LEITSATZ “Lehnt ein als Empfangsbote anzusehender Familienangehöriger des abwesenden Arbeitnehmers die Annahme eines Kündigungsschreibens des Arbeitgebers ab, so muß der Arbeitnehmer die Kündigung nur dann als zugegangen gegen sich gelten lassen, wenn er auf die Annahmeverweigerung, etwa durch vorherige Absprache mit dem Angehörigen, Einfluß genommen hat (im Anschluß an Reichsarbeitsgericht, Urteil vom 4.2.1941 – RAG 157/40, DR 1941,1796,1797).”
GRÜNDE Tatbestand:
Die im Jahre 1960 geborene verheiratete Klägerin ist bei dem Beklagten, einem u. a. in der Sozialarbeit tätigen Verein, seit dem 2. Juli 1990 in dessen Pflegeeinrichtung als Altenpflegehelferin mit einem Monatsgehalt von etwa 3.000,00 DM beschäftigt.
Ab Dezember 1990 war die Klägerin für die Dauer von jedenfalls sechs Wochen arbeitsunfähig krank. Wegen derselben Krankheitsursache war sie vom 7. März bis jedenfalls 4. Juni 1991 erneut arbeitsunfähig und befand sich in dieser Zeit vom 7. bis 17. Mai und wegen einer Operation vom 20. bis 29. Mai 1991 in stationärer Krankenhausbehandlung.
Die Klägerin hatte ihren Jahresurlaub ursprünglich für August 1991 beantragt und bewilligt erhalten. Sie beantragte nach ihrem letzten Krankenhausaufenthalt Urlaub für die Zeit vom 5. Juni bis 4. Juli 1991. Dies lehnte de r Beklagte ab. Die Klägerin flog mit ihrem Ehemann am 5. Juni 1991 -nach Mombasa/Kenia in Urlaub und blieb dort bis zum 4. Juli 1991.
Der Beklagte sprach mit Schreiben vom 12. Juni 1991 eine fristlose und hilfsweise eine fristgerechte Kündigung zum 31. Juli 1991 mit der Begründung aus, die Klägerin sei seit dem 5. Juni 1991 ihrer Verpflichtung zur Arbei tsleistung nicht nachgekommen.
Das mit Einschreiben an die Heimatanschrift der Klägerin zur Post gegebene Kündigungsschreiben wurde von dem mit der Beförderung beauftragten Postbediensteten ihrem auf einem Spaziergang befindlichen Onkel ausgehändigt. D ieser übergab es der mit ihr im selben Haus wohnenden Mutter der Klägerin, die es ungeöffnet an die Post zurückleitete. Von dort gelangte das Schreiben am 17. Juni 1991, einem Montag, an den Beklagten zurück. Dieser überg ab es am 5. Juli 1991 durch Boten dem Ehemann der Klägerin.
Die Klägerin war vom 8. bis jedenfalls 19. Juli 1991 erneut arbeitsunfähig krank geschrieben. Am 5. August 1991 wurde bei ihr eine in der fünften Woche bestehende Schwangerschaft festgestellt. Darüber unterrichtete sie de n Prozeßbevollmächtigten des Beklagten am selben Tage. Nach einer ärztlichen Bescheinigung war die voraussichtliche Niederkunft der Klägerin am 31. März 1992 zu erwarten.
Mit der am 18. Juli 1991 bei Gericht eingegangenen Klage hat die Klägerin die Rechtsunwirksamkeit der Kündigung vom 12. Juni 1991 geltend gemacht und später vorsorglich die nachträgliche Zulassung dieser Klage beantragt.
Die Klägerin hat vorgetragen, das Kündigungsschreiben vom 12. Juni 1991 sei ihr erst am 5. Juli 1991 zugegangen. Ihre Mutter sei zur Entgegennahme von Postsendungen für sie nicht beauftragt gewesen. Weder ihr Onkel noch i hre Mutter seien ihre Empfangsboten gewesen.
