Urteil vom 28. März 2000
7 Sa 713/99
Freistellung – Arbeitsentgelt – “Abfeiern” von Überstunden
Leitsatz
1. Der Arbeitgeber kann nicht einseitig einen Arbeitnehmer von der Arbeitsleistung unter Lohnfortzahlung “freistellen”. Hierfür bedarf es auch dann, wenn ein
Beschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers nicht besteht, einer Vereinbarung bezüglich der Aufhebung des Anspruchs des Arbeitgebers auf die Arbeitsleistung (Erlaßvertrag bei
dauernder Aufhebung bzw Suspendierungsvereinbarung bei nur vorübergehender Aufhebung).
2. Dies gilt auch, wenn die “Freistellungs”-Erklärung mit der Anordnung des Abfeierns von Überstunden verbunden ist.
3. Widerspricht der Arbeitnehmer einer “Freistellungs”-Erklärung des Arbeitgebers nicht und bleibt im Weiteren der Arbeit fern, ist von einem konkludent geschlossenen
Vertrag entsprechend Leitsatz 1 auszugehen.
Dem Arbeitnehmer steht in diesem Fall ein Vergütungsfortzahlungsanspruch aufgrund der konkreten konkludenten Lohnfortzahlungsvereinbarung zu. § 615 BGB (iVm § 611 BGB) und §
611 BGB scheiden als Anspruchsgrundlage aus.
4. Widerspricht der Arbeitnehmer der Anordnung des Abfeierns von Überstunden bei Lohnfortzahlung nicht, ist die Vereinbarung einer bezahlten Freizeit anzunehmen. Mit der
Bezahlung der Vergütung für den Freistellungszeitraum wird der Anspruch auf Vergütung der Überstunden erfüllt (§ 362 BGB).
Die Ansprüche auf Zahlung von Überstundenzuschlägen bleiben von der Freistellung in der Regel unberührt und sind in Geld zu erfüllen.
5. Widerspricht der Arbeitnehmer der Anordnung des Abfeierns von Überstunden, kann eine Verletzung der ihm obliegenden Treuepflicht vorliegen, die beinhaltet, mit der
Vereinbarung bezahlter Freizeit zum Zwecke des Abfeierns von Überstunden einverstanden zu sein.
Eine solche Treuepflichtverletzung ist jedenfalls dann anzunehmen, wenn ein Arbeitnehmer in herausgehobener Position ordentlich gekündigt hat, um zu einem
Konkurrenzunternehmen zu wechseln und der Arbeitgeber den Arbeitnehmer deshalb bis zum Vertragsende nicht mehr beschäftigen möchte.
Bei einer solchen Treuepflichtverletzung besteht kein Anspruch auf zusätzliche Überstundenvergütung, wenn der Arbeitgeber die Vergütung für den Freistellungszeitraum bezahlt
hat.
Dasselbe Ergebnis ergibt sich bei Anwendung der Anrechnungsvorschrift des § 615 Satz 2 BGB.
Tenor
1. Unter Zurückweisung der Berufung des Klägers im Übrigen wird das Teilurteil des Arbeitsgerichts Nürnberg vom 17.02.1999 – 4 Ca 8464/98 – teilweise dahin abgeändert, dass
die Beklagte verurteilt wird, an den Kläger weitere DM 1.435,50 (in Worten: Deutsche Mark eintausendvierhundertfünfunddreißig 50/100) brutto nebst 9,25 % Zinsen ab
01.07.1998 zu zahlen.
2. Von den Kosten des Berufungsverfahrens haben der Kläger 97 %, die Beklagte 3 % zu tragen.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um finanzielle Ansprüche des Klägers aus einem am 01.07.1969 begründeten, zwischenzeitlich beendeten Arbeitsverhältnis. Der Kläger war seit 01.01.1971
als Verkaufsleiter tätig. Ihm war Gesamtprokura erteilt. Dem Arbeitsverhältnis lag ein schriftlicher Arbeitsvertrag vom 05.11.1971 zugrunde. Dessen § 3 lautet
auszugsweise:
“Als Vergütung für seine Tätigkeit erhält Herr Günzl ein monatliches Bruttogehalt von DM 2.000,–. Außerdem werden alle geleisteten Überstunden vergütet.”
Der Kläger leistete seit vielen Jahren Überstunden; monatlich erbrachte er jedenfalls seit 1990 durchschnittlich mehr als 100 Überstunden, die die Beklagte jeweils mit 125 %
des normalen Stundenlohnes vergütete. Im Juni 1998 leistete der Kläger 123,75 Überstunden.
Der Kläger sprach am 28.06.1998 die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses zum 31.12.1998 aus. Wie in der Berufungsinstanz unstreitig geworden ist, erklärte der
Geschäftsführer der Beklagten-Komplementärin am 06.07.1998 die sofortige Freistellung des Klägers bei Fortzahlung der Vergütung und ordnete gleichzeitig das Abfeiern der
Überstunden an. Daraufhin verließ der Kläger den Betrieb, ohne der Anordnung zu widersprechen. Zum Umfang der sich aus der Anordnung der Beklagten vom 06.07.1998 ergebenden
gegenseitigen Rechte und Pflichten äußerten sich die Klägervertreter mit Schreiben vom 17.08.1998 (Bl. 115 ff d.A.) und 18.09.1998 (Bl. 34 f. d.A.) sowie die
Beklagtenvertreter mit Schreiben vom 16.09.1998 (Bl. 65 f. d.A.). Die Beklagte zahlte Vergütungen, die den Grundgehältern für die Monate Juli bis November 1998
entsprachen.
