27 AR 2/01
Landgericht Bonn
50 Js 1/00
Staatsanwaltschaft Bonn
BeschluÃ
hat die 7. GroÃe Strafkammer des Landgerichts Bonn
als Wirtschaftsstrafkammer
am 28. Februar 2001
b e s c h l o s s e n :
Der Absicht der Staatsanwaltschaft, das
Ermittlungsverfahren mit Zustimmung des
Beschuldigten gegen eine Zahlungsauflage von 150 TDM
zugunsten der Staatskasse
und weiteren 150 TDM zugunsten der Mukoviszidose –
Hilfe e.V. vorläufig einzustellen,
wird zugestimmt.
A. Vorbemerkungen:
Obwohl die StrafprozeÃordnung (§ 153 a StPO) für die
Zustimmung oder auch deren Verweigerung
an sich keine Begründung vorsieht, legt die Kammer ihre
Gründe offen. Diesen Gründen ist
zusammenfassend vorauszuschicken:
1.
Im vorliegenden Fall geht es um den Vorwurf der Untreue zum
Nachteil der CDU. Die Untreue liegt
nach Ansicht der Staatsanwaltschaft trotz der für
Parteizwecke ausgegebenen Gelder in der nicht
ordnungsgemäÃen Verbuchung mit der Gefahr, daà die auf
Treuhandkonten gehaltenen rund 2 Mio.
DM den Zwecken der Partei hätten entzogen werden können,
und zudem in der weiteren Gefahr von
Sanktionen durch den Präsidenten des Bundestages, z.B.
eines Verlustes von staatlichen Mitteln
nach dem Parteiengesetz. Wären nämlich die anonym geführten
Spenden ordnungsgemäà verbucht
worden, hätte die CDU zulasten der anderen Parteien vom
Staat eine entsprechend höhere
Unterstützung bekommen.
2.
Die Zustimmung des Gerichts zur Einstellung gegen
Zahlungsauflage erfolgt, weil die Rechtslage
unklar ist und selbst im Falle einer Anklageerhebung und
eventueller Verurteilung bei Würdigung aller
Umstände von Tat und Täterpersönlichkeit aller Voraussicht
nach nur eine Geldstrafe in Betracht
käme, welche die in Erwägung gezogene freiwillige Zahlung
nicht überschreiten würde. Dabei wäre
neben den allgemein anerkannten Leistungen des
Beschuldigten für die staatliche Gemeinschaft
auch von Bedeutung, daà er nicht vorbestraft ist und der
mögliche materielle Schaden für die CDU
wiedergutgemacht wurde. Eine persönliche Bereicherung liegt
nicht vor, vielmehr wurden auch die
anonym geführten Spenden für Zwecke der Partei eingesetzt.
Zudem ist die CDU als mutmaÃlich
Geschädigte an einer weiteren Strafverfolgung
offensichtlich nicht interessiert.
Die neuen Vorschriften zum Täter – Opfer – Ausgleich (§ 46
a StGB) eröffnen selbst im Falle eines
Schuldspruches die Möglichkeit, von Strafe abzusehen.
Der Einstellung steht nicht entgegen, daà der Beschuldigte
die Namen der Spender nicht mitgeteilt
hat. Gerade die anonyme Verbuchung ist überhaupt erst
Voraussetzung für den Vorwurf der Untreue,
der – wenn er sich im Rahmen einer Anklage und einer
Hauptverhandlung bestätigen würde – durch
eine nachträgliche Benennung der Spender ohnehin nicht
entfallen würde.
3.
Eine Einstellung nach Erfüllung einer Zahlungsauflage (§
153 a StPO) ist keine Besonderheit,
sondern erfolgt gerade bei Vermögensdelikten und bei
Vorliegen der entsprechenden
Vorausssetzungen in der täglichen Praxis der Strafgerichte,
auch bei der Kammer, in einer Vielzahl
von Fällen.
4.
Die freiwillige Zahlung ist weder eine GeldbuÃe noch eine
Geldstrafe. Sie bedeutet auch kein
“Schuldeingeständnis”. Gestehen kann man nur Tatsachen;
diese hat der Beschuldigte im
Fernsehen selbst öffentlich mitgeteilt. Die Frage,
inwieweit diese Tatsachen eine Strafbarkeit
begründen, ist eine Rechtsfrage.
