Schweiz: Handelsgericht Aarau: “frick.ch”

Handelsgericht des Kantons Aargau Urteil vom 30. August 2001

[…]

In der Streitsache der Gemeinde Frick, 5070 Frick, Klägerin, vertreten durch Rechtsanwalt […]

gegen […], Beklagte, ZH,

wird den Akten

e n t n o m m e n:

A.

Die Klägerin ist eine aargauische Einwohnergemeinde. Die Beklagte hat ihren Sitz in […] ZH und ist im Bereich Marketingkommunikation tätig. […] Frick ist einzelunterschriftsberechtigter Geschäftsführer der Beklagten. Sie ist Inhaberin des Domainnamens “frick.ch”. Die Registrierung bei der SWITCH erfolgte am 22. Dezember 1997.

B.

1. Mit Klage vom 21. Februar 2001 stellte die Klägerin folgende Rechtsbegehren:

“1. Es sei die Beklage unter Androhung der Straffolgen gemäss Art. 292 StGB zu verpflichten, den Gebrauch des Internet-Domainnamens “frick.ch” mit sofortiger Wirkung zu unterlassen und für diesen Domainnamen gegenüber der schweizerischen Registrationsstelle für Domainnamen, SWITCH CH/LI DOM-REG, Limmatquai 138, 8001 Zürich, eine Löschungserklärung im Sinne von Ziffer 14 der SWITCH Domain Policy abzugeben.

2. Unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zulasten der Beklagten.” Zur Begründung führte die Klägerin im Wesentlichen aus, die Beklagte trete im Internet unter dem Domainnamen “http://www.marketing@[…].ch” auf und habe bis zum Auswertungsdatum vom 26. Mai 2000 38 Domainnamen auf ihre Firma registrieren lassen, darunter auch den Domainnamen “frick.ch”. Die Klägerin habe die Beklagte drei Mal angefragt, ob sie bereit wäre, den streitgegenständlichen Domainnamen gegen entsprechende Unkostenerstattung abzutreten. Die Antwortschreiben der Beklagten vom 13. Juli 1999 und vom 30. August 2000 hätten zum Ausdruck gebracht, dass sie den Domainnamen “frick.ch” nicht für sich selbst, sondern für ihren Geschäftsführer […], bzw. für dessen Kinder registriert habe, welche den Domainnamen im Zusammenhang mit ihrem Familiennamen nutzen möchten. Somit stünden die Interessen der Beklagten, welche den Domainnamen nicht für sich selbst nutzen wolle gegenüber denjenigen der Klägerin, welche beabsichtige, sich und ihr Sauriermuseum unter diesem Domainnamen zu präsentieren und die Einführung eines eigentlichen e-Governements plane. Die Beklagte habe mit der Registrierung des Domainnamens “frick.ch” die Gefahr einer Verwechslung mit der Klägerin geschaffen und sich somit unlauter im Sinne von Art. 3 lit. d UWG verhalten. Überdies habe sich die Beklagte den klägerischen Namen im Sinne von Art. 29 ZGB angemasst.

2. Mit Klageantwort vom 22. März 2001 stellte die Beklagte folgende Rechtsbegehren:

“1. Die Klage sei abzuweisen/nicht zuzulassen/zurück zu weisen.

Der Beklagten sei Umtriebsentschädigung/Genugtuung zuzusprechen.” Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, nicht die Beklagte, sondern die Privatperson […] Frick sei rechtmässige Inhaberin des Domainnamens “frick.ch”. Die Beklagte habe lediglich die Registrierung im Auftrag und auf Rechnung ihres Geschäftsführers, […] Frick, vorgenommen. Diese Vorgehensweise habe sich aufgedrängt, da nur die Beklagte über das zur Vornahme von Registrierungen, Mutationen oder Löschungen unabdingbaren User-ID und Passwort verfüge. Weiter besitze er keine E-mail Adresse, was für die Registrierung unerlässlich sei. Im Übrigen bestreite die Beklagte sowohl die örtliche als auch die sachliche Zuständigkeit des Handelsgerichts des Kantons Aargau.

3. Mit Replik vom 11. April 2001 und Duplik vom 1. Mai 2001 hielten die Parteien an ihren Rechtsbegehren fest. Auf die ergänzenden Sachvorbringen wird, soweit erforderlich, in den nachfolgenden Erwägungen Bezug genommen.

