BAG: Keine Aufhebung des Gleichbehandlungsgrundsatzes durch Tarifvorrang gem. § 6 Abs. 1 BeschFG

BAG, AZ 3 AZR 173/92, Urteil vom 28.07.92

LEITSATZ “1. Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz verbietet die sachfremde Differenzierung zwischen Arbeitnehmern in einer bestimmten Ordnung. Eine Gruppenbildung muß sachlichen Kriterien entsprechen. Eine Differenzierung ist dann sachfremd, wenn es für die unterschiedliche Behandlung keine billigenswerten Gründe gibt (ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, vgl. zuletzt Urteil des Senats vom 12. November 1991 – 3 AZR 489/90 – zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen).

2. § 2 Abs. 1 BeschFG konkretisiert das Gebot der Gleichbehandlung für den Bereich der Teilzeitarbeit. Eine unterschiedliche Behandlung von Arbeitnehmern allein wegen der Teilzeitarbeit ist unzulässig. Sachliche Gründe, die eine unterschiedliche Behandlung von Teilzeitkräften gestatten, müssen anderer Art sein, etwa auf Arbeitsleistung, Qualifikation, Berufserfahrung oder unterschiedlichen Anforderungen am Arbeitsplatz beruhen.

3. Das Verbot einer Ungleichbehandlung ohne sachliche Rechtfertigung galt auch in Bezug auf Teilzeitbeschäftigte nicht erst seit dem Inkrafttreten des Beschäftigungsförderungsgesetzes am 1. Mai 1985. § 2 Abs. 1 BeschFG konkretisiert lediglich ohnehin geltendes Recht.

4. a) Die Geltung des Gleichbehandlungsgrundsatzes wird nicht durch den Tarifvorrang gem. § 6 Abs. 1 BeschFG aufgehoben. Die Bestimmung gestattet es den Tarifvertragsparteien nicht, Teilzeitarbeitnehmer ohne sachlichen Grund schlechter zu behandeln.

b) Der Grundsatz der Vertragsfreiheit steht dem Anspruch auf Gleichbehandlung dann nicht entgegen, wenn der Arbeitgeber Leistungen nicht individuell, sondern nach einem erkennbaren Prinzip nach formell abstrakten Regeln gewährt.

5. Der allgemeine und vollständige Ausschluß unterhalbzeitig und unter 18 Wochenstunden beschäftigter Arbeitnehmer von tariflich vorgesehenen Leistungen ist unwirksam, wenn dafür nicht sachlich billigenswerte Gründe bestehen.

a) Eine tarifliche Regelung als solche stellt noch keinen sachlichen Grund für einen ungerechtfertigten Ausschluß von Arbeitnehmergruppen von tariflichen Leistungen dar. Die Gestaltungsfreiheit der Tarifvertragsparteien h at ihre Grenzen im übergeordneten zwingenden Recht.

b) Der Ausschluß teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer von der Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst ist nicht deshalb gerechtfertigt, weil ein System einer kaufkraftstabilen Gesamtversorgung entwickelt wurde.

c) Der Anspruch der teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes auf eine anteilige Gesamtversorgung scheitert nicht an einem fehlenden Versorgungsbedarf.

6. Hat der Arbeitgeber teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer unter Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes von der Zusatzversorgung ausgeschlossen, so ist er verpflichtet, den Arbeitnehmern eine gleichwertige Versorgung z u verschaffen. Kann der Arbeitnehmer nicht nachversichert werden, so muß der Arbeitgeber selbst eintreten.

7. Der Anspruch des Arbeitnehmers setzt nicht voraus, daß der Arbeitgeber schuldhaft gehandelt hat. Der Arbeitnehmer, der Gleichbehandlung begehrt, verlangt nicht Schadenersatz, sondern Erfüllung des Anspruchs auf Gleichb ehandlung.

8. Der Arbeitnehmer kann verlangen, daß der Grundsatz der Gleichbehandlung von Beginn des Arbeitsverhältnisses an beachtet wird, auch wenn er Jahre zurückliegt, die Folgen der Verletzung sich aber erst heute zeigen. Die R echtslage ließ kein schutzwürdiges Vertrauen darauf entstehen, daß teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer ohne sachlichen Grund benachteiligt werden dürfen.