5.
Die nunmehr erteilte Zustimmung beendet das Verfahren noch
nicht. Die Staatsanwaltschaft muà die
vorläufige Einstellung förmlich verfügen und den
Beschuldigten zur Zahlung auffordern. Erst nach
Zahlung kann die endgültige Einstellung erfolgen. Hierfür
ist die Staatsanwaltschaft und nicht das
Gericht zuständig.
Die Verweigerung der Zustimmung hätte nicht automatisch
eine Hauptverhandlung zur Folge gehabt,
vielmehr hätte die Staatsanwaltschaft dann prüfen müssen,
ob sie -evtl. nach weiteren Ermittlungen-
Anklage erhebt oder das Verfahren ohne Zahlungsauflage
einstellt.
B. Sachverhalt
Die Staatsanwaltschaft ermittelt seit Anfang Januar 2000
gegen den Beschuldigten wegen Untreue
zum Nachteil der CDU, deren Bundesvorsitzender der
Beschuldigte war.
Tatsächlicher Anknüpfungspunkt ist dabei die öffentliche
Erklärung des Beschuldigten, er habe in
den Jahren 1993 bis 1998 Spenden von insgesamt 1,5 bis 2,0
Mill. DM entgegengenommen, ohne
sie in die “Spendenliste” der Partei aufzunehmen. Dies sei
eine ausdrückliche Bitte der Spender
gewesen; er habe sein Ehrenwort dafür gegeben, die Namen
der Spender nicht mitzuteilen.
Nach den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft soll es sich
dabei um folgende Jahresgesamtbeträge
gehandelt haben, wobei die Einzelbeträge nicht aufgeklärt
sind:
Kalenderjahr
Summe im Kalenderjahr
1993
900.000,00 DM
1994
200.000,00 DM
1995
270.000,00 DM
1996
710.000,00 DM
1998
94.106,50 DM
insgesamt
2.174.106,50 DM
Die Staatsanwaltschaft nimmt an, daà es sich dabei um
Spenden von mehr als 20 TDM pro Spender
und Kalenderjahr handelte. Sie geht aufgrund der
Ermittlungen davon aus, daà die einzelnen
Spenden – jedenfalls zunächst – nicht in die offizielle
Buchhaltung der CDU – Bundespartei einflossen
und auch später nicht im Spendenteil des
Rechenschaftsberichts der Partei ausgewiesen wurden.
Die Spenden sollen zunächst mit Hilfe von eng vertrauten
Mitarbeitern auf Treuhandanderkonten
eingezahlt worden sein. Später habe man die Beträge auf dem
Umweg über Festgeldkonten zum
gröÃten Teil entweder für WerbemaÃnahmen der Partei
(einschl. Landesverbände) unmittelbar
verwendet oder als “sonstige Einnahmen” in das Rechenwerk
der Bundespartei eingestellt.
Dementsprechend seien die eingestellten Beträge im
Rechenschaftsbericht der Partei nicht als
“Spenden”, sondern eben als “sonstige Einnahmen”
ausgewiesen worden.
Nach den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft sollen
darüberhinaus in den Jahren 1996 bis 1998
Gelder der CDU / CSU – Bundestagsfraktion der Bundespartei
oder einzelnen Landesverbänden
zugeflossen sein. Dabei soll es sich um insgesamt 1,146
Mio. DM gehandelt haben, wobei die
Staatsanwaltschaft jedoch nur hinsichtlich eines Betrages
von insgesamt 265 TDM den
Anfangsverdacht einer Untreue zum Nachteil der CDU –
Bundespartei als gegeben ansieht.
