LEITSATZ “Gibt eine transsexuelle Person, deren Geschlechtsumwandlung nach §§ 8, 10 TSG noch nicht erfolgt ist, bei Einstellungsverhandlungen ihr wahres Geschlecht ungefragt nicht an, so liegt darin im Hinblick auf den Schutzzweck des Transsexuellengesetzes keine rechtswidrige arglistige Täuschung (§ 123 BGB). Es kann jedoch eine Anfechtung wegen Irrtums über eine verkehrswesentliche Eigenschaft der Person (§ 119 Abs. 2 BGB) in Betracht kommen.”
GRÜNDE Tatbestand:
Die Klägerin war seit dem 2. Oktober 1989 aufgrund schriftlichen Vertrages vom 18. Oktober 1989 als Arzthelferin für den Beklagten zu einem Monatsgehalt von 2.150,– DM brutto tätig. Die Kündigungsfrist war mit einem Monat zum Monatsende vereinbart.
Die Klägerin ist transsexuell veranlagt. Ihr Vorname wurde durch inzwischen rechtskräftigen Beschluß des Amtsgerichts Schöneberg vom 27. September 1988 auf der Grundlage des Transsexuellengesetzes von Michael in Michaela geändert. Dagegen ist die gerichtliche Feststellung der Zugehörigkeit der Klägerin zum weiblichen Geschlecht bislang noch nicht erfolgt, weil der dazu erforderliche operative Eingriff an den äußeren, männlichen Geschlechtsmerkmalen noch nicht vorgenommen wurde. In dem im Namensänderungsverfahren erstatteten Gutachten des Prof. Dr. R. heißt es, daß bei der Klägerin eine psycho-sexuelle Ausrichtung ihrer Identität vom männlichen zum weiblichen Geschlecht vorliege, was differenzialdiagnostisch als Transsexualität zu bezeichnen sei; die gegengeschlechtliche Orientierung habe sich bei der Klägerin seit der Kindheit vollzogen; die Klägerin sei in ihren alltäglichen Lebenszusammenhängen und in ihren entsprechenden Verhaltensausrichtungen von der unbedingten Gewißheit bestimmt, dem weiblichen Geschlecht zuzugehören. Ihr bisheriger und auf die Zukunft gerichteter Lebensentwurf seisowohl in beruflicher wie in partnerschaftlicher Perspektive auf ein Leben als Frau ausgerichtet.
Über die Geschlechtszugehörigkeit der äußerlich als Frau auftretenden Klägerin wurde bei der Einstellung nicht gesprochen.
Der Beklagte führt als Chirurg eine sogenannte Durchgangspraxis mit einem hohen Anteil türkischer Patienten, und zwar sowohl männlichen wie auch weiblichen Geschlechts. Er beschäftigt regelmäßig neben einer Sekretärin undeiner Krankengymnastin drei Arzthelferinnen und zwei Auszubildende. Ende 1989 verabreichte der Beklagte der Klägerin auf deren Bitten eine Hormonspritze zum Zwecke der Brustvergrößerung. Ende der dritten Januarwoche 1990kam es zwischen den Parteien zu einem Gespräch, in dessen Verlauf die Klägerin dem Beklagten ihre Transsexualität offenbarte.
Mit Schreiben vom 23. Januar 1990 kündigte der Beklagte daraufhin der Klägerin zum Ende des Monats ohne Angabe von Gründen. Durch ein weiteres Schreiben seines Prozeßbevollmächtigten vom 30. Januar 1990, das dem Prozeßbev ollmächtigten der Klägerin am folgenden Tag zuging, ließ der Beklagte außerdem die Anfechtung des Arbeitsvertrages wegen Täuschung über das Geschlecht der Klägerin erklären.