9. Es bleibt offen, ob Arbeitnehmer, deren Arbeitszeit unter der Geringfügigkeitsgrenze gem. § 8 SGB IV lag, eine Zusatzversorgung verlangen können.”

GRÜNDE Tatbestand:

Die Klägerin verlangt von dem beklagten Land eine monatliche Rente. Sie will so gestellt werden, wie wenn sie bei der Versicherungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL) versichert gewesen wäre.

Die Klägerin ist am 27. Juli 1931 geboren. Sie ist ausgebildete Damenschneiderin. Seit dem 15. August 1967 war sie bei dem beklagten Land als Lehrerin beschäftigt. Anfänglich unterrichtete sie zwei und anschließend vier S tunden pro Woche. Ab 1. September 1972 leistete sie wöchentlich acht und ab 1. Februar 1975 zwölf Unterrichtsstunden. Die Klägerin unterrichtete zuletzt in dem Fach “Textiles Gestalten” an der Grundschule H. und der Reals chule B. Beide Parteien sind tarifgebunden.

Die Klägerin erhielt eine Vergütung nach Jahreswochenstunden. Durch Urteil vom 27. März 1990 hat das Arbeitsgericht Hildesheim (2 Ca 515/39) das beklagte Land verurteilt, der Klägerin eine anteilige Vergütung der VergGr. IV b BAT, tarifliches Urlaubsgeld und die tarifliche Zuwendung zu zahlen. Das Urteil ist rechtskräftig.

Am 31. Juli 1991, nach Vollendung ihres 60. Lebensjahres, trat die Klägerin in den Ruhestand. Seit dem 1. August 1991 bezieht sie Altersruhegeld aus der gesetzlichen Rentenversicherung.

Wegen ihrer Wochenarbeitszeit von weniger als der Hälfte der tariflichen Wochenarbeitszeit und weniger als 18 Stunden in der Woche wurde die Klägerin zunächst nicht zur Zusatzversorgung bei der VBL angemeldet. Erst ab 1. April 1991 wurde sie nach einer entsprechenden Änderung des BAT, des ihn ergänzenden Versorgungstarifvertrags und der Satzung der VBL angemeldet.

Die Klägerin hat geltend gemacht, das beklagte Land müsse sie so stellen, wie sie stünde, wenn. sie vom 1. September 1972 an bei der VBL versichert worden wäre. Die daraus resultierende anteilige Zusatzrente müsse das Lan d ihr ab 1. August 1991 zahlen. Zwar könne sie ihren Anspruch nicht auf eine mittelbare Frauendiskriminierung stützen, da im Land Niedersachsen der Anteil der unter halbzeitig beschäftigten Frauen unter dem der Männer gel egen habe. Der Ausschluß der teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmer verstoße jedoch gegen den allgemeinen Gleichheitssatz der Verfassung (Art. 3 Abs. 1 GG), den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz und – seit dem 1. Mai 1985 – gegen das Verbot der unterschiedlichen Behandlung von Teilzeitkräften gemäß § 2 Abs. 1 BeschFG.

Die Klägerin hat beantragt festzustellen, daß das beklagte Land verpflichtet sei, ihr beginnend mit den 1. August 1991, eine monatliche Rente in der Höhe zu zahlen, die zu zahlen wäre, wenn sie in der Zeit vom 1. Septembe r 1972 bis zum 31. Juli 1991 bei der VBL versichert gewesen wäre, und zwar nebst 4 % Zinsen ab jeweiliger Fälligkeit.