Mit seiner beim Arbeitsgericht Nürnberg am 04.11.1998 eingegangenen Klage und mit seinem Klageerweiterungsschriftsatz vom 26.01.1999 hat der Kläger eine Sonderzulage für die
Monate Juli bis Dezember 1998 im Umfang von DM 1.900,–, eine Jahressonderzahlung im Umfang von DM 7.745,–, die Bezahlung der im Juni 1998 geleisteten 123,75 Überstunden
(einschließlich Zuschlag) in Höhe von DM 7.175,02, Bezahlung der auf die Monate Juli bis Dezember 1998 trotz Nichtleistung von Arbeit entfallenden Überstunden
(einschließlich Überstundenzuschlag) in Höhe von DM 34.788,– und das Gehalt für Dezember 1998 in Höhe von DM 7.745,– geltend gemacht.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Beklagte habe nicht einseitig am 07.06.1998 das Abfeiern der Überstunden anordnen dürfen, eine Einigung liege diesbezüglich
nicht vor. Deshalb habe die Beklagte für die im Juni 1998 geleisteten Überstunden (einschließlich Überstundenzuschlag von 25 %, also DM 1.435,50) DM 7.175,02 zu zahlen. Für
die Monate Juli bis Dezember 1998 schulde die Beklagte aus dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs – neben dem Grundgehalt – auch die Bezahlung von 100 Überstunden monatlich.
Dies folge aus dem geltenden Lohnausfallprinzip.
Der Kläger hat beantragt:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger DM 31.887,02 brutto nebst 9,25 % Zinsen aus DM 7.175,02 seit 01.07.1998, aus DM 6.178,– seit 01.08.1998, aus DM 6.178,– seit
01.09.1998, aus DM 6.178,– seit 01.10.1998 und aus DM 6.178,– seit 01.11.1998 zu zahlen. 2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger weitere DM 27.846,– nebst 9,25 %
Zinsen aus DM 13.923,– seit 01.12.1998 und aus DM 13.923,– seit 01.01.1999 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die Meinung vertreten, dass sie am 06.07.1998 berechtigt gewesen sei, das Abfeiern der Überstunden anzuordnen. Durch Zahlung des Gehalts sei der Entgeltanspruch für
die Überstunden erfüllt. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Zahlung von Überstunden für Zeiten, in denen er nicht gearbeitet habe. Durch das am 17.02.1999 verkündete, der
Geschäftsstelle am 02.08.1999 übergebene und den Klägervertretern am 04.08.1999 zugestellte Teilurteil hat das Arbeitsgericht Nürnberg die Ansprüche auf die Sonderzulage und
die Jahressonderzahlung zugesprochen, sämtliche Überstundenansprüche (also im Umfang von DM 41.963,02) aber abgewiesen. Hinsichtlich des Gehaltsanspruchs für Dezember 1998
hat es nicht entschieden.
Der Kläger hat mit begründetem Schriftsatz vom 02.09.1999, beim Landesarbeitsgericht Nürnberg am 03.09.1999 eingegangen, im Umfang der erstinstanzlichen Klageabweisung
Berufung eingelegt.
Der Kläger beantragt:
1. Das Teilurteil des Arbeitsgerichtes Nürnberg vom 17.02.1999 wird abgeändert. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger weitere DM 30.367,02 brutto nebst 9,25 % Zinsen
aus DM 7.175,02 seit 01.07.1998, aus DM 5.798,00 seit 01.08.1998, aus DM 5.798,00 seit 10.09.1998, aus DM 5.798,00 seit 01.10.1998 und aus DM 5.798,00 seit 01.11.1998 zu
zahlen. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger weitere DM 11.596,00 brutto nebst 9,25 % Zinsen aus DM 5.798,00 seit 01.12.1998 und aus DM 5.798,00 seit 01.01.1999 zu
zahlen. 2. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.
Die Parteien wiederholen in der Berufungsinstanz im Wesentlichen ihr erstinstanzliches Vorbringen. Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der Schriftsätze der
Klägervertreter vom 03.09.1999 (Bl. 88 – 95 d.A.) und vom 03.02.2000 (Bl. 123 f d.A.) sowie der Beklagtenvertreter vom 08.10.1999 (Bl. 111 – 114 d.A.) und das
Sitzungsprotokoll vom 28.03.2000 (Bl. 125 – 128 d.A.) verwiesen. Entscheidungsgründe I. Die Berufung ist nach dem Wert des Beschwerdegegenstandes statthaft gemäß § 64 Abs. 2
ArbGG und auch in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet worden (§§ 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 516, 518 f ZPO, 66 Abs. 1 Satz 1 ArbGG).