Mit ihrer Klage wendet sich die Klägerin gegen eine Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses vor Ablauf der vereinbarten Kündigungsfrist. Sie hat ursprünglich behauptet, sich bereits am 28. Oktober 1989 mit dem Beklagten übe r ihre Transsexualität unterhalten zu haben, wobei der Beklagte ihr sogar einen befreundeten Arzt für plastische Chirurgie zur Durchführung der noch ausstehenden Operation empfohlen habe. Dazu hat die Klägerin die Auffass ung vertreten, die ohnehin verspätete Anfechtung des Arbeitsvertrages greife auch deshalb nicht durch, weil sie den Beklagten nicht getäuscht habe: Sie sei dem weiblichen Geschlecht zugehörig und dürfe auch einen weiblich en Vornamen führen; sie trage ein weibliches Erscheinungsbild, lebe seit 1985 in der weiblichen Geschlechtsrolle und habe auch ihre Ausbildung in einem Frauenberuf gemacht. Auch ein außerordentlicher Kündigungsgrund sei n icht gegeben, zumal niemand in der Praxis etwas bemerkt habe und auch nach dem Gespräch mit dem Beklagten nichts habe zu merken brauchen. Da der Beklagte die Kündigungsfrist nicht eingehalten habe, bestehe das Arbeitsverh ältnis bis zum 28. Februar 1990 fort.
Die Klägerin hat beantragt
festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis weder durch die Anfechtungserklärung vom 30. Januar 1990 noch durch die Kündigung vom 23. Januar 1990 aufgelöst wurde, sondern bis zum 28. Februar 1990 fortbestanden habe.
Der Beklagte hat sich mit seinem Klageabweisungsantrag darauf berufen, er sei durch die Klägerin arglistig getäuscht worden. Erstmals Mitte Januar 1990 habe er von der Klägerin erfahren, daß sie organisch ein Mann sei. Al s Mann hätte er die Klägerin nie eingestellt. Auf einen Anruf habe der vorherige Arbeitgeber der Klägerin bestätigt, dieser habe von der Transsexualität ebenfalls nichts gewußt. Die weibliche Eigenschaft einer Arzthelferi n sei für seine tägliche Praxisarbeit von erheblicher Bedeutung, weil bei einem Großteil der türkischen Patientinnen der Ehemann bei der Behandlung anwesend sei, wobei eine Täuschung über die Geschlechtszugehörigkeit nachdem Selbstverständnis dieses Personenkreises zu katastrophalen Reaktionen führen könne. Das Recht der Klägerin auf ihre Intimität finde jedenfalls seine Grenze an den Rechten der Patienten, die ihren Intimbereich durch E ntkleiden und Erklärungen preisgäben. Die andersartigen Einstellungen türkischer Mitbürger müßten geachtet werden.
Nachdem er von der Transsexualität der Klägerin erfahren habe, habe er nicht sofort gekündigt, weil er sich zunächst mit seiner Ehefrau, die ebenfalls Ärztin sei, besprochen habe. Nachdem er dann am Montag, den 22. Januar1990, gemeint habe, Auffälligkeiten im Verhalten der Klägerin beobachten zu können, habe er ihr erklärt, das Arbeitsverhältnis beenden zu wollen. Da die Klägerin ab dem nächsten Tag arbeitsunfähig krank geschrieben gewes en sei, habe er ihr das Kündigungsschreiben sodann mit der Post übersandt. Nach Beratung mit seinem Prozeßbevollmächtigten, der zunächst ortsabwesend gewesen sei, sei dann auch noch die Anfechtung des Arbeitsverhältnisseserfolgt.
Das Arbeitsgericht hat nach dem Klageantrag erkannt und zur Begründung ausgeführt, die Klägerin habe den Beklagten nicht über ihre Geschlechtszugehörigkeit getäuscht, weil sie sich nur ihrer Veranlagung gemäß verhalten ha be. Da die transsexuelle Prägung zu den intimsten Dingen des betroffenen Menschen gehöre, habe für die Klägerin keine Offenbarungspflicht bestanden. Die Klägerin habe auch mehrere Monate unbeanstandet gearbeitet, ohne daßihre Transsexualität und ihr körperlicher Zustand aufgefallen wären. Deshalb habe auch nicht die Gefahr bestanden, daß Patienten des Beklagten von diesen Umständen erfahren hätten. Die Einhaltung der ordentlichen Kündigu ngsfrist sei dem Beklagten jedenfalls zumutbar gewesen.
Auf die Berufung des Beklagten hat das Landesarbeitsgericht die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision erstrebt die Klägerin die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Der Bekla gte bittet um Zurückweisung der Revision und stellt zusätzlich den Antrag, festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis über den 31. Januar 1990 hinaus nicht fortbestanden habe.