Aufgrund der Ermittlungen geht die Staatsanwaltschaft davon
aus, daà Mitte Dezember 1996 von
einem Fraktionskonto per Scheck das gesamte Guthaben von
rund 1,14 Mio. DM abgehoben und
einem Mitarbeiter der Bundesgeschäftsstelle zur
vorübergehenden Verwahrung in einem Tresor
übergeben wurden. Bei dieser Summe handelte es sich nach
dem Ermittlungsergebnis um die
Ansammlung und Verzinsung von Fraktionsbeiträgen der
einzelnen Fraktionsmitglieder in der Zeit
von 1980 bis 1994. Die Guthaben waren dadurch entstanden,
daà die Bundestagsverwaltung von den
Diäten der einzelnen Abgeordneten monatlich 50 – 60 DM an
einen Hilfsfonds der Fraktion überwies,
der verzinslich angelegt war. Dieser Fonds diente der
Vorsorge für hilfsbedürftig gewordene
(ehemalige) Fraktionsmitglieder und – mitarbeiter. Von dem
vorgenannten Betrag sollen 615 TDM
direkt auf ein Konto der CDU – Bundesgeschäftsstelle
eingezahlt und als “sonstige Einnahmen”
verbucht worden sein; weitere 166 TDM sollen für den
Wahlkampf 1998 der Bundespartei
ausgegeben worden sein. Von dem verbleibenden Rest sollen
insgesamt 365 TDM an verschiedene
Landesverbände der CDU geflossen sein. Nur hinsichtlich
eines Teilbetrages von zusammen 265
TDM sieht die Staatsanwaltschaft den Anfangsverdacht einer
Untreue zum Nachteil der
Bundespartei, weil dieser Teilbetrag möglicherweise ohne
Kenntnis der nach den Parteistatuten
zuständigen Organe an einen Landesvorsitzenden bzw. einen
Landesverband und an einen
Kreisverband gezahlt worden sein sollen.
Die Staatsanwaltschaft beabsichtigt, mit Zustimmung des
Beschuldigten das Verfahren gemäà §
153 a StPO gegen Zahlung eines Geldbetrages in Höhe von 150
TDM zugunsten der Staatskasse
und weiteren 150 TDM zugunsten einer karitativen
Einrichtung einzustellen. Hierzu hat sie im
Einverständnis mit dem Generalstaatsanwalt in Köln und dem
Justizminister des Landes NRW die
nach dem Gesetz erforderliche Zustimmung des Gerichts mit
Verfügung vom 09.02.2001 beantragt,
worüber die Kammer in richterlicher Unabhängigkeit zu
befinden hatte.
C. Gründe
Die Zuständigkeit der Kammer für die beantragte Zustimmung
ergibt sich aus § 153 a StPO i.V.m.
§§ 74 c Abs.1 Nr.6 und 74 e Nr.2 GVG. Für die Einstellung
des Verfahrens bedarf die
Staatsanwaltschaft der Zustimmung jenes Gerichts, das im
Falle einer Anklageerhebung für die
Entscheidung, ob die Anklage zugelassen wird, zuständig
wäre.
Bei der Zustimmung, die im vorliegenden Verfahrensabschnitt
keine abschlieÃende Bewertung der
ermittelten Vorgänge darstellen kann, hat sich die Kammer
von folgenden Erwägungen leiten lassen:
I.
Nach § 153 a StPO kann die Staatsanwaltschaft mit
Zustimmung des Gerichts bei einem Vergehen
von der Erhebung der Anklage u.a. dann absehen, wenn eine
Schadenswiedergutmachung durch den
Beschuldigten geeignet ist, das öffentliche Interesse an
der Strafverfolgung zu beseitigen und die
Schwere der in Betracht kommenden Schuld nicht
entgegensteht.
Das Fehlen bzw. der Wegfall des “öffentlichen Interesses”
ist nicht allein danach zu beurteilen, ob
und in welchem Umfang die Medien Interesse an einer
weiteren Durchführung des Verfahrens haben;
völlig unmaÃgeblich sind parteipolitische Interessen.
MaÃgeblich ist vielmehr die pflichtgemäÃe,
ohne Ansehen der Person vorzunehmende Abwägung durch die
Staatsanwaltschaft und das Gericht.
Kriterien sind dabei die Ausräumung der Wiederholungsgefahr
vom Zeitpunkt der Einstellung an,
keine auÃergewöhnlichen Tatfolgen für den Tatgeschädigten
oder die Allgemeinheit und schlieÃlich
die Person des Täters, d.h. sein (straffreies) Vorleben,
sein möglicher Schuldgehalt an der Tat und
seine Wiedergutmachungsbemühungen.
