LEITSATZ “1. Auch beim Arbeitsverhältnis gibt es eine Anfechtung nach dem BGB, jedoch nur mit einer ex-nunc-Wirkung.
2. Auch beim Arbeitsverhältnis einer Schwangeren kann der Arbeitgeber seine bei der Einstellung abgegebene Willenserklärung nach §§ 119, 123 BGB anfechten.
3. Nicht jede unwahre Beantwortung einer in einem Einstellungsfragebogen gestellten Frage ist eine arglistige Täuschung im Sinne des § 123 BGB, sondern nur eine falsche Antwort auf eine zulässigerweise gestellte Frage.
4. Nach Vorstrafen darf der Arbeitsplatzbewerber bei der Einstellung nur gefragt werden, wenn und soweit die Art des zu besetzenden Arbeitsplatzes dies erfordert.”
GRÃNDE Tatbestand:
Die Klägerin war vom 12. April 1955 in der Kreditschutzabteilung der Beklagten als Stenotypistin mit einem Monatsgehalt von 330,- DM tätig, und zwar zunächst bis zum 12. Juli 1955 auf Probe, sodann auf unbestimmte Zeit. Bei ihrer Einstellung hatte sie die im Personalbogen gestellte Frage nach Vorstrafen verneinend beantwortet. Sie war aber durch Urteil der GroÃen Strafkammer I des Landgerichts Hamburg vom 24. März 1955 zusammen mit ihrem Vater und Bruder wegen Zugehörigkeit zu einer verbotenen Vereinigung (FDJ) nach § 129 a StGB unter Zubilligung einer Bewährungsfrist zu einer Gefängnisstrafe von zwei Monaten verurteilt worden. Sie hatte zwar gegen diesesUrteil Revision einlegen, aber nicht begründen lassen, so daà ihre Revision durch Beschluà vom 9. Juni 1955 als unzulässig verworfen wurde. AuÃerdem hatte sie in ihrem der Beklagten vorgelegten Bewerbungsschreiben zur Er klärung für eine Lücke in ihren Beschäftigungsdaten angegeben, sie sei von 1947 bis 1949 krank gewesen; tatsächlich war sie in dieser Zeit in der sowjetisch besetzten Zone gewesen und hatte an der Arbeiter- und Bauernfaku ltät der Universität Halle studiert. Als die Gerichtskasse in Hamburg wegen einer Kostenschuld in Höhe von 94,73 DM bei der Beklagten den Lohn der Klägerin pfändete, zog diese Erkundigungen nach dem Grunde dieser Schuld e in und erfuhr am 3. März 1956, einem Sonnabend, von der Bestrafung der Klägerin. Sie erklärte daraufhin am folgenden Montag, dem 5. März 1956, die Anfechtung des Arbeitsvertrages mit folgendem Schreiben:
“… Wie wir erfahren, sind Sie am 24. März 1955 vom Landgericht Hamburg zu einer Gefängnisstrafe von zwei Monaten verurteilt worden. Trotzdem haben Sie bei Ihrem Arbeitsantritt am 12. April 1955 auf die in dem von Ihnen ausgefüllten Fragebogen ausdrücklich gestellte Frage nach einer Vorstrafe mit “nein” geantwortet. Sie haben uns damit arglistig getäuscht; die arglistige Täuschung hat uns zum Abschluà des Arbeitsverhältnisses mit Ihnen b estimmt. Bei Kenntnis Ihrer Vorstrafe wären Sie niemals eingestellt worden.
Wir fechten deshalb hiermit den mit Ihnen geschlossenen Arbeitsvertrag wegen Irrtums und arglistiger Täuschung an; das Vertragsverhältnis ist dadurch mit sofortiger Wirkung aufgelöst. Die Ihnen noch zustehenden Leistungenwerden Ihnen bei Empfang dieses Schreibens ausgehändigt; in Ihrem Besitz befindliche Gegenstände unseres Hauses sind sofort zurückzugeben.
Das Betreten unseres Hauses ist für Sie künftig verboten.”
Die Klägerin war, als sie dieses Schreiben erhielt, schwanger, was sie bereits im November 1955 der Beklagten mitgeteilt hatte und worauf sie diese nach Erhalt des Schreibens nochmals hinwies.
