Aktenzeichen: L 16 RA 8/98 S 11 RA 210/97
Im Namen des Volkes
Urteil Verkündet am 10. Dezember 2002
als Urkundsbeamter in dem Rechtsstreit der Geschäftsstelle
Klägerin,
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte
g e g e n
Bundesversicherungsanstalt für Angestellte, Ruhrstr. 2, 10709 Berlin,
Beklagte.
Der 16. Senat des Landessozialgerichts Berlin hat auf die mündliche Verhandlung vom 10. Dezember 2002 durch die Vorsitzende Richterin Dr. M a j e r s k i – P a h l e n und die Richter M ä l i c k e und N i e w a l d sowie die ehrenamtlichen Richter N a u und L a u s c h für Recht erkannt:
Die Klage gegen die Bescheide der Beklagten vom 26. Oktober 2001 und vom 15. November 2001 wird abgewiesen.
Die Beklagte trägt ein Zehntel der außergerichtlichen Kosten der Klägerin im gesamten Verfahren.
Die Revision wird nicht zugelassen
Kn.
Tatbestand
Streitig ist die Höhe der Altersrente des Versicherten E M. Die Klägerin macht als Rechtsnachfolgerin des Versicherten eine Zeit verfolgungsbedingten Auslandsaufenthalts – nunmehr nur noch – vom 10. August 1931 bis 30. Juni 1935 und vom 1. Juli 1936 bis zum 31. Dezember 1944 als Ersatzzeit bei der begehrten Rentenneufeststellung geltend.
Die Klägerin ist die Witwe des 1907 geborenen und am 21. Mai 2000 verstorbenen Versicherten. Sie lebte bis zur Verlegung des Versicherten in ein Pflegeheim mit diesem in einem gemeinsamen Haushalt und wurde von diesem unterhalten.
Im August 1931 war der Versicherte, der seinerzeit Mitglied der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) war, nach dem sogenannten Bülowplatz-Vorfall in die Sowjetunion ausgereist. Im Zuge des Zusammenbruchs des nationalsozialistischen Regimes war er im Mai 1945 nach Berlin zurückgekehrt. Bei den Vorfällen am Bülowplatz am 9. August 1931 waren zwei Polizei-Hauptleute erschossen und ein Polizei-Oberwachtmeister durch Schüsse verletzt worden. Im Zusammenhang mit diesen Straftaten wurde während der Zeit der Weimarer Republik eine Person wegen unerlaubten Waffenbesitzes angeklagt und verurteilt. Nach der sogenannten Machtergreifung der Nationalsozialisten am 30. Januar 1933 wurden die Ermittlungen wieder aufgenommen, und zwar auch gegen den Versicherten. 1934 verurteilte das Landgericht Berlin drei der Angeklagten wegen Beteiligung an den Taten vom 9. August 1931 zu Todesstrafen und acht weitere Angeklagte zu Freiheitsstrafen. Das Verfahren gegen den Versicherten und ein als Mittäter beschuldigtes weiteres KPD-Mitglied namens E Z wurde eingestellt, weil beide flüchtig waren. Nach dem Ende des 2. Weltkriegs wurden die Ermittlungen von den deutschen Strafverfolgungsbehörden wieder aufgenommen, die Zuständigkeit wurde ihnen aber durch die sowjetischen Besatzungsbehörden entzogen. Nach der Wiedervereinigung wurde der Versicherte im Zusammenhang mit den Straftaten vom 9. August 1931 wegen Mordes in zwei Fällen und eines versuchten Mordes rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt (Urteil des Landgerichts Berlin vom 26. Oktober 1993; Az: (523) 1 Kap Js 1655/90 Ks (10/91) – ).