II. Die Berufung des Klägers hat teilweise Erfolg.
A. Das Ersturteil ist nicht allein deshalb aufzuheben, weil es innerhalb der in § 516 ZPO geregelten Frist von fünf Monaten nach der Verkündung (17.02.1999) nicht begründet
und der Geschäftsstelle übergeben (02.08.1999) worden ist. Soweit in den Entscheidungen des Gemeinsamen Senates der Obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 27.04.1993 (NZA 93,
1150) und des Bundesarbeitsgerichts vom 04.08.1993 (DB 93, 2492) ausgeführt wird, dass ein bei Verkündung noch nicht vollständig abgefasstes Urteil als nicht mit Gründen
versehen zu werten ist, wenn Tatbestand und Entscheidungsgründe nicht binnen fünf Monaten schriftlich niedergelegt, von den Richtern unterschrieben und der Geschäftsstelle
übergeben worden sind, und auf entsprechende Rüge aufzuheben ist, so kann dies nur für Verfahren gelten, die eine Zurückverweisung wegen Verfahrensmängeln erlauben. Nach §
68 ArbGG ist dies jedoch im Verhältnis zwischen Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht nicht der Fall (BAG, NJW 96, 3430; LAG Nürnberg, NZA 93, 1152; Willemsen-Hohenstatt,
DB 1994, 374, 376). Damit hängt der Erfolg des vom Kläger eingelegten Rechtsmittels ausschließlich von der materiellen Rechtslage ab. B. Dem Kläger kann nur der Anspruch auf
die Überstundenzuschläge zugesprochen werden. 1. Ein Anspruch des Klägers auf Zahlung der Grundvergütung für 123,75 im Juni 1998 geleistete Überstunden besteht nicht mehr
(DM 5.739,52 brutto). Der Anspruch ist erloschen. a) Die Beklagte hat die Überstunden durch bezahlte Freizeit entlohnt. aa) Wie die Parteien im Berufungsverfahren
übereinstimmend vorgetragen haben, hat der Geschäftsführer der Beklagten-Komplementärin den Kläger am 06.07.1998 unter Fortzahlung der Vergütung freigestellt und
gleichzeitig erklärt, dass die aufgelaufenen Überstunden abzufeiern seien. Der Kläger hat weiter vorgetragen, er habe der Anordnung des Abfeierns der Überstunden nicht
widersprochen und sei der Arbeit ferngeblieben. Dieser unbestritten gebliebene Vortrag des Klägers ist der Entscheidung zugrunde zu legen (§§ 138 Abs. 3, 288 Abs. 1 ZPO).
bb) Nach Meinung der Kammer haben die Parteien bei diesem Geschehensablauf eine Vereinbarung dahin erzielt, dass der Kläger für die ersten nach dem Zeitpunkt der
Vereinbarung liegenden 123,75 Stunden von seiner Verpflichtung zur Arbeitsleistung befreit worden ist. Grund für diese Vereinbarung war, einen Ausgleich dafür zu schaffen,
dass der Kläger im Juni 1998 123,75 Überstunden geleistet hatte.
Diese Wertung des Geschehensablaufs ergibt sich aus folgenden Überlegungen:
(a) Die Beklagte wollte mit ihrer Erklärung erreichen, dass der Kläger von der Arbeitspflicht befreit wird. Diese Rechtsfolge konnte nicht durch eine einseitige Erklärung
der Beklagten erzielt werden. Der Arbeitgeber kann nicht auf seinen – gegenüber dem Arbeitnehmer bestehenden – Arbeitsleistungsanspruch durch einseitige Erklärung
“verzichten”. Dies folgt zum einen daraus, dass dem Schuldrecht ein einseitiger Verzicht auf Ansprüche fremd ist; Ansprüche können nur im Vertragswege aufgehoben werden
(vgl. z.B. Palandt, BGB-Komm., 59. Auflage, Rdnr. 1 zu § 397). Wird ein Anspruch für immer aufgehoben, liegt ein Erlassvertrag vor, wird ein Anspruch nur vorübergehend
beseitigt, ist eine Suspendierungsvereinbarung gegeben (Bauer-Baeck, NZA 89, 785). Zum anderen ist zu sehen, dass dem Arbeitgeber kein irgendwie geartetes einseitiges
Gestaltungsrecht dahingehend zusteht, durch seine Erklärung die Arbeitspflicht des Arbeitnehmers aufzuheben. Für ein solches einseitiges Gestaltungsrecht gibt es auch kein
Bedürfnis (hierzu eingehend Bauer-Baeck, NZA 89, 787; vgl. auch Nägele, DB 98, 519); dies gilt auch für den hier vorliegenden Fall der Beseitigung des
Arbeitsleistungsanspruchs zum Zwecke des Abfeierns von Überstunden. Damit konnte die Arbeitspflicht des Klägers im Umfang von 123,75 Stunden nur im Vertragswege aufgehoben
werden.
(b) Die Parteien haben eine Suspendierungsvereinbarung getroffen. Die Beklagte hat am 06.07.1998 dem Kläger den Abschluss einer Suspendierungsvereinbarung angeboten, indem
sie erklärte, der Kläger solle die offenen Überstunden einbringen. Der Kläger hat dieses Angebot konkludent angenommen, indem er der Erklärung der Beklagten nicht
widersprochen hat (Nägele, DB 98, 519). Die Frage, ob überhaupt eine Willenserklärung vorliegt, und – wenn eine Willenserklärung an sich bejaht wird – mit welchem Inhalt,
ist nach heute herrschender Meinung vom Empfängerhorizont her zu beantworten, auf das Vorliegen eines rechtsgeschäftlichen Willens des Erklärenden kommt es nicht an (z.B.