Eine Genehmigung des in Baden-Württemberg durch Delegation gemäà § 9 II MuSchG zuständigen Gewerbeaufsichtsamtes zu dieser Lösung vom Arbeitsvertrage hat die Beklagte nicht eingeholt.
Die Klägerin klagt gegen die Beklagte mit dem Antrage festzustellen, daà das Arbeitsverhältnis fortbestehe. Sie sieht in dem Schreiben vom 5. März 19546 eine Kündigung. Aber wenn man es als Anfechtung ansehen wolle, so wi rke die Anfechtung eines Arbeitsvertrages doch nicht in die Vergangenheit, sondern nur in die Zukunft, sei also praktisch einer Kündigung gleichzustellen und unterliege den gleichen Beschränkungen wie eine Kündigung. EineKündigung der Klägerin sei aber nach dem MuSchG nur mit der – von der Beklagten nicht eingeholten – Zustimmung des Gewerbeaufsichtsamts möglich. Sie spricht der Beklagten das Recht ab, Fragen nach den Vorstrafen der Stel lenbewerber zu stellen. AuÃerdem sei sie, so meint die Klägerin, zur Zeit ihrer Einstellung noch gar nicht bestraft gewesen, weil das Urteil noch keine Rechtskraft besessen habe. Ferner stelle es eine solche Frage in eine m Fragebogen gar nicht auf politische Vorstrafen ab; jedenfalls habe sie, die Klägerin, durch ihre Verneinung nur zum Ausdruck bringen wollen, daà sie nicht im landläufigen Sinn wegen Diebstahls u.ä. vorbestraft worden se i. Obendrein habe sie bei der Verschweigung der Vorstrafe in Wahrnehmung berechtigter Interessen gehandelt.
Die Beklagte hält an der von ihr erklärten Anfechtung fest. Diese sei auch nicht in eine Kündigung umzudeuten. Sie hätte die Klägerin, wenn sie von der Bestrafung gewuÃt hätte, niemals eingestellt. Nach Eintritt der Kläge rin seien in ihrem Betrieb Flugblätter verteilt worden; diese Flugblattpropaganda gehe wahrscheinlich auf die Klägerin zurück.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Eine arglistige Täuschung der Klägerin hat es verneint, da das Strafverfahren zur Zeit der Ausfüllung des Fragebogens noch nicht rechtskräftig abgeschlossen gewesen sei. Das “In-ein-Strafverfahren-verwickelt-sein” stelle zwar eine wesentliche Eigenschaft einer Person im Sinne des § 119 Abs. 2 BGB dar, aber es gebe im Arbeitsverhältnis keine rückwirkende Anfechtung, und die in die Zukunft wirk ende Anfechtung sei praktisch eine Kündigung und unterliege daher auch dem Zustimmungserfordernis des § 9 MuSchG.
Die Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht zurückgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, daà es für den Arbeitsvertrag überhaupt keine Anfechtung, auch keine Anfechtung nur in beschränktem Rahmen, gebe. Das Landesarbeitsgericht entwickelt seine Ansicht aus der Bestimmung des § 123 Ziff. 1 GewO, nach der ein gewerblicher Arbeitnehmer nur dann fristlos entlassen werden kann, wenn er bei Abschluà des Arbeitsvertrages den Arbeitgeber durch Vorzeigen falscher oder gefälschter Zeugnisse hintergangen hat. Jede andere Form des Eingehungsbetruges stelle somit keinen Grund zur fristlosen Auflösung des Arbeitsverhältnisses dar. § 123 Ziff. 1 GewO stelle – so führt das angefochtene Urteil aus -, jedenfalls für den gewerblichen Arbeiter, die Spezialnorm dar, die als die sozialere und sachgerechtere vor der Anfechtungsregelung des späteren BGB den Vorzug verdien e. Aus dieser Bestimmung sei auch für alle sonstigen Arbeitnehmer, die nicht gewerbliche Arbeiter seien, zu entnehmen, daà es neben der Kündigung nicht noch eine Anfechtung gebe. Bei allen einem besonderen Bestandsschutz unterworfenen Arbeitsverhältnissen gebe es mangels einer Anfechtungsmöglichkeit auch bei Eingehungsbetrug des Arbeitnehmers nur eine Kündigung mit Zustimmung der für die Zustimmungserteilung zuständigen Verwaltungsstelle.Die Klägerin habe sich in den zehn Monaten ihrer Beschäftigung gut bewährt. Gewähre man aber nach den Vorschriften des BGB eine Anfechtung, so sei diese trotz Bewährung des Arbeitnehmers auch noch bis zum Ablauf von 30 J ahren möglich.
Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision weist die Beklagte vornehmlich darauf hin, daà der Bestandsschutz des MuSchG und ähnlicher einen Bestandsschutz enthaltender Gesetze einen wirksam zustande gekommenenVertrag voraussetze, also bei einem anfechtbaren und wirksam angefochtenen Vertrage entfalle. Das Landesarbeitsgericht übersehe bei seinen Ausführungen zu § 123 Ziff. 1, daà die Regelung im § 123 GewO seit Schaffung des § 124 a GewO (Kündigung aus wichtigem Grund) nicht mehr erschöpfend sei und man daher aus ihr auch keine weiteren Schlüsse ziehen könne. Es handele sich hier auch nicht nur um eine kleine belanglose politische Vorstrafe. Das Landesarbeitsgericht hätte noch auf den Vortrag der Beklagten im Schriftsatz vom 20. April 1956 zu Ziff. 1 betreffend die im Betriebe verteilten kommunistischen Handzettel und den mündlichen Vortrag in der Berufungsin stanz betreffend die gleichzeitig in dem kommunistischen Zeitungsorgan “Volksstimme” in Stuttgart erschienenen Artikel eingehen müssen. Jedenfalls habe die Beklagte jegliches Vertrauen, das sie zunächst in die Klägerin ge setzt habe und das für einen bankmäÃigen Betrieb Voraussetzung für eine gedeihliche Zusammenarbeit sei, verloren.
Entscheidungsgründe:
I. Entgegen den Ausführungen des angefochtenen Urteils hat der Senat die erste Frage des Rechtsstreits, ob es neben der Kündigung des Arbeitsverhältnisses noch eine Anfechtung der das Arbeitsverhältnis begründenden Willen serklärungen gibt, bejaht.
Grundsätzlich gelten alle Vorschriften des Allgemeinen Teils des BGB auch für das Arbeitsverhältnis; nur soweit sie mit dem Wesen und dem Inhalt des Arbeitsverhältnisses als eines Rechtsverhältnisses besonderer Art unvere inbar sind, sind sie unanwendbar.
Unanwendbar auf das Arbeitsverhältnis ist, wie der Senat bereits in seinem zur Veröffentlichung bestimmten Urteil vom 15. November 1957 in 1 AZR 189/57 entschieden hat, die rückwirkende Beseitigung eines (wegen Formversto Ães) nichtigen, aber bereits zur Ausführung gelangten Arbeitsverhältnisses. Aus dem gleichen Grund gilt auch für das durch Anfechtung nichtig gewordene Arbeitsverhältnis der in § 142 BGB angeordnete rückwirkende Wegfall d er angefochtenen Willenserklärung, der seinerseits wieder die zum Vertragsschluà erforderliche Willensübereinstimmung beseitigt, nicht (so Hueck-Nipperdey, Lehrbuch des Arbeitsrechts, 6. Aufl., Bd. I, § 32 III S. 171 Nipp erdey bei Staudinger, Kommentar zum BGB, 10. Aufl., § 611 Anm. 96 und 97; Nikisch, Arbeitsrecht, 2. Aufl., Bd. I, S. 192 ff.; Herschel, Die Anfechtung von Arbeitsverhältnissen, BB 53, S. 1069; Hueck, Die Auflösung eines f ehlerhaften Arbeitsverhältnisses, BB 52, S. 263, derselbe in AP 54 Nr. 85; LAG Hamm, AP 51 Nr. 1; LAG Frankfurt, RdA 49, 469; LAG Mannheim, RdA 52, 80; a.A. Schlegelberger-Schröder, HGB, § 66 Anm. 1).