Bei Zugang der Kündigung am 5. Juli 1991 sei sie schwanger gewesen und die Kündigung bereits aus diesem Grunde unwirksam. Unabhängig davon scheitere die Kündigung auch an der fehlenden Anhörung des Betriebsrates. Schließl ich liege kein Kündigungsgrund vor. Der Beklagte sei durch die seit dem 6. März 1991 bestehende Arbeitsunfähigkeit mit Gehaltsfortzahlungskosten nicht belastet worden. Der Beklagte habe eine Urlaubsbewilligung ab 5. Juni 1991 ohne Grund abgelehnt. Sie sei über den 4. Juni 1991 hinaus bis zum 19. Juli 1991 arbeitsunfähig krank gewesen und hätte dem Beklagten zur Arbeitsleistung somit ohnehin nicht zur Verfügung gestanden. Sie habe sich led iglich aus versicherungstechnischen Gründen für die vorgesehene Urlaubszeit bei ihrer Ersatzkasse für den Krankengeldbezug abgemeldet. Der sie behandelnde Arzt habe ihre Urlaubsreise empfohlen.
Nur vorsorglich beantrage sie die nachträglich Zulassung der Klage. Hierzu hat sie eidesstattliche Versicherungen ihrer Mutter und ihres Onkels vom 29. Oktober 1991 eingereicht.
Die Klägerin hat beantragt
festzustellen, daß das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Beklagten vom 12. Juni 1991 weder fristlos noch zum 31. Juli 1991 beendet wird, sondern unverändert fortbesteht.
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat vorgetragen, der Klägerin sei die Kündigung durch Übergabe an ihren Onkel, jedenfalls aber durch Weiterleitung an ihre Mutter am 13. Juni 1991 zugegangen. Ihr Onkelsei ihr Empfangsbote gewesen, weil er nach der Verkehrsanschauung als zur Entgegennahme von Erklärungen für sie bestellt anzusehen sei. Jedenfalls sei ihre Mutter bei Entgegennahme des Kündigungsschreibens als Vertreteri n zu dessen Empfang berechtigt gewesen. Ihre Mutter habe in Abwesenheit der Klägerin u.a. in deren Wohnung nach dem Rechten sehen, insbesondere den Briefkasten leeren bzw. Post entgegennehmen sollen. Auch ohne diese Vertr etereigenschaft sei die Mutter zumindest als Empfangsbotin anzusehen.
Unabhängig davon müsse sich die Klägerin nach Treu und Glauben so behandeln lassen, als sei ihr die Kündigung am 13. Juni 1991 zugegangen. Sie habe aufgrund ihres Verhaltens mit rechtsgeschäftlichen Erklärungen rechnen un d deshalb geeignete Vorkehrungen für ihren Zugang treffen müssen. Das Kündigungsschreiben sei am Vormittag des 17. Juni 1991 an ihn – den Beklagten – zurückgelangt. Auch ein Versuch, der Klägerin das Kündigungsschreiben d urch Boten zuzustellen, sei am 17. Juni 1991 daran gescheitert, daß niemand im Hause der Klägerin bereit gewesen sei, den Brief entgegenzunehmen. Ein nochmaliger Versuch am 28. Juni 1991 sei ebenfalls erfolglos geblieben.Die Klägerin oder ihre Angehörigen hätten den Zugang des Schreibens verhindert. Die Mutter der Klägerin habe offensichtlich in Erwartung eines Briefes den Einschreibebrief am 17. Juni 1991 an ihn zurücksenden lassen.
Am 13. Juni 1991 sei die Klägerin noch nicht schwanger gewesen, so daß die Kündigung schon deshalb nicht an § 9 MuSchG scheitere. Abgesehen davon habe sie ihm die Schwangerschaft erstmals im Termin vom 17. Oktober 1991 un d damit nicht mehr unverzüglich nach Kenntnis hiervon mitgeteilt, nachdem dieser Zustand bereits, wie aus dem Mutterpaß ersichtlich, am 5. August 1991 festgestellt worden sei. Der Betriebsrat sei sowohl zur fristlosen alsauch zur fristgerechten Kündigung angehört worden.
