat.
Von Konten der Mitglieder der Hamburger Gruppe um Atta kam demgegenüber nach den durchgeführten Finanzermittlungen nur ein vergleichsweise geringer Teil der für die Pilotenausbildungen von Atta, Jarrah und Alshehhi in den USA entstandenen Kosten sowie der für die Durchführung der Anschläge selbst aufgewandten Gelder für Hotelübernachtungen sowie Fahrt- und Flugkosten.
Nachdem es zunächst dem der Hamburger Gruppe um Atta zuzurechnenden Binal-shibh und später dem ebenfalls dieser Gruppe zugehörigen E. nicht gelungen war, ein Einreisevisum für die USA zu erhalten, um welches sie sich zuvor zur Vorbereitung der Attentate vom 11. September 2001 in Form der Durchführung einer Pilotenausbildung bemüht hatten, wurde bei den mit insgesamt vier entführten Verkehrsflugzeugen durchgeführten Anschlägen vom 11. September 2001 neben Atta, Jarrah und Alshehhi als Pilot des in das Pentagon geflogenen vierten Flugzeuges ein saudi-arabischer Staatsangehöriger namens Hani Hanjour eingesetzt, der bereits seit Herbst 1996 mehrmals Trainingsflüge in den USA durchgeführt hatte und für den eine Verbindung zu den Personen der Hamburger Gruppe um Atta für die Zeit vor dem 11. September 2001 nicht erkennbar ist. Bei den in jedem der am 11. September 2001 entführten vier Verkehrsflugzeugen außer dem jeweiligen Piloten anwesenden vier beziehungsweise im Fall des von Jarrah geflogenen Flugzeuges drei so genannten „Muskelmännern„ handelte es sich um ganz überwiegend aus Saudi-Arabien stammende Araber, für die ebenfalls eine über die gemeinsame Anschlagsdurchführung am 11. September 2002 hinaus gehende Verbindung zu der Hamburger Gruppe um Atta nicht ersichtlich ist.
Neben der weitgehend externen Finanzierung der Beiträge der Hamburger Attentäter zu den Anschlägen vom 11. September 2001 spricht vor allem auch diese Tatsache der externen Herkunft eines Großteils der Attentäter für eine über den Kreis der aus Hamburg stammenden Attentäter nebst den in Hamburg verbliebenen Mitgliedern ihrer Gruppe hinaus gehende maßgeblicher Beteiligung anderer Kreise an der Planung und Durchführung der Anschläge vom 11. September 2001, wobei auf Grund der bisherigen Ermittlungsergebnisse davon auszugehen ist, dass es sich dabei um das islamistische Netzwerk namens „Al Qaida„ um die Terroristen Bin Laden und Khaled Sheikh Mohamed handelt.
Dafür, dass die Hamburger Vereinigung um Atta etwa bereits vor den Afghanistanaufenthalten einiger ihrer Mitglieder unter dem Einfluss der Netzwerkes der Terroristen Bin Laden und Sheikh Mohamed stand oder die Vereinigung um Atta schon damals eine Teilorganisation der Al Qaida oder einer anderen ausländischen islamistischen Organisation dargestellt hätte, sind keine ausreichenden Anhaltspunkte ersichtlich. Insbesondere ergeben sich derartige Anhaltspunkte nicht aus Angaben des Terroristen Sheikh Mohamed gegenüber Vertretern der arabischen Presse. Nach aufgezeichneten Ausschnitten von Interviews des arabischen Journalisten Fouda mit Bin Laden, Sheikh Mohamed sowie Binalshibh haben sich darin zwar die Terroristen Bin Laden und Sheikh Mohamed mit der Planung der Anschläge vom 11. September 2001 gebrüstet. Dass die Hamburger Attentäter bereits vor den Afghanistanaufenthalten der Mitglieder der Hamburger Gruppe unter ihrem Einfluss gestanden und dem internationalen Netzwerk der Al Qaida zugehört hätten, ergibt sich daraus jedoch nicht. Gegen eine solche Annahme spricht vielmehr eine Äußerung des Terroristen Sheikh Mohamed gegenüber dem Journalisten Fouda, wonach es bis kurz vor den Anschlägen vom 11. September 2001 keinen Kontakt zwischen Atta und dem bereits seit längerem in den USA befindlichen Piloten des am 11. September 2001 in das Pentagon geflogenen Verkehrsflugzeuges namens Hanjour gab. Auch der Bericht des amerikanischen Kongresses, der die Hintergründe der Attentate des 11. September 2001 untersucht hat, kommt zu dem Ergebnis, dass die Planung der Attentate auf Al Qaida zurückgeht.