Der Versicherte, der dem Sonderversorgungssystem Nr. 4 der Anlage 2 zum Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG) angehörte, hatte ab 1. September 1971 eine Altersversorgung nach den Rechtsvorschriften der ehemaligen DDR in Höhe von zunächst 4.226,30 Mark erhalten; der Zahlbetrag verminderte sich am 1. Juli 1990 auf 990,- DM, wovon die Klägerin wegen der damaligen Inhaftierung des Versicherten die Hälfte erhielt, zuzüglich eines Ehegattenzuschlags von 200,- DM. Ab 1. August 1991 wurde die Rente nochmals gekürzt und auf 802,- DM monatlich festgesetzt.
Mit Rentenbescheiden vom 17. Dezember 1996 und vom 23. Dezember 1996 stellte die Beklagte rückwirkend ab 1. Juli 1990 die Altersrente des Versicherten auf der Grundlage des – bindenden – Überführungsbescheides des Bundesverwaltungsamts vom 20. August 1996 neu fest (Zahlbetrag ab 1. Juli 1996: 1.345,65 DM). Die Anrechnung der – streitigen – Ersatzzeit wurde abgelehnt. Widerspruch und Klage, mit denen der Versicherte u.a. die Anrechnung der Zeit von August 1931 bis 8. Mai 1945 als Ersatzzeit beanspruchte, blieben erfolglos (Wider-spruchsbescheid vom 10. Dezember 1996, Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 15. Januar 1998).
Mit der Berufung hat die Klägerin als Rechtsnachfolgerin des Versicherten den Anspruch auf Neufeststellung seiner Altersrente unter Anerkennung einer Zeit verfolgungsbedingten Auslandsaufenthalts als Ersatzzeit weiterverfolgt. Sie trägt zur Begründung vor: Zwar werde nicht bestritten, dass die Vorfälle am Bülowplatz Anlass für den Versicherten gewesen seien, Deutschland zu verlassen. Jedoch sei seine Flucht nicht dadurch motiviert gewesen, sich einem drohenden Strafverfahren zu entziehen, sondern dadurch, dass schon zum damaligen Zeitpunkt die deutsche, insbesondere die preußische und die Berliner Justiz extrem antikommunistisch eingestellt gewesen seien. Jedenfalls aber ab dem 30. Januar 1933 habe der verfolgungsbedingte Auslandsaufenthalt begonnen. Ab diesem Zeitpunkt sei klar gewesen, dass der Versicherte als Anhänger der KPD nicht mehr nach Deutschland habe zurückkehren können, ohne sein Leben oder einen Freiheitsentzug zu riskieren. Es sei auch nicht davon auszugehen, dass der Versicherte nach dem 30. Januar 1933 ohne die Machtübernahme durch die Nationalsozialisten der Strafverfolgung ausgesetzt gewesen wäre. Denn die Strafverfolgung wegen des „Bülowplatz-Vorfalls„ sei auf den Einsatz der SA hin zustande gekommen, die belastende Aussagen gegen ihr bekannte kommunistische Funktionäre herbeigeführt hätte. Dass der Versicherte sich nach 1945 in den Machtbereich der Sowjetunion begeben habe, stehe einem Rückkehrwillen für die gesamte Dauer seines Auslandsaufenthalts nicht entgegen. Denn der Versicherte habe nicht davon ausgehen können, dass eine Untersuchung der Vorfälle von 1931 durch die sowjetischen Machthaber unterbunden werden würde.
Während des Berufungsverfahrens hat die Beklagte die Rente des Versicherten durch Bescheide vom 26. Oktober 2001 (für die Zeit vom 1. Juli 1990 bis zum 30. April 1999) und vom 15. November 2001 (für die Zeit vom 1. Mai 1999 bis zum 31. Mai 2000) neu berechnet. Im Hinblick auf diese Neuberechnungsbescheide haben die Beteiligten das Verfahren gegen die Bescheide vom 17. September 1996 und vom 23. Dezember 1996 übereinstimmend für erledigt erklärt.