Das beklagte Land hat beantragt, die Klage abzuweisen. Es hat die Auffassung vertreten, die unterschiedliche Behandlung entsprechend den bis zum 31. März 1991 geltenden tariflichen Regelungen sei zulässig gewesen. Bis zu diesem Zeitpunkt habe für die Klägerin keine Versicherungspflicht bestanden. Erst die Änderung des Versorgungstarifvertrags mit Wirkung vom 1. April 1991 und die entsprechende Änderung der Satzung der VBL hätten dazu gefü hrt, daß Arbeitnehmer mit weniger als 18 Wochenstunden bis zur Grenze der geringfügigen Beschäftigung im Sinne des § 8 SGB IV zur Zusatzversorgung anzumelden seien. Es sei sachgerecht gewesen, Arbeitnehmer mit weniger alsder Hälfte der regelmäßigen Wochenarbeitszeit bzw. 18 Wochenstunden von der Zusatzversorgung auszuschließen. Der Tarifvertrag selbst sei der sachliche Grund.

Ein Arbeitgeber, der einen Tarifvertrag durchführe, handle nicht unsachlich oder gar willkürlich. Die Tarifvertragsparteien hätten im Rahmen ihrer verfassungsrechtlich garantierten Tarifhoheit die Befugnis, Rechtsnormen z u setzen. Sie hätten ursprünglich ein beamtenähnliches Versorgungssystem schaffen wollen. Ein solches System habe sich für teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer nicht geeignet. Bei solchen Arbeitnehmern fehle es regelmäßig aneiner entsprechenden Dienst- und Treuepflicht sowie einer beamtenähnlichen Lebensarbeitszeit. Erst allmählich habe sich das tarifliche Versorgungssystem aus diesem Zusammenhang gelöst. Außerdem seien die unterhälftig bzw . mit weniger als 18 Wochenstunden beschäftigten Arbeitnehmer nicht schutzbedürftig. Ihre Versorgung werde in der Regel anderweitig sichergestellt. Auch das Arbeitsförderungsgesetz ziehe dieselben Grenzen für den Anspruchauf Arbeitslosengeld wie der BAT für seinen Geltungsbereich (vgl. §§ 101, 102 AFG). Im übrigen scheide ein Schadenersatzanspruch aus, weil ein tarifgebundener Arbeitgeber, der nichts anderes tue als das geltende Tarifrec ht anzuwenden, nicht schuldhaft handele. Zudem sei es rechtlich und tatsächlich unmöglich, der Klägerin eine Versicherung zu verschaffen, die derjenigen bei der VBL entspreche. Das Land selbst könne nicht verpflichtet wer den, eine solche Versicherung einzurichten.

Das Arbeitsgericht hat der Klage teilweise stattgegeben; es hat festgestellt, das beklagte Land sei verpflichtet, die Klägerin so zu stellen, als sei sie vom 1. Mai 1985 bis zum 31. Juli 1991 bei der VBL versichert worden . Das Berufungsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen und auf die Berufung des beklagten Landes die Klage insgesamt abgewiesen. Dagegen richtet sich die Revision der Klägerin, die ihr ursprüngliches Klagezie l – Gleichstellung für die Zeit vom 1. September 1972 bis zum 31. Juli 1991 – weiterverfolgt.

Entscheidungsgründe:

Die Revision ist begründet. Die Klägerin kann von dem beklagten Land verlangen, so gestellt zu werden,, als wäre sie seit dem 1. September 1972 bei der VBL versichert worden.

A. Die Klage ist zulässig.

1. Die Klägerin begehrt die Feststellung einer Zahlungspflicht des beklagten Landes. Diese Klage ist auf das Bestehen eines Rechtsverhältnisses i. S. d. § 256 Abs. 1 ZPO gerichtet.

Ein Feststellungsantrag gegen den öffentlichen Dienstgeber reicht aus, selbst wenn es der Klägerin möglich wäre, einen bezifferten Zahlungsantrag zu stellen. Das beklagte Land muß auch aufgrund eines Feststellungsurteils leisten. Eines Vollstreckungstitels bedarf es nicht. Zudem kommt es der Klägerin nicht darauf an, daß das beklagte Land selbst zahlt. Es geht ihr allein um die Feststellung, daß das beklagte Land Schuldnerin der geltend g emachten Versorgungsverbindlichkeiten ist, gleichgültig wie diese abgewickelt wird.