BGH, BB 84, 1317; BAG, NJW 87, 2101). Wenn die Beklagte Freistellung bei gleichzeitigem Abfeiern von Überstunden anordnete und der Kläger daraufhin der Arbeit fernblieb,
ohne zu widersprechen, dann musste die Beklagte davon ausgehen, dass der Kläger einverstanden war. Dieser im Wege der Auslegung der konkludenten Erklärung des Klägers zu
gewinnende Erklärungsinhalt wird nicht dadurch verändert, dass der Kläger behauptet, der Geschäftsführer der Beklagten-Komplementärin habe ihm für das Verlassen des Betriebs
eine Frist von einer Viertelstunde gesetzt. Denn zum einen hätte die Beklagte auch bei einer solchen Fristsetzung einen Widerspruch des Klägers erwarten dürfen, wenn er mit
der Anordnung des Abfeierns von Überstunden nicht einverstanden gewesen wäre. Zum anderen hat der Kläger für seine – von der Beklagten bestrittene – Behauptung keinen Beweis
angetreten. Da der Kläger mit der Behauptung, der Geschäftsführer der Beklagten-Komplementärin habe zu dem unstreitigen Inhalt der Erklärung noch eine Zusatzbemerkung
(Fristsetzung Viertelstunde) hinzugefügt, eine für ihn günstige Rechtsfolge begründen möchte (nämlich die Wertung, dass sein Verhalten nicht als Annahme einer
Willenserklärung der Beklagten gewertet werden kann), trifft ihn für seine Behauptung nach allgemeinen prozessualen Regeln die Beweislast. Damit haben die Parteien eine
Suspendierungsvereinbarung bezüglich der Arbeitspflicht des Klägers im Umfang von 123,75 Stunden geschlossen.
(c) Die Suspendierungsvereinbarung bezog sich auf jene 123,75 Stunden, die ab dem 06.07.1998 anfielen.
Diese Auslegung folgt aus dem von der Beklagten mit dem Abschluss der Suspendierungsvereinbarung verfolgten und dem Kläger erkennbaren Interesse. Es entspricht erkennbar der
Interessenlage, dass die Beklagte am 06.07.1998 wollte, dass mit der ersten Gehaltszahlung nach Abschluss der Suspendierungsvereinbarung zunächst jene Ansprüche erfüllt
werden, die am Auszahlungstag schon am längsten fällig waren; im Zeitraum 07.07. bis 31.07.1998 lagen – bei einer Fünf-Tage-Woche – 19 Arbeitstage, so dass die gesamten
Überstunden bis Ende Juli 1998 eingebracht werden konnten. Demgegenüber war am 06.07.1998 noch nicht absehbar, ob für den Kläger nach dem Einbringen der 123,75 Überstunden
überhaupt noch weitere Lohnansprüche entstehen würden. An weiteren Lohnansprüchen würde es z.B. fehlen bei Erzielung oder böswilligem Unterlassen anderweitigen Erwerbs
während Zeiten des Annahmeverzugs gemäß § 615 Satz 2 BGB, bei Abschluss eines Aufhebungsvertrages, bei Ausspruch einer berechtigten außerordentlichen Kündigung oder bei
Vorliegen einer verschuldeten Erkrankung während der Zeit des Annahmeverzugs. Bei dieser Sachlage musste der Kläger davon ausgehen, dass die Beklagte die Freizeit zum Zwecke
des Überstundenausgleichs auf den Zeitraum ab Abschluss der Suspendierungsvereinbarung festlegen wollte. Diese Auslegung steht auch im Einklang mit dem in § 366 Abs. 2 BGB
zum Ausdruck gekommenen Rechtsgedanken, wonach der Schuldner (bei Teilleistungen) im Zweifel zunächst die bereits fällige bzw. die ihm lästigere Schuld tilgen will.
cc) Die Vereinbarung der Aufhebung der Arbeitsleistungspflicht des Klägers für 123,75 Überstunden war mit der Vereinbarung der Vergütungsfortzahlung verknüpft. Da die
Parteien die Arbeitspflicht des Klägers beseitigt hatten, konnte die Beklagte während der 123,75 Überstunden nicht in Annahmeverzug geraten, so dass § 615 BGB (i.V.m. § 611
BGB) als Anspruchsgrundlage ausscheidet. Auch § 611 BGB gibt für sich keine hinreichende Grundlage für den Lohnanspruch ab, da ein Fall des § 324 Abs. 1 BGB nicht vorliegt;
es kann im vorliegenden Fall im Hinblick auf die besonderen Umstände nicht angenommen werden, dass es die Beklagte zu vertreten hat, wenn sie den Kläger im Umfang von 123,75
Stunden nicht hat arbeiten lassen, nachdem es der Kläger war, der gekündigt hatte, um zu einem Konkurrenzunternehmen zu wechseln (wie die Beklagte – unbestritten –
vorgetragen hat). Mit ihrer Vereinbarung haben die Parteien eine vertragliche Lohnfortzahlungsregelung geschaffen (“Vergütungsanspruch nach § 611 Abs. 1 BGB in Verbindung
mit dem individual-rechtlich konkretisierten Zahlungsanspruch”, Nägele, DB 98, 519). Dadurch haben die Parteien die rechtliche Bedeutung der Überstunden und den Inhalt der
Gegenleistung der Beklagten verändert. “Die Mehrarbeit wird zu einer vorverlegten Arbeitsleistung, die durch bezahlte Freizeit entlohnt wird” (BAG, DB 95, 1414).