Entscheidungsgründe:
Die Revision der Klägerin ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung (§ 565 ZPO), weil der Senat nicht abschließend entscheiden kann, ob das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht a ufgrund einer Anfechtung wegen eines Eigenschaftsirrtums i. S. des § 119 Abs. 2 BGB oder aufgrund der vorhergegangenen Kündigung sein Ende gefunden hat. Dabei wird aufzuklären sein, ob nach der vorausgegangenen Kündigung des Beklagten vom 23. zum 31. Januar 1990 am 30./31. Januar 1990 überhaupt noch eine Anfechtung des Arbeitsvertrages möglich war. Eine wirksame Anfechtung nach § 123 BGB kommt jedenfalls aus Rechtsgründen nicht in Betrach t.
Die vom Senat als Anschlußrevision (§ 556 ZPO) gewertete, negative Feststellungsklage des Beklagten ist unzulässig.
I. Das Landesarbeitsgericht hat seine Entscheidung im wesentlichen wie folgt begründet: Der Beklagte sei nach § 123 BGB wegen arglistiger Täuschung zur Anfechtung des Arbeitsvertrages berechtigt gewesen. Die Klägerin habegewußt, weder biologisch eine Frau zu sein noch rechtlich über das Tragen eines weiblichen Vornamens hinaus als Frau zu gelten; deshalb habe sie den Beklagten, der eine Frau habe einstellen wollen, vorsätzlich getäuscht.Die Geschlechtszugehörigkeit werde nämlich nach dem Transsexuellengesetz erst mit dem verändernden operativen Eingriff vollendet. Die vorsätzliche Täuschung sei auch arglistig. Denn das Recht der Klägerin auf Schutz ihre r Persönlichkeitsrechte könne gegenüber den Interessen des Beklagten nicht als vorrangig anerkannt werden. Jedenfalls gelte dies für den Beruf der Arzthelferin, weil der Arzt auch das Selbstbestimmungsrecht der Patienten zu schützen habe. Wenn die Klägerin den Beruf einer Arzthelferin gewählt habe, dann sei sie es ja, die für sich in Anspruch nehme, in den Intimbereich ihrer Mitmenschen eindringen zu dürfen, was jedoch über die Inanspruch nahme von Toleranz gegenüber der eigenen Art zu leben weit hinausgehe. Dies gelte, weil der Beklagte ambulante Operationen auch im Intimbereich, u. a. bei Beschneidungen vornehme. Der Beklagte habe die Klägerin nur deshal b als Arzthelferin eingestellt, weil sie bei ihrer Bewerbung als Frau aufgetreten sei; einen Mann hätte er nach seiner glaubhaften Darstellung nicht eingestellt, was die Klägerin auch nicht in Abrede gestellt habe.
Die Anfechtung sei auch nicht wegen vorheriger Bestätigung der anfechtbaren Vertragserklärung ausgeschlossen, denn der Beklagte habe bei seiner Parteivernehmung eine frühere Kenntnis von der Transsexualität in Abrede gest ellt. Nach seiner glaubhaften Schilderung sei Ende 1989 im Zusammenhang mit der Erteilung der Hormonspritze von einer operativen Geschlechtsumwandlung nicht die Rede gewesen. Daß der Beklagte schließlich die Klägerin am M ontag, dem 22. Januar 1990, noch in Kenntnis der Sachlage weiterbeschäftigt habe, habe er glaubhaft damit begründet, er habe sich erst durch gezielte Beobachtung vergewissern wollen, ob sich im Verhalten der Klägerin den Patienten gegenüber Auffälligkeiten zeigten, was er dann auch meinte bemerkt haben zu können. Auch in der Kündigung mit einer Frist zum Monatsende sei kein Bestätigungswille zu sehen, zumal die Klägerin aufgrund ihrer Kra nkschreibung ohnehin nicht mehr an ihrem Arbeitsplatz zurückzuerwarten gewesen sei; auch habe der Beklagte sich aus Rücksicht auf den weiteren beruflichen Werdegang der Klägerin offenbar damit begnügt, das Arbeitsverhältn is noch kurze Zeit bis zum Monatsende bestehen zu lassen. Deren Weiterbeschäftigung mit büromäßigen oder organisatorischen Tätigkeiten sei nicht möglich gewesen, weil der Beklagte dafür bereits eine Sekretärin eingestellthabe. Mit Zugang der Anfechtungserklärung sei deshalb das Arbeitsverhältnis der Parteien beendet.