Die zu der Hamburger Gruppe um Atta sowie deren Zielen und ihrer Entwicklung vorliegenden Ermittlungserkenntnisse sprechen demgegenüber vielmehr dafür, dass die Gruppe sich, wie vorstehend unter Ziffer 1. ausgeführt, zunächst aus sich heraus gebildet und zu einer terroristischen Vereinigung im Sinne des § 129a Abs. 1 StGB mit dem Ziel der Umsetzung des so genannten „Heiligen Krieges„ der Islamisten durch Begehung von Attentaten entwickelt und sodann erst mit Beginn der Afghanistanaufenthalte verschiedener Mitglieder ab Ende 1999/Anfang 2000 zum Zwecke der Konkretisierung und Umsetzung ihrer noch allgemeinen Attentatspläne Kontakt zu dem islamistischen Terroristennetzwerk Al Qaida aufgenommen hat. Es soll der sich zeitweise in Hamburg aufhaltende Zammar gewesen sein, der die Verbindung hergestellt hat. Für die späteren Attentäter Atta, Jarrah und Alshehhi sowie die hochwahrscheinlich zunächst als weitere Attentäter vorgesehenen Gruppenmitglieder Binalshibh und E. ergibt sich aus ihren später entfalteten Aktivitäten, dass es bei ihnen im Verlauf ihrer Afghanistanaufenthalte zu einer auf die Anschläge vom 11. September 2001 zielenden Konkretisierung der zuvor im Einzelnen noch unbestimmten Vorstellungen der Hamburger Gruppe gekommen ist. Von ihnen sind nämlich in derart engem zeitlichen Zusammenhang zu ihren Afghanistanaufenthalten jeweils bestimmte Aktivitäten entwickelt worden, die sich nach dem 11. September 2001 nur als Vorbereitungshandlungen für nunmehr im Sinne der später durchgeführten Anschläge konkretisierte Anschlagsplanungen deuten lassen.
So hat sich Atta, der am 11. September 2001 ein zuvor entführtes Verkehrsflugzeug der American Airlines in den Nordturm des World Trade Center in New York flog, nach seiner nach den Ermittlungsergebnissen im Februar 2000 erfolgten Rückkehr aus Afghanistan bereits im März desselben Jahres per e-mail bei zahlreichen Flugschulen in den USA nach den Konditionen für die Durchführung einer Flugausbildung für mehrere aus verschiedenen arabischen Ländern stammende Männer erkundigt. Bereits im Mai des Jahres 2000 erhielt Atta das zuvor von ihm beantragte Einreisevisum für die USA, mit dem er am 3. Juni 2000 in die USA einreiste, wo er bis Dezember 2000 in Florida eine Pilotenausbildung durchführte, die er in den ersten Monaten des Jahres 2001 noch an anderen Orten der USA vertiefte.
Ähnliches gilt für die Attentäter Jarrah und Alshehhi. Alshehhi, der am 11. September 2001 eine zuvor entführte Verkehrsmaschine der Fluggesellschaft United Airlines in den Südturm des World Trade Center in New York flog, besorgte sich nach seiner im November 1999 erfolgter Reise nach Afghanistan bereits am 10. Januar 2000 bei einem amerikanischen Konsulat in den Vereinigten Arabischen Emiraten ein Einreisevisum für die USA, mit welchem er Ende Mai des Jahres 2000 in die USA einreiste, wo er in der Folgezeit zusammen mit Atta seine Flugausbildung absolvierte. Jarrah, der am 11. September 2001 ein zuvor entführtes von ihm gesteuertes Verkehrsflugzeug der United Airlines zum Zwecke der Beendigung der Gegenwehr der Passagiere vor Erreichung des eigentlichen Anschlagzieles in Pennsylvania zum Absturz brachte, kehrte Ende Januar des Jahres 2000 aus Afghanistan in die Bundesrepublik Deutschland zurück, von wo aus er bereits im März desselben Jahres einen Vertrag für eine Pilotenausbildung an einer Flugschule in Florida in den USA abschloss und im Mai 2000 ein Einreisevisum für die USA beantragte, welches er ebenfalls erhielt und mit welchem er im Juni desselben Jahres in die USA einreiste, wo er anschließend zeitlich parallel zu Atta und Alshehhi, jedoch an einer anderen Flugschule eine Flugausbildung absolvierte.