Das Fehlen von Kündigungsgründen könne die Klägerin nicht mehr geltend machen, weil sie die Klagefrist des § 4 KSchG versäumt und keine Gründe für eine nachträgliche Zulassung dargelegt habe. Für die fristlose Kündigung l iege aber auch ein wichtiger Grund vor, weil die Klägerin ihren Urlaub eigenmächtig angetreten habe. Sie sei nicht ab 5. Juni 1991 weiterhin arbeitsunfähig krank gewesen.
Das Arbeitsgericht hat nach Durchführung einer Beweisaufnahme der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat dieses Urteil abgeändert und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Arbeitsgeri cht zurückverwiesen. Mit der Revision erstrebt die Klägerin die Wiederherstellung des Urteils des Arbeitsgerichts. Der Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe:
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Wiederherstellung des Urteils des Arbeitsgerichts
I. Das Berufungsgericht hat angenommen, das Kündigungsschreiben des Beklagten vom 12. Juni 1991 sei der Klägerin am 13. Juni 1991 zugegangen, so daß die Kündigung, entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts, nicht an § 9 Mu SchG scheitere. Da auch der Betriebsrat ordnungsgemäß gehört worden sei und die Klägerin die Klagefrist des § 4 KSchG versäumt habe, müsse dem Arbeitsgericht Gegelgenheit gegeben werden, über den Antrag der Klägerin auf n achträgliche Klagezulassung zu entscheiden. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt:
Das Einschreiben sei der Mutter der Klägerin spätestens am 14. Juni 1991 ausgehändigt worden und damit der Klägerin zugegangen. Die Mutter der Klägerin sei nach der allgemeinen Verkehrsanschauung als ermächtigt anzusehen gewesen, die Klägerin bei der Empfangnahme von schriftlichen Willenserklärungen zu vertreten. Zwar würden als zur Empfangnahme von schriftlichen Willenserklärungen ermächtigt regelmäßig nur Familienangehörige des Erklärun gsempfängers angesehen, die mit ihm in einem Haushalt oder einer Wohnung lebten.
Zu diesem Personenkreis gehöre die Mutter der Klägerin nicht. Aufgrund der besonderen Umstände des vorliegenden Falles sei sie jedoch hinsichtlich der Ermächtigung zu Entgegennahme schriftlicher Willenserklärungen für dieKlägerin mit einem mit dieser im Haushalt lebenden Familienangehörigen gleichzusetzen: Die Wohnung der Klägerin liege nach ihrem eigenen Vorbringen im selben Haus wie die Wohnung ihrer Mutter, an dem dieser jedenfalls Mi teigentum zustehe. Außerdem unterhalte dort auch der Bruder der Klägerin eine Wohnung. Die Hausgemeinschaft bestehe somit im wesentlichen aus Familienmitgliedern. Für das Gericht stehe fest, daß die Mutter der Klägerin be i Abwesenheit ihrer berufstätigen Tochter und deren Ehemannes regelmäßig Postsendungen jedenfalls für ihre Tochter entgegen genommen habe. Wie aus der eidesstattlichen Erklärung der Mutter der Klägerin vom 29. Oktober 199 1 folge und durch die eidesstattliche Erklärung ihres Onkels vom selben Tag bestätigt werde, habe die Mutter bei Ortsanwesenheit ihrer Tochter Postsendungen für diese regelmäßig in Empfang genommen und sei hierzu auch ber echtigt gewesen.
Mit der Aushändigung des Einschreibens an ihre Mutter sei dieses so in den Machtbereich der Klägerin gelangt, daß sie bei Annahme gewöhnlicher Verhältnisse von seinem Inhalt und damit der Kündigungserklärung habe Kenntnisnehmen können. Unter gewöhnlichen Verhältnissen hätte sie den Brief am Tag der Empfangnahme der Klägerin ausgehändigt und diese hätte von seinem Inhalt Kenntnis genommen.