Die Klägerin beantragt nunmehr,
die Bescheide der Beklagten vom 26. Oktober 2001 und vom 15. November 2001 zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, die Altersrente des Versicherten E M für die Zeit vom 1. Juli 1990 bis zum 31. Mai 2000 neu festzu- stellen und dabei eine Ersatzzeit vom 10. August 1931 bis zum 30. Juni 1935 und vom 1. Juli 1936 bis zum 31. Dezember 1944 zu berücksichtigen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie trägt vor: Eine Ersatzzeit komme für die Zeit vor dem 30. Januar 1933 schon deshalb nicht in Betracht, weil jedenfalls bis Sommer 1932 noch nicht von einem Versagen des demokratischen Staatsapparats in Deutschland ausgegangen werden könne. Auch die Anerkennung von Zeiten des Auslandsaufenthalts nach zwischenstaatlichen und internationalen Abkommen sei nicht möglich; insoweit wird auf den Schriftsatz der Beklagten vom 24. März 1998 Bezug genommen.
Der Senat hat Abschriften der Urteile des Landgerichts Berlin vom 26. Oktober 1993 und vom 3. November 1994 zu den Akten genommen.
Die Akten des Sozialgerichts Berlin , die Akten der Beklagten, die Akten des Bundesverwaltungsamts und die Gerichtsakten haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe
Nachdem die Beteiligten den Rechtsstreit hinsichtlich der Rentenbescheide vom 17. Septem- ber 1996 und vom 23. Dezember 1996 übereinstimmend für erledigt erklärt haben, sind Gegenstand des Verfahrens nur noch die während des Berufungsverfahrens ergangenen Rentenbescheide vom 26. Oktober 2001 und vom 15. November 2001. Diese Bescheide sind kraft Gesetzes gemäß §§ 153 Abs. 1, 96 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in das Verfahren einzubeziehen. Denn sie haben die ursprünglich mit Widerspruch und Klage angefochtenen Rentenbescheide vom 17. September 1996 und vom 23. Dezember 1996 in vollem Umfang ersetzt im Sinne des § 96 Abs. 1 SGG. In derartigen Fällen kraft Gesetzes eintretender Klageänderung hat der Senat erstinstanzlich kraft Klage zu entscheiden (vgl. BSG, Urteile vom 30. Juli 2002 – B 4 RA 3/01 R – und vom 31. Juli 2002 – B 4 RA 20/01 R -).
Die Klägerin ist zwar als Sonderrechtsnachfolgerin im Sinne des § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch – Allgemeiner Teil – (SGB I) befugt, die von dem Versicherten erhobene Klage auf Neufeststellung seiner Altersrente weiterzubetreiben. Denn sie ist von dem Versicherten, da sie über keine eigenen Renteneinkünfte verfügt, bis zu seinem Tod unterhalten worden (§ 56 Abs. 1 Satz 1 2. Tatbestandsalternative SGB I).
Die Klage ist indes nicht begründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Neufeststellung der Altersrente des Versicherten für die Zeit vom 1. Juli 1990 bis zum 31. Mai 2000. Insbesondere ist die – noch – geltend gemachte Zeit vom 10. August 1931 bis zum 30. Juni 1935 und vom 1. Juli 1936 bis zum 31. Dezember 1944 nicht als Zeit des verfolgungsbedingten Auslandsaufenthalts und damit als Ersatzzeit gemäß § 250 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b) Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Rentenversicherung – (SGB VI) bei der Rentenfeststellung zu berücksichtigen. Diese Ersatzzeitbestimmung verlangt neben der Zugehörigkeit des Versicherten zum Personenkreis des § 1 Bundesentschädigungsgesetz (BEG), dass der Aufenthalt in Gebieten außerhalb des Geltungsbereichs der jeweiligen Reichsversicherungsgesetze von dem Verfolgten infolge von Verfolgungsmaßnahmen genommen oder beibehalten wurde. Es kann im Ergebnis dahinstehen, ob der Versicherte als Mitglied der KPD zum Personenkreis der politisch Verfolgten im Sinne des § 1 BEG gehörte. Denn in jedem Falle muss zusätzlich der Auslandsaufenthalt des Versicherten auf Verfolgungsmaßnahmen zurückzuführen sein, erforderlich ist also immer ein Kausalzusammenhang zwischen dem Auslandsaufenthalt des Versicherten und Verfolgungsmaßnahmen (vgl. BSG, Urteil vom 1. Juli 1970 – 4 RJ 353/69 = SozR, Nr. 46 zu § 1251 RVO). Daran fehlt es im vorliegenden Falle.