Binalshibh kehrte im März 2000 von seinem Afghanistanaufenthalt in die Bundesrepublik Deutschland zurück und bemühte sich in der Folgezeit ebenfalls um ein Einreisevisum für die USA, womit er jedoch im Mai 2000 scheiterte. Gleiches gilt für E., der trotz entsprechender Bemühungen im Frühjahr 2000 ebenfalls das gewünschte Einreisevisum für die USA nicht erhielt. Hinsichtlich beider lässt sich daraus der Schluss ziehen, dass sie zunächst ebenso wie die späteren Attentäter Atta, Jarrah und Alshehhi eine Flugausbildung machen und als Pilot an den Anschlägen vom 11. September 2001 teilnehmen wollten. Wegen der zeitlichen Nähe der von ihnen diesbezüglich entfalteten Aktivitäten zu ihrem vorangegangenem Afghanistanaufenthalt kann auch für diese beiden Mitglieder der Hamburger Gruppe um Atta der Schluss gezogen werden, dass sie ebenso wie die späteren Attentäter Atta, Jarrah und Alshehhi während ihres Afghanistanaufenthaltes in eine auf die späteren Attentate vom 11. September 2001 hin zielende Konkretisierung ihrer zuvor noch allgemein gebliebenen Anschlagsplanungen einbezogen worden sind. Dafür spricht auch die Tatsache, dass beide sich zudem nur kurze Zeit vor den Anschlägen vom 11. September 2001 aus der Bundesrepublik Deutschland absetzten, obwohl sie dort zuvor ihren Lebensmittelpunkt gehabt hatten, nämlich E. bereits am 30. August 2001 und Binalshibh kurze Zeit später am 5. September 2001.
Für den Angeklagten fehlt es demgegenüber an hinreichend aussagekräftigen belastenden Indizien für eine Teilnahme an den Anschlägen vom 11. September 2001. Es erscheint möglich, dass er von einem nicht sicher feststellbaren Zeitpunkt an, nicht mehr als Mitglied der Vereinigung um Atta anzusehen ist.
Der Angeklagte reiste zwar selbst erst am 22. Mai 2000 nach Afghanistan, nachdem Atta, Jarrah, Alshehhi und Binalshibh bereits in der Zeit von Januar bis März 2000 von dort zurückgekommen waren. Es ist auch möglich, dass diese Reise des Angeklagten der näheren Abstimmung einer bereits zuvor zwischen den vor ihm nach Afghanistan gereisten Mitgliedern der Hamburger Gruppe um Atta einerseits und im Ausland ansässigen Angehörigen des internationalen islamistischen terroristischen Netzwerkes andererseits abgesprochenen konkretisierten Planung der Anschläge vom 11. September 2001 diente. Hochwahrscheinlich – wie es für einen dringenden Tatverdacht erforderlich wäre – ist dieses jedoch nach Abwägung der für und gegen eine Einbeziehung des Angeklagten in die konkretisierte Anschlagsplanung sprechenden Indizien nicht.
Dass der Angeklagte gegenüber anderen Personen für die Zeit seiner Afghanistanreise unrichtige Angaben zu seinem Aufenthalt gemacht hat, spricht zwar für einen konspirativen Zweck seiner Reise. Für sich genommen lässt sich daraus jedoch noch nicht auf eine Einbeziehung des Angeklagten in die konkretisierte Planung der Anschläge vom 11. September 2001 schließen, denn bei Bekanntwerden seines Aufenthaltes in einem islamistischen Trainingslager in Afghanistan musste er Nachteile für Studium und Aufenthaltsstatus in der Bundesrepublik Deutschland befürchten. Dem Umstand einer später auf dem Computer des Angeklagten gesicherten Internetanfrage nach einem Flugsimulator kann gegenüber den betreffend Binalshibh und E. vorliegenden Indizien für ihre Einbeziehung in die konkrete Anschlagsplanung eine den Angeklagten wesentlich belastende Bedeutung ebenfalls nicht zukommen, zumal der Angeklagte laut Angaben des Zeugen M. seinen Computer häufig anderen Mitgliedern der Hamburger Gruppe überließ.