In Anwendung dieser Grundsätze kommt es in der täglichen
Rechtspraxis zu einer Vielzahl von
Einstellungen. Beispielhaft seien hier nur die mehreren
tausend Fälle von Geldanlagen im Ausland
zum Zwecke der Steuerhinterziehung genannt; in nahezu allen
Fällen wurden die Verfahren von den
Staatsanwaltschaften gegen Nachzahlung der Steuern und
einer zusätzlichen Zahlung an die
Staatskasse oder eine gemeinnützige Einrichtung
eingestellt.
Die Rechtspraxis geht allerdings noch einen Schritt weiter:
Es kommt in vielen Fällen auch dann zur
Einstellung, wenn die für eine Verurteilung notwendige
Tatsachenaufklärung einen Umfang an
Personal, Zeit und Kosten erfordern würde, der gemessen an
der zu erwartenden Strafe im Ergebnis
unverhältnismäÃig wäre; als weiterer alternativer oder
zusätzlicher Einstellungsgrund gilt in der
Rechtspraxis auch die UngewiÃheit über das Ergebnis, weil
z.B. bislang ungeklärte Rechtsfragen
offen sind und eine langwierige Durchführung des Verfahrens
durch mehrere Instanzen nicht mehr im
Verhältnis zur Tat oder zum Schuldgehalt und damit auch zur
eventuellen Höhe der Strafe stünde.
Zu einem solch langwierigen Verfahren könnte es wegen der
ungeklärten Rechtsfragen z.B.
kommen, wenn sich die Staatsanwaltschaft zur
Anklageerhebung entschlösse, das Gericht aber
eine Strafbarkeit verneinen würde. Als nächste Instanz
müÃte dann das Oberlandesgericht über die
Zulassung der Anklage entscheiden. Sollte die Zulassung
erfolgen, müÃte das Gericht eine sehr
aufwendige Hauptverhandlung durchführen, wobei das Ergebnis
dann wieder offen wäre. Dieses
Ergebnis könnte dann je nach Ausgang von der
Staatsanwaltschaft oder der Verteidigung zur
revisionsrechtlichen Ãberprüfung beim Bundesgerichtshof
gestellt werden, wobei dann wieder die
Frage wäre, ob der Bundesgerichtshof die Frage der
Strafbarkeit bejahen würde.
Die Pflicht der Staatsanwaltschaft und des Gerichts, ohne
Ansehen der Person zu entscheiden,
gebietet es, auch im Falle prominenter Beschuldigter all
diese Aspekte nicht auszusparen.
Im Falle einer Einstellung gilt der Betroffene nicht nur
als nicht vorbestraft, sondern nach Art.6 der
Menschenrechtskonvention und der Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichts (BVerfG MDR
91, 891) weiterhin als unschuldig, weil eine Entscheidung
in der Sache durch unabhängige Richter
gerade nicht getroffen wird.
II.
Die Annahme der Staatsanwaltschaft, im Falle der anonym
verbuchten Spenden liege der objektive
Tatbestand einer Untreue zulasten der CDU -Bundespartei
vor, ist nicht gänzlich zweifelsfrei. Das
zeigt sich – wenn auch für die Kammer nicht
ausschlaggebend- u.a. daran, daà die vielfältigen
Veröffentlichungen zu diesem Thema in den Fachzeitschriften
und sonstigen Medien zu keiner
eindeutigen rechtlichen Bewertung kommen, auch wenn man den
möglichen Versuch der
Parteinahme für die eine oder andere Seite überliest und
unterstellt, daà die Kommentatoren allein
von dem hier ermittelten Sachverhalt ausgehen.