Verfolgungsmaßnahmen im Sinne des § 250 Abs. 1 Nr. 4 SGB VI sind ausschließlich Maßnahmen im Sinne des § 2 BEG; nicht ausreichend ist hingegen, dass die Verfolgungsgründe des § 1 BEG vorliegen, also – wie hier – eine politische Gegnerschaft gegen den Nationalsozialismus besteht (BSG, Urteil vom 7. September 1977 – 11 RA 66/76 = SozR 2200 § 1251 Nr. 35 S. 88 f.). Nach § 2 BEG muss es sich vielmehr um nationalsozialistische Gewaltmaßnahmen handeln, die aus den Verfolgungsgründen des § 1 BEG auf Veranlassung oder mit Billigung einer Dienststelle oder einer Amtsstelle u.a. des Deutschen Reiches oder der NSDAP gegen den Verfolgten gerichtet worden sind. Verfolgungsmaßnahmen kommen damit grundsätzlich erst ab dem Zeitpunkt der sogenannten Machtergreifung am 30. Januar 1933 in Betracht.
Auch eine Auswanderung vor dem 30. Januar 1933 kann zwar ausnahmsweise zu einem verfolgungsbedingten Auslandsaufenthalt führen (vgl. insoweit BSG, Urteil vom 7. September 1977 – 11 RA 66/76 – a.a.O.). Ein verfolgungsbedingter Auslandsaufenthalt bereits ab 10. August 1931 scheidet aber auch unter Berücksichtigung des Berufungsvortrags, dass schon zum damaligen Zeitpunkt die deutsche, insbesondere die preußische und die Berliner Justiz extrem antikommunistisch eingestellt gewesen seien und damit ein rechtsstaatliches Verfahren nicht gewährleistet gewesen sei, bereits deshalb aus, weil Verfolgungsmaßnahmen im Sinne des § 2 BEG frühestens ab Sommer 1932 in Betracht zu ziehen sind (BGH, Urteile vom 6. Juli 1960 – IV ZR 51/60 = RzW 1960, 496 f. und vom 13. Februar 1963 – IV ZR 258/62 = RzW 449 ff.; vgl. auch Kammergericht, Urteil vom 5. November 1964 = RzW 1965, 70 f.).
Auch in der Zeit ab Sommer 1932 bzw. ab 30. Januar 1933 liegt ein verfolgungsbedingter Auslandsaufenthalt des Versicherten nicht vor. Denn sein Aufenthalt zunächst in der Sowjetunion und im weiteren Verlauf in Spanien und Frankreich sowie ggf. anderen westeuropäischen Ländern ist nicht auf Verfolgungsmaßnahmen zurückzuführen. Alleinige Ursache für den Auslandsaufenthalt des Versicherten ist vielmehr die Angst gewesen, im Zusammenhang mit den Vorfällen am Bülowplatz strafrechtlich belangt zu werden. Dass der Versicherte sich im August 1931 wegen der Vorfälle am Bülowplatz veranlasst sah, gemeinsam mit E Z das Deutsche Reich zu verlassen, wird mit der Berufung eingeräumt. Soweit die Berufung im Weiteren anführt, dass durch die Flucht des Versicherten gemeinsam mit E Z der Verdacht auf diese beiden KPD-Mitglieder gezogen werden sollte, erhellt daraus zusätzlich, dass die Vorfälle am Bülowplatz die Ursache für das Verlassen des Reichsgebiets waren. Dabei spielt keine Rolle, ob der Versicherte als Täter oder Mittäter am 9. August 1931 die Schüsse am Bülowplatz abgegeben hatte und deshalb zu Recht vom Landgericht Berlin mit Urteil vom 26. Oktober 1993 rechtskräftig verurteilt worden ist. Entscheidend ist allein, dass der Versicherte aufgrund der Vorfälle am Bülowplatz das Gebiet des Deutschen Reichs verlassen hatte.