Aber nur diese Rückwirkung gilt nicht. Im übrigen bleibt das Institut der Anfechtung neben der Kündigung bestehen. Wenn auch beide Rechtsbehelfe im Ergebnis zu einer Auflösung des Vertrages führen, so haben sie doch durch aus verschiedene juristische Funktionen und sind in ihren Voraussetzungen und Wirkungen durchaus voneinander verschieden. Die Kündigung ergreift das Rechtsverhältnis im ganzen, die Anfechtung betrifft die Willenserklärungeines Teils, und nur, weil, wenn eine Willenserklärung fehlt, damit auchdas gesamte Vertragsverhältnis entfällt, wirkt sie auf das Vertragsverhältnis ein. Die Anfechtung dient dazu, den Anfechtenden von den Folgen eine r Willenserklärung zu befreien, die auf einem Willensmangel beruht; hingegen hat die Kündigung die Aufgabe, ein nachträglich krank oder sinnlos gewordenes Rechtsverhältnis für die Zukunft zu beseitigen (so Herschel, a.a.O .). Die Anfechtung setzt einen Grund voraus, der vor oder bei Abschluà des Vertrages vorlag, die auÃerordentliche Kündigung einen im Laufe des Arbeitsverhältnisses entstandenen Grund. Ein und derselbe Grund kann nur dann sowohl für Anfechtung als auch für Kündigung in Frage kommen, wenn ein bei Eingehung des Arbeitsverhältnisses vorhandener Grund auch noch für die Dauer des Arbeitsverhältnisses wirkt (z.B. Unehrlichkeit, der Fall des § 12 3 Ziff. 1 GewO). Es liegt hier ein ähnlicher Unterschied vor, wie bei der Auflösung der Ehe zwischen Aufhebungs- und Scheidungsgründen besteht.
Die Wirkung der Anfechtung besteht in der Vernichtung der Willenserklärung. Diese Wirkung hat sie auch beim Arbeitsverhältnis. Die Beschränkung, die für das Arbeitsverhältnis die ex-tunc-Wirkung ausschlieÃt, ist keine Bes chränkung der die Willenserklärung vernichtenden Wirkung der Anfechtung. Vielmehr ist es die durch die Anfechtung herbeigeführte Nichtigkeit, die sich nur in Richtung auf die Zukunft entfaltet (so Herschel, a.a.O.). Auch bei dem von vornherein nichtigen, aber bereits verwirklichten Arbeitsverhältnis hat regelmäÃig die Berufung auf die Nichtigkeit nur Wirkungen für die Zukunft (vgl. das oben zitierte, zur Veröffentlichung bestimmte Urteil des Senats vom 15. November 1957). Ist die Nichtigkeit durch eine Anfechtung ausgelöst, so kann es nicht anders sein. Wenn beim Arbeitsverhältnis die Anfechtung der Willenserklärung des einen Vertragspartners nur für die Zukunft Bedeutung hat, so handelt es sich dabei nicht um eine Besonderheit der Anfechtung, sondern ergibt sich allgemein aus den Folgen, die in der Regel ein nichtiges bereits verwirklichtes Arbeitsverhältnis hat. Wie dieauf Gesetz beruhende von Anfang an bestehende Nichtigkeit von einer durch Kündigung herbeizuführenden Beendigung begrifflich zu scheiden ist, so muà auch die durch Anfechtung herbeigeführte Nichtigkeit begrifflich von de r durch Kündigung für die Zukunft herbeizuführenden Beendigung geschieden werden. Allein schon diese Erkenntnis verbietet es, die Anfechtung beim Arbeitsverhältnis als Kündigung zu betrachten oder auch nur zu bezeichnen ( vgl. Herschel, a.a.O.).
Nicht einmal in ihren äuÃeren praktischen Folgen decken sich Anfechtung und Kündigung. So hat der Anfechtende nach MaÃgabe des § 122 BGB seinem Partner den Vertrauensschaden zu ersetzen, während es eine ähnliche Bestimmun g für die Kündigung nicht gibt (vgl. Herschel, a.a.O.).