dd) Diese Vereinbarung ist wirksam. Sie widerspricht nicht § 3 Satz 2 des Arbeitsvertrages (“Außerdem werden alle geleisteten Überstunden vergütet”). Wie das Erstgericht
zutreffend ausgeführt hat, ist mit dieser Klausel lediglich klargestellt, dass alle anfallenden Überstunden nicht mit dem Gehalt abgegolten sind, sondern gesondert zu
entlohnen sind. Ein Verbot, die Überstunden in Freizeit auszugleichen, statt sie in Geld auszuzahlen, kann in § 3 Satz 2 des Arbeitsvertrages nicht gesehen werden. Damit
kann die Frage unbeantwortet bleiben, ob aufgrund der in § 8 des Arbeitsvertrages enthaltenen Schriftformklausel eine nur mündliche Änderung des Arbeitsvertrags wirksam
hätte erfolgen können.
ee) Diese vertragliche Lohnfortzahlungsregelung sicherte dem Kläger einen Lohnfortzahlungsanspruch für den Freistellungszeitraum von 123,75 Stunden. Dieser Anspruch ist
durch die weiteren, nach Ablauf der 123,75 Stunden liegenden Ereignisse nicht – quasi mit Rückwirkung – inhaltlich verändert worden. Auch die zwischen den Parteien
gewechselten außergerichtlichen Schreiben vom 17.08.1998, 16.09.1998 und 18.09.1998 konnten ihn nicht mehr beeinflussen, zumal die Überstunden schon bis Ende Juli 1998
eingebracht waren.
ff) Durch die erste Zahlung in Höhe der üblichen monatlichen Grundvergütung ist der Anspruch des Klägers auf Lohnfortzahlung für 123,75 Freistunden erfüllt worden (§ 362
BGB). Das Erstgericht hat deshalb insoweit zu Recht die Klage abgewiesen.
b) Auch dann, wenn eine am 06.07.1998 geschlossene Suspendierungsvereinbarung verneint werden würde, wäre der klägerische Anspruch wegen Erfüllung abzuweisen.
aa) Wird davon ausgegangen, dass die Parteien keine Suspendierungsvereinbarunbezüglich des Anspruchs der Beklagten auf die Arbeitsleistung des Klägers für 123,75 unmittelbar
nach dem 06.07.1998 liegende Stunden getroffen haben, müsste ab 06.07.1998 Annahmeverzug der Beklagten bejaht werden. Denn in diesem Fall besteht ein Anspruch der Beklagten
auf die Arbeitsleistung des Klägers. Da die Beklagte diese Arbeitsleistung nicht annimmt, sind die Voraussetzungen des § 615 Satz 1 BGB erfüllt. Nach der
Freistellungserklärung der Beklagten bedurfte es im Hinblick auf § 296 BGB eines tatsächlichen oder wörtlichen Angebots des Klägers nicht mehr (LAG Hamm DB 88, 1501, das zu
Recht die Rechtsprechung des BAG zur Rechtslage nach Ausspruch einer rechtswidrigen Kündigung auf die Rechtslage nach unzulässiger Suspendierung erstreckt). Wie oben
ausgeführt, konnte die Beklagte ihren Anspruch auf Arbeitsleistung nicht einseitig beseitigen, auch nicht zum Zwecke des Abfeierns von Überstunden.
bb) Gleichwohl kann der Kläger nach Meinung der Kammer die Vergütung für die 123,75 nach dem 06.07.1998 liegenden Stunden nicht auf § 615 BGB stützen. Die Beklagte hatte dem
Kläger – wie oben zu 1 ausgeführt – am 06.07.1998 angetragen, vertraglich die Arbeitspflicht aufzuheben, um damit ein Abfeiern der Überstunden zu ermöglichen. Der Kläger
hätte auf Grund seiner Treuepflicht dieses Angebot nicht ablehnen dürfen. Der Arbeitnehmer ist gehalten, in zumutbarer Weise mitzuwirken, dass Schaden vom Arbeitgeber
abgewendet wird. Annahmeverzugslöhne stellen einen Schaden dar, da der Arbeitgeber zu Zahlungen ohne Gegenleistung verpflichtet ist. Es war dem Kläger auf Grund der gesamten
Umstände des vorliegenden Falls zuzumuten, diesen Schaden (Annahmeverzugslohn für 123,75 Stunden) durch die Erklärung des Einverständnisses mit der Vereinbarung des
Abfeierns der Überstunden abzuwenden. Der vorliegende Fall ist in besonderer Weise dadurch geprägt, dass zum Einen es der Kläger war, der das Arbeitsverhältnis kündigte, und
zum Anderen der Kläger, der als Vertriebsleiter in herausgehobener Position bei der Beklagten tätig war, zur Konkurrenz wechseln wollte, und damit die Beklagte ein
schutzwürdiges Interesse hatte, den Kläger nicht mehr zu beschäftigen. Bei dieser Sachlage war der Kläger nach Meinung der Kammer verpflichtet mitzuwirken, den
Annahmeverzugszeitraum im Umfang von 123,75 Stunden abzukürzen, zumal auch bei der Verrechnung mit Überstunden dem Kläger die volle monatliche Grundvergütung von mehr als DM
7.000,– erhalten bleibt, also kein Zeitraum ohne Lohnanspruch entsteht. Mit dieser Überlegung sieht sich die Kammer in Einklang mit der Rechtsprechung des BAG zur
Berücksichtigung unterlassener vertraglicher Abreden im Rahmen von Annahmeverzugsansprüchen. In seiner Entscheidung vom 24.05.1989 (DB 89, 2538) hat das BAG ausgeführt, dass
ein Arbeitnehmer, der aus Gewissensgründen nicht arbeitet, nach § 297 BGB außer Stande ist, die geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen, und damit keinen Annahmeverzugslohn
beanspruchen kann. Einen Anspruch auf Annahmeverzugslohn hat das BAG allerdings dann bejaht, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer im Rahmen geänderter (!)