Grundsätzlich ist festzustellen, daà VerstöÃe gegen das
Parteiengesetz keine unmittelbaren
strafrechtlichen Sanktionen auslösen. Die
Staatsanwaltschaft hat deshalb den Tatbestand der
Untreue unter zwei Gesichtspukten geprüft: Zum einen, ob
sich die geschilderte Handlungsweise
wegen Verstosses gegen die Finanzordnung der CDU
unmittelbar zulasten dieser Partei auswirkte,
und zum anderen, ob die geschilderte Handlungsweise wegen
der drohenden wirtschaftlichen
Sanktionen nach dem Parteiengesetz eine Untreue zum
Nachteil der CDU darstellen kann. Hierzu
bemerkt die Kammer im Einzelnen, wobei sich diese
Bemerkungen im Hinblick auf den
Verfahrensstand nicht als abschlieÃende Meinungsbildung
darstellen können und die
Staatsanwaltschaft in ihrem sorgfältig begründeten Vermerk
zur Rechtslage die Zweifelsfälle
durchaus auch schon angesprochen hat:
1) Entgegennahme der anonym verbuchten Spenden
Insoweit kann eine Untreue unmittelbar zulasten der CDU
nicht in Betracht kommen. Inwieweit die
Entgegennahme schon eine wirtschaftliche Sanktion aufgrund
des Parteiengesetzes zum Nachteil
der CDU ausgelöst haben kann, ist zweifelhaft. Es wäre in
diesem Handlungsabschnitt allenfalls an
einen Verstoà gegen § 25 Abs. 1, Satz 2, Nr.5 und Abs. 3
PartG zu denken. Hiernach sind
anonyme Spenden von mehr als 1.000 DM im Einzelfall
unverzüglich an das Präsidium des
Deutschen Bundestages weiterzuleiten. Das gleiche gilt für
solche Spenden, bei denen es sich
erkennbar um die Weiterleitung eines nicht genannten
Dritten handelt.
Diese sofortige Durchleitung an die Bundestagsverwaltung
dürfte allerdings wegen des
Gesetzeswortlauts in der ersten Alternative nur bei echter
Anonymität geboten sein, also nicht dann,
wenn der Spender lediglich verschleiert wird. Die zweite
Alternative des “Weiterleitens der Spende
eines nicht genannten Dritten” kann hier noch nicht gegeben
sein.
2) Einzahlung der Spenden auf sog. Treuhandkonten
Die Annahme einer Untreue wegen Verstosses gegen die
parteiinternen Dispositionsbefugnissse
hätte primär zur Voraussetzung, daà die Weisung der Spender
näher bekannt ist. Untreue zum
Nachteil der CDU dürfte entfallen, wenn es dem
Beschuldigten aus Sicht der Spender freigestellt
war, persönlich über die Gelder zu verfügen. Ob sich daraus
dann andere (verjährte oder nicht
verjährte) Rechtsfolgen ergäben, kann hier auÃer Betracht
bleiben, weil sie nicht Gegenstand des
Verfahrens sind.
Desweiteren wäre zu beachten:
Untreue wird in der Rechtsprechung schon dann angenommen,
wenn die Verfügbarkeit der
Einnahmen, die einer bestimmten juristischen oder
natürlichen Person (hier: CDU) zustehen, durch
Verschleierung seitens des für diese Personen
Handlungsberechtigten erheblich erschwert wird und
so eine konkrete Vermögensgefährdung eintritt; der
endgültige Entzug solcher Einnahmen zulasten
des Berechtigten ist nicht immer erforderlich. Deshalb
würde die Tatsache, daà die Spenden letztlich
doch der CDU als Gesamtpartei zugute gekommen sind, nicht
von vorneherein eine Untreue
verhindern. Für jeden Fall klare MaÃstäbe, wann eine solche
konkrete “Vermögensgefährdung”
anzunehmen ist, gibt es allerdings nicht. Nach der
Rechtsprechung des BGH könnte eine solche
Gefahrenlage ausscheiden, wenn die Gelder trotz der
Verbuchung auf Treuhandkonten für die Partei
als sicher galten. Nach den Erläuterungen des früheren
Generalbevollmächtigten der CDU, in denen
er die Gründe für die steuerrechtlich unbedenklichen
Wünsche von Spendern nach Anonymität an
konkreten Beispielen dargelegt hat, scheint eine solche
Konstellation nicht ganz ausgeschlossen,
zumal es auch offizielle Zahlungsabwicklungen der Partei
über einen Treuhänder gab; allerdings
dürfte die “Gefahrenlage” auch an der Zugriffsmöglichkeit
der nach der Satzung zuständigen Organe
zu messen sein.