Angesichts dieser in Voraussetzung und Wirkung erheblichen Unterschiede, die hiernach zwischen der Anfechtung eines der beiden das Arbeitsverhältnis begründenden Willenserklärungen einerseits und der Kündigung des Arbeits verhältnisses andererseits bestehen, ist es nicht gerechtfertigt, mit dem Landesarbeitsgericht aus einer die fristlose Kündigung regelnden Bestimmung der GewO (§ 123 Ziff. 1) den Schluà zu ziehen, daà durch diese für das Arbeitsverhältnis der gewerblichen Arbeiter und darüber hinaus noch aller übrigen der GewO gar nicht unterstehenden Arbeitnehmer die Anfechtung wegen Willensmängel nach MaÃgabe der §§ 119 ff. BGB ausgeschlossen sei. Dem s teht auch entgegen, daà die GewO aus der Zeit vor dem BGB stammt und durch ihre Regelung nicht in das Anfechtungsrecht des – späteren – BGB eingreifen wollte und konnte.
II. Ist aber beim Arbeitsverhältnis neben der Kündigung eine Anfechtung nicht ausgeschlossen, dann ist für die Auflösung des Arbeitsverhältnisses einer Schwangeren durch Anfechtung keine Zustimmung nach § 9 MuSchG erforde rlich. Denn wie der Senat bereits in seinem Urteil vom 27. November 1956 in 1 AZR 540/55 (AP Nr. 2 zu § 4 MuSchG) entschieden hat, gibt es Mutterschutz nur für einen wirksam zustande gekommenen Vertrag. Wie es keinen Zwan g zum Abschluà eines Arbeitsvertrages mit einer Schwangeren gibt, so können die Bestimmungen des MuSchG auch nicht dafür herangezogen werden, daà ein von Anbeginn an fehlerhafter Vertrag zugunsten der Schwangeren rechtlic h als gültig zu betrachten wäre. Der Sinn des MuSchG ist es, der werdenden Mutter den Arbeitsplatz und ihre wirtschaftliche Versorgung zu gewährleisten, nicht dagegen die Eingehung eines Arbeitsvertrages selbst, d.h. den Erwerb des Arbeitsplatzes unter allen Umständen und unter Inkaufnahme aller Vertragsmängel zu sichern (vgl. das oben zitierte Urteil; Bulla, MuSchG, § 9 Anm. 32 und LAG Hamburg, ARSt, Bd. VI, Nr. 332). Die Anfechtung wirdalso durch das MuSchG nicht ausgeschlossen, wie übrigens auch – entgegen den insoweit unrichtigen Ausführungen des angefochtenen Urteils – es Mieterschutz nur bei einem rechtmäÃig zustande gekommenen, d.h. nicht bei eine m wirksam angefochtenen Mietvertrag gibt (vgl. Bettermann, Kommentar zum MieterschutzGes. § 1 Anm. 8 – 10).
III. Aber nicht jede falsche Angabe in einem dem Arbeitnehmer bei der Einstellung vorgelegten Fragebogen stellt eine arglistige Täuschung im Sinne des § 123 BGB dar, sondern nur eine falsche Antwort auf eine zulässigerwei se gestellte Frage. Indiskrete Befragungen z.B. könnten als ein Einbruch in die rechtlich zu schützende Individualsphäre des Arbeitnehmers unzulässig und daher ihre wahrheitswidrige Beantwortung nicht arglistig sein.