Dem wirksamen Zugang der Kündigungserklärung an die Klägerin stehe nicht entgegen, daß sie keine Kenntnis von ihrem Inhalt genommen und sich im Urlaub befunden habe. Unerheblich sei schließlich auch, daß der Einschreibebr ief zuvor ihrem Onkel übergeben worden sei. Auch ein postordnungswidrig behandelter Brief bewirke einen Zugang, wenn er tatsächlich in den Machtbereich des Empfängers gelange.
Bei Zugang der Kündigung am 14. Juni 1991 sei die Klägerin noch nicht schwanger gewesen und könne deshalb den Sonderkündigungsschutz des § 9 Abs. 1 MuSchG nicht in Anspruch nehmen. Als voraussichtlicher Termin der Niederk unft der Klägerin sei nach ärztlicher Bescheinigung der 31. März 1992 ermittelt worden. Von diesem Termin an sei zur Feststellung des Beginns der Schwangerschaft um 280 Tage zurückzurechnen, so daß sich als Schwangerschaf tsbeginn der 25. Juni 1991 ergebe. Bei Schluß der Berufungsverhandlung habe der Tag der tatsächlichen Niederkunft nicht festgestanden.
Die Kündigung sei auch nicht nach § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG unwirksam. Aufgrund der in erster Instanz durchgeführten Beweisaufnahme stehe fest, daß der Beklagte den Betriebsrat vor Ausspruch der Kündigung ordnungsgemäß a ngehört habe.
Die Kündigung scheitere ferner nicht am Fehlen eines wichtigen bzw. – als ordentliche – eines sozial rechtfertigenden Grundes. Sie gelte gemäß § 7 Satz 1 KSchG als rechtswirksam, weil die Klägerin die nach §§ 4, 13 KSchG vorgeschriebene dreiwöchige Klagefrist nicht eingehalten habe. Die Frist sei bei Zugang der Kündigung am 14. Juni 1991 mit dem 5. Juli 1991 und damit vor Eingang der Klage am 18. Juli 1991 abgelaufen gewesen.
Jedoch könne nicht abschließend entschieden werden, weil zuvor über den noch rechtshängigen Antrag der Klägerin auf nachträgliche Zulassung der Klage gem. § 5 KSchG durch das hierfür allein zuständige Arbeitsgericht befun den werden müsse. Deshalb müsse der Rechtsstreit entgegen dem grundsätzlichen Verbot des § 68 ArbGG an das Arbeitsgericht zurückverwiesen werden.
Dieser Würdigung kann im Ergebnis und in wesentlichen Teilen der Begründung nicht gefolgt werden.
II. Die Revision rügt allerdings erfolglos die Feststellung des Berufungsgerichts zum Zeitpunkt der Entgegennahme des Kündigungsschreibens durch die Angehörigen der Klägerin. Sie meint, daß statt des 14. auch der 15. Juni1991 in Betracht kommen könne. Dies kann zu Gunsten der Klägerin unterstellt werden, weil hiervon die Entscheidung des Rechtsstreits nicht beeinflußt wird. Auch wenn die Kündigung erst an diesem Tag als zugegangen anzuse hen wäre, würde der Sonderkündigungsschutz des § 9 Abs. 1 MuSchG nicht eingreifen, da, wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat, die Schwangerschaft auch erst nach diesem Termin eingetreten ist. Die Klägerin hät te auch die dreiwöchige Klagefrist des § 4 KSchG nicht gewahrt, da diese dann statt am 5. am 8. Juli 1991 – der 6. Juli war ein Samstag – und selbst dann noch vor dem Eingang der Kündigungsschutzklage bei Gericht am 18. J uli 1991 abgelaufen gewesen wäre.
III. Zu Unrecht hat das Berufungsgericht jedoch angenommen, das Kündigungsschreiben sei der Klägerin mit der Übergabe an ihre Mutter zugegangen.