II. Dem vermag der Senat nicht zu folgen. Im Hinblick auf die Regelungen im Transsexuellengesetz (TSG) vom 10. September 1980 (BGBl. I, 1654) kann von einer arglistigen Täuschung bei Vertragsschluß nicht die Rede sein, sodaß der Beklagte nach § 123 BGB nicht zur Anfechtung des Arbeitsvertrages berechtigt war.
1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (seit BAGE 5, 159 = AP Nr. 2 zu § 123 BGB) kann der Arbeitsvertrag auch durch Anfechtung gemäß § 123 Abs. 1 BGB beendet werden. Das Anfechtungsrecht wird grun dsätzlich nicht durch das Recht zur außerordentlichen Kündigung verdrängt. Der Tatbestand der arglistigen Täuschung erfordert in objektiver Hinsicht, daß der Täuschende durch Vorspiegelung oder Entstellung von Tatsachen b eim Erklärungsgegner einen Irrtum erregt und ihn hierdurch zur Abgabe einer Willenserklärung veranlaßt. Die Täuschung muß sich auf objektiv nachprüfbare Umstände beziehen; subjektive Werturteile genügen nicht (Soergel/Hef ermehl, BGB, 12. Aufl., § 123 Rdn. 3; Staudinger/Dilcher, BGB, 12. Aufl., § 123 Rdn. 4).
a) Die Täuschung kann durch positives Tun, also insbesondere durch Behaupten, Unterdrücken oder Entstellen von Tatsachen erfolgen. Sie kann aber auch in dem Verschweigen von Tatsachen bestehen, sofern der Erklärende zur O ffenbarung der fraglichen Tatsache verpflichtet ist. Dies gilt auch im Zusammenhang mit der Anbahnung von Arbeitsverhältnissen. Wird der Arbeitnehmer bei der Einstellung nach dem Vorliegen einer bestimmten Tatsache befrag t, so ist er – falls die Frage zulässig ist – zu deren wahrheitsgemäßer Beantwortung verpflichtet (BAGE 11, 270; 49, 214 = AP Nr. 15 und 30 zu § 123 BGB). Ein Fragerecht wird dem Arbeitgeber nur insoweit zugestanden, als er ein berechtigtes, billigenswertes und schutzwürdiges Interesse an der Beantwortung seiner Frage für das Arbeitsverhältnis hat (BAGE 51, 167 = AP Nr. 31 zu § 123 BGB). Ohne eine entsprechende Frage des Arbeitgebers muß der Arbeitnehmer von sich aus nur auf solche Tatsachen hinweisen, deren Mitteilung der Arbeitgeber nach Treu und Glauben erwarten darf (Soergel/Hefermehl, aaO., § 123 BGB Rdn. 6; Staudinger/Dilcher, aaO., § 123 BGB Rdn. 7 ; MünchKomm-Kramer, BGB, 2. Aufl., § 123 Rdn. 14 ff.).
b) Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist eine Offenbarungspflicht des Arbeitnehmers an die Voraussetzung gebunden, daß die verschwiegenen Umstände dem Arbeitnehmer die Erfüllung der arbeitsvertraglichen Le istungspflicht unmöglich machen oder sonst für den in Betracht kommenden Arbeitsplatz von ausschlaggebender Bedeutung sind (BAGE 15, 261 = AP Nr. 6 zu § 276 BGB Verschulden bei Vertragsabschluß; Senatsurteil vom 25. März 1976 – 2 AZR 136/75 – AP Nr. 19 zu § 123 BGB; BAGE 49, 214 = AP Nr. 30 zu § 123 BGB; BAGE 59, 285 = AP Nr. 1 zu § 8 MuSchG 1968; vgl. auch Wiedemann, Festschrift für Herschel, 1982, S. 463, 468; Hofmann, ZfA 1975, 1, 48; Conze, Anm. zu AP Nr. 32 zu § 123 BGB). Wie in der Rechtsprechung des BAG weiter anerkannt ist (seit BAGE 5, 159 = AP Nr. 2 zu § 123 BGB), stellt nicht jede falsche Angabe bei der Einstellung eine arglistige Täuschung i. S. des § 123 BGB dar, sondern nur eine falsche Antwort auf eine zulässigerweise gestellte Frage. Vorstrafen brauchen z. B. nach § 51 BZRG in der Fassung vom 21. September 1984 (BGBl. I, 1229) nicht offenbart zu werden, we nn sie gemäß § 30 BZRG nicht in ein polizeiliches Führungszeugnis aufzunehmen sind (Hofmann, ZfA 1975, 59 f.). Ferner ist entschieden (BAG Urteil vom 15. Januar 1970 – 2 AZR 64/69 – AP Nr. 7 zu § 1 KSchG Verhaltensbedingt e Kündigung), daß Fragen nach Vorstrafen unrichtig beantwortet werden dürfen, wenn die Art des zu besetzenden Arbeitsplatzes dies nicht erfordert.