4. Mit Verfügung vom 26. Juni 2001 teilte der Instruktionsrichter den Parteien mit, dass die Streitsache gestützt auf die vorliegenden Beweise spruchreif sei, sodass von weiteren Beweisabnahmen abgesehen werden könne. Überdies setzte er den Parteien Frist an, um dem Handelsgericht mitzuteilen, ob die Durchführung einer Vermittlungsverhandlung erwünscht sei. Mit Eingabe vom 28. Juni 2001 teilte der Rechtsvertreter der Klägerin mit, die Klägerin verzichte auf die Durchführung einer Vermittlungsverhandlung.

5. Mit Verfügung vom 19. Juli 2001 wurde die Streitsache zur Beurteilung an das Handelsgericht überwiesen.

6. Anlässlich der Hauptverhandlung vom 14. August 2001 erstattete die Klägerin ihren mündlichen Vortrag, die Beklagte den ihrigen anlässlich der Verhandlung vom 30. August 2001.

Das Handelsgericht zieht in

E r w ä g u n g:

1. Die Klägerin macht einen namens- und lauterkeitsrechtlichen Unterlassungsanspruch geltend.

Das Handelsgericht ist hiefür gemäss Art. 12 lit. c und Art. 25 GestG als Gericht am Wohnsitz der Klägerin örtlich zuständig. Die sachliche Zuständigkeit des Handelsgerichts ergibt sich aus § 404 Abs. 1 lit. a und lit. b Ziff. 2 ZPO.

2. Die Beklagte bestreitet ihre Passivlegitimation. Sie macht geltend, sie sei nicht Inhaberin des Domainnamens “frick.ch”. Sie habe lediglich im Auftrag und auf Rechnung ihres Geschäftsführers die Registrierung vorgenommen.

a) Ein Fall der indirekten Stellvertretung liegt vor, wenn der Vertreter ein Geschäft im eigenen Namen, aber auf Rechnung des Vertretenen abschliesst (Rolf Watter, Basler Kommentar, 2. A., Basel 1996, N 29 zu Art. 32). Der Vertretene wird nur dann aus diesem Geschäft unmittelbar berechtigt, wenn der Dritte aus den Umständen auf das Vertretungsverhältnis schliessen musste, oder wenn es ihm gleichgültig war, mit wem er den Vertrag abschliesse (Art. 32 Abs. 2 OR). Liegt keine dieser Konstellationen vor, so bedarf es dafür der Abtretung der Forderung (Abs. 3).

b) Ausweislich der Akten liess die Beklagte den streitgegenständlichen Domainnamen bei der SWITCH auf ihren Namen registrieren und gilt als Inhaberin. Sie gedenkt nicht, diesen Domainnamen für sich selbst zu gebrauchen. Vorgesehen ist dessen Verwendung durch […] Frick. Auch werden die aus der Registrierung erwachsenen Gebühren von ihm bezahlt. Es steht somit fest, dass die Beklagte im eigenen Namen und auf Rechnung von […] Frick gehandelt hat, somit als seine indirekte Stellvertreterin. Die Registrierungsmodalitäten erfolgen via Internet, daher ohne persönlichen Kontakt und nur durch Ausfüllen von Standardanfragen. Das Vertretungsverhältnis war somit für die SWITCH nicht erkennbar. Weiter kann davon ausgegangen werden, dass der SWITCH nicht gleichgültig war, ob sie mit der Beklagten oder […] Frick den Vertrag abschliesst, brauchte sie doch für die Kontaktaufnahme eine E-mail Adresse, über welche […] Frick nicht verfügte. Daraus ergibt sich, dass […] Frick die Rechte aus der Registrierung des Domainnamens “frick.ch” nicht unmittelbar mit deren Vornahme durch seine Stellvertreterin (Beklagte) erworben hat.

c) Zusammenfassend kann somit festgehalten werden, dass die Beklagte alle Rechte aus der Registrierung des Domainnamens “frick.ch” innehat und somit passivlegitimiert ist.

3. a) Aus der Registrierung eines Domainnamens erwachsen seinem Inhaber keinerlei Schutzrechte. Sie bewirkt lediglich die Unmöglichkeit einer erneuten Registrierung des gleichen Domainnamens durch einen Dritten (OGer BL in SJZ 97 [2001] Nr. 12 S. 281). Schutzrechte können sich aus dem Marken-, Firmen- und Namensrecht ergeben. Ist keines dieser Schutzrechte tangiert, so ist allein auf das Wettbewerbsrecht abzustellen.

b) Der Namensschutz im Sinne von Art. 29 Abs. 2 i.V.m. Art. 53 ZGB steht auch öffentlich-rechtlichen Körperschaften zu (BGE 72 II 145 Erw. 1). Die Klägerin ist somit berechtigt, sich gestützt auf die genannten Bestimmungen gegen Namensanmassungen zu wehren. Der Anspruch auf Unterlassung der Namensführung setzt den Nachweis der Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen voraus. Es genügt dabei, “dass eine nicht geringe Gefahr besteht, ein Namensträger werde durch eine bestimmte Verwendung seines Namens oftmals in Gedankenverbindung zu Sachen oder Personen gebracht, zu denen er weder eine Beziehung hat noch haben will” (BGE 102 II 305).