Das Vorbringen der Berufung als richtig unterstellt, dass der Versicherte und E Z den Verdacht, die Täter der am Bülowplatz begangenen Straftaten zu sein, auf sich ziehen sollten, mussten beide aber bei einer Rückkehr in das Deutsche Reich die Wiederaufnahme der Strafverfolgung gewärtigen, und zwar auch ohne die Machtübernahme durch die Nationalsozialisten. Denn der Umstand, dass nach der Rückkehr des Versicherten nach Berlin im Mai 1945 und damit nach dem Zusammenbruch des nationalsozialistischen Regimes tatsächlich die Ermittlungen gegen den Versicherten wieder aufgenommen wurden, zeigt, dass der Versicherte auch unter anderen politischen Verhältnissen die Strafverfolgung zu gewärtigen hatte. Unter Berücksichtigung dieser Gesamtumstände ist jedenfalls die Schlussfolgerung im Berufungsvortrag, dass der Versicherte ohne die Nationalsozialisten vor Strafverfolgungsmaßnahmen sicher gewesen wäre, weil die Verurteilungen im Jahre 1934 infolge von Zeugenaussagen zustande gekommen seien, die von der SA durch Folter erpresst worden seien, nicht im Ansatz nachzuvollziehen.
Damit war und blieb die Angst vor der möglichen Strafverfolgung die alleinige Ursache im Rechtssinne auch für den weiteren Auslandsaufenthalt des Versicherten ab Sommer 1932 bzw. ab dem 30. Januar 1933. Denn auch ohne die jedenfalls ab diesem Zeitpunkt dem Versicherten als Mitglied der KPD wegen seiner Gegnerschaft gegen den Nationalsozialismus (vgl. § 1 Abs. 1 BEG) drohenden Verfolgung wäre der Versicherte nicht in das Deutsche Reich zurückgekehrt. Auf den behaupteten Rückkehrwillen kommt es in diesem Zusammenhang nicht an. Denn die Gefahr, wegen der Vorfälle am Bülowplatz strafrechtlich verfolgt zu werden, stand unabhängig von der drohenden Verfolgung durch die Nationalsozialisten bereits einem etwaigen Rückkehrwillen entgegen.
Dass der Versicherte nach dem Zusammenbruch des nationalsozialistischen Regimes nach Berlin zurückgekehrt war, erfordert keine andere Betrachtungsweise. Denn er durfte bei seiner Rückkehr aufgrund der damaligen politischen Verhältnisse davon ausgehen, unter dem Schutz der Sowjetmacht vor der Strafverfolgung sicher zu sein. Dass diese Überzeugung zu Recht bestand, erweist sich daran, dass die nach der Rückkehr des Versicherten nach Berlin von den deutschen Strafverfolgungsbehörden aufgenommenen Ermittlungen auf Intervention der sowjetischen Besatzungsbehörden eingestellt wurden.
Soweit aufgrund des Auslandsaufenthalts des Versicherten in den geltend gemachten Zeiträumen weitere Ersatzzeittatbestände erfüllt sein könnten, fehlt es an jeglichem substantiierten Vortrag des Versicherten oder der Klägerin, der konkrete Tatsachenfeststellungen ermöglichte. Im Übrigen dürfte es auch an den rechtlichen Voraussetzungen für die Anerkennung weiterer – nicht geltend gemachter – Ersatzzeiten fehlen; insoweit wird auf den Schriftsatz der Beklagten vom 24. März 1998 Bezug genommen.
