4 StR 54/98
Vorschriften: StGB § 242, § 249, § 253, § 16
Leitsätze:
1. Nimmt der Täter eine Sache weg, um sie als Druckmittel zur Durchsetzung einer Forderung zu benutzen, handelt er nicht mit Zueignungsabsicht, weil er weder die Sache noch deren Wert seinem Vermögen einverleiben will.
2. Bei der Erpressung ist die Rechtswidrigkeit des erstrebten Vermögensvorteils ein normatives Tatbestandsmerkmal; eine darauf bezogene rechtlich falsche Bewertung des wahren Sachverhalts führt daher zu einem Tatbestandsirrtum.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten R. wegen schweren Raubes zu einer Jugendstrafe von drei Jahren verurteilt. Seine auf die Sachbeschwerde gestützte Revision führt zur Aufhebung des Urteils. Diese ist gemäß § 357 StPO auf die jeweils wegen Beihilfe zum schweren Raub verurteilten Mitangeklagten Rö. und St. die keine Revision eingelegt haben, zu erstrecken.
1. Die Verurteilung des Beschwerdeführers wegen schweren Raubes hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Die Feststellungen zur subjektiven Tatseite sind unklar; sie vermögen, zumal insoweit auch eine Beweiswürdigung fehlt, die Annahme des Landgerichts, der Beschwerdeführer habe mit Raubvorsatz gehandelt, nicht zu belegen.
a) Nach den Feststellungen hatte Rudolf S. bei Robert M. – einem zu dieser Zeit wegen schwerster Brandverletzungen im Krankenhaus liegenden Freund und Mitbewohner des Beschwerdeführers – Schulden aus dem Kauf von Haschisch. Der Beschwerdeführer und der Mitangeklagte St. beschlossen, “1300 DM bei S. einzutreiben”, und suchten dazu Rudolf S. in seiner Wohnung gemeinsam mit dem Mitangeklagten Rö. der S. besser kannte, auf.
Rudolf S. weigerte sich, die vom Angeklagten geforderten 1300 DM zu zahlen, weil “er das Geld dem Robert M. und sonst niemand schulde”. Als dieser mit den Worten: “Geld her oder wir nehmen diese Gegenstände mit”, begann, die Stereoanlage abzubauen, fuhr der querschnittsgelähmte Rudolf S. mit seinem Rollstuhl auf ihn zu, um ihn daran zu hindern. Der Angeklagte zog “seinen geladenen Sechsschußrevolver”, den er Rudolf S., als dieser sich ihm erneut näherte, an den Kopf hielt und anschließend auf den zufällig in der Wohnung anwesenden Thomas Z. richtete. Als Rudolf S. und Thomas Z. um Hilfe schrieen, nahm der Angeklagte die Stereoanlage an sich und verließ mit den beiden Mitangeklagten fluchtartig die Wohnung. Dabei ergriff der Mitangeklagte Rö. “einen Geldbetrag von 120 DM, der auf dem Wohnzimmertisch lag. Diesen gab er sogleich dem Angeklagten R.. Die Stereoanlage wurde in den Keller der gemeinsamen Wohnung der Angeklagten R. und St. verbracht”.
b) Dazu, ob der Mitangeklagte Rö. das Geld unter Ausnutzung der Drohung mit der Waffe weggenommen hat und ob dies dem Beschwerdeführer zugerechnet worden ist, verhält sich das Urteil nicht. Bei der rechtlichen Würdigung hat das Landgericht vielmehr allein auf die Wegnahme der Stereoanlage abgestellt. Insoweit ist aber fraglich, ob der Angeklagte mit Zueignungsabsicht gehandelt hat:
Nimmt der Täter eine Sache weg, um sie als Druckmittel zur Durchsetzung einer Forderung zu benutzen, handelt er nicht mit Zueignungsabsicht, weil er weder die Sache noch den in ihr verkörperten Sachwert seinem Vermögen einverleiben will (vgl. BGH GA 1969, 306, 307; Ruß in LK 11. Aufl. § 242 Rdn.62 m.w.N).
