OLG Thüringen: Stiftung Weimarer Klassik zur Herausgabe wertvoller Möbel aus Schloss Großkochberg verurteilt

Mit einem am 04.04.2001 verkündeten Urteil (8 U 577/00) hat der8. Zivilsenat des Thüringer OLG die Stiftung Weimarer Klassik verurteilt, an die Erbinnen des letzten Eigentümers des Schlosses Großkochberg zwei kunsthistorisch wertvolle Möbelstücke herauszugeben. Es handelt sich um einen Schreibsekretär Johann Wolfgang von Goethes und einen weiteren Schreibsekretär, den der Dichter Charlotte von Stein geschenkt hatte. Den Gesamtwert beider Möbelstücke haben die Parteien mit etwa 120 000,- DM angegeben.

Das Rittergut mit Schloss Großkochberg samt Inventar stand 1933 im Eigentum von Felix Freiherr von Stein, einem Urenkel Charlotte von Steins. Dieser schloss 1933 einen Erbvertrag mit seinem Neffen, nach dem das gesamte Rittergut beim Tode des Onkels auf den Neffen übergehen sollte. Die Witwe Felix von Steins sollte ein lebenslanges Wohnrecht im Schloss und den größten Teil des Mobiliars mit Ausnahme der Goethe-Erinnerungsstücke erhalten. Felix von Stein verstarb 1938; seine Witwe blieb bis 1947 im Schloss wohnen, wo auch die beiden Möbelstücke bis zum heutigen Tag verblieben. Der Neffe des Erblassers begab sich nach dem 2. Weltkrieg nach Westdeutschland,verstarb 1981 in Dänemark und wurde von seinen beiden Töchtern, den Klägerinnen, beerbt. Schloss Großkochberg war im Zuge der Thüringer Bodenreform enteignet worden. Das Landgericht hat die Klage auf Herausgabe mit der Begründung abgewiesen, der Vater der Klägerinnen habe das Eigentum auch an den Möbelstücken durch die Enteignung in der Bodenreform verloren.

Dem ist das Oberlandesgericht nicht gefolgt. Es hatte sich vor allem mit der streitigen Frage zu befassen, ob die Enteignung landwirtschaftlicher Besitzungen im Zuge der Bodenreform automatisch auch kunstgegenständliches Mobiliar in den zugehörigen Wohngebäuden umfasste. Das hat das OLG verneint und sich der in der Rechtsprechung herrschenden Auffassung angeschlossen, nach der die Enteignung durch die Bodenreform nach ihrer Zielrichtung nur landwirtschaftliches Inventar und Mobiliar, nicht aber Kunstgegenstände betraf. Der Senat hat in den Urteilsgründen im einzelnen ausgeführt, dass dies sogar der Rechtsauffassung in der DDR entsprach. Aus den Gesamtumständen des Falls hat das Gericht sodann abgeleitet, dass auch ein individueller Enteignungsakt hinsichtlich der Möbel in der sowjetischen Besatzungszone bzw. der DDR nicht erlassen worden sei. Schließlich sei auch durch das Fürstenenteignungsgesetz, das im übrigen nur regierende Fürstenhäuser betroffen habe, eine Enteignung von Kunstgegenständen nicht erfolgt. Mithin habe der Vater der Klägerinnen sein Eigentum an den Möbeln nie verloren; als seinen Erbinnen stehe ihnen ein Herausgabeanspruch zu. Seine Verurteilung hat das OLG unter den Vorbehalt gestellt, dass den in Dänemark wohnenden Klägerinnen die nach dem Thüringer Denkmalschutzgesetz erforderliche Verbringungsgenehmigung erteilt wird.

Das Urteil des Oberlandesgericht ist nicht rechtskräftig, weil die Stiftung Weimarer Klassik Revision zum Bundesgerichtshof eingelegt hat (Aktenzeichen des BGH: II ZR 135/01).