Die Rentenneufeststellungen der Beklagten in den Rentenbescheiden vom 26. Oktober 2001 und vom 15. November 2001 lassen auch im Übrigen Rechtsfehler nicht erkennen; Rügen sind insoweit auch von der Klägerin nicht erhoben worden. Diese Rentenneufeststellungen beruhen auf den in § 307 b SGB VI in der Fassung des 2. AAÜG-Änderungsgesetzes vom 27. Juli 2001 (BGBl. I, 1939) getroffenen neuen Regelungen. Da der Versicherte den – ersten – Überführungsbescheid des Sonderversorgungsträgers vom 20. August 1996 nicht angefochten hatte, hat der Sonderversorgungsträger diesen bestandskräftigen (§ 77 SGG) Bescheid mit dem Änderungsbescheid vom 18. Oktober 1999 erst für die Zeit ab 28. April 1999, dem Tag der Verkündung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 28. April 1999 (= SozR 3-8570, § 7 Nr. 1) abgeändert. Dementsprechend hat die Beklagte zwei getrennte Rentenneufeststellungen für die Zeiten vom 1. Juli 1990 bis 30. April 1999 und vom 1. Mai 1999 bis 31. Mai 2000 durchgeführt. Der Rentenneufeststellung in dem Rentenbescheid vom 26. Okto- ber 2001 hat sie dabei die in dem Bescheid vom 20. August 1996 getroffenen – bindenden – Feststellungen des Sonderversorgungsträgers zugrunde gelegt. Dass die Beklagte bei der Rentenfeststellung nach den Vorschriften des SGB VI weiterhin die nach § 7 Abs. 1 Satz 1 AAÜG in der Fassung vor dem In-Kraft-Treten des 2. AAÜG-Änderungsgesetzes zu begrenzenden Arbeitsentgelte berücksichtigt hat, ist rechtlich bedenkenfrei. Denn nach Art. 13 Absätze 7 und 8 des 2. AAÜG-Änderungsgesetzes kommt für Rentenbezugszeiten vor dem 1. Mai 1999 die Neufeststellung der Rente auf der Grundlage höherer Arbeitsentgelte, wie sie § 7 Abs. 1 AAÜG i.V. mit der Anlage 6 zum AAÜG in der Fassung des 2. AAÜG-Änderungsgesetzes vorsieht, nur dann in Betracht, wenn am 28. April 1999 der Überführungsbescheid des Sonderversorgungsträgers noch nicht bindend war. Soweit zu der Frage der Auswirkungen der Bindungswirkung der Bescheide dieses Sonderversorgungsträgers auf die endgültige Bestimmung des Rentenwerts noch Verfahren u.a. beim Bundessozialgericht anhängig sind, hat der Vertreter der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vom 10. Dezember 2002 erklärt, dass die Beklagte bereit ist für den Fall, dass aufgrund einer Entscheidung des Bundessozialgerichts oder des Bundesverfassungsgerichts, ungeachtet der formalen Bindungswirkung des Bescheides vom 20. August 1996, die Altersrente auch für Zeiten vor Mai 1999 neu festgestellt werden müsste, die Altersrente des Versicherten ab 1. Juli 1990 neu festzustellen.