1. Zutreffend ist zunächst der Ausgangspunkt des Berufungsgerichts. Nach § 130 Abs. 1 BGB wird eine unter Abwesenden abgegebene empfangsbedürftige Willenserklärung in dem Zeitpunkt wirksam, in welchem sie dem Empfänger zu geht. Eine schriftliche Willenserklärung ist danach zugegangen, sobald sie in verkehrsüblicher Weise in die tatsächliche Verfügungsgewalt des Empfängers bzw. eines empfangsberechtigten Dritten gelangt ist und für den Empf änger unter gewöhnlichen Verhältnissen die Möglichkeit besteht, von dem Inhalt des Schreibens Kenntnis zu nehmen. Wenn für den Empfänger diese Möglichkeit besteht, ist es unerheblich, wann er die Erklärung tatsächlich zurKenntnis genommen hat oder ob er davon durch Krankheit, zeitweilige Abwesenheit oder andere besondere Umstände zunächst gehindert war; dies gilt auch für eine urlaubsbedingte Abwesenheit (ständige Rechtsprechung des BAG;vgl. zuletzt Senatsurteil vom 2. März 1989 – 2 AZR 275/88 – AP Nr. 17 zu § 130 BGB, z II 1 und 2 der Gründe, m.w.N. aus Rechtsprechung und Schrifttum). Dabei genügt es, wenn der Brief an eine Person ausgehändigt wird, di e nach der Verkehrsauffassung als ermächtigt anzusehen ist, den Empfänger in der Empfangnahme zu vertreten. Es ist nicht erforderlich, daß dem Dritten, der die schriftliche Willenserklärung für den Empfänger entgegennimmt , eine besondere Vollmacht oder Ermächtigung erteilt worden ist. Abzustellen ist auf die Verkehrssitte, so daß die Grundsätze über die sog. Duldungsvollmacht nicht herangezogen zu werden brauchen (Senatsurteil vom 16. Jan uar 1976 – 2 AZR 619/74 – AP Nr. 7 zu § 130 BGB, zu 2 a der Gründe).
2. Wie das Berufungsgericht ferner richtig angenommen hat, werden in Rechtsprechung und Rechtslehre Angehörige des Empfängers bisher dann nach der Verkehrsauffassung als zur Entgegennahme von Erklärungen für den Empfängerermächtigt angesehen, wenn sie in seiner Wohnung leben (vgl. Senatsurteil vom 16. Januar 1976, a.a.O.; RGZ 60, 334, 336; MünchKomm-Förschler, BGB, 2. Aufl., § 130 Rz 16, 17; Palandt/Heinrichs, BGB, 51. Aufl., § 130 Rz 9) . Zu diesem Personenkreis gehören Onkel und Mutter der Klägerin nicht.
3. In Übereinstimmung mit dem Berufungsgericht ist jedoch im vorliegenden Fall die Mutter der Klägerin im Hinblick auf die mit ihr bestehende Hausgemeinschaft sowie ihre Miteigentümerstellung als Empfangsbotin für die Kün digung anzusehen, während dem Onkel allein wegen seiner familienrechtlichen Beziehung zur Klägerin eine solche Stellung nicht eingeräumt werden kann.
a) Die Revision entnimmt der vorstehend zitierten Rechtsprechung eine Einschränkung des Kreises der Empfangsboten auf solche Personen, die im “räumlichen Machtbereich” des Empfängers wohnen. Eine solche Einschränkung hat der Senat bereits in dem – nicht veröffentlichten – Urteil vom 25. August 1978 – 2 AZR 693/76 -, zu II 2 a der Gründe, dort für das Verhältnis des Vermieters zum Mieter als Empfänger, abgelehnt.
