EuGH: Anerkennung einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung

URTEIL DES GERICHTSHOFES VOM 3. JUNI 1992.

… UND ANDERE GEGEN ….
ERSUCHEN UM VORABENTSCHEIDUNG: ARBEITSGERICHT LOERRACH – DEUTSCHLAND.
SOZIALE SICHERHEIT – ANERKENNUNG EINER ARBEITSUNFAEHIGKEIT.
RECHTSSACHE C-45/90. Sammlung der Rechtsprechung 1992 Seite I-3423

++++1. Soziale Sicherheit der Wanderarbeitnehmer – Gemeinschaftsregelung – Sachlicher Geltungsbereich – Vorgesehene und ausgeschlossene Leistungen – Unterscheidungskriterien
– Leistungen, die der Arbeitgeber im Rahmen der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall an den Arbeitnehmer zahlt – Einbeziehung – Umstand, daß die Leistungen finanziell zu Lasten
des Arbeitgebers gehen – Unbeachtlich(Verordnung Nr. 1408/71 des Rates, Artikel 4 Absatz 1)2. Soziale Sicherheit der Wanderarbeitnehmer – Krankenversicherung – Arbeitnehmer,
der sich in einem anderen Mitgliedstaat als dem zuständigen Staat aufhält – Arbeitsunfähigkeit – Feststellung durch den Träger des Aufenthaltsorts – Anerkennungspflicht –
Grenzen – Untersuchung des Arbeitnehmers durch einen vom zuständigen Träger ausgewählten Arzt(Verordnung Nr. 574/72 des Rates, Artikel 18 Absätze 1 bis 5)

1. Die Unterscheidung zwischen vom Geltungsbereich der Verordnung Nr. 1408/71 ausgeschlossenen Leistungen und Leistungen, die unter diese Verordnung fallen, richtet sich im
wesentlichen nach den grundlegenden Merkmalen jeder einzelnen Leistung, insbesondere ihrer Zielsetzung und den Voraussetzungen für ihre Gewährung, nicht dagegen danach, ob
sie nach den nationalen Rechtsvorschriften als eine Leistung der sozialen Sicherheit angesehen wird.Die vom Arbeitgeber im Rahmen der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall
erbrachten Leistungen, bei deren Gewährung die Zahlung der nach dem nationalen Recht der sozialen Sicherheit vorgesehenen Tagegelder bis zur Dauer von sechs Wochen ruht,
stellen Leistungen bei Krankheit im Sinne von Artikel 4 Absatz 1 der Verordnung Nr. 1408/71 dar. Der Umstand, daß diese Leistungen finanziell zu Lasten des Arbeitgebers
gehen, kann ihre Einbeziehung in den Geltungsbereich dieser Verordnung nicht hindern, da die Qualifizierung einer Leistung als unter diese Verordnung fallende Leistung der
sozialen Sicherheit nicht von der Art ihrer Finanzierung abhängt.2. Artikel 18 Absätze 1 bis 4 der Verordnung Nr. 574/72 ist dahin auszulegen, daß der zuständige Träger,
auch wenn es sich dabei um den Arbeitgeber und nicht um einen Träger der sozialen Sicherheit handelt, in tatsächlicher und in rechtlicher Hinsicht an die vom Träger des
Wohn- oder Aufenthaltsorts getroffenen ärztlichen Feststellungen über den Eintritt und die Dauer der Arbeitsunfähigkeit gebunden ist, sofern er die betroffene Person nicht
durch einen Arzt seiner Wahl untersuchen lässt, wozu ihn Artikel 18 Absatz 5 ermächtigt.Die praktischen Schwierigkeiten, die von einem Arbeitgeber geltend gemacht werden,
der nicht in der Lage gewesen sein will, von der in Artikel 18 Absatz 5 vorgesehenen Befugnis sachgerecht Gebrauch zu machen, können die Auslegung einer Vorschrift dieser
Verordnung, wie sie sich aus ihrem Wortlaut und ihrer Zielsetzung ergibt, nicht in Frage stellen.