Im Rentenbescheid vom 15. November 2001 ist der Verfügungssatz zur Rentenhöhe hingegen wegen des noch nicht bestandskräftigen Änderungsbescheides des Sonderversorgungsträgers vom 18. Oktober 1999, der Gegenstand des Verfahrens vor dem Sozialgericht Berlin – S 14 RA 1463/00*19 – ist, bereits in dem Rentenbescheid selbst ausreichend als vorläufig gekennzeichnet. Insoweit heißt es auf S. 3 dieses Rentenbescheides, dass die Rente neu festgestellt wird, falls der Überführungsbescheid des Versorgungsträgers im Rahmen eines Rechtsmittelverfahrens geändert wird. Ergebe die Neufeststellung eine Erhöhung der Rente, dann würden Nachzahlungsbeträge vom Beginn an erbracht. Der Vertreter der Beklagten hat zudem in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat – klarstellend – auch insoweit erklärt, dass die Rentenhöhe eine vorläufige sei. Da die Klägerin allerdings in dem Verfahren – S 14 RA 1463/00*19 – einen neuen Änderungsbescheid des Sonderversorgungsträgers erstrebt, in dem die von dem Versicherten erzielten Arbeitsentgelte in voller Höhe berücksichtigt werden, ist darauf hinzuweisen, dass es nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts allein dem Rentenversicherungsträger obliegt, die für die Rentenfeststellung der Höhe nach maßgebenden Arbeitsentgelte festzulegen (BSG, Urteil vom 20. Dezember 2001 – B 4 RA 6/01 R = SozR 3-8570 § 8 Nr. 7). In dem Rentenbescheid vom 15. November 2001 sind die Arbeitsentgelte des Versicherten aufgrund des § 7 Abs. 1 Satz 1 AAÜG in der durch das 2. AAÜG-Änderungsgesetz für die Zeit ab 1. Mai 1999 grundsätzlich maßgebenden Fassung mit den entsprechenden höheren Beträgen (= 100 v.H. des Durchschnittsentgelts der Versicherten im Beitrittsgebiet) jedenfalls zutreffend festgesetzt worden. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die gesetzliche Neuregelung bestehen nicht. Denn § 7 Abs. 1 Satz 1 AAÜG i.V. mit der Anlage 6 zum AAÜG ist unter Berücksichtigung des Urteils des BVerfG vom 28. April 1999 (= SozR 3-8750 § 7 Nr. 1) mit dem Grundgesetz vereinbar (vgl. die Urteile des erkennenden Senats vom 22. April 2002 – L 16 RA 29/94 W 99 -, – L 16 RA 129/94 W 99 – und – L 16 RA 183/94 W 99 -).
Die gemäß § 307 b SGB VI anzustellenden Vergleichsberechnungen sind ebenfalls nicht zu beanstanden. Die Beklagte hat zum einen die Vergleichsrente nach § 307 b Abs. 3 SGB VI berechnet, ein höherer Zahlbetrag als derjenige der „normalen„ SGB VI-Rente ergab sich dabei nicht. Zum anderen hat sie den für den Versicherten nach § 307 b Abs. 4 Satz 1 SGB VI maßgebenden „weiterzuzahlenden Betrag„ in zutreffender Weise mit 802,- DM zuzüglich 6,84 % (= 856,86 DM) festgesetzt. Denn der Versicherte hatte auch die Entscheidung über die Kürzung seiner Rentenzahlung mit Wirkung vom 1. August 1991 aufgrund der Regelung des § 10 Abs. 2 Satz 1 AAÜG alter Fassung nicht angefochten und damit bestandskräftig werden lassen. Schließlich ist auch in beiden Rentenbescheiden der nach dem Einigungsvertrag besitzgeschützte Zahlbetrag, der sich für den 1. Juli 1990 ergeben hätte (§ 307 b Abs. 4 Satz 1 SGB VI 2. Vergleichsbetrag), zu Recht mit 990,- DM angesetzt und für die Zeit ab Januar 1992 in zulässiger Weise (vgl. dazu BSG, Urteile vom 30. Juli 2002 – B 4 RA 10/01 R -, B 4 RA 125/01 R – und B 4 RA 1/01 R -) gemäß § 307 b Abs. 5 SGB VI dynamisiert worden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG; sie berücksichtigt, dass die Klägerin mit dem Begehren auf Neufeststellung der Altersrente des Versicherten zum Teil durchgedrungen ist.
Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.