In der Literatur (vgl. Erman/Brox, BGB, 8. Aufl., § 123 Rdn. 20; Staudinger/Dilcher, BGB, 12. Aufl., § 123 Rdn. 26 f.; Palandt/Heinrichs, BGB, 50. Aufl., § 123 Rdn. 10) wird dies dahin verstanden, in diesen Fällen sei dieTäuschung nicht rechtswidrig; bei der Abfassung des § 123 BGB sei die Widerrechtlichkeit ausdrücklich nur bei der Drohung, nicht auch für die Täuschung – weil dort selbstverständlich – normiert worden; sie entfalle aber bei Rechtfertigungsgründen.
2. Die Klägerin hat den Beklagten vorliegend nicht rechtswidrig getäuscht. Die Revision rügt zu Recht, das Landesarbeitsgericht habe nicht ausreichend die besondere Stellung der Klägerin nach dem TSG und ihren Zustand, de r insbesondere durch das Privileg der Vornamensänderung erleichtert werden solle, berücksichtigt.
a) Die Klägerin hat allerdings mit ihrem Erscheinungsbild den Beklagten objektiv über ihr Geschlecht getäuscht, zumal eine Änderung ihrer Geschlechtszugehörigkeit nach §§ 8, 10 TSG noch nicht erfolgt ist. Das TSG geht dav on aus, dem Transsexuellen solle bei seiner Geschlechtsidentifizierung im sozialen Leben in zwei Stufen geholfen werden (vgl. Begründung zum Entwurf des TSG, BT-Drucks. 8/2947, S. 11, 12). Das Gesetz sieht insofern eine s ogenannte “kleine” und eine “große” Lösung vor (erste Beratung des TSG, Verhandlungen des Deutschen Bundestages, 8. Wahlperiode, S. 13169, 13170). Nach der ersteren werden nur die Vornamen eines volljährigen Transsexuelle n geändert. Von dem Antragsteller wird dabei nicht verlangt, sich einer geschlechtsverändernden Operation unterzogen zu haben. Der Transsexuelle erhält damit die Möglichkeit, in der Rolle des anderen Geschlechts aufzutret en, ohne zu unveränderbaren Entscheidungen gedrängt zu werden. Bei der “großen Lösung” ist auf Antrag die gerichtliche Feststellung vorgesehen, daß eine Person als dem anderen Geschlecht zugehörig anzusehen ist. Dafür wir d insbesondere verlangt, daß sich der Betroffene einem operativen Eingriff unterzogen hat. Von der Rechtskraft dieser Feststellung an richten sich die vom Geschlecht abhängigen Rechte und Pflichten allgemein nach dem ande ren Geschlecht.
b) Die Klägerin gilt biologisch noch als Mann (§ 10 TSG), während sie sich durch ihr Auftreten beim Beklagten unstreitig als Frau ausgegeben hat. Dies erscheint jedoch im Hinblick auf Sinn und Zweck des TSG, insbesondere § 5 TSG – mit dieser Vorschrift setzt sich das Landesarbeitsgericht nicht auseinander – gerechtfertigt. Auf Antrag der Klägerin ist durch rechtskräftigen Beschluß des Amtsgerichts Schöneberg vom 27. September 1988 ihr Vor name auf der Grundlage des TSG in Michaela geändert, vorerst also die sogenannte “kleine Lösung” verwirklicht worden. Deren Sinn ist es, dem Transsexuellen die Möglichkeit zu eröffnen, auch schon vor der irreversiblen “gr oßen Lösung” frühzeitig in der Rolle des anderen Geschlechts aufzutreten (Begründung zum Regierungsentwurf, BT-Drucks. 8/2947, S. 12 zu 2.5.). Dies ist in den Beratungen des Gesetzentwurfs u. a. damit begründet worden (vg l. Staatssekretär von Schoeler, Verhandlungen des Deutschen Bundestages, 8. Wahlperiode, S. 13169 und Abgeordneter Dr. Meinecke, ebenda, S. 13173), der betroffene Personenkreis habe bei der Wohnungssuche, bei Arbeitsplatz suche, beim Abschluß von Verträgen, beim Grenzübertritt und sonstigen Behördenkontakten unsagbare Schwierigkeiten. Es gehe um ein Problem des personalen Selbstverständnisses, das sich in der Geschlechtsrolle und in der Ge schlechtsidentität manifestiere. Es gelte, dem Unverständnis und der Unwissenheit bei Mitbürgern zu begegnen, wenn sie als sogenannte Normale diese Menschen als sexuell abartig ansähen, wozu die öffentliche Berichterstatt ung mit entsprechender Bebilderung und Titeln beitrage.