Ein direkter oder indirekter Kontakt des Angeklagten zu den späteren Attentäter Atta, Jarrah und Alshehhi während deren Aufenthaltes in den USA lässt sich nach den bisherigen Ermittlungsergebnissen nicht nachweisen. Der Angeklagte verfügte zwar weiter über die ihm bereits früher erteilte General- und Kontovollmacht des Alshehhi. Dass er selbst etwa von dem Konto des Alshehhi Teile der für die Flugausbildung von Atta, Jarrah und Alshehhi oder die übrigen Anschlagsvorbereitungen erforderli- chen Gelder in die USA geleitet hätte, ergibt sich jedoch aus den bisher vorliegenden Ermittlungsergebnissen nicht. Die von dem Angeklagten in der Zeit der Flugausbildung der späteren Attentäter Atta, Jarrah und Alshehhi vorgenommene größere Überweisung vom Konto des Alshehhi in Höhe von über 5.000 DM ist dem von Alshehhi und Atta in den USA eingerichteten Konto vermittelt über Binalshibh zugeflossen, der den Angeklagten zuvor zur Überweisung dieses Betrages vom Konto des Alshehhi auf sein – des Binalshibh – Konto aufgefordert hatte. Anhaltspunkte, aus denen sich mit demgegenüber größerer Sicherheit auf eine Kenntnis des Angeklagten von dem Zweck der Aufenthalte der späteren Attentäter in den USA schließen ließe, sind nicht ersichtlich.
Der Angeklagte erhielt zwar kurze Zeit vor der Durchführung der Anschläge Anfang September 2001 hochwahrscheinlich einen Telefonanruf aus Pakistan von dem kurz vor den Anschlägen aus Deutschland abgereisten B.. Es erscheint auch als nicht unwahrscheinlich, dass der Angeklagten mit diesem Anruf veranlasst werden sollte, sich ebenfalls aus der Bundesrepublik Deutschland abzusetzen. Auf eine Beteiligung des Angeklagten an den Anschlägen vom 11.September 2001 oder zumindest auf seine vorangegangene Einbeziehung in die nach den Afghanistanreisen der anderen Gruppenmitglieder erfolgte Konkretisierung der Anschlagsplanung der Hamburger Gruppe um Atta lässt sich aber daraus gleichwohl nicht ohne weiteres schließen, zumal der Angeklagte sich im Gegensatz zu Binalshibh, E. und auch B. nach dem Anruf aus Pakistan gerade nicht aus der Bundesrepublik Deutschland absetzte, sondern hier zusammen mit seiner im September 2000 geborenen Tochter und seiner im September 2001 mit dem im November 2001 geborenen zweiten gemeinsamen Kind hochschwangeren russischen Ehefrau in ihrer gemeinsamen Wohnung in Hamburg wohnen blieb.
Den auf eine Kenntnis des Angeklagten von der konkretisierten Anschlagsplanung hinweisenden Indizien stehen allerdings den Angeklagten insoweit eindeutig entlastende Beweise nicht entgegen.
Die nach Auffassung des Senates wahrscheinlich zutreffend dem in den USA inhaftierten Binalshibh zugeschriebene Erklärung, wonach außer den bei den Attentaten vom 11. September 2001 selbst mit ums Leben gekommenen drei Piloten aus der Hamburger Gruppe nur noch ein weiteres Mitglied der Hamburger Gruppe an den Anschlägen vom 11. September 2001 beteiligt gewesen sein soll, ist zwar als Schutzbehauptung zu Gunsten weiterer Beteiligter zu werten, denn aus der nur kurze Zeit vor den Anschlägen erfolgten Flucht der weiteren Gruppenmitglieder E. und B. ergibt sich, dass die genannte wahrscheinlich von Binalshibh stammende entlastende Erklärung nicht der Wahrheit entspricht, sondern hochwahrscheinlich außer den drei Attentätern aus der Hamburger Gruppe und Binalshibh zumindest auch E. und B. in die konkretisierten Anschlagspläne einbezogen waren. Umgekehrt lässt sich daraus aber gleichwohl noch nicht ableiten, dass darüber hinaus auch noch der Angeklagte eingeweiht gewesen sein muss. Im Übrigen ist für den Senat auf Grund des Fehlens weiterer Angaben zu Inhalten der von dem in den USA inhaftierten Binalshibh gemachten Aussagen nicht nachvollziehbar, ob seine Angaben zu an den Anschlägen beteiligten Personen, wie in dem Behördenzeugnis des Bundeskriminalamtes vom 10. Dezember 2003 behauptet, tatsächlich teilweise widersprüchlich sind.