2. Der Antrag ist auch hinreichend bestimmt (§ 253 Abs. 2 ZPO): Das Zahlungsbegehren ist zeitlich begrenzt auf die Zeit ab 1. August 1991. Die Elemente für die Berechnung des Anspruchs sind hinreichend deutlich beschriebe n; die Klägerin will so gestellt werden, als sei sie als Teilzeitbeschäftigte entsprechend der von ihr tatsächlich erbrachten Stundenzahlen in der Zeit vom 1. September 1972 bis zum 31. Juli 1991 bei der VBL versichert ge wesen. Hieraus läßt sich ein anteiliger Versorgungsanspruch der Klägerin entsprechend den Leistungsbestimmungen der VBL ermitteln.

B. Die Klage ist auch begründet. Das beklagte Land muß der Klägerin eine Versorgung verschaffen, wie sie die Klägerin beziehen würde, wenn sie seit dem 1. September 1972 bei der VBL versichert worden wäre.

I. Der Anspruch hat seine Grundlage in dem arbeitsrechtlichen Grundsatz der Gleichbehandlung. Die Klägerin kann verlangen, mit denjenigen Arbeitnehmern des beklagten Landes gleichgestellt zu werden, die Vollzeitarbeit ode r in einem größeren Umfang als die Klägerin Teilzeitarbeit geleistet haben und deswegen Versorgungsansprüche erwerben konnten. Das beklagte Land darf die Klägerin nicht wegen ihres geringeren Maßes an Teilzeitarbeit schle chter stellen. Für die Zeit ab 1. Mai 1985 folgt der Anspruch der Klägerin aus § 2 Abs. 1 BeschFG.

1. Die Klägerin kann ihren Anspruch allerdings nicht unmittelbar auf vertragliche oder tarifvertragliche Regelungen stützen.

a) Individuelle Versorgungszusagen scheiden aus. Die Dienstverträge der Klägerin mit dem beklagten Land sahen eine zusätzliche Altersversorgung nicht vor.

b) Auch aus den für das Land Niedersachsen geltenden tariflichen Bestimmungen des BAT und des ergänzenden Versorgungstarifvertrags in den bis zum 31. März 1991 geltenden Fassungen kann die Klägerin keinen Anspruch auf Zus atzversorgung herleiten. Zwar sind beide Parteien tarifgebunden (§ 4 Abs. 1 TVG), jedoch waren gemäß § 3 q BAT bis zum 31. März 1991 Mitarbeiter mit weniger als 18 Wochenstunden Arbeitszeit von der Geltung des Tarifvertra gs ausgeschlossen. § 5 VersTV und die Satzung der VBL sahen bis zu diesem Zeitpunkt die Versicherung von Arbeitnehmern mit einer geringeren wöchentlichen Arbeitszeit nicht vor (zur tariflichen Entwicklung vgl. Berger/Kief er, Das Versorgungsrecht für die Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes, Stand 1. Juli 1991, § 5 VersTV Rz 6 a und 6 b). Erst der 20. Änderungstarifvertrag zum Versorgungstarifvertrag vom 16. März 1991 senkte mit Wirkung vom 1. April 1991 die Versicherungspflicht bis zur Grenze der geringfügigen Beschäftigung im Sinne des § 8 SGB IV (vgl. auch hierzu Berger/Kiefer, aaO., § 5 VersTV Rz 1).

c) Die Klägerin hat unstreitig in der streitbefangenen Zeit vom 1. September 1972 bis zum 31. Juli 1991 mit acht bzw. zwölf wöchentlichen Unterrichtsstunden weniger als 18 Stunden wöchentlicher Arbeitszeit, jedoch mehr al s eine geringfügige Tätigkeit im Sinne des § 8 SGB IV erbracht. Die Anmeldung der Klägerin zur VBL ab 1. April 1991 hat keinen Versorgungsanspruch mehr begründen können; die Klägerin konnte bis zum Eintritt in den Ruhesta nd die Wartezeit von 60 Umlagemonaten (§ 38 Abs. 1 VBL-Satzung) nicht mehr erfüllen.

