LG Mannheim: Auschwitzlüge

Landgericht Mannheim

5. Große Strafkammer

Im Namen des Volkes

Urteil

Aktenzeichen: 5 KLs 503 Js 9551/99

– aufgehoben durch Urteil des BGH vom 12. Dezember 2000

Verkündet am 10. November 1999

In der Strafsache […]

Der Angeklagte ist der Volksverhetzung in Tateinheit mit Beleidigung und Verunglimpfung desAndenkens Verstorbener und der Beleidigung in Tateinheit mit Verunglimpfung des AndenkensVerstorbener in zwei Fällen schuldig.

Er wird deshalb zu einer Gesamtstrafe von 10 Monaten verurteilt.

Aus den Gründen:

Der Angeklagte befaßte sich seit 1992 mit dem Holocaust. Ab 1994 begann er Rundbriefe zu diesemThema zu verfassen und sie ins Internet zu stellen. Spätestens 1996 schloß er sich mitGleichgesinnten in Australien zum “Adelaide Institute” zusammen, dessen Direktor er wurde undheute noch ist. Unter dem Vorwand, unvoreingenommen die Erforschung des Holocaust betreibenund weltweit den Meinungsaustausch hierzu fördern zu wollen, verfaßte er in der Folge Rundbriefeund Artikel, die er von Australien aus ins Internet stellte. Tatsächlich ging es dem Angeklagten jedochnicht um eine neutrale, objektive Erforschung des Holocaust sondern vielmehr um die Verbreitung”revisionistischer” Thesen, deren vorgefaßter, zentraler Inhalt es war, – die historische Wahrheit dersystematischen Verfolgung und Ermordung bzw. Vernichtung der Juden während des sogenannten”Dritten Reiches” in Frage zu stellen und zu leugnen; – die massenhafte Ermordung der Juden in denKonzentrationslagern des Naziregimes als “Erfindung” jüdischer Kreise darzustellen, dieinsbesondere der Aufrechterhaltung und Durchsetzung finanzieller Forderungen der angeblichÜberlebenden der Konzentrationslager und der Hinterbliebenen der Holocaustopfer dienen sollte, aberauch der politischen Diffamierung von Deutschen.

[…]

Nach den vorstehenden Feststellungen hat der Angeklagte

1. jeweils auf Grund neu gefaßten Willensentschlusses in allen drei Taten auf Grund einheitlichenWillensentschlusses das Verfolgungsschicksal der ermordeten und überlebenden Insassen desKonzentrationslagers Auschwitz geleugnet und dabei den Holocaust im Falle [1] und [3] alserfundenes Druckmittel zur Verfolgung politischer Vorteile, im Falle [3] zusätzlich auch finanziellerVorteile, bezeichnet. Im Falle [2] hat er neben dem Leugnen der massenweisen Vergasung von Judenin Auschwitz M. und mit ihm alle den Holocaust überlebenden und ihn bekundenden Zeitzeugen alsLügner diffamiert.

Der Angeklagte hat damit in allen drei Fällen jeweils die genannten Personenkreise in ihreMenschenwürde angreifender Weise

a) an ihrer Ehre verletzt, soweit es die Überlebenden angeht, bzw.

b) ihr Andenken verunglimpft, soweit es die Verstorbenen betrifft.

Der Angeklagte hat sich deshalb in allen drei Fällen der Beleidigung in Tateinheit mit Verunglimpfungdes Andenkens Verstorbener schuldig gemacht, Vergehen, strafbar nach §§ 185,189,52-54 StGB.

Da er diese Beleidigungen und Verunglimpfungen in allen Fällen durch das Einstellen in einenDatenspeicher des Internet allen Online-Anschlußinhabern in Bild und Schrift zugänglich – und damitöffentlich – gemacht hat, § 194 Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 2 i.V.m. § 11 Absatz 3 StGB, bedurftees zur Strafverfolgung keines Strafantrages.

2. Durch das jeweils in allen Fällen von vornherein beabsichtigte öffentliche Zugänglichmachen dieserdie Menschenwürde verletzenden Beleidigungen und Verunglimpfungen hat der Angeklagte in allendrei Fällen zugleich auch die Gefahr begründet, daß dadurch der öffentliche Frieden gestört würde,weil seine ins Internet gestellten Artikel geeignet waren, das Sicherheitsempfinden und das Vertrauenin die Rechtssicherheit insbesondere der jüdischen Mitbürger empfindlich zu stören, so daß er inallen drei Fällen auch tateinheitlich den Tatbestand des § 130 Absatz 1 Nr.2 StGB verwirklicht hat.