Arbeitsbedingungen anderweitig hätte beschäftigen können. Dies bedeutet, dass der Arbeitgeber – auf Grund seiner Fürsorgepflicht – als verpflichtet angesehen wurde, bei
einer Vertragsänderung mitzuwirken, um so dem Arbeitnehmer die Möglichkeit zu schaffen, dem Arbeitgeber entsprechend der Vertragsänderung die neue Arbeit als vertragsgemäß
anbieten zu können. Erfüllt der Arbeitgeber diese Pflicht, durch Abgabe einer entsprechenden Willenserklärung mitzuwirken, dass ein Änderungsvertrag zu Stande kommt, nicht,
dann wird gleichwohl ein Anspruch gemäß § 615 BGB bejaht. Der Arbeitgeber wird so betrachtet, als hätte er dem Änderungsanliegen zugestimmt, und als hätte der Arbeitnehmer
die nunmehr vertragsgemäße Leistung angeboten. Dem Arbeitnehmer wird unmittelbar der Anspruch gemäß § 615 BGB zuerkannt, ohne dass vorher der Änderungsvertrag zu Stande
gekommen sein müßte bzw. ohne dass es als notwendig angesehen werden würde, dass der Arbeitnehmer seinen Anspruch auf Abgabe einer Willenserklärung durch den Arbeitgeber
zunächst gerichtlich durchsetzt. Tragend ist der Gedanke, dass der Arbeitgeber in zumutbarer Weise verpflichtet ist, Schaden vom Arbeitnehmer abzuwenden, und ihm einen
Lohnanspruch zu verschaffen. Im vorliegenden Fall ist – in nach Meinung der Kammer vergleichbarer Weise – der Kläger als verpflichtet anzusehen, durch Abgabe einer
Willenserklärung im Rahmen der Suspendierungsvereinbarung dazu beizutragen, dass der Anspruch auf Annahmeverzugslohn vom Arbeitgeber abgewendet wird. Hat der Kläger diese
Willenserklärung nicht abgegeben, ist die Beklagte so zu stellen, wie wenn der Kläger seiner Verpflichtung nachgekommen wäre. Die erste Zahlung der Beklagten nach dem
06.07.1998 ist demnach in gleicher Weise als Erfüllung des Zahlungsanspruchs für die geleisteten Überstunden anzusehen, wie dies oben unter 1 a) ausgeführt ist.
c) Soweit – wie vorstehend unter b) unterstellt – angenommen würde, der Kläger habe keine Suspendierungsvereinbarung geschlossen und habe einen Anspruch gemäß § 615 Satz 1
BGB für die 123,75 Stunden nach dem 06.07.1998, wäre der Anspruch noch auf Grund einer weiteren Überlegung abzulehnen. § 615 Satz 2 BGB sieht vor, dass während des
Annahmeverzugs ein fiktiver Erwerb, den der Arbeitnehmer zu erzielen böswillig unterlassen hat, auf den Annahmeverzugslohn anzurechnen ist. Dieser unterlassene anderweitige
Erwerb kann auch ein solcher sein, der beim selben Arbeitgeber während des Annahmeverzugszeitraums erzielt hätte werden können (so wenn es der Arbeitnehmer ablehnt, während
des Kündigungsschutzverfahrens wegen betriebs- oder personenbedingter Kündigung eine vom Arbeitgeber angebotene zumutbare Beschäftigung bis zum Ende des
Kündigungsschutzverfahrens auszuüben; BAG DB 86, 1878). Ein solcher unterlassener anzurechnender Erwerb ist nach Meinung der Kammer auch dann anzunehmen, wenn der
Arbeitgeber dem Arbeitnehmer anträgt, während des Annahmeverzugszeitraums Überstunden abzufeiern, um dadurch einen anderweitigen Erwerb zu erzielen, und der Arbeitnehmer
dies ablehnt. Die von § 615 Satz 2 BGB geforderte Böswilligkeit ist jedenfalls dann zu bejahen, wenn – wie im vorliegenden Fall – der Arbeitnehmer selbst gekündigt hat, um
zu einem Konkurrenzunternehmen zu wechseln. 2. Dem Kläger steht ein Anspruch auf Zahlung des Überstundenzuschlags in Höhe von DM 1.435,50 zu. a) Die Beklagte hat –
unstreitig – in der Vergangenheit Überstunden stets mit 125 % des normalen Stundenlohns vergütet. Ein Anspruch auf Überstundenzuschlag in Höhe von 25 % ist damit
Vertragsinhalt.