2. Der Anspruch der Klägerin folgt jedoch aus dem allgemeinen arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz und, für die Zeit ab 1. Mai 1985, aus dem Verbot der Ungleichbehandlung von teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmern g em. § 2 Abs. 1 BeschFG.

a) Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz verbietet sowohl die sachfremde Schlechterstellung einzelner Arbeitnehmer gegenüber anderen Arbeitnehmern in vergleichbarer Lage als auch die sachfremde Differenzierung zwischen Arbeitnehmern in einer bestimmten Ordnung. Eine Gruppenbildung muß sachlichen Kriterien entsprechen. Eine Differenzierung ist dann sachfremd, wenn es für die unterschiedliche Behandlung keine billigenswerten Grün de gibt (ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, vgl. zuletzt Urteil des Senats vom 12. November 1991 – 3 AZR 489/90 – zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen; Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, 7. Aufl. , § 112 I 5 und II, S. 862 ff., m.w.N.).

Dieser dem Privatrecht zuzuordnende allgemeine Gleichbehandlungsgrundsatz ist inhaltlich bestimmt durch den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Der Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gehört nach der Rechts prechung des Bundesverfassungsgerichts dem vorstaatlichen überpositiven Recht an (BVerfGE 1, 208, 233; 6, 84, 91), Er gewährt dem einzelnen ein subjektives öffentliches Recht gegen den Staat auf Rechtsgleichheit. An ihn s ind Gesetzgebung, Rechtsprechung und Verwaltung gebunden (Art. 1 Abs. 3 GG). Aber auch die Träger kollektiver Ordnungen, d.h. auch die Tarifvertragsparteien, haben ihn zu beachten, da sie Gesetze im materiellen Sinn schaf fen (statt aller: BVerfGE 21, 362, 372 = AP Nr. 9 zu § 1542 RVO; BAGE 42, 217, 220 = AP Nr. 124 zu Art. 3 GG, zu II der Gründe). Der allgemeine Gleichheitssatz ist Teil der objektiven Wertordnung, die als verfassungsrecht liche Grundentscheidung für alls Bereiche des Rechts gilt.

Gegenüber diesen allgemeinen Rechtsgrundsätzen regelt § 2 Abs. 1 BeschFG nur einen Ausschnitt. Diese Vorschrift konkretisiert das Gebot der Gleichbehandlung für den Bereich der Teilzeitarbeit. Der Gesetzgeber wollte dazu beitragen, zusätzliche Beshäftigungsmöglichkeiten zu schaffen, aber auch einen besseren Schutz der Teilzeitarbeit zu erreichen (vgl. Wlotzke, NZA 1984, 217 ff.). Eine unterschiedliche Behandlung von Arbeitnehmern soll nic ht wegen der Teilzeitarbeit zulässig sein. Sachliche Gründe, die eine unterschiedliche Behandlung von Teilzeitkräften gestatten, müssen anderer Art sein, etwa auf Arbeitsleistung, Qualifikation, Berufserfahrung oder unter schiedlichen Anforderungen am Arbeitsplatz beruhen (Wlotzke, NZA 1984, 218).

b) Der allgemeine und der besondere Gleichbehandlungsgrundsatz des § 2 Abs. 1 BeschFG sind im Streitfall anzuwenden.

(1) Das Verbot einer Ungleichbehandlung ohne sachliche Rechtfertigung galt auch in Bezug auf Teilzeitbeschäftigte nicht erst seit dem Inkrafttreten des Beschäftigungsförderungsgesetzes am 1. Mai 1985. § 2 Abs. 1 BeschFG k onkretisiert lediglich ohnehin geltendes Recht (vgl. Hanau, NZA 1984, 345 ff.).

(2) Die Geltung des § 2 Abs. 1 BeschFG wird nicht durch den Tarifvorrang gem. § 6 Abs. 1 BeschFG aufgehoben. Die Bestimmung gestattet es den Tarifvertragsparteien, von den Vorschriften über die Teilzeitarbeit auch zuungun sten der Arbeitnehmer abzuweichen.