Wie in diesem Urteil näher ausgeführt ist, stellt diese Ansicht zu sehr auf sachenrechtliche Vorschriften über den Besitz ab (§§ 854 ff. BGB). Aus dem Urteil vom 16. Januar 1976 (a.a.O.) ergibt sich nicht, daß der Vermiet er im Verhältnis zum Mieter nur dann als Empfangsbote des Mieters anzusehen sei, wenn er als Hauptmieter mit dem Mieter als Untermieter zusammen in einer abgeschlossenen Wohnung lebt. In dem dieser Entscheidung vorangeste llten Leitsatz Nr. 2 ist der “Vermieter” allgemein ohne Einschränkung nach der Verkehrssitte als Empfangsbote des Miters (Empfängers) anerkannt worden. Nur in der Begründung ist darauf hingewiesen worden, daß nach der Ent scheidung RGZ 50, 191, 195 insbesondere auch ein Zimmervermieter als Empfangsbote des Untermieters anzusehen ist. Die Ausrichtung an sachenrechtlichen Besitzvorschriften müßte dazu führen, auch den Hauptmieter im Verhältn is zum Untermieter nicht als Empfangsboten des Untermieters anzusehen, wenn er den Brief in den von ihm bewohnten Räumen entgegennimmt, weil sich der “Machtbereich” des Untermieters auf die von ihm bewohnten Räume beschrä nkt.
Wie bereits im Urteil vom 16. Januar 1976 (a.a.O.) ausgeführt, hängt der nach § 130 BGB anzunehmende Zugang der Kündigung nicht davon ab, ob auch die Vorschriften der Postordnung beachtet worden sind. Die Postordnung kanndie Wirksamkeit des Zugangs nicht abweichend von den Vorschriften des BGB regeln. Jedoch können ihre Regelungen über die Ersatzzustellung zur Bestimmung des Zugangs einer schriftlichen Willenserklärung bei Aushändigung a n einen Dritten dann herangezogen werden, soweit sie aus einer entsprechenden Verkehrssitte erwachsen sind oder darauf beruhen.
Der Senat hat danach die im selben Haus wie die Empfängerin wohnende Schwiegermutter deshalb als Empfangsbotin ihrer Schwiegertochter angesehen, weil sie ihre Vermieterin und darüber hinaus mit ihr verschwägert war. Ein A nzeichen für eine solche Verkehrssitte ist § 51 Abs. 2 Nr. 3 i. V. m. Abs. 3 der Postordnung (PostO) vom 16. Mai 1963, wonach eine Ersatzustellung bei Einschreiben auch an den Vermieter der Wohnung des Empfängers zulässigist. Zum Vermieter i. S. dieser Vorschrift gehört auch der Hauseigentümer als Vermieter im Verhältnis zu den Mietern der Wohnungen in seinem Haus. Diese Regelung hat sich, soweit sie den Vermieter betrifft, aus der Praxi s heraus gebildet (vgl. Florian/Weigert, PostO, § 51 Anm. 4, S. 537 – 538). Es kann dahingestellt bleiben, ob diese räumliche und mietrechtliche Beziehung allein genügt, um den Hauseigentümer als Vermieter stets auch im R ahmen des § 130 BGB als Empfangsboten ihrer Mieter zu behandeln, wenn sie zur Annahme der Postsendung bereit sind. Da es in Häusern mit vielen Mietwohnungen an jedem persönlichen Kontakt zwischen Vermieter und Mietern feh lt, ist zu erwägen, ob die Ersatzzustellung nach der Postordnung an den Vermieter nicht regelmäßig gleichbedeutend mit dem Zugang nach § 130 BGB, sondern weiter erforderlich ist, daß die Postsendung nach den besonderen Um ständen des Einzelfalles auch in den “Lebenskreis” des Empfängers gelangt ist. Das brauchte im damaligen Fall nicht abschließend entschieden zu werden, weil der “Lebenskreis” des Empfängers auch durch die zwischen Schwieg ertochter und Schwiegermutter bestehenden familiären Bindungen bestimmt wird.
b) Gemessen an diesen Grundsätzen ist im vorliegenden Fall zwar nicht der Onkel, wohl aber die Mutter der Klägerin nach der Verkehrsauffassung als zur Entgegennahme des Kündigungsschreibens des Beklagten ermächtigt anzuse hen.