1 Das Arbeitsgericht Lörrach hat mit Beschluß vom 31. Januar 1990, beim Gerichtshof eingegangen am 21. Februar 1990, gemäß Artikel 177 EWG-Vertrag mehrere Fragen nach der
Auslegung des Artikels 18 der Verordnung (EWG) Nr. 574/72 des Rates vom 21. März 1972 über die Durchführung der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 zur Anwendung der Systeme der
sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und deren Familien, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern (ABl. L 74, S. 1), zur Vorabentscheidung vorgelegt.2 Diese Fragen
stellen sich in einem Rechtsstreit des Vittorio …, seiner Ehefrau Raffäla sowie ihrer beiden Kinder Carmela und Alberto, die alle italienische Staatsangehörige sind (im
folgenden: Kläger), gegen ihren Arbeitgeber, die in der Bundesrepublik Deutschland niedergelassene … (im folgenden: Beklagte) über die Weigerung der Beklagten, gemäß dem
Lohnfortzahlungsgesetz vom 27. Juli 1969 (BGBl I., S. 946, im folgenden: LFZG) den Lohn der Kläger fortzuzahlen.3 Nach dem LFZG hat der Arbeitgeber einem Arbeitnehmer, der
nach Beginn der Beschäftigung durch Arbeitsunfähigkeit ohne eigenes Verschulden an seiner Arbeitsleistung gehindert wird, während der Zeit der Arbeitsunfähigkeit bis zur
Dauer von sechs Wochen das Arbeitsentgelt fortzuzahlen.4 Aus dem Vorlagebeschluß ergibt sich, daß die Kläger des Ausgangsverfahrens sich während des ihnen von der Beklagten
bewilligten Urlaubs für die Zeit vom 17. Juli bis zum 12. August 1989 krank meldeten und daß die Beklagte sich weigerte, ihnen während der ersten sechs Wochen nach dem
Eintritt der Krankheit ihren Lohn zu zahlen, weil sie der Auffassung war, sie sei an die im Ausland getroffenen ärztlichen Feststellungen, an deren Richtigkeit sie
ernstliche Zweifel hatte, nicht gebunden.5 Die Kläger riefen gegen diese Entscheidungen das Arbeitsgericht Lörrach an und machten geltend, da die Beklagte von der in Artikel
18 Absatz 5 der Verordnung Nr. 574/72 vorgesehenen Befugnis, durch einen Arzt ihrer Wahl die Kläger untersuchen zu lassen, nicht Gebrauch gemacht habe, sei sie in
tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht an die vom Träger des Wohnorts getroffenen ärztlichen Feststellungen über den Eintritt und die Dauer der Arbeitsunfähigkeit gebunden.
Die Kläger beriefen sich in diesem Zusammenhang auf das Urteil des Gerichtshofes vom 12. März 1987 in der Rechtssache 22/86 (Rindone, Slg. 1987, 1339, Randnr. 15), das zwar
einen Fall betreffe, in dem der zuständige Träger ein Träger der sozialen Sicherheit gewesen sei, das aber ebenfalls gelte, wenn der zuständige Träger der Arbeitgeber sei.6
Zur Entscheidung dieses Rechtsstreits hat das Arbeitsgericht Lörrach beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung
vorzulegen:1) Sind die Grundsätze in der Rechtssache 22/86 des Urteils des Gerichtshofes – Dritte Kammer – vom 12. März 1987 zur Auslegung von Artikel 18 Absätze 1 und 5 der
Verordnung (EWG) Nr. 574/72 des Rates ganz oder teilweise auch auf den Fall zu übertragen, daß Träger der Geldleistungen bei Krankheit, wie nach § 1 ff. des
Lohnfortzahlungsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland vom 27. Juli 1969 (Bundesgesetzblatt I S. 946, zuletzt geändert durch Gesetz vom 20. Dezember 1988 –
Bundesgesetzblatt I S. 2477), der Arbeitgeber und nicht der Sozialversicherungsträger ist?Insbesondere:2) Hat der zuständige Träger von Entgeltfortzahlungsleistungen im
Krankheitsfalle nach dem Recht der Bundesrepublik Deutschland gemäß § 1 ff. Lohnfortzahlungsgesetz für die Arbeiter die Feststellungen des Sozialversicherungsträgers des
Wohnortes des Arbeitnehmers über den Eintritt und die Dauer der Arbeitsunfähigkeit seiner Entscheidung über den Anspruch auf Geldleistungen in tatsächlicher und in
rechtlicher Hinsicht zugrunde zu legen?3) Ist die Frage Nr. 1 – für den Fall der Bejahung – auch dann zu bejahen, wenn der Arbeitgeber, der nach § 1 Träger der
Lohnfortzahlungsleistung ist, keine tatsächliche und rechtliche Möglichkeit der Überprüfung der Feststellung des Eintritts der Arbeitsunfähigkeit hat, ausser derjenigen, bei