Entgegen dem damaligen Votum des Bundesrates (vgl. BT-Drucks. 8/2947, Anl. 2, S. 18 ff.) ist die sogenannte “kleine Lösung” Gesetz geworden. Auch bei der zweiten und dritten Lesung des Gesetzentwurfs ist gerade zur Unters tützung der sogenannten “kleinen Lösung” betont worden (Abgeordneter Wolfgramm, Verhandlungen des Deutschen Bundestages, 8. Wahlperiode, S. 17736), es gehe um einen Beitrag für die Betroffenen u. a. im juristischen Bereic h, nämlich z. B. beim Arbeitsplatzwechsel, bei der Arbeitsplatzsuche, im Sozialbereich, um ihnen die Möglichkeit zu geben, die Indentitätsfindung wenigstens zu einem Teil zu erreichen.
c) Im Hinblick auf diese Entstehungsgeschichte erscheint schon die Auffassung des Landesarbeitsgerichts kaum haltbar, die Klägerin habe gewußt, weder biologisch eine Frau zu sein, noch rechtlich über das Tragen des weibli chen Vornamens hinaus als Frau zu gelten; deshalb habe sie den Beklagten vorsätzlich und arglistig getäuscht. Die Revision rügt demgegenüber zutreffend, das Landesarbeitsgericht habe nicht ausreichend berücksichtigt, daß die Klägerin sich dem weiblichen Geschlecht zugehörig fühle und seit spätestens 1985 als Frau auftrete und bestrebt sei, ihren seelischen Zustand mit ihrem äußeren Erscheinungsbild in Einklang zu bringen. Wie aus § 5 TSG insofern zusätzlich zu entnehmen ist, soll die transsexuelle Person hinsichtlich der Vornamensänderung vor einer grundlosen Aufdeckung der von ihr vorher geführten Vornamen geschützt werden (Reg.-Entwurf, BT-Drucks. 8/294 7, S. 14). Dem dürfte es widersprechen, wenn sie bei Bewerbungen – zumindest ungefragt und ohne nähere Kenntnis, daß eine vollständige weibliche Identität unabdingbare Voraussetzung für eine Einstellung sei – ihre “vergan gene” Identität offenlegen müßte. Da die Tendenz der Klägerin, ihren seelischen Zustand mit ihrem äußeren Erscheinungsbild in Einklang zu bringen, durch das TSG – wie ausgeführt – unterstützt wird, wäre ihr subjektiv eineTäuschungsabsicht und Arglist wohl nicht nachzuweisen. Dafür wäre jedenfalls der Beklagte als der Anfechtende darlegungs- und beweisbelastet (vgl. BGH Urteil vom 13. Mai 1957 – II ZR 56/56 – NJW 1957, 988; BGH Urteile vo m 17. Oktober 1960 – VII ZR 196/59 – und 22. Oktober 1976 – V ZR 247/75 – LM Nr. 23 und 47 zu § 123 BGB). Darauf braucht der Senat jedoch nicht entscheidend abzustellen.