Nach § 51 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. Abs. 3 PostO ist eine Ersatzzustellung bei Einschreiben an Angehörige des Empfängers und damit auch an Eltern und Onkel zulässig, wenn der Empfänger oder sein Ehegatte nicht angetroffen wird (vgl. Eidenmüller, Post- und Fernmeldewesen, Stand Mai 1983, Bd. 1, PostO, § 51; Florian/Weigert, a.a.O., § 51 Anm. 4, S. 536). Nicht erforderlich ist, anders als bei der Ersatzzustellung an Familienangehörige nach § 181 Abs. 1 ZPO, die Übergabe des Schriftstückes in der Wohnung. Jedoch reicht für einen Zugang nach § 130 BGB die bloße verwandtschaftliche Beziehung eines Ersatzempfängers i.S. der postalischen Vorschrift nicht aus. Sie begr ündet noch keinen Machtbereich des Empfängers, innerhalb dessen eine alsbaldige tatsächliche Kenntnisnahme des Empfängers bei normaler Gestaltung seiner Verhältnisse zu erwarten ist. Vielmehr muß noch eine gewisse räumlic he Beziehung, wenn auch nicht im Sinne sachenrechtlicher Vorschriften über den Besitz, hinzukommen, wie sie in dem dem erwähnten Senatsurteil vom 25. August 1978 zugrunde liegenden Fall zwischen Vermieter und Mieter über die mietrechtliche Beziehung hinaus durch das Wohnen im selben Haus hergestellt wurde. Eine solche Beziehung besteht im vorliegenden Fall nicht zwischen der Klägerin und ihrem Onkel, wird aber zu ihrer Mutter durch das Wo hnen im selben Haus vermittelt und durch das Miteigentum der Mutter am Hausgrundstück verstärkt. Mit Recht weist das Berufungsgericht darauf hin, daß die familiäre Bindung weiter dadurch gefestigt wird, daß auch noch der Bruder der Klägerin im selben Haus wohnt.
Reichen diese Umstände aus, die Mutter der Klägerin als deren Empfangsbotin anzusehen, so kommt es auf die weiteren Erwägungen nicht an, die das Berufungsgericht zu den eidesstattlichen Versicherungen der Mutter und des O nkels der Klägerin angestellt hat. Eine Bevollmächtigung der Mutter durch die Klägerin in dem Sinne, daß diese gem. § 164 Abs. 3 BGB als Empfangsvertreterin zu gelten hätte, hat das Berufungsgericht nicht angenommen. Dennes führt aus, die Mutter sei aufgrund der genannten Umstände wie eine zum Haushalt gehörende Familienangehörige zu behandeln. Damit hat es aber nur die Voraussetzung für eine nach der Verkehrsanschauung anzunehmende Ermä chtigung zur Empfangnahme und somit für einen Empfangsboten umschrieben.
4. Gleichwohl ist das Kündigungsschreiben der Klägerin deshalb nicht zugegangen, weil es ihre Mutter an die Postanstalt zurückgeleitet und damit die Annahme verweigert hat.
Lehnt der Empfänger grundlos die Annahme einer Willenserklärung ab, so muß er sich allerdings nach Treu und Glauben gem. § 242 BGB jedenfalls dann so behandeln lassen, als sei ihm das Schreiben im Zeitpunkt der Ablehnung zugegangen, wenn er im Rahmen vertraglicher Beziehungen mit rechtserheblichen Mitteilungen – wie z. B. die Klägerin im Hinblick auf ihren eigenmächtigen Urlaubsantritt – rechnen muß (BGH Urteil vom 27. Oktober 1982 – V ZR24/82 – NJW 1983, 929; MünchKomm-Förschler, a.a.O., § 130 Rz 28). Verhindert jedoch ein nur als Empfangsbote in Betracht kommender Dritter durch Annahmeverweigerung den Zugang der Willenserklärung, so kann dies dem Adres saten nicht zugerechnet werden, wenn er hierauf keinen Einfluß hat (vgl. RAG Urteil vom 4. Februar 1941 – RAG 157/40 – DR 1941, 1796, 1797; LAG Hamm Beschluß vom 5. August 1981 – 8 Ta 124/81 – MDR 1981, 965; Ennecerus/Nip perdey, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, Zweiter Halbband, 15. Aufl., S. 978 Fn 19). Er muß sich die Erklärung in diesem Fall nur dann als zugegangen gegen sich gelten lassen, wenn der Dritte im Einvernehmen mit ihm bewußt die Entgegennahme verweigert und damit den Zugang vereitlet (RAG, a.a.O.).