der zuständigen Krankenkasse, die jedoch in diesem Fall nicht primär leistungsverpflichtet ist, anzuregen, den Arbeitnehmer durch einen (Vertrauens-)Arzt seiner Wahl im
Sinne des Artikels 18 Absatz 5 der Verordnung (EWG) Nr. 574/72 untersuchen zu lassen?7 Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts des Ausgangsverfahrens, des
Verfahrensablaufs und der beim Gerichtshof eingereichten schriftlichen Erklärungen wird auf den Sitzungsbericht verwiesen. Der Akteninhalt wird im folgenden nur insoweit
wiedergegeben, als die Begründung des Urteils dies erfordert.8 Die Vorabentscheidungsfragen des vorlegenden Gerichts gehen im wesentlichen dahin, ob Artikel 18 Absätze 1 bis
4 der Verordnung Nr. 574/72 dahin auszulegen ist, daß der zuständige Träger – auch wenn es sich dabei um den Arbeitgeber und nicht um einen Träger der sozialen Sicherheit
handelt – in tatsächlicher und in rechtlicher Hinsicht an die vom Träger des Wohn- oder Aufenthaltsorts getroffenen ärztlichen Feststellungen über den Eintritt und die Dauer
der Arbeitsunfähigkeit gebunden ist, sofern er die betreffende Person nicht durch einen Arzt seiner Wahl untersuchen lässt, wozu ihn Artikel 18 Absatz 5 ermächtigt.9 Durch
Artikel 18 Absätze 1 bis 4 wird ein Verfahren geschaffen, bei dem es Sache des Trägers des Wohnorts ist, den Eintritt und die Dauer der Arbeitsunfähigkeit der Arbeitnehmer
festzustellen, die die Gewährung der in diesem Artikel genannten Geldleistungen beantragen. Der zuständige Träger behält jedoch die Möglichkeit, die betreffende Person durch
einen Arzt seiner Wahl untersuchen zu lassen (Absatz 5).10 Artikel 18, der die Lage von Arbeitnehmern regelt, die in einem anderen Mitgliedstaat als dem zuständigen Staat
wohnen, gilt aufgrund der Verweisung in Artikel 24 derselben Verordnung auch für Arbeitnehmer, die während eines Aufenthalts in einem anderen Mitgliedstaat erkranken.11 Im
Urteil vom 12. März 1987 (Rindone, a. a. O., Randnr. 15) hat der Gerichtshof entschieden, daß “Artikel 18 Absätze 1 bis 4 der Verordnung Nr. 574/72 dahin auszulegen ist, daß
der zuständige Träger in tatsächlicher und in rechtlicher Hinsicht an die vom Träger des Wohnorts getroffenen ärztlichen Feststellungen über den Eintritt und die Dauer der
Arbeitsunfähigkeit gebunden ist, sofern er nicht von der in Absatz 5 vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch macht, den Betroffenen durch einen Arzt seiner Wahl untersuchen zu
lassen”.12 Zur Beantwortung der Vorlagefragen ist zunächst festzustellen, ob die vom Arbeitgeber im Rahmen der Lohnfortzahlung gemäß § 1 LFZG gewährten Leistungen Leistungen
bei Krankheit im Sinne der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und deren Familien,
die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern (ABl. L 149, S. 2), sind.13 Nach Artikel 4 Absatz 2 der Verordnung Nr. 1408/71 gilt diese Verordnung für Systeme, nach denen
die Arbeitgeber zu Leistungen gemäß Absatz 1 verpflichtet sind; dazu gehören auch Leistungen bei Krankheit (Absatz 1 Buchstabe a).14 Nach Auffassung der deutschen und der
niederländischen Regierung stellen die streitigen Leistungen keine Leistungen der sozialen Sicherheit im Sinne von Artikel 4 der Verordnung Nr. 1408/71 dar; diese Verordnung
und folglich auch die Verordnung Nr. 574/72 seien daher nicht auf sie anwendbar.15 Zwar hat der Gerichtshof im Urteil vom 13. Juli 1989 in der Rechtssache 171/88
(Rinner-Kühn, Slg. 1989, 2743, Randnr. 7) entschieden, daß die Fortzahlung des Arbeitnehmerlohns im Krankheitsfall nach dem LFZG unter den Entgeltbegriff im Sinne von
Artikel 119 EWG-Vertrag fällt. Daraus folgt jedoch nicht, daß die vom Arbeitgeber in diesem Zusammenhang gewährten Leistungen nicht gleichzeitig Leistungen bei Krankheit im
Sinne der Verordnung Nr. 1408/71 darstellen können.16 Die Antwort auf die Frage, ob eine Leistung in den Anwendungsbereich der Verordnung Nr. 1408/71 fällt, hängt im
wesentlichen von den grundlegenden Merkmalen dieser Leistung ab, insbesondere von ihrer Zielsetzung und den Voraussetzungen ihrer Gewährung, nicht dagegen davon, ob sie nach
den nationalen Rechtsvorschriften als eine Leistung der sozialen Sicherheit angesehen wird (siehe u. a. das Urteil vom 27. März 1985 in der Rechtssache 249/83, Höckx, Slg.