Für die von der Generalbundesanwaltschaft am 2. April 2004 vorgelegte Ablichtung eines Briefes des S. B. an seine Mutter vom 26. April 2002 sowie die zugleich damit vorgelegte schriftliche Zusammenfassung des Inhaltes eines nach Angaben der Generalbundesanwaltschaft im Sommer des Jahres 2003 von dem flüchtigen B. mit seiner deutschen Ehefrau geführten abgehörten Telefongespräches kann ohne weitere Anhaltspunkte nicht ohne weiteres angenommenen werden, dass es sich bei den darin enthaltenen den Angeklagten entlastenden Äußerungen des S. B., wonach die Dinge für ihn und den Angeklagten plötzlich und unerwartet gekommen seien und der Angeklagte sowie auch er selbst mit den Ereignissen des 11. September nicht zu tun gehabt habe, um bloße Schutzbehauptungen handelt.
Da die Generalbundesanwaltschaft die Inhaltsangabe des Telefonates vom Sommer 2003 am 2. April 2004 selbst mit dem Hinweis vorgelegt hat, dass eine frühzeitigere Vorlage nicht erfolgt sei, weil dann der Kontakt zwischen B. und seiner Ehefrau abgebrochen worden wäre, ist davon auszugehen, dass das Telefonat des B. mit seiner Ehefrau nicht von solchen Telefonapparaten geführt worden ist, hinsichtlich derer die Eheleute auf Grund der internationalen Fahndung nach S. B. mit einer Überwachung rechnen mussten. Wenn die Eheleute B. sich jedoch unbeobachtet fühlen konnten, besteht immerhin eine größere Wahrscheinlichkeit, dass es sich bei den Äußerungen des S. B. nicht nur um reine Schutzbehauptungen handelt, ohne dass allerdings anzunehmen wäre, dass er seiner Ehefrau gegenüber auf jeden Fall die Wahrheit gesagt hat. Ähnliches gilt für den nach Angaben der Generalbundesanwaltschaft zeitnah zu der Datierung beschlagnahmten Brief an die Mutter vom 26. April 2002. Im Ergebnis ist deshalb für den Senat ohne Bekanntgabe weiterer Einzelheiten zu dem abgehörten Telefongespräch sowie den Umständen der Beschlagnahme des Briefes nicht abschließend bewertbar, ob es sich bei den darin enthaltenen den Angeklagten entlastenden Erklärungen um unwahre Schutzbehauptungen handelt oder nicht.
Im Ergebnis geht der Senat danach auf Grund einer Gesamtwürdigung aller für und gegen den Angeklagten sprechenden Indizien davon aus, dass jedenfalls auf Grund der derzeitigen Beweislage nicht mit der erforderlichen hohen Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden kann, dass der Angeklagte von den konkretisierten Anschlagsplanungen bereits vor Durchführung der Anschläge vom 11. September 2001 Kenntnis hatte. Dies führt dazu, dass nach dem gegenwärtigen Beweisergebnis keine überwiegende Wahrscheinlichkeit besteht, dass der Angeklagte wegen Beihilfe zum Mord verurteilt werden wird.
Bei dieser Prognose spielt es eine wesentliche Rolle, dass, worauf der BGH in seinem Urteil vom 4. März 2004 hingewiesen hat, für die Wahrheitsfindung potentiell bedeutsame Beweismittel der Beweisaufnahme durch Maßnahmen der Exekutive völlig entzogen sind und keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass sich dieser Zustand ändern wird. Durch die Sperrung der Beweismittel ist nicht nur die Beweisgrundlage des Gerichts verkürzt, sondern auch dem Angeklagten eine Möglichkeit der Entlastung entzogen. Dieser Zustand gebietet eine vorsichtige Beweiswürdigung. Die vom BGH hierzu aufgestellten Grundsätze kommen erst bei Abschluss der Beweisaufnahme, wenn das gesamte Beweisergebnis zu würdigen sein wird, zur Anwendung, sind aber bei der jetzt zu treffenden vorläufigen Entscheidung mit zu berücksichtigen. Der BGH hat insbesondere darauf hingewiesen, dass im Hinblick auf das Recht des Angeklagten auf eine faire Verfahrensgestaltung die Gefahr nicht hingenommen werden kann, dass durch selektive Gewährung von Rechtshilfe ein in der Bundesrepublik Deutschland geführtes Strafverfahren gesteuert wird.