c) Der geschützte Name gemäss Art. 29 ZGB umfasst neben dem gesetzlichen Namen natürlicher Personen auch solche juristischer Personen des ZGB und OR (Hans Michael Riemer, Personenrecht des ZGB, Bern 1995, Rz 533), Da die Bezeichnung “frick” kennzeichnender Hauptbestandteil der beklagtischen Firma sowie ihres Namens ist, fliesst die Berechtigung der Beklagten, einen Teil ihres Namens als Domainnamen zu verwenden, aus ihrem persönlichen Namensrecht (Ueli Buri, Die Verwechselbarkeit von Internetdomainnames, Bern 2000, ASR Heft 633, S. 120; Jann Six, Der privatrechtliche Namensschutz von und vor Domänennamen im Internet, Diss. Zürich 2000, N 55). Demzufolge tangiert jede Verwendung des Domainnamens “frick.ch” durch einen Dritten die aus ihrem Namensrecht fliessenden Schutzrechte. In BGE 125 III 93 Erw. 3b hat das Bundesgericht festgehalten, dass die Verwendung eines kennzeichnenden Firmenbestandteils als Domainname auch unter den firmenrechtlichen Schutzbereich fällt (a.M. Buri, der den Domainnamen nicht als Identitätszeichen eines bestimmten Rechtssubjektes sieht, sondern als Kennzeichen einer bestimmten Website, welche dem Inhaber der damit identischen oder ähnlichen Firma zugeordnet werden kann [Buri, a.a.O., S. 68]). Die Frage inwiefern einem Domainnamen neben der Adressierungsfunktion auch eine Kennzeichenfunktion zuzuerkennen ist, kann aber im vorliegenden Fall offen gelassen werden, da die Berechtigung der Beklagten, den Domainnamen “frick.ch” zu verwenden, sich bereits aus ihrem Namensrecht ergibt.

d) aa) Aus den vorstehenden Erwägungen folgt, dass im vorliegenden Fall die persönlichen Namensrechte beider Parteien miteinander kollidieren. Eine solche Kollision von Namensrechten ist durch Abwägen der gegenseitigen Interessen zu lösen, mit dem Ziel, eine möglichst gerechte Lösung zu erreichen (BGE 125 III 93 Erw. 3c, 116 II 619 Erw. 5d).

bb) Der Gemeindename Frick ist zugleich ein gebräuchlicher Geschlechtsname. Insofern handelt es sich nicht, wie von der Klägerin behauptet, um einen freihaltebedürftigen geografischen Namen. Die Klägerin beabsichtigt, unter dem streitgegenständlichen Domainnamen ihren Einwohnern und sonstigen Besuchern ihrer Website, amtliche und allgemeine Informationen sowie ihre Dienstleistungen zugänglich zu machen (E-Government). Es ist ihr überdies ein Anliegen, ihr Sauriermuseum weltweit zu präsentieren und zu vermarkten. Sie vertritt somit die Interessen des Gemeinwesens, mithin mittelbar öffentliche Interessen. Für die richtige Gewichtung der klägerischen Interessen an der Verwendung des Domainnamens “frick.ch” ist entscheidend, ob nicht auch andere Domainnamen der Klägerin zum gewünschten Erfolg verhelfen. Vorwegzunehmen ist, dass ein Internetbenutzer unter dem Domainnamen “frick.ch” die amtliche Seite des Gemeinwesens erwartet. Entsprechend wird er diese Seite als erste aufsuchen, wenn er Informationen über diese Gemeinde sucht. Indessen sind neben “frick.ch” auch noch andere Domainnamen, wie beispielsweise “frick-ag.ch” oder “frick-admin.ch” geeignet, diesem Zweck zu dienen. Speziell auf das Sauriermuseum ausgerichtet wäre beispielsweise der Domainname “sauriermuseum-frick.ch” zweckmässig. Weiter sollte die Bedeutung der (nicht streitgegenständlichen) Metatags nicht unterschätzt werden. Jeder Internetbenutzer, der die gewünschte Website nicht auf Anhieb findet, wird keine Zeit mit weiteren Versuchen verlieren, sondern wird umgehend die Dienste einer Suchmaschine in Anspruch nehmen. Diese gibt nach Eingabe des Stichwortes “frick”, allein oder in Verbindung mit “E-Government”, “sauriermuseum” oder “gemeinde”, die Website der Klägerin ohne weiteres an. Der interessierte Internetbenutzer wird somit auf jeden Fall die Website der Klägerin finden. Durch die Verwendung eines anderen Domainnamens würde somit die Inanspruchnahme des klägerischen Internetangebotes nicht vereitelt. Die Suche wäre jedoch mit einem zusätzlichen Aufwand verbunden, welcher nicht versierte Internetbenutzer abschrecken könnte.