1985, 973, Randnr. 11).17 In diesem Zusammenhang ist festzustellen, daß die streitigen Leistungen dem Arbeitnehmer nur im Krankheitsfall gewährt werden und daß bei ihrer
Gewährung bis zur Dauer von sechs Wochen die Zahlung des im Sozialgesetzbuch vorgesehenen Krankengelds, bei dem es sich unstreitig um Leistungen bei Krankheit handelt,
ruht.18 Der Umstand, daß diese Leistungen finanziell zu Lasten des Arbeitgebers gehen, kann ihre Einbeziehung in den Anwendungsbereich der Verordnung Nr. 1408/71 entgegen
dem Vorbringen der deutschen und der niederländischen Regierung nicht hindern, da die Qualifizierung einer Leistung als unter diese Verordnung fallende Leistung der sozialen
Sicherheit nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes (siehe das Urteil vom 24. Februar 1987 in den verbundenen Rechtssachen 379/85 bis 381/85 und 93/86, Giletti, Slg. 1987,
955, Randnr. 7) nicht von der Art ihrer Finanzierung abhängt.19 Somit stellen Leistungen wie diejenigen, die der Arbeitgeber im Rahmen der Lohnfortzahlung gemäß § 1 LFZG
gewährt, Leistungen bei Krankheit im Sinne von Artikel 4 Absatz 1 der Verordnung Nr. 1408/71 dar.20 Sodann ist zu prüfen, ob Artikel 18 der Verordnung Nr. 574/72 anwendbar
ist, wenn Leistungen bei Krankheit vom Arbeitgeber gewährt werden.21 In diesem Zusammenhang ist festzustellen, daß der Arbeitgeber nach Artikel 1 Buchstabe o Ziffer iv der
Verordnung Nr. 1408/71 als ein “zuständiger Träger” im Sinne dieser Verordnung angesehen werden kann, “wenn es sich um ein System handelt, das die Verpflichtungen des
Arbeitgebers hinsichtlich der in Artikel 4 Absatz 1 genannten Leistungen betrifft”.22 Da die Definitionen des Artikels 1 in die Verordnung Nr. 574/72 übernommen worden sind
(Artikel 1 Buchstabe c), hat der Begriff “zuständiger Träger” im Sinne von Artikel 18 der Verordnung Nr. 574/72 in beiden Verordnungen dieselbe Bedeutung.23 Artikel 18 gilt
folglich auch dann, wenn der zuständige Träger der Arbeitgeber ist.24 Diese Auslegung ist um so mehr geboten, als sie der Zielsetzung des Artikels 18 entspricht, die
insbesondere darin besteht, Beweisschwierigkeiten für einen Arbeitnehmer zu vermeiden, dessen Arbeitsfähigkeit in der Zwischenzeit wiederhergestellt ist, und damit eine
grösstmögliche Freizuegigkeit der Wanderarbeitnehmer zu fördern, die eine der Grundlagen der Gemeinschaft darstellt (Urteil vom 12. März 1987, Rindone, a. a. O., Randnr.