In dieser Richtung hat das Berufungsgericht im vorliegenden Fall jedoch keine Feststellungen getroffen. Wie ausgeführt, hat es die Mutter der Klägerin nicht als Empfangsvertreterin gem. § 164 Abs. 3 BGB angesehen, so daß die Klägerin sich das Handeln ihrer Mutter nicht nach § 166 Abs. 1 BGB zurechnen lassen muß. Es hat auch nicht festgestellt, daß die Mutter etwa in Absprache mit ihrer Tochter gehandelt hat. Selbst der Beklagte hat in denVorinstanzen eine solche konkrete Absprache nicht behauptet und unter Beweis gestellt, sondern in der Berufungsbegründung nur eine aus den Gesamtumständen in dieser Richtung gezogene Schlußfolgerung und damit nur eine Ve rmutung vorgetragen.
5. Die Klägerin hat den Zugang der Kündigung auch nicht auf sonstige Weise treuwidrig vereitelt. Der Beklagte war weder durch ihre und ihres Ehemannes Abwesenheit noch die fehlende Bereitschaft der Angehörigen zur Entgege nnahme des Kündigungsschreibens daran gehindert, den Zugang der Kündigung zu bewirken. Hierfür hätte der Einwurf in den Wohnungsbriefkasten der Klägerin genügt, da ein an die Heimatadresse des Arbeitnehmers gerichtetes Kü ndigungsschreiben diesem auch dann zugeht, wenn dem Arbeitgeber die Urlaubsabwesenheit bekannt ist (BAGE 58, 9 = AP Nr. 16 zu § 130 BGB). Der Beklagte hätte sich hierzu, wie später bei den erfolglos gebliebenen Zustellver suchen, eines Boten bedienen und damit gleichzeitig ein Beweismittel verschaffen können.
IV. Ist die Kündigung somit erst am 5. Juli 1991 durch Übergabe des Kündigungsschreibens an den Ehemann der Klägerin zugegangen, so scheitert sie an § 9 Abs. 1 a. F. MuSchG.
Danach ist eine Kündigung unwirksam, wenn sie während der Schwangerschaft der Arbeitnehmerin zugeht. Diese Voraussetzung ist erfüllt. Das Berufungsgericht hat in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. Urteil vom 27. Oktober 1983 – 2 AZR 566/82 – AP Nr. 14 zu § 9 MuSchG 1968) zutreffend als Schwangerschaftsbeginn den 25. Juni 1991 ermittelt. Es hat ferner im unstreitigen Teil des Tatbestandes seines Urteils und damit für den Senat gem. § 561 Abs. 1 ZPO bindend festgestellt (Berufungsurteil S. 3/4), am 5. August 1991 sei bei ihr eine in der fünften Woche bestehende Schwangerschaft festgestellt worden, und darüber habe sie den Prozeßbevollmächtigten des Beklagten am selben Tag unterrichtet. Damit hat sie ihre Schwangerschaft auch unverzüglich nach Kenntnisnahme dem Arbeitgeber mitgeteilt, wie dies für den Erhalt des Sonderkündigungsschutzes nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts auch vor der Neuregelung gem. § 9 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 MuSchG durch das Erste Gesetz zur Änderung des Mutterschutzgesetzes vom 3. Juli 1992 (BGBl. I S. 1991) erforderlich war (BAGE 43, 331 sowie Urteil vom 27. Oktober 1983 – 2 AZR 214/82 – AP Nr. 12 und 3 zu § 9 MuSchG 1968).
Das der Klage stattgebende arbeitsgerichtliche Urteil war deshalb wiederherzustellen.