Es ist schon zweifelhaft, ob der BAT und der ihn ergänzende Versorgungstarifvertrag in den bis zum 31. März 1991 geltenden Fassungen eine abweichende Regelung i. S. des § 6 Abs. 1 BeschFG enthielten (vgl. Teil-Urteil des Fünften Senats des BAG vom 25. Januar 1989, BAGE 61, 45, 47 ff. = AP Nr. 2 zu § 2 BeschFG 1985, zu III der Gründe). Gem. § 3 q BAT und § 5 VersTV waren bis zum 31. März 1991 die unterhalbzeitig bzw., ab 1. Januar 1988, di e unter 18 Wochenstunden beschäftigten Arbeitnehmer vom Geltungsbereich der Tarifverträge ausgenommen. Die Herausnahme dieser Arbeitnehmergruppe aus dem Geltungsbereich der Tarifverträge schafft nach dieser Auffassung noc h keine abweichende Regelung.

Aber auch wenn man, wie der Senat, den Ausschluß von Arbeitnehmern vom Geltungsbereich eines Tarifvertrags als ein rechtstechnisches Mittel zum Ausschluß der Arbeitnehmer von tariflich vorgesehenen Leistungen ansieht, wär e eine solche “Regelung” mit dem Ziel des Ausschlusses unterhalbzeitig bzw. unter 18 Wochenstunden beschäftigter Arbeitnehmer ohne das Vorliegen sachlich rechtfertigender Gründe unwirksam (Beschluß des Senats vom 29. Augu st 1989 – 3 AZR 370/88 – BAGE 62, 334, 338 = AP Nr. 6 zu § 2 BeschFG 1985). Hanau (NZA 1984, 345, 346) weist zutreffend darauf hin, daß auch das Beschäftigungsförderungsgesetz den Tarifvertragsparteien nicht das Recht erö ffnet, unsachlich benachteiligende Regelungen zu beschließen. Das Verbot einer unsachlich benachteiligenden Behandlung von Teilzeitarbeitnehmern beruht auf Art. 3 Abs. 1 GG (in diesem Sinne auch Schüren/Kirsten, Anm. zu A P Nr. 6 zu § 2 BeschFG 1985; Kraft/Raab, Anm. zu EzA § 2 BeschFG 1985 Nr. 3). Daran müssen sich auch die Tarifvertragsparteien halten. In der Sache folgt auch der Sechste Senat dieser Auffassung (Urteil vom 7. November 19 91 – 6 AZR 392/88 – zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen – zu I 3 d der Gründe).

(3) Der Anwendung des – allgemeinen und besonderen – Gleichbehandlungsgrundsatzes steht auch nicht der Grundsatz der Vertragsfreiheit entgegen.

Die Auffassung, daß Teilzeitarbeitnehmer sowohl im Verhältnis untereinander als auch im Verhältnis zu Vollzeitarbeitnehmern nur aus sachlichen Gründen unterschiedlich behandelt werden dürfen, entspricht der ständigen Rech tsprechung des Bundesarbeitsgerichts. Zwar wird die Ansicht vertreten, bis zum Inkrafttreten des Beschäftigungsförderungsgesetzes habe bei der Festlegung der Vergütung der Grundsatz der Vertragsfreiheit Vorrang vor dem ar beitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz gehabt (BAG Urteil vom 10. April 1973 – 4 AZR 180/72 – AP Nr, 38 zu § 242 BGB Gleichbehandlung und Urteil vom 30. Mai 1984 – 4 AZR 146/82 – AP Nr. 2 zu § 21 MTL II, zu IV der Gr ünde; BAG Urteil vom 23. Oktober 1991 – 4 AZR 500/90 – ZTR 1992, 72;GK-TzA Lipke, Art. 1 § 2 BeschFG 1985 Rz 121). Der Anspruch der Klägerin auf Gleichbehandlung scheitert aber nicht an diesem Vorrang. Er gilt nur für ind ividuell getroffene Vereinbarungen. Stellt der Arbeitgeber einzelne Arbeitnehmer besser, so können die anderen Arbeitnehmer daraus keinen Anspruch auf Gleichbehandlung herleiten. Dagegen greift das Gebot der Gleichbehandl ung immer dann ein, wenn der Arbeitgeber die Leistungen nach einem erkennbaren Prinzip in Gestalt abstrakter Regelungen gewährt (BAGE 45, 66, 73 = AP Nr. 66 zu § 242 BGB Gleichbehandlung, zu I 3 b der Gründe; BAG Urteil v om 27. Juli 1988 – 5 AZR 214/87 – AP Nr. 83 zu § 242 BGB Gleichbehandlung, zu II 2 b der Gründe; BAG Urteil vom 24. Oktober 1989 – 8 AZR 5/89 – BAGE 63, 181, 185 = AP Nr. 29 zu § 11 BUrlG, zu II 2 der Gründe, der Sache na ch ebenso Urteil des Senats vom 12. November 1991 – 3 AZR 489/90 – zu 3 a und b der Gründe, zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen; Urteil des Senats vom 12. Juni 1990 – 3 AZR 166/89 – AP Nr. 25 zu § 1 BetrAVG,zu I 2 a und b der Gründe).