Daß der Angeklagte nichts davon erwähnte, “daß der Zeuge S. die Anlage wiedererhalte, wenn er seine Schulden bezahle”, spricht nach den bisherigen Feststellungen nicht ohne weiteres gegen eine solche eigenmächtige Inpfandnahme, da es insoweit allein darauf ankommt, von welchen Vorstellungen sich der Täter bei der Wegnahme leiten ließ. Dafür, daß der Beschwerdeführer die Stereoanlage lediglich als Druckmittel benutzen wollte, spricht aber nicht nur seine Äußerung: ” Geld her oder wir nehmen diese Gegenstände mit”, sondern auch, daß eine baldige Verbesserung seiner und der nach dem Wohnungsbrand ebenfalls ungünstigen finanziellen Lage seines Freundes M. nur zu erreichen war, wenn Rudolf S. zur Zahlung des geforderten Betrages veranlaßt werden konnte. Gegen eine Zueignungsabsicht spricht zudem, daß die Stereoanlage vom Beschwerdeführer weder genutzt noch veräußert, sondern in dem gemeinsam mit dem Mitangeklagten St. genutzten Keller verwahrt wurde. Hiermit hätte sich das Landgericht auseinandersetzen müssen.
c) Liegt Raub als Sonderfall der Erpressung (vgl. BGHSt 14, 386, 390) nicht vor, weil die Sache lediglich als Pfand genommen werden sollte, kommt in der Regel auch eine Strafbarkeit wegen (schwerer) räuberischer Erpressung nicht in Betracht, weil die erforderliche Stoffgleichheit zwischen erstrebtem Vermögensvorteil und vom Opfer erlittenen Schaden fehlt (BGHR StGB § 253 Abs. 1 Vermögensschaden 4; BGH NJW 1982, 2265, jew. m.N.). Falls der Beschwerdeführer die Stereoanlage lediglich weggenommen hat, um die ursprünglich erhobene Geldforderung durchzusetzen, könnte allerdings eine versuchte (schwere räuberische) Erpressung gegeben sein. Daß der Beschwerdeführer eine rechtswidrige Bereicherung erstrebte, ist aber ebenfalls nicht hinreichend dargetan:
Nach den Feststellungen faßten die Angeklagten den Entschluß, “die Forderung durchzusetzen”, weil (“deshalb”) Robert M. zuvor vergeblich versucht hatte, durch Einschaltung eines Dritten Rudolf S. zur Zahlung zu veranlassen. Im Hinblick darauf, daß der Beschwerdeführer mit Robert M. befreundet war, hätte das Landgericht sich daher mit der Möglichkeit auseinandersetzen müssen, daß der Beschwerdeführer im Einvernehmen mit Robert M. gehandelt hat, ebenso wie Rudolf S. von einem bestehenden Zahlungsanspruch ausging und die erstrebte Bereicherung deshalb für rechtmäßig hielt. Insoweit ist es ohne Belang, daß das Rechtsgeschäft, das dem geltendgemachten Anspruch zugrundeliegt, wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz gemäß § 134 BGB nichtig ist. Da bei der Erpressung die Rechtswidrigkeit des erstrebten Vermögensvorteils ein normatives Tatbestandsmerkmal ist, liegt auch bei rechtlich falscher Beurteilung des dem Täter bekannten wahren Sachverhalts ein den Vorsatz ausschließender Tatbestandsirrtum vor (BGHR StGB § 2153 Abs. 1 Bereicherungsabsicht 2, 6; BGH, Urteil vom 18. August 1992 – 5 StR 348/92). Für eine Verurteilung nach §§ 253, 255 StGB würde es allerdings ausreichen, wenn der Angeklagte insoweit nur mit bedingtem Vorsatz gehandelt hat, wozu es genügt, daß der Täter für möglich hält und billigend in Kauf nimmt, daß die Forderung von der Rechtsordnung nicht gestützt ist (BGH, Urteil vom 16. Dezember 1997 – 1 StR 456/97).
2. Weil nicht auszuschließen ist, daß zur subjektiven Tatseite ergänzende Feststellungen getroffen werden können, bedarf die Sache, gemäß § 357 StPO auch, soweit sich das Urteil auf die Mitangeklagten Rö. und St. erstreckt, neuer Verhandlung und Entscheidung. Scheidet eine Verurteilung wegen Raubes oder räuberischer Erpressung aus, hat eine Bestrafung wegen Nötigung zu erfolgen. Ferner wird zu prüfen sein, ob auch ein Verstoß des Beschwerdeführers gegen das Waffengesetz in Betracht kommt, da es sich nach den bisherigen Feststellungen bei der Tatwaffe um einen “scharf” (UA 7) geladenen “Sechsschußrevolver” (vgl. aber UA 7/8: “Schreckschußrevolver”) gehandelt hat.