Nach Vorstrafen des Bewerbers darf in Personalbogen nicht einschränkungslos gefragt werden (a.A. Endemann, BB 53, 266), schon um die Resozialisierung der Gestrauchelten nicht unnötig zu erschweren und den sich redlich um einen Arbeitsplatz bemühenden Vorbestraften nicht in unnötige Gewissenskonflikte zu bringen, die übrigens der Gewissenlose weniger als der Anständige haben wird. Nicht für jede Tätigkeit ist die Vorstrafe eines Bewerbers ein beachtliches Hindernis. Sicherlich wird man nicht denjenigen zum Bankkassierer machen, der schon mehrfach wegen Unterschlagung bestraft worden ist, und eine wegen kommunistischer Betätigung vorbestrafte Stenotypistin wird man nicht im Verfassungsschutzamt, den aus § 175 StGB Bestraften nicht als Jugendpfleger, den wegen Trunkenheit am Steuer Bestraften nicht als Chauffeur einstellen. Aber es gibt eine Anzahl von Tätigkeiten, die ein V orbestrafter durchaus ausüben kann. Es kommt stets auf den zu besetzenden Arbeitsplatz an (vgl. hierzu auch RAG in ARS 36, 147; LAG in ARS 29, 190; 33, 98 und den Beschluà des Zweiten Senats in 2 AZR 317/55 vom 20. Septem ber 1955). Je nach Art des zu besetzenden Arbeitsplatzes darf entweder nach Vorstrafen auf vermögensrechtlichem Gebiet (so etwa beim Bankkassierer) oder nach Vorstrafen auf politischem Gebiet (bei Angestellten des Verfass ungsschutzamts), nach verkehrsrechtlichen Vorstrafen (beim Chauffeur) usw. gefragt oder auch nicht gefragt werden. Es darf jedenfalls nicht schlechthin ohne sinnvolle Beschränkung auf das für den zu besetzenden Arbeitspla tz wichtige Strafrechtsgebiet gefragt werden. Bei der Fragestellung muà auch zum Ausdruck kommen, daà Strafen, die der Tilgung oder der beschränkten Auskunft unterliegen, nicht mitgenannt zu werden brauchen. Wenn der Bewe rber eine ihm sonach unzulässigerweise gestellte Frage nach Vorstrafen wahrheitswidrig verneint, so stellt das keine Arglist dar.
Aus diesem Grunde war hier eine arglistige Täuschung der Klägerin zu verneinen. Für den Posten einer Stenotypistin in einer Bausparkasse mit einem Monatsgehalt von 330,- DM war die Erforschung des gesamten Vorlebens der B ewerberin in strafrechtlicher Hinsicht nicht erforderlich. Die Beklagte hat nicht vorgetragen, daà die Klägerin eine über die normale Tätigkeit einer Stenotypistin hinausgehende Beschäftigung, etwa eigene Entscheidungsbef ugnis, gehabt hätte. Es konnte sonach die durchaus zweifelhafte Frage offen bleiben, ob die Klägerin überhaupt dadurch, daà sie die Frage nach den Vorstrafen verneint hat, eine wahrheitswidrige Angabe gemacht hat, da ja i m Zeitpunkt ihrer Befragung ihre Verurteilung noch nicht rechtskräftig war.
Daà sie die Beklagte nach Rechtskraft nicht unterrichtet hat, ist ohne Bedeutung für den Rechtsstreit, da in der Unterlassung einer solchen Mitteilung, die ja dann nach Vertragsschluà hätte erfolgen müssen, höchstens ein Kündigungsgrund, aber kein bei Vertragsschluà vorhanden gewesener Anfechtungsgrund liegen würde.
Scheidet aber hiernach eine Anfechtung wegen arglistiger Täuschung aus, so kommt auch eine Anfechtung aus § 119 BGB nicht in Betracht, stellt für den hier in Rede stehenden Arbeitsplatz noch keine verkehrswesentliche Eige nschaft dar.
Soweit die Klägerin in ihrem Bewerbungsbogen unklare Angaben zur Verdeckung ihres sowjetzonalen Aufenthalts gemacht hat, hat die Beklagte, als sie dies in ihrer Berufungsbegründung vortrug, weder daraufhin eine neue Anfechtung ausgesprochen noch auch nur erklärt, daà sie die alte Anfechtung jetzt auch auf diesen Tatbestand stützen wolle.
Auf die von der Beklagten aufgestellten Behauptungen über die Verteilung von Flugblättern im Betrieb brauchte das Landesarbeitsgericht nicht einzugehen. Denn selbst wenn die Klägerin, was übrigens die Beklagte nicht einmal mit hinreichender Bestimmtheit behauptet, die Urheberin war, so würde hierin nur ein Kündigungsgrund, aber kein Anfechtungsgrund liegen.
Die Revision muÃte daher zurückgewiesen werden.