Bei dieser Vorschrift handelt es sich indes um ein abstraktes Gefährdungsdelikt, das, weil es keinenzum Tatbestand gehörenden Erfolg aufweist, nur an dem Ort begangen wird, an dem die Gefahrbegründet wird. Der Ort, an dem als Folge der Tat eine konkrete Gefährdung oder gar eine Verletzungeintritt, ist aber nicht weiterer Tatort im Sinne von § 9 StGB (vgl. LK, § 130, Rdnr. 19 und 20,Schönke-Schröder, 25.Auflage, § 9 Rdnr. 6).

In den Fällen [1] und [3] hat der Angeklagte indes nur in Australien gehandelt; dort hat er seine Artikelins Internet gestellt und damit die Gefahr begründet. Da es in Australien einen dem § 130 StGBvergleichbaren Tatbestand nicht gibt und der Angeklagte Australier ist, kann auch § 7 StGB dieZuständigkeit der Kammer nicht begründen. Schließlich ist auch keiner der in den §§ 5 und 6 StGBgeregelten Fälle gegeben, so daß eine Bestrafung des Angeklagten in den Fällen [1] und [3] auchnach § 130 StGB mangels Zuständigkeit nicht in Betracht kommt.

Im FaIle [2] hingegen hat der Angeklagte seinen offenen Brief nicht nur ins Internet gestellt, sondernauch nach Deutschland und da u.a. an die Zeitschrift “S.” versandt, darum wissend und dieszumindest billigend in Kauf nehmend, daß der offene Brief veröffentlicht werden könnte. Er hat damit,weil die Handlung ,,Versenden” erst mit dem Eingang beim Adressaten beendet war, in diesem Fallauch in Deutschland seinen offenen Brief in einer Weise zugänglich gemacht, der geeignet war denöffentlichen Frieden zu stören. Der Angeklagte hat sich mithin in diesem Falle tateinheitlich (§ 52StGB) zu den Vergehen nach §§ 185, 189 StGB auch eines Vergehens der Volksverhetzung nach §130 Absatz 1 Nr.2 StGB schuldig gemacht.

Bei der Strafzumessung waren für die Kammer die nachfolgenden Erwägungen bestimmend:

Die Verhängung von Geldstrafen kam jedoch in keinem der drei Fälle in Betracht. Der Angeklagte hatsich in diesen über einen längeren Zeitraum hinweg erstreckenden Taten als hartnäckiger unddiffamierender Leugner historisch erwiesener Tatsachen erwiesen. In der Hauptverhandlung hat erkeine Reue gezeigt. Um ihn künftig von der weiteren Begehung gleichartiger Delikte abzuhalten, aberauch zur Verteidigung der Rechtsordnung, um das Vertrauen der jüdischen Mitbürger in dieRechtssicherheit zu stärken, hielt die Kammer die Verhängung von Freiheitsstrafe in jedem Fall fürunerläßlich.

Bei der Bemessung der konkreten Strafen hat die Kammer in allen Fällen strafmildernd bedacht, daßder Angeklagte bisher nicht vorbestraft war. Zu sehen war auch, daß der Angeklagte seine Texte inenglischer Sprache abgefaßt hat, obwohl er der deutschen Sprache in Wort und Schrift mächtig war.Es hat daher nicht davon ausgegangen werden können, daß er zielgerichtet und in besonderer Weisedas Zugänglichmachen seiner Thesen gerade unter Internetnutzern in Deutschland erstrebt hat; seinZielgebiet scheint vielmehr der angloamerikanische Raum gewesen zu sein. Nur der Geltungsbereichder deutschen Strafgesetze ist aber für das anhängige Verfahren von Belang. Auch vermochte dieKammer keine Feststellungen darüber zu treffen, ob und wie oft es überhaupt vorgekommen ist, daßdeutsche Internetbenutzer die ,,homepage” des A. abgerufen und wieviele davon dieenglischsprachigen und vielfach recht weitschweifig gefaßten Texte gelesen und verstanden haben.

Zu Gunsten des Angeklagten sprach schließlich auch, daß der Angeklagte als australischerStaatsangehöriger aus einem Rechtskreis kommt, in dem er nach Kenntnis der Kammer seinenrevisionistischen Aktivitäten über Jahre hinweg unbehelligt von der Strafjustiz hat nachgehen können,wobei ihm aber auch bewußt war, daß in Deutschland die Rechtslage anders war.

[…]