b) Der Überstundenzuschlag stellt im vorliegenden Fall seinem Wesen nach einebesondere Erschwerniszulage dar. Es soll damit in finanzieller Weise die besondere körperliche
und psychische Belastung ausgeglichen werden, die für den vollzeitbeschäftigten Kläger mit der Erbringung zusätzlicher Arbeitsstunden verbunden ist (vgl. zu den möglichen
Zwecksetzungen BAG, DB 96, 686). Dieser besondere Zweck des Überstundenzuschlags rechtfertigt es, die unter 1 angestellten rechtlichen Überlegungen nicht auf die
Überstundenzuschläge zu erstrecken. Der Zweck des auf Geld gerichteten Anspruchs kann nicht in gleicher Weise durch Freizeitgewährung erreicht werden.
c) Die Zuerkennung eines Zahlungsanspruchs entspricht auch den von den Parteien am 06.07.1998 abgegebenen Erklärungen.
aa) Die (konkludente) Vereinbarung des besonderen Freizeitausgleichs (vgl. oben 1 a) kann nicht dahin ausgelegt werden, die Parteien hätten den Ausgleichszeitraum um 1/4 von
123,75 Stunden erweitert. Die Beklagte hatte nur angeordnet, die Überstunden auszugleichen. Das kann nur so ausgelegt werden, dass die Beklagte einen Ausgleich im Verhältnis
1:1 wollte. Hätte sie auch den Überstundenzuschlag in Freizeit ausgleichen wollen, hätte sie dies deutlich formulieren müssen.
bb) Soweit angenommen würde, der Kläger hätte auf Grund seiner Treuepflicht einer Vereinbarung des bezahlten Freizeitausgleichs zustimmen müssen (vgl. oben 1 b), kann sich
eine solche Verpflichtung nicht auf einen Freizeitausgleich im Hinblick auf Überstundenzuschläge beziehen. Die Pflicht erfährt jedenfalls schon durch den Inhalt des von der
Beklagten erklärten Angebots eine Begrenzung. Wie unter aa ausgeführt, hat die Beklagte dem Kläger nur angetragen, die Überstunden im Verhältnis 1:1 auszugleichen. Dann
konnte der Kläger auch nicht als verpflichtet angesehen werden, zusätzlich noch darin einzuwilligen, dass die Überstundenzuschläge in Freizeit auszugleichen sind.
cc) Auch bei Anwendung des § 615 Satz 2 BGB (vgl. oben 1 c) gilt nichts Abweichendes. Böswillig unterlassen konnte der Kläger nur den Erwerb, den die Beklagte von ihm
erwartete. Dies war nach der Erklärung vom 06.07.1998 das Einbringen von Überstunden im Verhältnis 1 : 1.
d) Damit war insoweit das Ersturteil aufzuheben und die Beklagte entsprechend der unbestritten gebliebenen Berechnung des Klägers zur Zahlung eines Überstundenzuschlags in
Höhe von DM 1.435,50 brutto zu verurteilen.
e) Der Zinsanspruch folgt aus §§ 284 Abs. 2, 288 Abs. 2 BGB i.V.m. § 3 Satz 3 des Arbeitsvertrages, der § 64 HGB entspricht. Die Überstunden, für die der Zuschlag verlangt
wird, wurden im Juni 1998 geleistet; damit sind Verzugszinsen ab 01.07.1998 geschuldet. Die Beklagte hat die Höhe der geltend gemachten Verzugszinsen nicht bestritten. Damit
waren sie antragsgemäß zuzusprechen (§ 138 Abs. 3 ZPO).
3. Das Erstgericht hat zu Recht einen Anspruch auf Zahlung von jeweils 100 Überstunden (incl. Überstundenzuschlägen) für die Monate Juli bis Dezember 1998 in Höhe von
insgesamt DM 34.788,– abgewiesen.
a) Da der Kläger Überstundenvergütung für Zeiten beansprucht, in denen er nicht gearbeitet hat, und ein Fall des § 324 Abs. 1 BGB in dem gesamten streitgegenständlichen
Zeitraum nicht vorliegt, kann er seinen Anspruch nicht unmittelbar auf § 611 BGB stützen, sondern nur auf eine Lohnfortzahlungsbestimmung. Diese ist im vorliegenden Fall
entweder in einer besonderen Vereinbarung oder in § 615 BGB zu sehen. Die Höhe des Lohnes gemäß § 615 BGB wird nach dem Lohnausfallprinzip berechnet. Es ist also der Lohn zu
ermitteln, der zu zahlen gewesen wäre, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer vertragsgemäß beschäftigt hätte.