Hinsichtlich einer eventuellen Untreue unter dem
Gesichtspunkt der Herbeiführung einer
Sanktionsgefahr nach dem Parteiengesetz wäre zunächst zu
prüfen, inwieweit in der Einzahlung auf
ein Treuhandkonto für die CDU ein rechtswidriges Erlangen
des Geldes i.S. § 23 a Abs. 1 und 2
PartG gesehen werden kann; dies ist zweifelhaft, weil die
Verweisung auf die bereits erwähnte
Vorschrift des § 25 Abs.1, Satz 2 Nr. 5, 1.Alt., nur
Spenden von Personen erfassen dürfte, die den
Funktionsträgern der Partei tatsächlich unbekannt sind.
Würde man den Begriff des rechtswidrigen
Erlangens entgegen dem Wortlaut des Gesetzes weiter fassen,
also auch auf jene Spenden
ausdehnen, deren Ursprung ein Vorstandsmitglied oder
Schatzmeister namentlich kennt, diese aber
zum Zwecke der Verheimlichung auf einem Anderkonto
bereithält, dann könnte schon dieses
Bereithalten die Sanktion auslösen, ohne daà die
Parteigremien von dem Bereithalten tatsächliche
Kenntnis haben. Dies wiederum könnte dazu führen, daà ein
solcher “Spendensammler” nicht nur
der Partei Gelder vorenthält, sondern auch die Sanktionen
in 3-facher Höhe auslöst, wenn die Gelder
von ihm nicht sofort an die Bundestagsverwaltung abgeführt
werden. Auf diese Weise könnte ein
Funktionsträger der Partei deren wirtschaftlichen Ruin
herbeiführen, ohne daà das Geld ihr in
irgendeiner Form zugute kam. Für eine solche Weiterung
dürfte keine Notwendigkeit bestehen, weil
die Sanktion für ein Verhalten von Funktionsträgern der
Partei immer noch erfolgen kann, nachdem
das Geld der Partei zugute gekommen, aber nicht im
Rechenschaftsbericht veröffentlicht worden ist.
Selbst wenn man allerdings die objektiven Voraussetzungen
einer konkreten Vermögensgefährdung
schon in diesem Stadium der bloÃen Annahme des Geldes
bejahen würde, blieben ernsthafte Zweifel
am Vorsatz.
Eine Weiterleitung im Sinne der zweiten Alternative von §
25 Abs.1 Satz 2 Nr. 5 PartG wäre auch in
diesem Handlungsabschnitt noch nicht gegeben.
3) Ausgabe der anonym verbuchten Gelder für Parteizwecke
Unter dem Gesichtspunkt eines parteiinternen
Satzungsverstosses wird eine Untreue in diesem
Stadium von vorneherein ausscheiden.
Hinsichtlich der Sanktionen des Parteiengesetzes wird man
aber die Ausgabe zu Parteizwecken als
ein “Erlangen” der Gelder durch die Partei ansehen können.
Der EntschluÃ, sie dem Vermögen der
Partei durch Ausgabe für Parteizwecke einzuverleiben,
dürfte die Sanktionsgefahr für die Partei
ausgelöst haben.
Ungeachtet der Frage, inwieweit der Beschuldigte insoweit
noch Einfluà genommen hat, stellt sich
aber die grundsätzliche Frage, ob der bloÃe RechtsverstoÃ
gegen das Parteiengesetz auch
angesichts der damit ausgelösten Sanktionen gegen die
Partei strafrechtlich eine Untreue sein kann.
Dabei ist in erster Linie zu bedenken, daà sich die im
Rahmen des § 266 StGB sanktionierte
Treuepflichtverletzung auf die besondere Treuepflicht
gegenüber dem Treugeber, also hier der CDU,
bezieht, nicht aber auf die gegenüber dem Staat bestehende
Pflicht, Gesetze einzuhalten. Nicht
jeder Gesetzesverstoà ist strafbar. Andererseits erscheint
nicht generell ausgeschlossen, daà die
Herbeiführung einer voraussehbaren Sanktionsgefahr zulasten
des Treugebers (hier: CDU) eine
Untreue sein kann. Soweit Normen verletzt werden, die nicht
dem Schutz des Vermögens des
Treugebers dienen, sondern anderen Zwecken dienen, sind die
strafrechtlichen Folgen allerdings
streitig.
