LEITSATZ Fragerecht des Arbeitgebers und Offenbarungspflicht des Arbeitnehmers bei der Einstellung: (a) Kriterien für die Zulässigkeit der Frage nach Körperbehinderungen;
(b-c) uneingeschränkt zulässige Frage nach eventueller Schwerbehinderteneigenschaft, (c) aber keine Pflicht des Arbeitnehmers, seine Schwerbehinderteneigenschaft ungefragt
zu offenbaren;
GRÜNDE Die von den der Bekl. im Einstellungsfragebogen gestellte Fragen “Sind Sie körperbehindert oder kriegsversehrt?” wurde von der (als Schwerbehinderte anerkannte) Kl.
wahrheitswidrig verneint. Folgende Körperbehinderungen liegen bei der Kl. vor: Meniskusleiden, Pyelitis, Migräne und aus einer Polytoxikomanie resultierende Behinderungen.
Die Bekl. focht den Arbeitsvertrag wegen arglistiger Täuschung an. “…Nach ständ. Rechtspr. des BAG stellt nicht jede unwahre Beantwortung einer in einem
Einstellungsfragebogen gestellten Frage eine arglistige Täuschung i. S. des § 123 BGB dar, sondern nur eine falsche Antwort auf ein zulässigerweise gestellte Frage (BAG..DB
1984, 298 [hier: VIA (602) 66 f]). (a) Rechtsfehlerhaft sieht das LAG jedoch die Frage nach dem Vorliegen einer Körperbehinderung als ohne weiteres zulässig an. Zwar ist –
soweit ersichtlich – das Problem, ob der ArbGeber den ArbNehmer bei der Einstellung zulässigerweise nach dem Vorliegen einer Körperbehinderung fragen darf, weder in der
Rechtspr. noch in der Literatur bisher eingehend behandelt worden. Da durch die Körperbehinderung jedoch grundsätzlich der Gesundheitszustand beeinträchtigt ist, ist es
gerechtfertigt, in diesen Fällen die Grundsätze anzuwenden, die zu Zulässigkeit der Frage nach Krankheiten bzw. dem Gesundheitszustand entwickelt worden sind. Nach
allgemeiner Meinung wird dem ArbGeber ein Fragerecht nur insoweit zugestanden, als er ein berechtigtes , billigenswertes und schutzwürdiges Interesse an der Beantwortung
seiner Frage für das Arbeitsverhältnis hat (BAGE..22, 278). …Im wesentlichen beschränkt sich..das Fragerecht des ArbGebers auf folgende Punkte..: Liegt eine Krankheit bzw.
eine Beeinträchtigung des Gesundheitszustandes vor, durch die die Eignung für die vorgesehene Tätigkeit auf Dauer oder in periodisch wiederkehrenden Abständen eingeschränkt
ist? Liegen ansteckende Krankheiten vor, die zwar nicht die Leistungsfähigkeit beeinträchtigen, jedoch die zukünftigen Kollegen oder Kunden gefährden? Ist zum Zeitpunkt des
Dienstantritts bzw. in absehbarer Zeit mit einer Arbeitsunfähigkeit zu rechnen, z. B. durch eine geplante Operation, eine bewilligte Kur oder auch durch eine zur Zeit
bestehende akute Erkrankung? Diesen Grundsätzen steht auch nicht die Entscheidung des Ersten Senats des BAG in BAGE 15, 261 = DB 1964, 555 entgegen. …Aus dieser
Entscheidung läßt sich nicht herleiten, die Frage nach dem Vorliegen einer Körperbehinderung sei ohne weiteres zulässig. Vielmehr ist nach den zur Begrenzung des Fragerechts
des ArbGebers nach Krankheiten aufgestellten Grundsätzen die Frage nach einer Körperbehinderung nur insoweit zulässig, als sie auf eine durch die Körperbehinderung mögliche
Beeinträchtigung der zu verrichtenden Arbeit gerichtet ist. Die Kl. durfte daher vorliegend die Frage nach dem Vorliegen einer Körperbehinderung nur dann nicht
wahrheitsgemäß beantworten, wenn die bei ihr vorliegenden Behinderungen..ihre Eignung als Maschinenarbeiterin erfahrungsgemäß beeinträchtigt hätten. … (b-c) Eine
arglistige Täuschung kann nicht darin gesehen werden, daß die Kl. bei der Einstellung ihre Schwerbehinderteneigenschaft verschwiegen hat. Die Frage des ArbGebers [hiernach]
wird uneingeschränkt als zulässig erachtet (BAG, DB 1976, 1240..). … Die Kl. ist von der Bekl. vorliegend [jedoch] nicht nach dem Vorliegen der
Schwerbehinderteneigenschaft, sondern nach dem Vorliegen einer Körperbehinderung gefragt worden. Da das Vorliegen einer bloßen Körperbehinderung noch nicht die an die
Schwerbehinderteneigenschaft geknüpften gesetzl. Verpflichtungen auslöst, können die für die Frage nach der Schwerbehinderteneigenschaft aufgestellten Grundsätze nicht auf
die Frage nach einer Körperbehinderung übertragen werden.”