d) Jedenfalls wäre eine objektiv vorliegende Täuschung nicht rechtswidrig im eingangs (oben II 1) geschilderten Sinne. Selbst wenn man davon ausgeht, eine vollständige weibliche Identität sei für den in Betracht kommendenArbeitsplatz als Arzthelferin in der Praxis des Beklagten von ausschlaggebender Bedeutung (zu diesem Begriff vgl. BAGE 15, 261 = AP Nr. 6 zu § 276 BGB Verschulden bei Vertragsabschluß; BAGE 49, 214 = AP Nr. 30 zu § 123 B GB; BAGE 59, 285 = AP Nr. 1 zu § 8 MuSchG 1968), durfte die Klägerin im Hinblick auf §§ 1, 5 TSG im Rechtsverkehr als Frau auftreten und den Mangel an weiblicher Identität ungefragt verschweigen. Bestand schon für den in § 5 TSG angesprochenen Personenkreis keine Offenbarungspflicht, dann um so weniger für die Klägerin selbst. Ob eine solche Offenbarungspflicht dann bestanden hätte, wenn die Klägerin ausdrücklich nach ihrer weiblichen Ide ntität gefragt worden wäre, ist nicht zu entscheiden. Ihre Handlungsweise gegenüber dem Beklagten bei Vertragsschluß wird durch die Sonderregelung des Transsexuellengesetzes erlaubt.
Der Senat teilt insofern die in der Literatur (oben II 1) vertretene Auffassung, wonach eine Anfechtung wegen Arglist nach § 123 BGB unausgesprochen eine Rechtswidrigkeit voraussetzt. Der BGB-Gesetzgeber ist in der Tat (v gl. Motive bei Mugdan, Die gesamten Materialien zum BGB, Bd. 1, S. 965) davon ausgegangen, die Rechtswidrigkeit sei bei der arglistigen Täuschung selbstverständlich. Er hat also die Fälle rechtmäßiger Täuschung – vor alle m im Arbeitsverhältnis – nicht gesehen, so daß diese Lücke des Gesetzes durch teleologische Reduktion zu schließen ist (ebenso Neumann-Duesberg, UFiTA (Bd. 36) 1962, 113; derselbe JR 1967, 1 f.; von Lübtow in Entwicklungs tendenzen im Wirtschafts- und Unternehmensrecht – Festschrift Bartholomeyczik 1973, 275; Hofmann, ZfA 1975, 60 f.). Die Norm des § 123 BGB ist insofern zu weit gefaßt, als sie die Fälle einer an sich arglistigen, aber rec htlich erlaubten Täuschung mit umfaßt. Davon ist im Grunde auch die frühere Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. z. B. Urteil vom 15. Januar 1970 – 2 AZR 64/69 – AP, aaO.) ausgegangen, wenn sie auch – etwas unsc harf – bereits die arglistige Täuschung als solche verneinte. Schon Herschel (in Anm. zu dieser Entscheidung) hat zutreffend darauf hingewiesen, das Problem liege darin, ob und bejahendenfalls wann dem unrichtig antworten den Arbeitnehmer ein Rechtfertigungsgrund zur Seite stehe. Ein solcher Rechtfertigungsgrund liegt hier vor.
3. Scheidet aber ein Anfechtung wegen arglistiger Täuschung nach § 123 BGB aus, so wäre die Klage gleichwohl erfolglos (§ 563 ZPO), wenn eine Anfechtung nach § 119 Abs. 2 BGB durchgreifen würde.
a) Eine Anfechtung des Arbeitsvertrages käme nach dieser Bestimmung in Betracht, wenn beim Beklagten ein Irrtum über solche Eigenschaften der Person der Klägerin vorgelegen hätte, die im Verkehr als wesentlich angesehen werden. Der Irrtum nach § 119 Abs. 2 BGB kann als ein einseitiger Eigenschaftsirrtum oder als ein ausnahmsweise beachtlicher Eigenschaftsirrtum oder als ein ausnahmsweise beachtlicher Motivirrtum aufgefaßt werden (vgl. zur dogmatischen Grundlegung, Larenz, Allgemeiner Teil des BGB, 7. Aufl., § 20 II b; MünchKomm-Kramer, aaO., § 119 Rdn. 89 ff.; Staudinger/Dilcher, BGB, 12. Aufl., § 119 Rdn. 45). Auch in der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist der Irrtum über Eigenschaften der Person anerkannt, so daß bei einer begründeten Anfechtung das Arbeitsverhältnis entfällt (BAGE 20, 298 = AP Nr. 2 zu § 119 BGB; BAGE 5, 159 = AP Nr. 2 zu § 123 BGB; BAG Urteil vom 28. März 1974 – 2 AZR 92/73 – AP Nr. 3 zu § 119 BGB, m. Anm. von Küchenhoff und aus neuerer Zeit Senatsurteil vom 20. Februar 1986 – 2 AZR 244/85 – BAGE 51, 167 = AP Nr. 31 zu § 123 BGB, zu II der Gründe).