cc) Die Beklagte registrierte den Domainnamen “frick.ch” nicht für den eigenen Gebrauch, sondern für […] Frick. Er ist wohl Geschäftsführer der Beklagten, tritt aber im Zusammenhang mit dem streitgegenständlichen Domainnamen als zahlender Kunde auf. Die Beklagte ist somit nicht selber an der Benutzung des Domainnamens interessiert. Das Interesse der Beklagten erschöpft sich darin, den Domainnamen zu behalten, um diesen […] Frick zur Verfügung stellen zu können. Mit anderen Worten, die Beklagte möchte in der Lage sein, den mit […] Frick geschlossenen Vertrag richtig zu erfüllen. Dieses rein finanzielle Interesse steht in keinem Zusammenhang mit dem persönlichen Recht auf Benutzung des eigenen Namens und dem damit verbundenen Namensschutz. Demzufolge ist es als schwächer einzustufen,

dd) Zusammenfassend kann somit festgehalten werden, dass das Interesse der Klägerin an der alleinigen Führung des Domainnamens “frick.ch”, obschon es auch unter Verwendung anderer Domainnamen verfolgt werden könnte, gegenüber dem schwächeren, rein ökonomischen Interesse der Beklagten überwiegt. Die Klage ist somit gutzuheissen.

e) Aufgrund der Anwendbarkeit des Namensrechts erübrigt sich die Prüfung eines allfälligen unlauteren Verhaltens seitens der Beklagten.

4. Die Beklagte beantragt in Ziff. 2 ihres Antwortbegehrens die Gutheissung ihres Genugtuungsanspruchs. Sie ist dabei nicht auf der juristischen Bedeutung der verwendeten Terminologie zu behalten. Aus dem Tenor ihrer Antwortschrift erhellt vielmehr, dass sie keine Entschädigung für erlittene seelische Unbill verlangt. Ihr Antrag bezieht sich allein auf die Kosten des Prozesses.

5. Ausgangsgemäss sind die Prozesskosten der Beklagten aufzuerlegen (§ 112 Abs. 1 ZPO). Für deren Bemessung wird der Streitwert in Übereinstimmung mit den entsprechenden Angaben der Klägerin auf Fr. 20´000.– geschätzt.

Demgemäss wird

e r k a n n t:

1. In Gutheissung der Klage wird

a) der Beklagten mit sofortiger Wirkung verboten, den Domainnamen “frick.ch” zu gebrauchen;

b) die Beklagte verpflichtet, der SWITCH CH/LI DOM REG, Limmatquai 138, 8001 Zürich innert 30 Tagen ab formeller Rechtskraft der Dispositiv-Bestimmung Ziff. 1. dieses Urteils, eine Löschungserklärung im Sinne von Ziff. 14 des SWITCH Domain Policy für den Domainnamen “frick.ch” abzugeben. 2. Für den Fall der Widerhandlung gegen die in der vorstehenden Dispositiv-Bestimmung Ziff. 1 dieses Urteils angeordneten Verpflichtungen wird den geschäftsführenden Personen der Beklagten Bestrafung mit Haft oder Busse gemäss Art. 292 StGB angedroht. Diese Bestimmung lautet:

” Wer der von einer zuständigen Behörde oder einem zuständigen Beamten unter Hinweis auf die Strafdrohung dieses Artikels an ihn erlassenen Verfügung nicht Folge leistet, wird mit Haft oder mit Busse bestraft.” 3. Die Gerichtskosten, bestehend aus einer Gerichtsgebühr von Fr. 2´000.-, den Kanzleigebühren und Auslagen von Fr. 275.-, insgesamt Fr. 2´275.-, werden der Beklagten auferlegt.

4. Die Beklagte hat der Klägerin deren richterlich auf […] (inkl. MwSt) festgesetzte Parteikosten zu bezahlen

5. Zustellung dieses Urteils an den Rechtsvertreter der Klägerin (zweifach; mit Abrechnung) und die Beklagte (mit Rechnung).

Aarau, 30. August 2001 Handelsgericht des Kantons Aargau Der Präsident Die Gerichtsschreiberin