3. Es besteht weiterhin der Haftgrund der Fluchtgefahr, auch wenn ein dringender Tatverdacht der Beihilfe zum Mord nicht angenommen werden kann.
Bereits auf Grund des für die Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung anzuwendenden Strafrahmens des § 129a Abs. 1 StGB hat der Angeklagte, auch wenn ihm nicht die Gründung einer terroristischen Vereinigung sondern die demgegenüber schwächere Tatbestandsalternative der Mitgliedschaft in einer solchen Vereinigung zur Last gelegt wird, mit der Verhängung einer ganz erheblichen mehrjährigen Freiheitsstrafe zu rechnen. Hinzu kommt, dass er sich trotz der derzeitigen Verneinung eines dringenden Tatverdachtes hinsichtlich des Vorwurfes der Beihilfe zum Mord durch den Senat angesichts des bisherigen Verfahrensverlaufes nicht sicher sein kann, dass nicht bei etwaiger Freigabe weiterer Beweismittel auch insoweit erneut ein gegenüber dem derzeitigen Stand höherer Verdachtsgrad angenommen werden wird.
Dem sich daraus ergebenden erheblichen Fluchtanreiz für den Angeklagten stehen ihn an das Verfahren bindende Faktoren von ausreichendem Gewicht nicht entgegen.
Der Angeklagte selbst ist marokkanischer Staatsangehöriger, der die Kontakte zu seinen in Marokko lebenden Eltern und Geschwistern aufrecht erhalten hat. Nach den vorliegenden Ermittlungsergebnissen hatte er in der Zeit vor der Durchführung der Anschläge vom 11. September 2001 ohnehin die Absicht, seinen Studienaufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland zu beenden und in sein Heimatland Marokko zurückzukehren.
Die Ehefrau des Angeklagten lebt zwar zur Zeit mit den beiden gemeinsamen Kindern in Hamburg, ist jedoch selbst russische Staatsangehörige mit ebenfalls fortgeführten Kontakten zu ihren in St. Petersburg lebenden Eltern. Danach ist bereits für die Ehefrau des Angeklagten selbst nicht von festeren Bindungen an die Bundesrepublik Deutschland auszugehen, so dass sie auch keine dahin gehende Wirkung auf den Angeklagten entfalten kann. Hierfür spricht auch, dass der Angeklagte in der Zeit vor den Anschlägen vom 11. September 2001 trotz damals bereits bestehender Ehe und des ersten bereits geborenen sowie des erwarteten zweiten gemeinsamen Kindes die Absicht hatte, die Bundesrepublik Deutschland wieder zu verlassen.
Schließlich ergibt sich aus den außerfamiliären internationalen Kontakten des Angeklagten sowie seinen früheren teilweise längeren Auslandaufenthalten insbesondere in Afghanistan, dass bei ihm von einer weit überdurchschnittlichen Mobilität auszugehen ist.
Dass der Angeklagte sich trotz kurze Zeit vor den Anschlägen vom 11. September 2001 erfolgten wahrscheinlich warnenden Telefonanrufes aus Pakistan bis zu seiner am 28. November 2001 erfolgten Festnahme nicht aus Hamburg abgesetzt hatte, steht der Annahme einer jedenfalls zu Zeit bestehenden Fluchtgefahr nicht entgegen, da sich das kurz vor oder nach den Anschlägen vom 11. September 2001 für den Angeklagten möglicherweise noch nicht erkennbare Risiko einer Verurteilung zu einer erheblichen Freiheitsstrafe inzwischen für ihn auf Grund des bisherigen Verfahrensverlaufes konkretisiert haben kann.
4. Die nach den vorstehenden Ausführungen anzunehmende Fluchtgefahr kann jedoch bei dem Angeklagten durch die aus dem Tenor ersichtlichen Auflagen nach § 116 Abs. 1 StPO ausreichend gemildert werden.
Dabei ist insbesondere von Bedeutung, dass der Angeklagten sich bereits seit zwei Jahren und vier Monaten in Untersuchungshaft befindet, so dass ihm im Falle einer Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe hinsichtlich der Straftat, für die ein dringender Tatverdacht zu bejahen ist, ein nicht unbeträchtlicher Teil bereits als verbüßt anzurechnen wäre.