4) Einführung der Restbeträge in das Rechenwerk der Partei
Insoweit ergibt sich gegenüber 3) keine abweichende
Beurteilung.
5) Abgabe des Rechenschaftsberichts
Unter dem Gesichtspunkt des Verstosses gegen parteiinterne
Statuten ergeben sich strafrechtlich
keine neuen Ansatzpunkte gegenüber den bisherigen
Ausführungen.
Würde man eine Strafbarkeit wegen Untreue unter dem
Gesichtspunkt drohender Sanktionen des
Parteiengesetzes grundsätzlich bejahen, wären folgende
Alternativen zu würdigen:
a)
Die Gefahr eines Verlustes der staatlichen Mittelzuweisung
durch einen in Teilen falschen oder
unvollständigen Rechenschaftsbericht (§ 23 IV PartG) dürfte
zumindest in subjektiver Hinsicht nicht
als strafrechtlich relevante Untreuehandlung zulasten der
CDU in Betracht kommen. Die Kammer
neigt mit dem Verwaltungsgericht Berlin (vgl. Urteil vom
31.01.2001) zu der Auffassung, daà nach
dieser Vorschrift ein endgültiger materiell-rechtlicher
Ausschluà der Mittelzuweisung trotz
rechtzeitiger Einreichung des Rechenschaftsberichts zu
verneinen ist. Das dürfte sich aus der
Gesetzessystematik im Vergleich mit § 23 a PartG ergeben;
bei anderer Ansicht wäre für die
Sanktion nach § 23a PartG kaum noch Raum, wie das
Verwaltungsgericht zurecht ausgeführt hat.
Die von der Bundestagsverwaltung zur Ermittlungsakte
gereichten Gesetzesmaterialien dürften diese
Auffassung eher noch stützen als widerlegen. Die
entgegenstehende Auffassung der
Bundestagsverwaltung würde im übrigen den Parteien
jeglichen Anreiz zur nachträglichen Korrektur
eines Rechenschaftsberichts nehmen mit der nicht
unwahrscheinlichen Folge, daà dann selbst die
Sanktion nach § 23 a PartG faktisch kaum mehr zum Zuge
käme.
Auch die Staatsanwaltschaft geht im übrigen davon aus, daÃ
insoweit zumindest die subjektiven
Voraussetzungen fraglich sind.
b)
Bejaht man die Strafbarkeit der Inkaufnahme der
Sanktionsgefahren grundsätzlich, so spräche dann
vieles dafür, zumindest die objektiven Voraussetzungen
eines Untreuetatbestandes unter dem
Gesichtspunkt der Sanktionsgefahren nach § 23 a PartG
(doppelter Betrag der nicht im
Rechenschaftsbericht erwähnten Spenden) als gegeben
anzunehmen. Dies würde zumindest die
rund 1 Mio. DM betreffen, die im Bilanzvolumen des
Rechenschaftsberichts fehlte. Soweit die zweite
Million als “sonstige Einnahme” in den Rechenschaftsbericht
eingeflossen ist, könnte einer Sanktion
zunächst der Wortlaut des § 23a entgegen stehen, weil dort
nur von rechtswidrig erlangten
“Spenden” die Rede ist. Indessen dürfte nach dem Sinn und
Zweck der Regelungen des
Parteiengesetzes, nämlich die Spendeneinnahmen der Parteien
transparent zu machen, auch der
Fall erfaÃt werden, in dem Spenden nicht in der dafür
vorgesehenen Position, sondern an anderer
Stelle der Einnahmeseite dargestellt werden.