3. Die Voraussetzungen. eines Anspruches auf Gleichbehandlung sind im Streitfall erfüllt.

a) Das beklagte Land hat die Klägerin ungleich behandelt und sie im Vergleich zu Vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmern und Teilzeitarbeitnehmern mit längeren Arbeitszeiten schlechter gestellt. Das beklagte Land hat im Hinbl ick auf die Zusatzversorgung seiner Arbeitnehmer Gruppen gebildet; es hat in Anwendung des BAT und des ergänzenden Versorgungstarifvertrags bis zum 31. Dezember 1987 nur halbzeitig und länger beschäftigte Arbeitnehmer undanschließend bis zum 31. März 1991 nur Arbeitnehmer mit 18 Wochenstunden und mehr zur Zusatzversorgung angemeldet. Die Arbeitnehmer mit Arbeitszeiten unterhalb dieser Grenze hat es von der Zusatzversorgung ausgeschlossen .

b) Die Ungleichbehandlung erfolgte wegen der Teilzeitarbeit. Auch dies ergibt sich aus der Anwendung der tariflichen Regelungen des BAT und des ergänzenden Versorgungstarifvertrags durch das beklagte Land als Arbeitgeber.Sowohl § 3 q BAT als auch § 5 VersTV unterschieden in den bis zum 31. März 1991 geltenden Fassungen allein nach dem zeitlichen Umfang der Arbeitsverpflichtung der Teilzeitbeschäftigten.

c) Der Ausschluß der betroffenen Arbeitnehmer von der Zusatzversorgung war willkürlich. Für eine Gruppenbildung allein nach dem Umfang der Teilzeitarbeit gab es keinen sachlichen Grund.

(1) Das beklagte Land macht geltend, schon der Tarifvertrag als solcher stelle einen sachlichen Grund für den Ausschluß dar. Diese Auffassung verkennt, daß wie bereits dargestellt, nach der Rechtsprechung des Bundesverfas sungsgerichts auch tarifliche Regelungen dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG genügen müssen. Auch die Tarifvertragsparteien dürfen Gruppen nur nach sachlichen Kriterien bilden, gleich ob die Gruppenbildun g durch tarifliche Rechtsnormen oder durch Ausschluß vom Geltungsbereich des Tarifvertrags stattfinden. Insoweit geht der Hinweis des beklagten Landes fehl, den Tarifvertragsparteien stehe ein weiter Regelungs- und Emesse nsspielraum zu. Die Gestaltungsfreiheit der Tarifvertragsparteien endet an den Grenzen zwingenden übergeordneten Rechts (vgl. auch hierzu Hanau, NZA 1984, 345, 346).