Das Lohnausfallprinzip ist wegen der insoweit vorliegenden Vergleichbarkeit mit der Rechtslage beim Annahmeverzug – wenn die Parteien keine andere Bestimmung getroffen haben
– auch auf die Fälle der vereinbarten bezahlten Freistellung anzuwenden. Damit kann es für die Entscheidung dahingestellt bleiben, in welchen Zeitabschnitten in den Monaten
Juli bis Dezember 1998 Annahmeverzug bzw. vereinbarte Freistellung vorgelegen hat.
b) Der Kläger meint zu Unrecht, er habe einen Anspruch, monatlich 100 Überstunden leisten zu dürfen. Dem Kläger ist zuzugeben, dass sich der Inhalt eines Arbeitsvertrags
durch langjährige Übung ändern bzw. konkretisieren kann. Auch eine ursprünglich getroffene Arbeitszeitregelung kann nachträglich konkludent abgeändert werden. Dies setzt
aber voraus, dass nach den Regeln des allgemeinen Schuldrechts ein Änderungsvertrag zustandekommt. Dafür ist Voraussetzung, dass sich die Parteien auf Dauer entsprechend der
gehandhabten Praxis binden wollen. Dies ist nach den Grundsätzen für die Auslegung von Erklärungen zu ermitteln, wobei – wie oben ausgeführt – sich die Auslegung sowohl
darauf bezieht, ob überhaupt eine Willenserklärung vorliegt, also eine rechtliche Bindung für die Zukunft anzunehmen ist, als auch auf den Inhalt der Erklärung. Entscheidend
ist auf den Empfängerhorizont abzustellen. Bei der Auslegung von Erklärungen sind alle Umstände des Einzelfalles mit zu berücksichtigen. Dazu gehört insbesondere die dem
anderen erkennbare Interessenlage. Unter Anwendung dieser Grundsätze kommt die Kammer zum Ergebnis, dass der Kläger nicht davon ausgehen konnte, die Beklagte wollte sich ihm
gegenüber auf Dauer dahingehend binden, dass er monatlich 100 Überstunden leisten kann bzw. muss. Ein Arbeitgeber ordnet Überstunden an, wenn dafür ein betriebliches
Bedürfnis besteht. Auch wenn er – wie im vorliegenden Fall vom Kläger unbestritten vorgetragen – über viele Jahre hinweg Überstunden leisten hat lassen, konnte der Kläger
daraus nicht entnehmen, die Beklagte wolle sich ihm gegenüber hinsichtlich der Erhöhung der vertraglich geschuldeten Arbeitszeit binden. Für den Kläger war erkennbar, dass
die Beklagte jeweils neu darüber befinden will, ob Überstunden geleistet werden sollen, und diese Entscheidung jeweils von der aktuellen betrieblichen Notwendigkeit abhängig
ist. Der Kläger musste erkennen, dass es voraussehbare Umstände geben konnte, die es nicht als interessengerecht erscheinen ließen, wenn ein Bindungswille der Beklagten
angenommen werden würde. So war z.B. nicht davon auszugehen, dass sich die Beklagte auch für die Fälle binden wollte, dass ein vom Markt aufgezwungener
Beschäftigungsrückgang vorliegt oder der Kläger unter Einhaltung einer sechsmonatigen Kündigungsfrist kündigt. Dass der Kläger nicht die Zusage einer bestimmten
Beschäftigungsgarantie annehmen konnte, ergibt sich im Übrigen auch aus der schwankenden Anzahl der Überstunden (LAG Rheinland-Pfalz, BB 96, 751). Im Ergebnis ist davon
auszugehen, dass die Beklagte durch die jahrelange Zuweisung von Überstunden keine sie bindende Willenserklärung abgeben wollte. Damit kann ungeprüft bleiben, ob die
Parteien an das Arbeitszeitgesetz gebunden waren (vgl. § 18 Abs. 1 Nr. 1 AZG) und wie sich der Umstand des Verstoßes gegen die gesetzliche Höchstarbeitszeitdauer (§§ 3 ff
AZG) bei Vorliegen einer Arbeitsmengenvereinbarung von 264,5 Stunden monatlich (164,5 reguläre Stunden bei Zugrundelegung der vom Kläger unbestritten vorgetragenen
38-Stunden-Woche + 100 Überstunden) auswirken würde. c) Hatte der Kläger keinen Anspruch auf Erbringung von Überstunden, war die Beklagte – jedenfalls in den Grenzen
billigen Ermessens gemäß § 315 BGB, die angesichts der Interessenlage eingehalten sind – frei, keine Überstunden anzuordnen. Dies ist im Rahmen der Ermittlung der im
Lohnfortzahlungszeitraum fiktiv zu leistenden Arbeitsstunden zu berücksichtigen. Hätte die Beklagte den Kläger im vorliegenden Fall nach Ausspruch der klägerischen Kündigung
beschäftigt, dann hätte sie ihn nur im monatlichen Umfang von 164,5 Stunden eingesetzt. Dies folgt daraus, dass sie ihn aufgrund der gegebenen Interessenlage vollständig
freigestellt hat, also auf die Arbeitsleistung des Klägers im vollen Umfang verzichtet hat. Dann aber ist davon auszugehen, dass sie dann, wenn sie den Kläger beschäftigt
hätte (z.B. weil der Kläger einen Beschäftigungsanspruch reklamiert hätte), sie den Kläger nur im Umfang der betriebsüblichen Arbeitszeit beschäftigt hätte. Damit kann der
Kläger für den Lohnfortzahlungszeitraum Juli bis Dezember 1998 keine Vergütung für Überstunden verlangen. Das Erstgericht hat insoweit zu Recht die Klage abgewiesen.
4. Soweit das Ersturteil zu bestätigen war, ist die Berufung zurückzuweisen.
C. Die Parteien haben entsprechend dem Umfang ihres Unterliegens in der Berufungsinstanz die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen (§§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 1 ZPO).
D. Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache im Hinblick auf sämtliche in der Berufungsinstanz verfolgten Ansprüche war gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG die Revision
zuzulassen.