13).25 Um dem vorlegenden Gericht antworten zu können, ist schließlich zu prüfen, ob die sich aus dem Urteil vom 12. März 1987 (Rindone, a. a. O., Randnr. 15) ergebende
Auslegung des Artikels 18 auch dann gilt, wenn der Arbeitgeber über keine andere Möglichkeit zur Feststellung der Arbeitsunfähigkeit verfügt als die, die Krankenkasse
aufzufordern, den Arbeitnehmer gemäß Artikel 18 Absatz 5 durch einen Arzt seiner Wahl untersuchen zu lassen.26 Die Beklagte, die deutsche und die niederländische Regierung
sowie die Kommission tragen vor, der Arbeitgeber sei nicht in allen Fällen in der Lage, von der in Artikel 18 Absatz 5 vorgesehenen Befugnis sachgerecht Gebrauch zu machen.
Die vom Träger des Wohnorts ausgestellte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung werde dem Arbeitgeber nämlich nicht unmittelbar zugeschickt, sondern gehe ihm nur über die
Krankenkasse zu, was zu Verzögerungen führe und ihn oft daran hindere, von der Arbeitsunfähigkeit während deren Dauer Kenntnis zu nehmen. Darüber hinaus sei dem Arbeitgeber
meistens der genaue Ort, an dem sich der beurlaubte Arbeitnehmer befinde, unbekannt; auf jeden Fall kenne er aber die am Wohnort tätigen Vertrauensärzte nicht. Es bleibe ihm
daher nur die Möglichkeit, die zuständige Krankenkasse aufzufordern, eine solche Kontrolluntersuchung vornehmen zu lassen, ohne daß er sie jedoch dazu zwingen könne.27 Es
ist festzustellen, daß Schwierigkeiten wie die oben angeführten die Auslegung einer Vorschrift dieser Verordnung, wie sie sich aus ihrem Wortlaut und ihrer Zielsetzung
ergibt, nicht in Frage stellen können. Derartige praktische Probleme lassen sich im übrigen durch den Erlaß nationaler oder gemeinschaftlicher Maßnahmen lösen, die darauf
gerichtet sind, die Information der Arbeitgeber zu verbessern und ihnen den Rückgriff auf das in Artikel 18 Absatz 5 der Verordnung Nr. 574/72 vorgesehene Verfahren zu
erleichtern.28 Auf die Fragen des vorlegenden Gerichts ist daher zu antworten, daß Artikel 18 Absätze 1 und 4 der Verordnung Nr. 574/72 dahin auszulegen ist, daß der
zuständige Träger, auch wenn es sich dabei um den Arbeitgeber und nicht um einen Träger der sozialen Sicherheit handelt, in tatsächlicher und in rechtlicher Hinsicht an die
vom Träger des Wohn- oder Aufenthaltsorts getroffenen ärztlichen Feststellungen über den Eintritt und die Dauer der Arbeitsunfähigkeit gebunden ist, sofern er die
betreffende Person nicht durch einen Arzt seiner Wahl untersuchen lässt, wozu ihn Artikel 18 Absatz 5 ermächtigt.

Kosten29 Die Auslagen der deutschen Regierung, der niederländischen Regierung und der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, die Erklärungen vor dem Gerichtshof
abgegeben haben, sind nicht erstattungsfähig. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen
Rechtsstreit. Die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.

Aus diesen GründenhatDER GERICHTSHOFauf die ihm vom Arbeitsgericht Lörrach mit Beschluß vom 31. Januar 1990 vorgelegten Fragen für Recht erkannt:Artikel 18 Absätze 1 bis 4
der Verordnung (EWG) Nr. 574/72 des Rates vom 21. März 1972 über die Durchführung der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf
Arbeitnehmer und deren Familien, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, ist dahin auszulegen, daß der zuständige Träger, auch wenn es sich dabei um den
Arbeitgeber und nicht um einen Träger der sozialen Sicherheit handelt, in tatsächlicher und in rechtlicher Hinsicht an die vom Träger des Wohn- oder Aufenthaltsorts
getroffenen ärztlichen Feststellungen über den Eintritt und die Dauer der Arbeitsunfähigkeit gebunden ist, sofern er die betroffene Person nicht durch einen Arzt seiner Wahl
untersuchen lässt, wozu ihn Artikel 18 Absatz 5 ermächtigt.

Quelle: http://europa.eu.int/smartapi/cgi/sga_doc?smartapi!celexplus!prod!CELEXnumdoc&numdoc=61990J0045&lg=DE