Im Bedarfsfall wäre allerdings auch den Hinweisen
nachzugehen, wonach in der “Arbeitsgruppe
Parteiengesetz” bereits bei der parlamentarischen
Vorbereitung des Parteiengesetzes 1983
überparteiliche Einigkeit bestanden habe, die Rubrik
“sonstige Einnahmen” sei vor allem dafür
gedacht gewesen, einen Sockelbetrag von 5 % der Spenden
dort führen zu dürfen. Dies
widerspräche zwar dem Wortlaut des Gesetzes. Hätte es eine
solche Praxis, etwa auch bei den
anderen Parteien gegeben, und wäre sie von der
Bundestagsverwaltung nicht beanstandet worden,
könnte dies auch Einfluà auf eine strafrechtliche Bewertung
der Rechenschaftsberichte haben. Denn
die Gefahr einer Sanktion wäre dann zumindest geringer und
möglicherweise nicht mehr konkret
genug gewesen.
III.
Käme es nach Erhebung und Zulassung einer Anklage letztlich
auch zu einem richterlichen
Schuldspruch, müÃte das Gericht in eine Strafe neben dem
Maà der Pflichtwidrigkeit auch das
Vorleben des Betroffenen sowie sein Bemühen um
Schadenswiedergutmachung berücksichtigen (§
46 StGB).
Die Staatsanwaltschaft hat diese Aspekte in dem 22 –
seitigen Antrag auf Zustimmung zur
Einstellung schon gründlich herausgearbeitet. Diesen
Ausführungen schlieÃt sich die Kammer an.
Dabei wäre einerseits hervorzuheben, daà der Beschuldigte
als damaliger Bundeskanzler und
Parteivorsitzender der CDU gerade im Hinblick auf die in
den 80´er Jahren geführte Debatte um die
Spendensammelpraxis der Parteien zu besonderer Sorgfalt
Anlaà gehabt hätte und insoweit auch
seiner Vorbildfunktion besser hätte Rechnung tragen müssen.
Andererseits gäbe es weit überwiegende Milderungsgründe,
als da wären:
– sein über 50 Jahre währendes Engagement für die
staatliche Gemeinschaft auf allen
Ebenen der Politik
– seine unbestrittenen Verdienste um die Schaffung
einer europäischen Friedenszone
im allgemeinen, um die Aussöhnung mitden Nachbarn
Deutschlands und um die
deutsche Einheit im besonderen.
Dabei dürfte nicht übersehen werden, daà die hier in Rede
stehende Tat der nicht ordnungsgemäÃen
Verbuchung von Spenden nicht der persönlichen Bereicherung
diente, sondern aus seiner Sicht dem
Wohl der von ihm geleiteten Partei und damit im
Beziehungsgeflecht seines politischen
Engagements stand: Ohne sein hohes Ansehen in den bereits
erwähnten Ämtern hätte er wohl kaum
in die Versuchung kommen können, gröÃere Spenden ohne
ordnungsgemäÃe Verbuchung
anzunehmen.
Zu Recht hebt die Staatsanwaltschaft auch hervor, daà die
persönlich herabwürdigenden Angriffe in
der Medienberichterstattung mildernd berücksichtigt werden
müÃten.
Der Täter – Opfer – Ausgleich ist ein in der neueren
Gesetzgebung besonders hervorgehobenes
Strafzumessungsmerkmal. So könnte gemäà § 46 a StGB selbst
im Falle eines Schuldspruchs von
einer Strafe abgesehen werden, nachdem der Beschuldigte im
Rahmen einer legalen
Spendensammelaktion den der CDU entstandenen finanziellen
Nachteil, soweit er von ihm zu
verantworten ist, bei weitem wiedergutgemacht hat.
Unter all den vorgenannten Umständen, die im Antrag der
Staatsanwaltschaft noch näher erläutert
werden, hält die Kammer die vorgesehene Zahlungsauflage von
300 TDM für nicht unangemessen.
Die Vorschrift des § 153 a StPO sieht primär vor, daÃ
solche Zahlungsauflagen dem durch die
angebliche Tat Geschädigten zukommen , das wäre hier die
CDU. Jedoch ist – wie bereits erwähnt-
der finanzielle Nachteil bereits ausgeglichen.
Die vorgesehene Zahlungsfrist von 3 Monaten ist angemessen.