Demgemäß erweist sich auch der Hinweis des beklagten Landes auf die in Art. 9 Abs. 3 GG garantierte Tarifhoheit der Verbände als unmaßgeblich. Auch wenn die Tarifvertragsparteien, wie das beklagte Land hervorhebt, nicht g ezwungen werden können, für alle Arbeitnehmer einer Branche, eines öffentlichen Dienstbereichs oder eines Unternehmens – beim Firmentarifvertrag – einen Tarifvertrag abzuschließen, müssen sie dann, wenn sie Ansprüche auf tarifliche Leistungen vereinbaren, zwingendes Recht beachten. Sie dürfen nicht einen Teil der Arbeitnehmerschaft aus sachlich nicht berechtigten Gründen von diesen Leistungen ausschließen (so Beschluß des Senats vom 29. A ugust 1989 – 3 AZR 370/88 – AP, aaO., zu B der Gründe; vgl. ferner BAG Urteil vom 15. November 1990 – 8 AZR 283/89 – BAGE 606, 220, 223 = AP Nr. 11 zu § 2 BeschFG 1985, zu I der Gründe).

(2) Das beklagte Land beruft sich zur Rechtfertigung der unterschiedlichen Behandlung der Arbeitnehmer auf den Grundgedanken und die Geschichte der Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst. Ausgang der Entwicklung sei das Bestreben gewesen, den Arbeitnehmern des öffentlichen Dienstes eine beamtenähnliche Versorgung zu verschaffen. Mit Wirkung vom 1. Januar 1967 sei ein volldynamisches Gesamtversorgungssystem eingeführt worden. Dies sei nurzu rechtfertigen gewesen, wenn dem Versorgungsanspruch eine beamtenähnliche Dienst- und Treuepflicht sowie eine beamtenähnliche Lebensarbeitszeit gegenübergestanden hätten. Für weniger als halbzeitig beschäftigte Arbeitn ehmer oder gar Arbeitnehmer mit einer noch geringeren Arbeitszeit sei ein solches System ungeeignet und auch nicht entwickelt worden (zum ganzen Kiefer, ZTR 1989, 91, 94).

Es mag zutreffen, daß eine dynamisierte Vollversorgung der Arbeitnehmer entsprechend der Versorgung der Beamten nicht mehr dem ursprünglichen Vorstellungsbild entspricht, wenn teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer – anteilig – eine gleiche Versorgung verlangen können. Das ändert aber nichts daran, daß die Gewährung anteiliger Versorgungsleistungen auch in einem System möglich ist, das als Gesamtversorgungssystem entwickelt wurde und eine kauf kraftstabile Vollversorgung vorsah. In der Privatwirtschaft sind teilzeitbedingte anteilige Versorgungsleistungen, die nach einem Gesamtversorgungsbedarf ermittelt werden, durchaus üblich. Auch im öffentlichen Dienst zwingt das Vorbild einer beamtenähnlichen Vollversorgung nicht dazu, Teilleistungen wegen des geringeren Umfangs an Arbeitszeit völlig zu versagen.

Überdies ist ein Vergleich der Arbeitnehmer mit den Beamten ungeeignet, um daraus Rechtsfolgen für die Behandlung von Teilzeitleistungen abzuleiten. Der Arbeitnehmer, auch der des öffentlichen Dienstes, wird nicht in einem Dienst- und Treueverhältnis unterhalten, sondern er erwirbt mit seiner Vorleistung im bestehenden Arbeitsverhältnis Entgeltansprüche gegen seinen öffentlichen Arbeitgeber, zu denen auch die Ansprüche auf die Zusatzversorgung nach Eintritt in den Ruhestand zählen. Deswegen läßt sich eine unterschiedliche Behandlung der Arbeitnehmer untereinander nicht mit der Begründung rechtfertigen, eine beamtenähnliche Vollversorgung sei nur bei einem entsprechenden quantitativen Umfang der Arbeitszeit möglich. Zudem eröffnet § 79 a BGB seit dem 2. April 1969 auch Beamten die Möglichkeit einer Teilzeitbeschäftigung. Und schließlich haben die Tarifvertragsparteien des öffentlichen Dienstes selbst mit Wirkung vom 1. April 1991 dem Gedanken Rechnung getragen, daß die Zusatzversorgung der Arbeitnehmer auch des öffentlichen Dienstes Arbeitsentgelt darstellt. Sie haben mit Wirkung vom 1. April 1991 die Teilzeitbeschäftigung bis zur Grenze der Geringfügigkeit in die Zusatzversorgung einbezogen.